Arbeitsrecht

Betriebliche Altersversorgung – Lebensversicherung

Aktenzeichen  3 AZR 64/19

Datum:
8.12.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2020:081220.U.3AZR64.19.0
Normen:
§ 313 Abs 1 BGB
§ 1 BetrAVG
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Kaiserslautern, 26. Januar 2017, Az: 3 Ca 985/16, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, 7. Mai 2018, Az: 3 Sa 102/17, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Mai 2018 – 3 Sa 102/17 – aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 26. Januar 2017 – 3 Ca 985/16 – wird zurückgewiesen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 26. Januar 2017 – 3 Ca 985/16 – wird in Ziffer 1 und Ziffer 2 wie folgt berichtigt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.003,86 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Januar 2017 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zum Ersten eines jeden Monats ab dem 1. Januar 2017 eine Betriebsrente iHv. 6.142,81 Euro brutto bis zum 31. März 2017 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin, die Witwe eines ehemaligen Arbeitnehmers der Beklagten, von dieser die Erhöhung ihrer Betriebsrente auf der Basis einer vereinbarten Anpassungsregelung verlangen kann.
2
Dem verstorbenen Ehemann der Klägerin, der in leitender Position bei der Beklagten beschäftigt war, wurde am 22. Dezember 1976 eine – neue – Ruhegehaltszusage erteilt. Diese hat ua. folgenden Wortlaut:
        
„Betreff: Ruhegehaltszusage
        
Sehr geehrter Herr J!
        
In Übereinstimmung mit den Leitlinien für die betriebliche Altersversorgung der Mitarbeiter der oberen Führungsebene wird Ihre Versorgungszusage vom 10.12.62 ergänzt und durch die nachstehende Zusage ersetzt:
        
Aus der Verbundenheit mit ihren Mitarbeitern hat die Gesellschaft ein Versorgungswerk geschaffen, nach dem allen Betriebsangehörigen ein Anspruch auf einen Beitrag zu ihrer Versorgung im Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit und nach ihrem Tod zur Unterstützung der Hinterbliebenen gewährt wird.
        
In Anerkennung Ihres Einsatzes und Ihrer Leistungen für O an verantwortlicher Stelle gibt die Gesellschaft Ihnen die folgende, über den allgemeinen Rahmen der Versorgungsordnung hinausgehende Versorgungszusage, die in Verbindung mit der Versorgungsordnung integrierender Bestandteil Ihres Anstellungsvertrages ist:
        
1. Ihr Ruhegehalt beträgt bei Eintritt des Versorgungsfalles 53 % des pensionsfähigen Einkommens.
        
2. Pensionsfähiges Einkommen ist das Bruttoentgelt einschließlich Tantieme, Gratifikationen und ähnlichen Leistungen.
        
3. Die bei Eintritt des Versorgungsfalles festgestellten Versorgungsbezüge gelten als Mindestleistung.
        
Sollten sich nach diesem Zeitpunkt die Tarifgehälter der Angestellten der Pfälzischen Eisen- und Metallindustrie ändern, so ändern sich die Versorgungsbezüge im gleichen Verhältnis wie die höchste Tarifgruppe für kaufmännische Angestellte. Der Anspruch auf die Mindestleistung wird hierdurch nicht berührt.“
3
Die Beklagte gab die jeweiligen tariflichen Gehaltserhöhungen für die Angestellten der Pfälzischen Eisen- und Metallindustrie stets an die Klägerin als Bezieherin einer Witwenrente weiter, dh. erhöhte die monatliche Witwenrente entsprechend. Zum 30. Juni 2016 betrug die Witwenrente der Klägerin 5.975,50 Euro brutto monatlich.
4
Die IG Metall und der Arbeitgeberverband vereinbarten für die Angestellten der Pfälzischen Eisen- und Metallindustrie eine Tariflohnerhöhung für die Tarifgruppe der kaufmännischen Angestellten (E10) für die Zeit ab dem 1. Juli 2016 iHv. 2,8 vH und eine weitere Erhöhung ab dem 1. April 2017 um 2 vH – gemäß Differenzierungstarifvertrag vom 28. März 2017 verschoben auf den 1. Juli 2017. Eine Erhöhung der Witwenrente der Klägerin entsprechend dieser Steigerungen nahm die Beklagte nicht vor.
5
Mit Schreiben vom 28. Juli 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie berufe sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB und werde die Verpflichtung aus der Ruhegehaltszusage vom 22. Dezember 1976 unter Abs. 4 Ziff. 3 künftig nicht mehr wie bisher erfüllen. Stattdessen werde sie Erhöhungen der Witwenrente nur noch nach § 16 BetrAVG vornehmen.
6
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei weiterhin uneingeschränkt an die Regelungen in der Ruhegehaltszusage vom 22. Dezember 1976 gebunden.
7
Sie begehrt mit ihrer Klage die Zahlung einer erhöhten Witwenrente für den Zeitraum 1. Juli 2016 bis zum 31. März 2017 und hat zuletzt beantragt,
        
