Arbeitsrecht

Betriebsrat, Eingruppierung, Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Tarifvertrag, Zustimmung, Arbeitszeit, Leistungen, Ware, Zustimmungsverweigerung, Beschlussverfahren, Stellenbeschreibung, Entgeltgruppe, Versetzung, Zustimmung des Betriebsrats, Ersetzung der Zustimmung, Zustimmung des Betriebsrates

Aktenzeichen  1 BV 13/19

Datum:
10.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45774
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiter

in die Gehaltsgruppe G 3 nach Maßgabe des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern wird ersetzt.
2. Die vom Beteiligten zu 2) verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiter

in die Gehaltsgruppe G 2 (zzgl. Kassierzuschlag) nach Maßgabe des Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern wird ersetzt.

Gründe

Die Anträge sind zulässig und begründet.
A.
Der Rechtsweg zum Arbeitsgericht im Beschlussverfahren ist über § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG in Verbindung mit 99 BetrVG eröffnet. Es handelt sich um die Durchführung einer personellen Maßnahme im Sinne des § 99 BetrVG, über die zwischen den Beteiligten Streit besteht.
Örtlich zuständig ist das angerufene Arbeitsgericht … über § 82 ArbGG.
Die Anträge sind vom Formalien her nicht zu beanstanden, insbesondere ausreichend bestimmt.
B.
Der Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung ist hinsichtlich aller Arbeitnehmer begründet. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu Unrecht verweigert. Die Voraussetzungen des allein geltend gemachten Zustimmungsverweigerungsgrundes nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG liegen nicht vor. Die Arbeitgeberin hat das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt.
I.
Die Zustimmungsersetzungsanträge sind entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht deshalb unbegründet, weil die Arbeitgeberin ihn nicht ordnungsgemäß im Sinn von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG unterrichtet hätte.
1. Eine vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme des Arbeitgebers darf – unabhängig von den für die Verweigerung vorgebrachten Gründen – von den Gerichten nach § 99 Abs. 4 BetrVG nur ersetzt werden, wenn die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Gang gesetzt wurde. Das ist nur dann der Fall, wenn die Arbeitgeberin die Anforderungen des §§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllt hat, insbesondere den Betriebsrat vollumfänglich unterrichtet hat (BAG vom 18.03.2008 – 1 ABR 81/06; BAG vom 09.03.2011 – 7 ABR 127/09 jeweils zitiert nach JURIS; Fitting/Engels, Kommentar zum BetrVG, 29. Auflage, § 99 Rn. 277 ff. mit vielen Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur).
Der Arbeitgeber hat nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG den Betriebsrat so umfänglich zu unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt. Bei Umgruppierungen gehört zu einer vollständigen Unterrichtung die Angabe der bisherigen und der vorgesehenen Vergütungs- oder Entgeltgruppe sowie die Erläuterung der Gründe, weshalb der Arbeitnehmer anders als bisher einzureihen ist (BAG vom 05.05.2010 – 7 ABR 70/08, Rn 24; BAG vom 09.03.2011 – 7 ABR 127/09, Rn. 18).
Die einwöchige Zustimmungsverweigerungsfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird grundsätzlich auch dann nicht in Lauf gesetzt, wenn der Betriebsrat es unterlässt, den Arbeitgeber auf die offenkundige Unvollständigkeit der Unterrichtung hinzuweisen. Durfte der Arbeitgeber dagegen davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben, kann es Sache des Betriebsrats sein, innerhalb der Wochenfrist um Vervollständigung der Auskünfte zu bitten (BAG vom 05.05.2010 – 7 ABR 70/08 Rn. 25; BAG vom 09.03.2011, – 7 ABR 127/09 Rn 19, Fitting/Engels, a.a.O., Rn. 277 a ff.).
Darf der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die ein- und umgruppierungsrelevanten Umstände bekannt sind, ist es Sache des Betriebsrats, weitere Informationen zu verlangen, wenn er nicht über alle für die Ausübung seines Mitbestimmungsrechtes erforderlichen Angaben verfügt, (BAG vom 09.03.2011; BAG vom 18.03.2008).
2. Hiernach ist der Betriebsrat ordnungsgemäß von der beabsichtigen Umgruppierung aller Arbeitnehmer unterrichtet worden.
a) Verfahrensgegenständlich ist eine Umgruppierung der Arbeitnehmer. Hierunter ist jede Änderung der Einreihung in die tarifliche oder betriebliche Lohn- oder Gehaltsgruppenordnung zu verstehen, also eine Neu-Eingruppierung. Allen betroffenen Arbeitnehmern waren bisher (teilweise) andere Tätigkeiten zugeordnet, so dass die Ausübung der neuen Tätigkeiten eine neue Entscheidung über die Einreihung in die tarifliche Gehaltsgruppenordnung erforderlich machte.
b) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet.
