Arbeitsrecht

Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe

Aktenzeichen  4 C 18.867

Datum:
23.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2018, 855
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166 Abs. 1 S. 1, 3 122 Abs. 2 S. 3
GG Art. 1 Abs. 1
ZPO § 114
FBS § 14, § 15 Abs. 2 S. 1, 3 u. 4 u. Abs. 7

 

Leitsatz

Die gemeindliche Satzungsautonomie im Friedhofs- und Bestattungsrecht deckt auch eine Bestimmung ab, wonach in den ersten fünf Jahren nach einer Bestattung in der Regel keine Umbettungen stattfinden sollen. (Rn. 6)

Verfahrensgang

W 2 K 16.752 2018-01-29 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde des Klägers gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe im Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 29. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Der Kläger verfolgt mit der Beschwerde seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage weiter, mit der er die Zustimmung der Beklagten zu einer Urnenumbettung erstrebt. Die Totenasche seiner im August 2014 verstorbenen Mutter wurde am 10. November 2014 auf einem der Friedhöfe der Beklagten beigesetzt. Diese lehnte Begehren des Klägers, die Urne wegen eines geplanten Umzugs in die Schweiz umbetten zu lassen, unter Hinweis auf ihre satzungsrechtlichen Vorgaben mit Schreiben vom 1. Februar 2016 und weiteren Schreiben ab.
Daraufhin erhob der Kläger Klage und stellte einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, den das Verwaltungsgericht mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage ablehnte. Gegen diesen Beschluss erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers Beschwerde, die er mit der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Ruhezeit bei Urnenbestattungen begründete. Die Beklagte tritt dem Beschwerdevorbringen entgegen.
II.
1. Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung abgelehnt (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO). Der erkennende Senat schließt sich der zutreffenden Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts an und sieht insoweit gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO von einer eigenen Darstellung ab. Das Vorbringen des Klägers im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine gegenüber der Ausgangsentscheidung veränderte Beurteilung. Die Beklagte hat auf der Grundlage ihrer satzungsrechtlichen Bestimmungen (dazu a) die Zustimmung zur Urnenumbettung zu Recht versagt (dazu b).
a) Für Umbettungen auf den Friedhöfen, deren Träger die Beklagte ist, besteht ein satzungsrechtlicher Zustimmungsvorbehalt, der dem allgemeinen Pietätsempfinden und der in Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Totenruhe Rechnung trägt (aa). Seine Ausgestaltung durch die Beklagte ist nicht zu beanstanden (bb).
aa) Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Zustimmung zur Umbettung der Totenasche seiner Mutter ist § 15 Abs. 2 der Friedhofs- und Bestattungssatzung der Beklagten vom 24. November 2010 (im Folgenden: FBS). Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 FBS bedürfen Umbettungen von Leichen und Aschen, unbeschadet der sonstigen gesetzlichen Vorschriften, der vorherigen Zustimmung der Beklagten. Die Zustimmung kann nach Satz 2 nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes erteilt werden. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wird durch die Sollvorschrift in Satz 3 dahingehend konkretisiert, dass in den ersten fünf Jahren nach einer Bestattung in der Regel keine Umbettungen durchgeführt werden sollen. Gemäß Satz 4 kann die Beklagte Ausnahmen zulassen, wenn ein öffentliches Interesse besteht oder die Umbettung zumutbar ist. § 15 Abs. 7 FBS stellt klar, dass der Ablauf der Ruhezeit durch eine Umbettung nicht unterbrochen oder gehemmt wird. Die Ruhezeit für Aschen wird in § 14 Abs. 3 FBS auf zehn Jahre, die für Leichen in § 14 Abs. 1 FBS auf fünfzehn Jahre festgelegt.
bb) Gegen die satzungsrechtlichen Bestimmungen über die Umbettung bestehen angesichts der gemeindlichen Satzungsautonomie aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG keine durchgreifenden Bedenken. Insbesondere ergeben sich solche nicht aus der vom Kläger in Bezug genommenen jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Ruhezeit bei Erd- und Urnenbestattungen (BayVGH, U.v. 31.1.2018 – 4 N 17.1197 – juris Rn. 17 ff.). Gegenstand des dortigen Normenkontrollverfahrens war die Satzung einer anderen Gemeinde, die eine Ruhezeit von zwölf Jahren bei Erdbestattungen und von zwei Jahren bei Urnenbestattungen vorsah. Der Verwaltungsgerichtshof hat die unterschiedliche Länge der Ruhezeiten von Verfassungs wegen nicht beanstandet (BayVGH, a.a.O., Rn. 28) und ausgeführt, dass die Verpflichtung zur Gewährleistung einer den Pietätsvorstellungen der Gesellschaft angemessenen Bestattung einer Ruhezeit von lediglich zwei Jahren bei Urnenbestattungen nicht entgegensteht (BayVGH, a.a.O., Rn. 31). Eine Aussage