1.    
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.003,86 Euro brutto nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 2. Januar 2017 zu zahlen;
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, an sie zum 1. eines jeden Monats ab dem „01.02.2017“ eine Betriebsrente iHv. derzeit 6.142,81 Euro brutto unter Berücksichtigung der Erhöhung von 2,8 % der höchsten Tarifgruppe für kaufmännische Angestellte (E 10) bis zum „31.02.2017“ zu zahlen.
8
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, sie habe die Ruhegeldzusage aus dem Jahr 1976 einseitig ändern dürfen, so dass sie künftig das Ruhegeld der Klägerin nur noch im Rahmen des § 16 BetrAVG anzupassen habe. Sie könne sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB berufen. Ihre Pensionsrückstellungen hätten sich vom Geschäftsjahr 2011 iHv. 21.479.608,00 Euro auf 30.825.327,00 Euro für das Geschäftsjahr 2015 erhöht. Dies bedeute eine Steigerung um 43,5 vH. Damit sei ihre Opfergrenze überschritten. Grund für die Erhöhung der Rückstellungen sei eine Gesetzesänderung, die 1976 weder vorhersehbar gewesen noch von der Beklagten zu vertreten sei. Aufgrund der Änderungen durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz 2010 (Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts – Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – im Folgenden BilMoG – vom 25. Mai 2009,
BGBl. I S. 1102) habe sie ihre Pensionsrückstellungen in der Handelsbilanz erhöhen müssen. Verstärkend trete die Niedrigzinsphase hinzu.
9
Auch der Barwert der dem verstorbenen Ehemann der Klägerin 1976 erteilten Versorgungszusage sei aufgrund der Änderungen durch das BilMoG erheblich gestiegen, nämlich um 107,36 vH auf mehr als das Doppelte (207,35 vH) des Ursprungswerts. Auch das führe zu einer deutlichen Überschreitung der Opfergrenze. Sie sei aufgrund dessen wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage zur Anpassung der Versorgungszusage nach billigem Ermessen berechtigt. Es sei eine ursprünglich nicht kalkulierbare nachträgliche Erhöhung ihrer finanziellen Belastung aus der vereinbarten Versorgungszusage eingetreten. Die Erhöhung des Barwerts der Versorgungszusage um mehr als 100 vH stehe nicht nur auf dem Papier in der Bilanz, sondern bedeute, dass ihre Liquidität und finanzielle Handlungsfähigkeit durch die Notwendigkeit der Bildung und des Nachweises tatsächlicher Rückstellungen effektiv beeinträchtigt werde. Ihre „Ausgaben“ seien entsprechend der Erhöhung des Barwerts gegenüber der ursprünglichen Kalkulation zum Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage um mehr als 100 vH gestiegen. Das sei unzumutbar. Billiges Ermessen sei gewahrt. Sie habe sich darauf beschränkt, eine weitere Erhöhung der laufenden Rentenzahlung iHv. fast 6.000,00 Euro brutto monatlich an die Klägerin als Witwe des verstorbenen Zusageempfängers gemäß der Tarifsteigerung zu unterlassen.
10
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Die Klägerin begehrt mit ihrer Revision die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils, die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.


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