Zwar enthielt das formularmäßige Schreiben des Arbeitgebers an den Betriebsrat zur Beantragung der Zustimmung gemäß § 99 BetrVG in allen Fällen nur die stichwortartige Angabe der alten Tätigkeit (Erstverkäufer/-in oder Verkäufer/-in), der neuen Tätigkeit (Erstkraft Kassenserviceteam oder Mitarbeiter/-in KST) sowie der bisherigen Lohn- und Gehaltsgruppe und der vorgesehenen Lohn- und Gehaltsgruppe und des Zeitpunktes des Wirksam Werdens der Umgruppierung (Bl. 37 d.A.: …; Bl. 40 d.A.: …; Bl. 43 d.A.: …; Bl. 46 d.A.: …; Bl. 49 d.A.: …; Bl. 57 d.A.: …; Bl. 150 d.A.: …; Bl. 48 d.A.: …; Bl. 61 d.A.: …; Bl. 64 d.A.: …; Bl. 67 d.A.: …; Bl. 73 d.A.: …; Bl. 267 d.A.: …). Diese Angaben für sich allein hätten den Betriebsrat noch nicht in die Lage versetzt, die Richtigkeit der Eingruppierungsentscheidung beurteilen zu können.
Auch kann dahingestellt bleiben, ob der Betriebsrat durch die arbeitgeberseitige E-Mail des … vom 12.07.2019 auf den Aushang der betreffenden Stellenbeschreibungen an der Infotafel hingewiesen und somit über die Stellenbeschreibungen in Kenntnis gesetzt worden war, oder ob diese E-Mail nur die Stellenbeschreibungen hinsichtlich der Mitarbeiter Kassenteam und nicht der Erstkräfte Kasse enthielt und zudem nicht an den Betriebsratsvorsitzenden oder dessen Stellenvertreterin im Amte gerichtet war (auf die Anl. Ast 11 zum Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 25. Mai 2020, Bl. 269 d.A., wird verwiesen).
Jedenfalls durfte die Arbeitgeberin vorliegend davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben. Dies ergibt sich nach Überzeugung des Gerichtes bereits aus dem Umstand, dass der Betriebsrat in allen Fällen in seiner zwei Seiten umfassenden Begründung der Zustimmungsverweigerung auf der ersten Seite ausdrücklich auf die „Stellenbeschreibung Erstkraft Kassenteam laut Grundakte 02/06/031.19 in der Fassung 05/2019“ bzw. auf die ebenfalls auf der ersten Seite in Bezug auf die Mitarbeiter KST ausführt:
„in dem von Ihnen vorgegebenen Tätigkeitsbild führen sie selbst aus, dass die neue Tätigkeit sehr umfangreiche Arbeiten enthält …“
Bereits vor diesem Hintergrund dürfte die Arbeitgeberin davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben. Es wäre daher Sache des Betriebsrats gewesen, die Unvollständigkeit der Unterrichtung zu rügen und weitere für erforderlich gehaltene Angaben zu verlangen. Dies hat der Betriebsrat nicht getan. Der bloße Hinweis des Betriebsrats auf der ersten Seite im oberen Drittel der zweiseitigen Zustimmungsverweigerungsbegründung, wonach „die vom Arbeitgeber der Eingruppierung zugrunde gelegten Tätigkeitsmerkmale/Aufgaben … vom Arbeitgeber in der Anhörung nicht genannt und unzutreffend bewertet/gewichtet worden“ seien, vermag nach Überzeugung des Gerichts für sich allein der Arbeitgeberin nicht zu verdeutlichen, dass dem Betriebsrat die Tätigkeitsbeschreibung als sonstige konkrete – von ihm für entscheidungserheblich erachtete – Informationen fehlen würden.
Es bestehen somit für das erkennende Gericht keine durchgreifenden Bedenken daran, dass die Arbeitgeberin mit ihren jeweiligen Schreiben vom 27.09.2019 sowie im Hinblick auf die antragserweiternd geltend gemachte Zustimmungsersetzung bezüglich der Arbeitnehmerin … mit Schreiben vom 19.02.2020 den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet und die einwöchige Zustimmungsverweigerungsfrist des § 99 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 BetrVG in Gang gesetzt hat.
