Arbeitsrecht

Betriebliche Altersversorgung – Betriebsrentenanpassung – wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners – angemessene Eigenkapitalverzinsung – außerordentliche Aufwendungen – Berechnungsdurchgriff – Verrechnungspreisabrede – Patronatserklärung

Aktenzeichen  3 AZR 726/13

Datum:
21.4.2015
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2015:210415.U.3AZR726.13.0
Normen:
§ 16 Abs 1 BetrAVG
§ 16 Abs 2 BetrAVG
§ 253 HGB
§ 266 Abs 3 Buchst A HGB
§ 275 Abs 2 Nr 20 HGB
§ 275 Abs 3 Nr 19 HGB
Art 66 Abs 3 HGBEG
Art 67 Abs 1 HGBEG
Art 67 Abs 7 HGBEG
§ 826 BGB
§ 421 ZPO
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Stuttgart, 9. November 2012, Az: 30 Ca 2098/12, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 3. Juli 2013, Az: 4 Sa 113/12, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 3. Juli 2013 – 4 Sa 113/12 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte nach § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet ist, die monatliche Betriebsrente des Klägers zum 1. Januar 2011 an den Kaufkraftverlust anzupassen.
2
Der Kläger war bis zum 31. Mai 2008 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Er bezieht seit dem 1. Juni 2008 eine Betriebsrente, die sich aus Leistungen der A Unterstützungskasse e. V. sowie Leistungen der Beklagten zusammensetzt. Für die von der Unterstützungskasse zu gewährenden Leistungen besteht eine Rückdeckungsversicherung. Die aus dieser Versicherung anfallenden Überschussanteile werden zur Erhöhung der Unterstützungskassenleistungen verwendet. Die monatliche Betriebsrente des Klägers, die sich bei Rentenbeginn auf insgesamt 4.536,69 Euro brutto belief, erhöhte sich infolge der Überschussbeteiligung zum 1. Januar 2011 auf 4.567,04 Euro brutto, zum 1. Juni 2011 auf 4.574,44 Euro brutto und zum 1. Juni 2012 auf 4.581,58 Euro brutto.
3
Die Beklagte, die in den A-Konzern eingebunden ist, erbringt Telekommunikationsleistungen und damit verbundene Tätigkeiten. Gesellschafter der Beklagten sind die A G N Holdings LLC, D/USA (im Folgenden AGNH) zu 98 % und die A G N Partners Inc., D/USA (im Folgenden AGNP) zu 2 %. Oberstes Mutterunternehmen ist die A Inc., D/USA.
4
Die Beklagte erbringt Leistungen sowohl für externe Dritte als auch für andere Konzerngesellschaften des A-Konzerns. Für die konzernangehörigen Unternehmen erbringt sie Netzinfrastruktur- sowie Verkaufs- und Marketingleistungen. Zudem nimmt sie Verwaltungsaufgaben für die AGNH wahr. Grundlage der konzerninternen Leistungen ist das zwischen der Beklagten und – wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt haben – ihrer Schwestergesellschaft, der A G N Services Niederlande (im Folgenden AGNS Niederlande), am 29. Dezember 2003 mit Wirkung zum 1. Januar 2004 abgeschlossene „Intercompany Trading Agreement“ (im Folgenden AGITA), das eine konzerninterne Verrechnungspreisabrede enthält. Danach erhält die Beklagte für die konzernintern erbrachten Dienstleistungen von der AGNS Niederlande eine sog. „International Network Services Fee“ (im Folgenden AGITA-Gebühr). Für die Höhe der AGITA-Gebühr sind ua. die als sog. Mehrwertkosten definierten Aufwendungen („Value Added Cost“) einschließlich einer Marge („Mark up“) und sog. Nicht-Mehrwertkosten („Non Value Added Cost“) ohne Marge maßgeblich. Der Zuschlag auf die Mehrwertkosten belief sich bis zum Ende des Jahres 2009 auf 6,5 % und konnte in Abhängigkeit von den externen Umsatzerlösen auf bis zu maximal 10,5 % ansteigen. Zum 1. Januar 2010 wurde das AGITA geändert. Seitdem beträgt der Zuschlag auf die Mehrwertkosten mindestens 3 %. Je nach Höhe der externen Umsatzerlöse kann er auf bis zu maximal 6 % ansteigen. Zudem gehören ab dem 1. Januar 2010 Instandhaltungskosten sowie Kosten für Kundenausstattung nicht mehr zu den zuschlagsfähigen Kosten.
5