zu der von der Beklagten getroffenen Umbettungsregelung trifft dieses Urteil nicht. Weder ergibt sich daraus, dass die Ruhezeit bei Urnenbestattungen regelmäßig oder gar zwingend nach zwei Jahren enden müsste, noch lässt sich daraus die Vermutung ableiten, dass nach Ablauf einer Zweijahresfrist Umbettungsanträge für Urnen positiv zu verbescheiden wären. Die Beklagte konnte daher in § 15 Abs. 2 Satz 3 FBS eine generalisierende und typisierende Präzisierung des wichtigen Grundes dahingehend vornehmen, dass Umbettungen in der ersten Phase nach einer Bestattung regelmäßig – nicht aber ausnahmslos – unterbleiben sollen. Die in § 14 FBS geregelten Ruhezeiten als solche, deren Ablauf bei der Prüfung des wichtigen Grundes für eine Umbettung ebenfalls zu berücksichtigen ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2018 – 4 ZB 16.2301 – juris Rn. 2), bleiben hiervon im Übrigen unberührt.
b) In Anwendung dieser Satzungsbestimmungen hat die Beklagte die Zustimmung zur Umbettung zu Recht verweigert. Nach den Kriterien und Fallgruppen, die sich in der Rechtsprechung für das Vorliegen eines die Umbettung rechtfertigenden wichtigen Grundes herausgebildet haben (aa), steht dem Kläger kein Anspruch auf Erteilung der begehrten Zustimmung zu (bb).
aa) Ein wichtiger Grund im Sinn von § 15 Abs. 2 Satz 2 FBS ist nur dann gegeben, wenn das ihn tragende Interesse ausnahmsweise die durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Totenruhe überwiegt, weil die Umbettung die Würde des Verstorbenen besser wahrt und seinem Willen besser Rechnung trägt. Dies kann namentlich der Fall sein, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten sein ausdrückliches Einverständnis mit der Umbettung erklärt hat („ausdrücklicher Wille“) bzw. wenn zumindest Umstände gegeben sind, aus denen ein dahingehender Wille des Verstorbenen mit hinreichender Sicherheit gefolgert werden kann („mutmaßlicher Wille“), oder wenn das Interesse des Totenfürsorgeberechtigten an der Umbettung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls nach allgemeiner Verkehrsauffassung schutzwürdig ist und seine Gründe so gewichtig sind, dass die Achtung der Totenruhe zurücktreten muss. Ein wichtiger Grund kann danach im Einzelfall auch vorliegen, wenn den Angehörigen des Verstorbenen aufgrund zwingender, auf einer atypischen Entwicklung beruhender Lebensumstände die Totenfürsorge in unzumutbarer Weise erschwert oder gar unmöglich gemacht wird (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 19.3.2018 – 4 ZB 16.2301 – juris Rn. 13; OVG NW, B.v. 5.12.2017 – 19 A 2275/16 – juris Rn. 2; jeweils m.w.N.). Derartige Umstände wären namentlich bei der Prüfung eines Ausnahmetatbestands nach § 15 Abs. 2 Satz 4 FBS zu berücksichtigen.
bb) Hieran gemessen kann ein ausdrückliches oder mutmaßliches Einverständnis der Mutter des Klägers mit ihrer Umbettung nicht festgestellt werden. Dafür genügt weder die pauschale testamentarische Formulierung, dass der Kläger nach dem Tod seiner Mutter „für alles“ sorge, noch lässt sich ein entsprechendes Einverständnis aus der dem Kläger für gerichtliche und geschäftliche Angelegenheiten generell erteilten Vollmacht entnehmen. Auch ist das Interesse des totenfürsorgeberechtigten Klägers an der Umbettung seiner Mutter nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nicht von derart überragendem Gewicht, dass die Achtung der Totenruhe demgegenüber ausnahmsweise zurücktreten muss. Insbesondere ist ein solcher Ausnahmefall nicht infolge des (beabsichtigten) Umzugs des Klägers in die Schweiz gegeben. Ein Umzug aufgrund veränderter Lebensumstände, bei dem sich lediglich das allgemeine Lebensrisiko jedes Angehörigen eines Verstorbenen realisiert, von diesem räumlich getrennt zu werden, stellt für sich genommen regelmäßig keinen wichtigen Grund für die Umbettung dar (BayVGH, B.v. 19.3.2018 – 4 ZB 16.2301 – juris Rn. 18 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass im Fall des Klägers aufgrund atypischer Gegebenheiten eine andere Beurteilung geboten wäre, sind derzeit weder vorgetragen noch ersichtlich.
c) Unter Berücksichtigung des Ausnahmecharakters der Umbettung weist der Senat ergänzend darauf hin, dass der Umbettungswunsch des Klägers gegebenenfalls nach Ablauf des fünfjährigen Regelzeitraums gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 FBS erfüllt werden kann. Auf diese in ihrer Satzung angelegte Differenzierung hat die Beklagte den Kläger bereits im Schreiben vom 1. Februar 2016 sowie nochmals in der Stellungnahme zur Prozesskostenhilfebeschwerde hingewiesen und damit möglicherweise ihr Einverständnis mit der Umbettung nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums in Aussicht gestellt. Es bleibt dem Kläger daher unbenommen, zu gegebener Zeit erneut mit der Beklagten in Kontakt zu treten, um die Umbettung der Urne zu beantragen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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