Der Betriebsrat hat durch die Zustimmungsverweigerung vom 01.10.2019 bzw. in Hinblick auf … mit Zustimmungsverweigerung vom 21.02.2020 die Zustimmung jeweils in der Wochenfrist rechtzeitig verweigert. Der Durchführung des vorliegenden Zustimmungsersetzungsverfahrens stehen daher keine Hindernisse entgegen.
c) Auf die Erklärung der Arbeitgeberin im Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 25.05.2020, Seite 5 unten (Bl. 265 d.A.), wonach für den Fall einer etwaig unzureichenden Unterrichtung „äußerst vorsorglich… die Unterrichtung unter Verweis auf die als Anl. Ast 2 und 3 eingereichten Stellenbeschreibungen hiermit nochmals ausdrücklich“ nachgeholt werde, kommt es nicht mehr an.
Zum einen hatte die Arbeitgeberin den Betriebsrat bereits ausreichend unterrichtet.
Zum anderen hat die Arbeitgeberseite durch diese vorsorgliche Nachholung einer Unterrichtung auch nicht ein erneutes Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG in Gang gesetzt, welches mangels ausdrücklicher Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat binnen Wochenfrist nach § 99 Abs. 3 Satz 2 zu einer Fiktion der Zustimmung geführt hätte.
Zwar kann ein Arbeitgeber auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren fehlende Informationen nachholen und mit der Nachholung der Unterrichtung die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Lauf setzen. Für den Betriebsrat muss allerdings erkennbar sein, dass der Arbeitgeber die Informationen während des Zustimmungsersetzungsverfahrens auch deswegen vervollständigt, weil er seiner ggf. noch nicht vollständig erfüllten Unterrichtungspflicht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG nachkommen möchte. (BAG vom 01.06.2011 – 7 ABR 18/10; BAG vom 29.06.2011 – 7 ABR 24/10). Eine erneute Zustimmungsverweigerung durch den Betriebsrat im Anschluss an die von der Arbeitgeberin nachgeholte Information war jedoch nicht erforderlich, weil diese von ihrer ursprünglichen Maßnahme keinen Abstand genommen und nicht erkennbar eine eigenständige, neue personelle Einzelmaßnahme eingeleitet hat (BAG vom 09.10.2013 – 7 ABR 1/12 – Rn. 27; BAG vom 29.01.2020 – 4 ABR 8/18 Rn. 12).
Nach alledem bleibt festzuhalten, dass die vorliegenden Zustimmungsersetzungsanträge nicht wegen Unvollständigkeit der Unterrichtung des Betriebsrates abzuweisen waren.
II.
Die Arbeitgeberin hat nicht im Sinne des Zustimmungsverweigerungsgrundes § 99 Abs. 2 Nr. 1 gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag verstoßen, indem sie die Mitarbeiter des Kassenserviceteams … und … in die Gehaltsgruppe G 2 eingruppiert hat. Es handelt sich bei den Mitarbeitern KST um Angestellte mit einfachen kaufmännischen Tätigkeiten im Sinn der Beschäftigungsgruppe II und nicht um Angestellte mit selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen im Sinn der Beschäftigungsgruppe III.
1. Die überwiegend ausgeübte Tätigkeit der genannten Mitarbeiter erfüllt weder den allgemeinen Oberbegriff des Tätigkeitsmerkmales noch ein Tätigkeitsbeispiel der Beschäftigungsgruppe III des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben des Bayer. Einzel- und Versandhandels vom 06.07.2011.
a) Das einzige für die Beschäftigungsgruppe III vorliegend in Rede stehende (Kassierer/-innen betreffende) Beispiel lautet: „Kassierer/Kassiererin mit Sammel-, Packtisch oder Versandkassenfunktion“. Derartige Tätigkeiten erbringen die genannten Mitarbeiter KST bei der Arbeitgeberin nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sind bei Vergütungsgruppen, in denen allgemein gefassten Tätigkeitsmerkmalen konkrete Beispiele beigefügt sind, die Erfordernisse der Tätigkeitsmerkmale regelmäßig dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer eine den Beispielen entsprechende Tätigkeit ausübt. Dies hat seinen Grund darin, dass die Tarifvertragsparteien selbst im Rahmen ihrer rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gewisse häufig vorkommende und typische Tätigkeiten einer bestimmten Vergütungsgruppe zuordnen können. Ob es sich dabei um eine den allgemeinen Merkmalen entsprechende Tätigkeit handelt, braucht in diesem Fall nicht mehr geprüft zu werden. Auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale ist nur dann zurückzugreifen, wenn das Tätigkeitsbeispiel selbst unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die nicht aus sich heraus ausgelegt werden können (BAG vom 25.02.2009 – 4 AZR 20/08, Rn. 32; BAG vom 23.09.2009 – 4 AZR 333/08 Rn. 20).