Ausweislich der von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft P AG geprüften und testierten Jahresabschlüsse erwirtschaftete die Beklagte in den Geschäftsjahren 2008 bis 2010 Jahresüberschüsse. Ihre Umsatzerlöse stiegen von ca. 111,1 Mio. Euro im Jahr 2008 auf ca. 135,1 Mio. Euro im Jahr 2010. Das Eigenkapital der Beklagten erhöhte sich vom 31. Dezember 2007 bis zum 31. Dezember 2012 von etwa 84,8 Mio. Euro auf etwa 106,8 Mio. Euro. In den Geschäftsjahren 2010 bis 2012 hatte die Beklagte außerordentliche Aufwendungen iHv. ca. 2,8 Mio. Euro im Jahr 2010, ca. 3,7 Mio. Euro im Jahr 2011 und ca. 2,7 Mio. Euro im Jahr 2012. Diese sind darauf zurückzuführen, dass die Beklagte aufgrund des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts – Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – (im Folgenden BilMoG) vom 25. Mai 2009 (BGBl. I S. 1102) die Pensionsverpflichtungen neu zu bewerten hatte. Danach waren die Pensionsrückstellungen um (gerundet) 24,6 Mio. Euro auf 57,1 Mio. Euro zu erhöhen. Am 31. Dezember 2010 betrug die Unterdeckung bei den Pensionsrückstellungen noch ca. 21,9 Mio. Euro, am 31. Dezember 2011 noch ca. 18,1 Mio. Euro und am 31. Dezember 2012 noch ca. 15,4 Mio. Euro.
6
Die Beklagte, die die Anpassungsprüfungen gebündelt zum 1. Januar eines jeden Kalenderjahres vornimmt, lehnte eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum 1. Januar 2011 unter Hinweis auf ihre schlechte wirtschaftliche Lage ab.
7
Mit seiner Klage hat der Kläger – gestützt auf § 16 Abs. 1 BetrAVG – eine Erhöhung seiner Betriebsrente zum 1. Januar 2011 um den in der Zeit seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust, den er mit 2,7 % beziffert hat, begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, die wirtschaftliche Lage der Beklagten stehe einer Anpassung seiner Betriebsrente nicht entgegen. Dies zeige bereits der Umstand, dass die Beklagte die Gehälter ihrer Mitarbeiter in der Vergangenheit – mit Ausnahme des Jahres 2009 – regelmäßig erhöht habe. Auch die steigenden Umsatzerlöse der Beklagten in den Jahren 2008 bis 2010 und ihre Jahresüberschüsse ließen nur den Schluss zu, dass die Beklagte zu einer Anpassung der Betriebsrenten in der Lage sei.
8
Jedenfalls müsse sich die Beklagte die günstige wirtschaftliche Lage ihrer beiden Muttergesellschaften im Wege des Berechnungsdurchgriffs zurechnen lassen. Zwischen der Beklagten und den Muttergesellschaften bestehe eine verdichtete Konzernbeziehung, auch habe sich eine konzernspezifische Gefahr verwirklicht. Da die Beklagte nach dem AGITA nur eine Servicegebühr erhalte, in der freien Wirtschaft jedoch deutlich höhere Gewinne erzielen könne, führe das AGITA dazu, dass auf die Belange der Beklagten keine angemessene Rücksicht genommen werde. Zudem stelle das AGITA einen Beherrschungs- bzw. Ergebnisabführungsvertrag dar, da es Regelungen zur Gewinnabführung und zur Übernahme der Personalkosten enthalte. Darüber hinaus enthalte es eine harte Patronatserklärung. Die Beklagte werde infolge der im AGITA getroffenen Vereinbarungen durch eine Betriebsrentenanpassung auch nicht belastet. Vielmehr würden ihr die Personalkosten einschließlich der Kosten der laufenden Betriebsrenten und der Betriebsrentenanpassungen erstattet. Jedenfalls bewirkten die im AGITA getroffenen Absprachen, dass die Beklagte stets Betriebsergebnisse erziele, die eine Betriebsrentenanpassung nicht zuließen. Da sich der Umsatz für die konzernintern erbrachten Leistungen der Beklagten nach der Formel „Interne Umsatzerlöse = externe Umsatzerlöse abzüglich der Kosten ohne Aufschlag sowie abzüglich der Kosten mit Aufschlag“ berechne, könne sich stets nur ein Gewinn iHv. 3 % auf die Mehrwertkosten ergeben. Damit verhindere die – aus steuerlichen Gründen – im AGITA vereinbarte Verrechnungspreisabrede Betriebsrentenanpassungen auf unabsehbare Zeit.
9
Der Kläger hat zuletzt – sinngemäß – beantragt
        
