Arbeitsrecht

Beschwerde, Bedarfsgemeinschaft, Einkommen, Leistungen, Sozialleistungen, Freibetrag, Rechtsbeschwerde, Berechnung, Leistung, Ehegatten, Staatskasse, Verwertung, Einstehensgemeinschaft, Hilfsantrag, Aufgabe zur Post, keinen Erfolg

Aktenzeichen  6 T 2268/21

Datum:
9.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53958
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

2 XVII 282/15 2021-06-04 AGMIESBACH AG Miesbach

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Betroffenen vom 17.06.2021 gegen den Beschluss des Amtsgerichts-Betreuungsgerichts Miesbach vom 04.06.2021 wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1.
Für die Betroffene besteht seit 2015 eine Betreuung, die seit 2018 durch Frau R3. K. berufsmäßig geführt wird. Frau F. bezieht Leistungen der Grundsicherung, welche auf ihr Girokonto überwiesen werden. Weiteres Vermögen oder Einkommen ist nicht vorhanden. Sie lebt mit ihrem Ehemann zusammen. Dieser verfügt über keinerlei Vermögen, bezieht aber eine Rente von aktuell 909,43 €.
Im Rahmen ihres Verbraucherinsolvenzverfahrens wurden am 27.11.2020 € 8.865,- an die Betroffene ausgeschüttet, weshalb sie bis 1.6.2021 keine Sozialleistungen erhielt.
Mit Schriftsatz vom 28.4.2021 beantragte die Betreuerin, eine Vergütung aus der Staatskasse für die Zeit vom 27.01. bis 26.04.2021 in Höhe von € 513,- € (Monatspauschale i.H.v. € 171,- für mittellose, nicht in einem Heim wohnende Betreute gem. Tabelle C, Nr. C 5.2.1.) festzusetzen, hilfsweise eine solche aus dem Vermögen des Betroffenen in Höhe von € 633,- (monatlich € 211,- für nicht mittellose Person gem. Vergütungstabelle C.5.2.2.). Sie ist der Auffassung, für ihr Mündel gelte wegen des Ehemannes eine Schonvermögensgrenze von 10.000,- €.
Das Betreuungsgericht lehnte mit Beschluss vom 04.06.2021 eine Vergütung aus der Staatskasse ab und gab dem Hilfsantrag auf Vergütung aus dem Vermögen statt.
Nach Abzug dieser Vergütung verfügt die Betroffene aktuell noch über ein Vermögen in Höhe von € 6.575,-.
2.
Gegen vorbezeichneten, durch Aufgabe zur Post am 08.06.2021 bekannt gegebenen Vergütungsbeschluss wendet sich die Betroffene, vertreten durch ihre Betreuerin, mit ihrer Beschwerde vom 17.06.2021.
Die Beschwerdeführerin steht auf dem Standpunkt, es müsse – ebenso wie im Sozialrecht – ein doppelter Betrag in Höhe von € 10.000,- als Schonvermögen in Ansatz gebracht werden. Ebenso wie dort müsse auch bei der betreuungsrechlichen Vergütung das Schonvermögen verdoppelt werden. Es könnte nicht sein, dass eine betreute Person im Sozialhiferecht als mittellos behandelt werde, im Vergütungsrecht hingegen als vermögend. Aus § 1836 c Nr. 1 S.3 BGB ergebe sich (in Zusammenschau mit § 1360 BGB), dass im Betreuungsrecht auch das Vermögen des Ehegatten für die Frage der Mittellosigkeit herangezogen werde. Auf die Ausführungen Bl. 296 ff d.A. wird, ebenso wie ergänzend auf den übrigen Akteninhalt, Bezug genommen.
Das Betreuungsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 22.06.2021 nicht ab.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Betreuungsgericht hat zu Recht eine Vergütung aus dem Vermögen der Betroffenen festgesetzt, weil die Betroffene nicht mittellos im Sinne von §§ 1836c, 1836d BGB ist:
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Haftungssubjektes ist derjenige der letzten Tatsacheninstanz.
Danach verfügt F. F. aktuell – wenn man die bereits abgeflossene Vergütung wieder einberechnet – über ein Vermögen von etwas über 7000,- € und ist somit vermögend im Sinne des Betreuungsrechtes, weil ihr Vermögen über der Schonvermögensgrenze des § 1836 c Nr.2 BGB i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII und § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Barbetragsverordnung) liegt.
Die Rechtsfrage, ob die Schonvermögensgrenze bei einer vom Ehegatten nicht getrennt lebenden betreuten Person mit 5000,- oder mit 10.000,- € zu bemessen ist, beantwortet die Kammer im Einklang mit dem Betreuungsgericht im erstgenannten Sinne.
Es folgt dies aus Sicht des Beschwerdegerichts vor allem aus dem Wortlaut des § 1836 c Nr. 2 BGB, wonach der Schuldner „sein Vermögen nach Maßgabe des § 90 SGB XII“ einzusetzen hat.