Hiervon geht ersichtlich auch der vorliegende Tarifvertrag aus, indem er die für Beschäftigungsgruppe III vorausgesetzte Tätigkeit von Angestellten „mit selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen“ hinsichtlich von Kassierern mit dem Fallbeispiel verdeutlicht: „Kassierer mit Sammel-, Packtisch- oder Versandkassen-Funktion.“
aa) Nach der Rechtsprechung des BAG liegt eine Sammelkasse im Sinne tariflicher Eingruppierungsregelungen nur vor, wenn an dieser Kasse abteilungsübergreifend gegenüber anderen vorhandenen Kassen bestimmte besondere Kassenangelegenheiten erledigt werden. Entscheidend sei, dass Sammelkassen mit Etagen-, Bereichs- und/oder Regionalkassen auf eine Stufe gestellt würden. Damit bringe ein Tarifvertrag erkennbar zum Ausdruck, dass Sammelkassen übergeordnete Aufgaben oder Funktionen wahrzunehmen haben (BAG vom 23.09.2009, 4 AZR 333/08, Rn. 36; BAG vom 09.12.1987, 4 AZR 461/87 Rn. 22 f). Sammelkassen sind nur anzunehmen, wenn an dieser Kasse im Gegensatz zu anderen vorhandenen Kassen eine oder mehrere besondere Kassenangelegenheiten zusammengefasst („gesammelt“) erledigt werden. Es muss also an einer derartigen Kasse eine besondere Aufgabe für alle Kassen wahrgenommen werden.
Die vorliegend betroffenen Mitarbeiter KST arbeiten nicht an derart hervorgehobenen Kassen. Vielmehr kommen nach dem zwischenzeitlich unstreitigen Vortrag der Beteiligten die Mitarbeiter in drei Etagen an drei Kassenblöcken zu je vier Kassen zum Einsatz, ohne dass es insoweit für einzelne Kassen unterschiedliche, insbesondere hervorgehobene Aufgabenfunktionen oder Zuständigkeiten gäbe.
bb) Ebenso wenig kommt das Fallbeispiel Kassierer/-in mit Versandkassenfunktion in Betracht.
Mit der übereinstimmenden Auffassung beider Beteiligten geht das Gericht davon aus, dass nach heutigen Maßstäben nicht klar ist, was die Tarifpartner seinerzeit mit dem Begriff der Versandkasse gemeint haben.
Soweit der Betriebsrat vorträgt, dass entgegen der Behauptung der Beklagten über die … Filiale sehr wohl etwas versendet werde, indem Online-Bestellungen abgewickelt würden, kommt dem nach Überzeugung des erkennenden Gerichtes keine für das Eingreifen des tariflichen Eingruppierungsbeispiels maßgebliche Bedeutung zu. Weder ergibt sich aus dem Sachvortrag des Betriebsrates noch ist ansonsten ersichtlich, dass die Abwicklung von Online-Bestellungen über die Kassen, an denen die betroffenen Mitarbeiter im Einsatz sind, die Eigenschaft dieser Kassen nach Art, Umfang oder besonderer Bedeutung der Tätigkeit prägen würde. Nur wenn die in Rede stehenden Kassen in dem Eingruppierungsbeispiel durch hervorstehende Umstände geprägt sind, die sie wegen einer Sammelfunktion, einer Packtischfunktion oder einer Versandkassenfunktion aus allen übrigen (normalen) Kassen hervorheben, kann das betroffene Tarifbeispiel vorliegen.
b) Die Tätigkeiten der Mitarbeiten KST sind auch nicht unter die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der „selbständigen Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen“ im Sinne der Beschäftigungsgruppe III zu subsumieren.
aa) Die Tarifvertragsparteien haben nicht näher erläutert, was sie unter dem Begriff „selbständig“ verstehen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Tarifvertrag ist deshalb vom allgemeinen, abstrakten Begriff der Selbständigkeit auszugehen. Danach verlangt Selbständigkeit eine gewisse eigene Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung einer Leistung jeweils einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis und damit zugleich auch eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabenbereiches, ohne dass dadurch die fachliche Anleitung oder die Abhängigkeit von Weisungen Vorgesetzter ausgeschlossen wird (BAG vom 09.12.1987 – 4 AZR 461/87 Rn. 25; BAG vom 23.09.2009 – 4 AZR 333/08 Rn. 41; Schaub, Handbuch des Arbeitsrechtes, 18. Aufl., § 183 Rn. 64 mit weiteren Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur.
bb) Die Anwendung der vorstehenden höchstrichterlichen Grundsätze ergibt vorliegend, dass die Mitarbeiter im Kassenserviceteam nicht überwiegend selbständige Tätigkeiten im Rahmen allgemeiner Anweisungen ausüben.