die Beklagte zu verurteilen,
        
1.    
an ihn ab dem 1. Oktober 2012 über die gezahlte Betriebsrente iHv. monatlich 4.581,58 Euro brutto hinaus monatlich weitere 77,60 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgetag des Tages, an dem die Entscheidung rechtskräftig wird, zu zahlen,
        
2.    
an ihn rückständige Betriebsrente für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 30. September 2012 iHv. insgesamt 1.787,98 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgetag des Tages, an dem die Entscheidung rechtskräftig wird, zu zahlen.
10
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, ihre wirtschaftliche Lage lasse eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers an den Kaufkraftverlust zum 1. Januar 2011 nicht zu. Ihre wirtschaftliche Lage in den Geschäftsjahren 2008 und 2009 sei für ihre zukünftige Ertragslage nicht repräsentativ. Die zum 1. Januar 2010 vorgenommene Neubewertung der Pensionsverpflichtungen habe zu einem weiteren Rückstellungsbedarf geführt. Die danach erforderlichen Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen würden bis 2024 jährlich zu mindestens 1/15 vorgenommen. Außerdem seien die in den Jahresabschlüssen ausgewiesenen Ergebnisse um einen sog. „Substanzerhaltungsaufwand“ in Form eines Aufschlags iHv. 15 % der bilanziellen Abschreibungen auf das Anlagevermögen zu korrigieren.
11
Eine Anpassung sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Berechnungsdurchgriffs geschuldet. Zwischen der Beklagten und ihren Gesellschafterinnen bestehe kein Beherrschungs- oder Ergebnisabführungsvertrag. Die Muttergesellschaften hätten auch keine Patronatserklärung zugunsten der Beklagten abgegeben. Aus dem AGITA folge nichts anderes. Dieser Vertrag sehe keine Verpflichtung zur Gewinnabführung vor, sondern enthalte lediglich eine Verrechnungspreisabrede, mit der die Vergütung für die konzernintern erbrachten Leistungen geregelt werde. Die zum 1. Januar 2010 auf 3 % abgesenkte Marge halte einem Fremdvergleich mit Leistungen vergleichbarer Unternehmen stand. Das AGITA stelle sicher, dass die Beklagte stets einen Gewinn auf die sog. Mehrwertkosten erwirtschafte. Der bloße Umstand, dass aufgrund des AGITA die Kosten einer Betriebsrentenanpassung als Teil der Personalkosten – nebst einem Zuschlag von 3 % – von einer anderen Konzerngesellschaft ausgeglichen würden, rechtfertige noch keinen Berechnungsdurchgriff.
12
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.


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