Das Vergütungsrecht stellt damit auf die individuellen Vermögensverhältnisse der betroffenen Person ab und nicht wie das Sozialhilferecht auf die Vermögensverhältnisse der Bedarfsgemeinschaft. Für die Hilfe zum Lebensunterhalt stellt § 27 Abs. 2 SGB XII auf das Einkommen und Vermögen beider Eheleute zusammen ab. Für die hier einschlägige Grundsicherung bei Erwerbsminderung sieht § 43 Abs. 2 SGB XII ebenfalls ausdrücklich vor, dass Einkommen und Vermögen des getrennt lebenden Ehegatten für die Berechnung des maßgeblichen Einkommens und Vermögens zu berücksichtigen sind. Eine solche Regelung fehlt, wie auch das LG Kassel in seiner Entscheidung vom 12.06.2020, 6 T 195/20, ausgeführt hat, für das Betreuungsrecht.
Das ist aus Sicht der Beschwerdekammer auch sachgerecht, denn das Betreuungsrecht stellt – wie bereits erwähnt – auf die individuelle Person ab und ist nicht, wie die Regelungen des Sozialrechts, vor dem Hintergrund der Bedarfsgemeinschaft zu sehen. Das dahinter stehende Prinzip (einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft) ist auf die Frage, wer die Betreuervergütung zu zahlen hat, nicht übertragbar. Soweit – wie vorliegend – nur eine Person aus der Bedarfsgemeinschaft Leistungen bezieht, rechtfertigt sich die Zugrundelegung des doppelten Freibetrages letztlich im Sozialhilferecht deshalb, weil dort auch das Einkommen und das Vermögen des Ehegatten bei der Berechnung der Leistung zum Nachteil der betroffenen Person angerechnet werden. Dann, aber auch nur dann, ist es konsequent, auch den doppelten Freibetrag (Schonvermögen) zu gewähren. Im Betreuungsrecht werden hingegen Einkommen und Vermögen des Ehepartners nicht zu Lasten der Betroffenen Person angerechnet. Dann ist es konsequent, dies auch nicht zu dessen Gunsten zu tun.
Der Einwand der Beschwerde, es könne nicht sein, dass ein Sozialhilfeempfänger gleichwohl für die Kosten der Betreuung aufkommen muss, verfängt nicht. Es liegt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor. Die Relevanz der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft im Sozialhilferecht ist vor dem vorstehend geschilderten besonderen Hintergrund zu sehen.
Die Auffassung der Beschwerdeführerin, aus § 1836 c Nr. 1 S.3 BGB folge wegen § 1360 BGB, dass auch das Vermögen des Ehegatten zu berücksichtigen sei, ist aus Sicht der Kammer nicht überzeugend.
Es spricht hiergegen schon der Wortlaut des § 1836 c Nr. 2 BGB, wonach ein Betreuter „sein“ Vermögen einzusetzen hat. Dies steht im klaren Gegensatz zur Nr.1 der Vorschrift, wo das Einkommen des nicht getrennt lebenden Ehegatten ausdrücklich mitberücksichtigt wird.
Aus § 1360 BGB folgt im Übrigen nicht ohne Weiteres eine Pflicht, den Vermögensstamm zu verwerten. Nicht selten wird die Verwertung des Vermögensstammes unter Berücksichtigung der Wertungen der §§ 1577 Abs. 3 und 1581 S. 2 BGB als unwirtschaftlich oder aber unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse als unbillig anzusehen sein (BeckOGK/Preisner, 1.5.2021, BGB § 1360 Rn. 162).
Darüberhinaus ist aus Sicht der Kammer eine konkrete Betrachtungsweise erforderlich. Im vorliegenden Fall besteht angesichts der bescheidenen Einkunftsverhältnisse des Hr. F. konkret kein Unterhaltsanspruch gegen ihn, so dass es hier auf § 1836 c Nr. 1 BGB für die Frage der für die Betreuervergütung einzusetzenden Mittel gar nicht ankommt. Vor allem aber würde § 1836 c Nr. 1 S.3 BGB ohnehin nur greifen, wenn das vorhandene Vermögen der Frau F. nicht zur Bezahlung der Vergütung ausreichen würde. Vorliegend ist dies aber gerade nicht der Fall. Ein ohnehin nur hypothetischer Unterhaltsanspruch ist hier nicht zu berücksichtigen, weil das Vermögen der Frau F. noch über der Schonvermögensgrenze liegt. Eine lediglich hypothetischer Unterhaltsanspruch (der theoretisch auch die Verpflichtung, das Vermögen für den Unterhalt – nicht aber unmittelbar für die Betreuervergütung betreffend die Ehefrau -einzusetzen umfasst) kann aber (ungeachtet der Regelung des § 1836 d Nr. 2 BGB) nicht dazu führen, dass die Schonvermögensgrenze erhöht wird. Oder anders gewendet: die rein abstrakte Möglichkeit, dass ein Betreuter über hinreichendes Einkommen verfügt, weil er gegebenenfalls einen Unterhaltsanspruch gegen seinen Ehepartner hat, der u.U. durch Inanspruchnahme des Vermögensstammes zu bedienen ist, führt nicht dazu, dass sich das Schonvermögen betreffend die Betreuervergütung verdoppelt.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die Kammer hat angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Rechtsfrage die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.


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