Der vom Betriebsrat vorgetragene Sachverhalt ergibt keine selbständige Tätigkeit der Mitarbeiter KST im Rahmen allgemeiner Anweisungen.
Die vom Betriebsrat vorgetragenen Tätigkeiten der Mitarbeiter KST im Zusammenhang mit Umtausch und Bearbeitung von Reklamationen lässt nicht erkennen, dass die Mitarbeiter befugt seien, eigene Entscheidungen über den Weg oder das Ergebnis der von ihnen zu erbringenden Leistungen zu treffen. Insbesondere in Anbetracht der vom Betriebsrat angesprochenen und von der Arbeitgeberin als Anl. Ast 9 vorgelegten Aktivitäten-Protokolls KW 40/2019 ist das von den Mitarbeitern anzuwendende Verhalten und der von ihm einzuschlagende Weg ohne erkennbare Entscheidungsspielräume detailliert vorgegeben. Sowohl der einzuhaltende Prozess als auch dessen Ergebnis sind kleinteilig beschrieben und vorgegeben.
Auch hinsichtlich der Gewährung von Nachlässen bei Reklamationen oder bei einem Mangel ist ersichtlich ein detailliert geregelter Genehmigungsprozess einzuhalten, dessen Ergebnis im Wesentlichen vorgegeben ist. Die von der Arbeitgeberin aufgezeigte Entscheidungsbefugnis der KST-Mitarbeiter beschränkt sich auf einen eng umgrenzten Ausnahmefall bei einem Warenwert von maximal 15 Euro. Insoweit ist eine die Tätigkeit der Mitarbeiter prägende Selbständigkeit sowohl hinsichtlich des einzuschlagenden Weges als auch des zu findenden Ergebnisses nicht erkennbar.
Auch in Zusammenhang mit Reservierungen bei Waren, die auf Wunsch von Kunden zurückgelegt oder die online bestellt wurden, ist eine Entscheidungsbefugnis über den einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis nicht zu erkennen. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Prüfung der Legitimation des Kunden durch den KST-Mitarbeiter ist keine selbständige Tätigkeit im aufgezeigten Sinn. Zudem bestehen auch diesbezüglich kleinteilige Vorgaben.
Gleiches gilt für den Gutschein-Verkauf und die Aktivitäten hinsichtlich der Kundenkarte.
Unabhängig von dem durch die Arbeitgeberin aufgezeigten Umstand, dass die KST Mitarbeiter auch schon vor Umstellung von Payback auf die eigene Kundenkarte das Bewerben einer Kundenkarte bzw. den Verkauf von Gutscheinkarten üblicherweise ausgeübt haben, lässt der Sachvortrag des Betriebsrates keine Entscheidungsbefugnis über den einzuschlagenden Weg oder das Ergebnis der Arbeitsleistung erkennen. Die vom Betriebsrat angesprochene Erforderlichkeit verkäuferischen Geschicks mag eine insoweit erforderliche Qualifikation darstellen, eine Selbständigkeit im aufgezeigten Sinne vermag sie nicht zu begründen.
Der Vortrag des Betriebsrats in Zusammenhang mit den Omnichannel-Services, wonach umfassende Kenntnisse der Mitarbeiter im Bereich der Preisgestaltung erforderlich seien, erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, dass mit einer derartigen Preisgestaltung ein aktives Tätigwerden mit einer Entscheidungsbefugnis sowohl hinsichtlich des einzuschlagenden Weges als auch des zu findenden Ergebnisses einhergehe. Jedoch ergibt sich bei näherem Hinsehen bereits aufgrund des – auch vom Betriebsrat angesprochenen – Umstandes, dass insoweit wiederum kleinteilige und detaillierte Vorgaben zur Handhabung „Preisanpassung bei Omnicannel-Services“ existieren, dass eine ausreichende Entscheidungsbefugnis über den einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis auch hier nicht eröffnet sind.
Ebenso wenig vermag der Hinweis des Betriebsrates auf weitere Aufgaben der Mitarbeiter KST, insbesondere Internetbestellungen, Ausstellung von Taxfree-Belegen, Rücknahme von defekten Waren sowie Erforderlichkeit von Fremdsprachenkenntnissen, eine Selbständigkeit der Tätigkeit der Mitarbeiter zu begründen.
Taxfree kann nach den – vom Betriebsrat in Weiterem unwidersprochenen – Darlegungen der Arbeitgeberin wie bisher an jeder Kasse ausgedruckt werden, wobei der Ausdruck und die Unterzeichnung keinerlei Selbständigkeit in der Findung eines Weges und eines Ergebnisses eröffnen.
Auch die von der Arbeitgeberin angesprochenen Warenrücknahmen und die in diesem Zusammenhang erforderliche Kenntnis der Mitarbeiter von Aktionen und Prospekten begründet keine eigene Entscheidungsbefugnis.
Zudem ist hinsichtlich der Abwicklung von Internetbestellungen weder aus dem Sachvortrag des Betriebsrats noch sonst ein ausreichendes Maß an eigener Entscheidungsbefugnis der Mitarbeiter erkennbar.
Außerdem mag die vom Betriebsrat behauptete Erforderlichkeit von Fremdsprachenkenntnissen für die Ausübung der Tätigkeit der Mitarbeiter KST förderlich sein; selbst im Falle der – vom Betriebsrat ohne weiteren konkretisierenden Sachvortrag behaupteten oder belegten – Erforderlichkeit von Fremdsprachenkenntnissen wäre eine Selbständigkeit der Tätigkeit im Sinne einer gewissen eigenen Entscheidungsbefugnis nicht eröffnet.
Schließlich vermag auch der Umstand, dass für die meisten Aufgaben der Mitarbeiter KST detaillierte und kleinteilige Vorgaben existieren, insbesondere in Gestalt des Schlagwortregisters (Anl. Ast 5), des Arbeitshandbuches isi Kassierer/-in (Ast 6) und des Benutzerhandbuches isi Kassieren (Anl. Ast 7), eine für das allgemeine Tatbestandsmerkmal „selbständig“ ausreichende eigene Entscheidungsbefugnis der Mitarbeiter hinsichtlich des zur Erbringung ihrer Leistungen jeweils einzuschlagenden Weges und des zu findenden Ergebnisses und somit eine gewisse Eigenständigkeit des Aufgabenbereiches nicht zu begründen. Zwar vermag die Notwendigkeit, eine Vielzahl von Fallvarianten, Verfahrensabschnitten und vorgegebenen Ergebnissen erbringen zu müssen, zu bewirken, dass die Tätigkeit der Mitarbeiter KST mit einer höheren Anspannung und Konzentration verbunden sein mag, als dies ohne die Existenz derart kleinteiliger Vorgaben der Fall wäre. Diese Umstände mögen zwar die Arbeit der Mitarbeiter erschweren und auch ein gewisses Maß an intellektueller Aufnahmefähigkeit voraussetzen, haben aber mit der Selbständigkeit der Tätigkeit nichts zu tun.
Es handelt sich vielmehr um einfache kaufmännische Tätigkeiten im Sinne der Beschäftigungsgruppe II. Auch aus der Bündelung und Konzentrierung einer Vielzahl einfacher kaufmännischer Tätigkeiten erwächst bei Fehlen ausreichender Entscheidungsspielräume keine Selbständigkeit der Tätigkeit im Sinne der Beschäftigungsgruppe III.
2. Nach alledem bleibt festzuhalten, dass es sich bei der Tätigkeit der Mitarbeiter im Kassenserviceteam nicht um selbständige Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen im Sinne der BG 3 handelt, sondern vielmehr um einfache kaufmännische Tätigkeiten im Sinne der BG 2.
Dies bestätigt sich auch durch das von den Tarifpartnern im Rahmen der BG 2 genannte Beispiel „Kassierer/-in mit einfacher Tätigkeit“.
Die Arbeitgeberin hat somit die im vorliegenden Verfahren betroffenen Mitarbeiter im Kassenserviceteam zutreffend in BG 2 des Lohn- und Gehaltstarifvertrages Bayer. Einzelhandel eingruppiert. Sie hat insbesondere nicht gegen den Tarifvertrag verstoßen, weil sie das tarifliche Regelwerk durch Nichteingruppierung dieser Mitarbeiter in BG 3 verletzt hätte. Dem Betriebsrat stand daher weder der Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 noch ein sonstiger Verweigerungsgrund zur Seite.
Die vom Betriebsrat grundlos verweigerte Zustimmung war daher auf Antrag der Arbeitgeberin nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen.
III.
Die Erstkräfte-Kasse, die Mitarbeiter … und …, sind von der Arbeitgeberin zutreffend in Beschäftigungsgruppe III eingruppiert, weil es sich bei ihnen um Angestellte mit selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen handelt. Der Anwendungsbereich des Regelbeispiels der Beschäftigungsgruppe IV ist nicht eröffnet. Weder greifen konkrete Tarifbeispiele noch liegen die allgemeine Tätigkeitsmerkmale vor. Es handelt sich nicht um Angestellte mit selbständiger und verantwortlicher Tätigkeit.
1. … und … in ihrer Eigenschaft als Kassenerste sind nicht Substitut oder Substitutin im Sinne des Regelbeispiels zu BG 4.
Substitute sind in der Regel Vertreter des Abteilungs- bzw. Filialleiters (LAG Düsseldorf vom 27.04.2018, – 6 Ta BV 80/17; LAG Düsseldorf vom 13.01.2011 – 11 Sa 988/09; Wikipedia, Abruf vom 09.06.2020).
Selbst bei Zugrundelegung des Sachvortrages des Betriebsrates, wonach die Erstkräfte Kasse gegenüber den Mitarbeitern KST weisungsbefugt seien und die Kassenaufsicht führten, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sie nach der Betriebshierarchie oder dem Organigramm der Beklagten zur Stellvertretung eines Abteilungsleiters befugt wären.
2. Ebenso wenig ist das Richtbeispiel einer Kassen- oder Etagenaufsicht einschlägig.
a) Der Begriff einer Etagenaufsicht oder gar einer Etagenkasse ist für den Betrieb der Arbeitgeberin vorliegend nicht einschlägig. Dies würde voraussetzen, dass die Tätigkeit von … und … Kassen beträfe, die nur über eine jeweilige Etage des Betriebes und der dortigen Verkaufs- und Kassiervorgänge zuständig wären. Dem gegenüber ist das Kassensystem nach dem – zwischenzeitlich übereinstimmenden – Sachvortrag der Beteiligten so gestaltet, dass in drei Etagen jeweils ein Kassenblock mit vier Kassen, d.h. in Summe 12 Kassen besteht, an denen der Kunde unterschiedslos Waren aus dem ganzen Kaufhaus bezahlen oder sonstige diesbezügliche Kassenleistungen in Anspruch nehmen kann.
b) Auch das Richtbeispiel einer „Kassenaufsicht“ ist entgegen der Auffassung des Betriebsrates nicht gegeben.
Die Tarifvertragsparteien haben nicht definiert, was unter einer Kassenaufsicht zu verstehen ist. Vom Wortverständnis her umfasst dies die Kontrolle sämtlicher Kassenvorgänge. Dies umfasst insbesondere die Einsatzplanung der Kassierer und Sicherstellung der ordnungsgemäßen Funktionen. Die Wertigkeit der Tätigkeit einer Kassenaufsicht ist im Wesentlichen geprägt durch die von dem Mitarbeiter/-in zu tragende Verantwortung (LAG Düsseldorf vom 27.04.2018 – 6 Ta BV 80/17, bestätigt in BAG vom 13.11.2019 – 4 ABR 48/11).
Zwar ergeben sich aus der Stellenbeschreibung „Erstkraft Kasse“ der Arbeitgeberin kassenaufsichtliche Teilaufgaben. So ist in Nr. 1.3. geregelt, dass die Erstkraft „Anweisungen“ erteilt; unter 1.4.1. ist u.a. vorgesehen, dass die Erstkraft den Personaleinsatz koordiniert und zusammen mit dem Abteilungsleiter Kontrollen (Kassendifferenzen, Frequenzanalysen) in den einzelnen Bereichskassen durchführt (Bl. 25 f., Bl. 29 d.A.).
Jedoch ergibt sich weder aus dem Sachvortrag des Betriebsrats noch sonst, dass diese kassenaufsichtlichen Teilfunktionen die gesamte Tätigkeit der beiden Erstkräfte prägt. Überdies schränkt bereits die genannte Stellenbeschreibung „Erstkraft Kasse“ die aufsichtlichen Aufgabenteile der Erstkräfte dadurch ein, dass die Anweisungserteilung „im Rahmen der vom Abteilungsleiter übertragenen Befugnisse“ (1.3.), die Koordinierung des Personaleinsatzes „unterstützend“ erfolgt (1.4.1.) und die Kontrollen „zusammen mit dem Abteilungsleiter“ durchzuführen sind (1.4.1.).
Das für eine Kassenaufsicht erforderliche Maß an Verantwortung ist insoweit nicht erfüllt.
2. Der Anwendungsbereich Beschäftigungsgruppe IV ist auch nach der Beschreibung der allgemeinen Tätigkeitsmerkmale nicht eröffnet. Diese setzen „Angestellte mit selbständiger und verantwortlicher Tätigkeit“ voraus.
a) Bei den von der Erstkraft Kasse zu erfüllenden Aufgaben handelt es sich um selbständige Tätigkeit, wie sie sowohl nach den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen der Beschäftigungsgruppe IV als auch denjenigen der Beschäftigungsgruppe III vorausgesetzt wird.
Die Tätigkeit der Erstkräfte beinhaltet eine gewisse eigene Entscheidungsbefugnis über den zur Erbringung seiner Leistungen jeweils einzuschlagenden Weg und das zu findende Ergebnis.
Zur Erfüllung der Wertigkeit einer Tätigkeit nach Beschäftigungsgruppe IV muss es sich darüber hinaus um eine „verantwortliche“ Tätigkeit handeln.
Verantwortung ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die Pflicht und Bereitschaft, für seine Handlung einzustehen und ihre Folgen zu tragen (Wahrig, Rechtswörterbuch). Unter der mit einer bestimmten Stelle oder Aufgabe verbundenen Verantwortung ist die Verpflichtung zu verstehen, der jeweiligen Stellung oder Aufgabe entsprechend dafür zu sorgen, dass innerhalb eines bestimmten Rahmens oder Lebensbereiches alles einen guten, sachgerechten und geordneten Verlauf nimmt. Die Verantwortlichkeit eines Angestellten bedeutet, dass er dafür einstehen muss, dass in dem ihm übertragenen Arbeitsbereich die dort zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsgemäß ausgeführt werden. Dabei kann sich je nach Lage des Einzelfalles die tariflich geforderte Verantwortung des Angestellten auf andere Mitarbeiter beziehen (BAG vom 29.01.1986, 4 AZR 465/84 Rn. 104; BAG vom 19.03.1986 – 4 AZR 642/84).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen handelt es sich vorliegend bei der Tätigkeit der Erstkräfte Kasse zwar um selbständige, nicht aber um verantwortliche Tätigkeit im Sinn der Beschäftigungsgruppe IV.
aa) Bereits aus der Stellenbeschreibung der Arbeitgeberin ergibt sich (wie oben B III 2 b aufgezeigt), dass die Erstkraft ihre Aufgaben lediglich „in Abstimmung mit dem Vorgesetzen wahrnimmt (Nr. 1.4 am Ende), ihn „unterstützt“ (1.5), dem Vorgesetzten „Vorschläge macht“ (1.5) und zusammen mit dem Abteilungsleiter Kontrollen durchführt (1.4.1).
Vor allem aber ist nach dem unwidersprochenen Vortrag der Arbeitgeberin in der Filiale … der kaufmännische Leiter, …, mit der Aufgabe der Leitung und Führung des Kassenserviceteams betraut. Er nimmt insoweit u.a. die Funktion der Leitung und Führung des Kassenteams sowie die Verantwortung und Durchführung der Personaleinsatzplanung wahr. Zwar hat der Betriebsrat dem entgegengehalten, dass die Leitung und Führung des Kassenteams tatsächlich von den Erstkräften … und … ausgeführt würden und allein die Planungsaufgaben 40 % der gesamten Arbeitszeit der Erstkräfte ausmachten. Diese träfen die Entscheidung, wer an welche Kasse gesetzt würde, erstellten die grobe Personalplanung für den jeweiligen Monat und berücksichtigten dabei individuelle Arbeitszeitwünsche der Mitarbeiter; sie seien ferner zuständig für die Einteilung der Pausen und die Reaktion auf Ausfälle durch Krankheit oder erhöhten Personalbedarf.
Selbst diese vom Betriebsrat vorgetragenen Umstände vermögen nicht das für eine Eingruppierung in Beschäftigungsgruppe IV erforderliche Maß an Verantwortlichkeit aufzuzeigen. Verantwortung im oben aufgezeigten Bedeutungsinhalt beinhaltet nicht nur die Pflicht, dafür einstehen zu müssen, dass der Angestellte selbst die zu erledigenden Aufgaben sachgerecht, pünktlich und vorschriftsgemäß ausführt. Vielmehr erstreckt sich die Verantwortung im gegebenen Fall auch und gerade auf die Tätigkeit anderer untergebener Mitarbeiter. Selbst das vom Betriebsrat vorgetragene hohe Maß an Mitwirkung der Erstkräfte im Rahmen saisonal planerischer aufsichtlicher und kontrollierender Tätigkeiten vermag nichts daran zu ändern, dass nach der Organisation und Verteilung der Verantwortlichkeiten im Rahmen seiner Betriebshierarchie die Erstkräfte lediglich zuarbeitende und vorbereitende Aufgaben erbringen, wohingegen ausschließlich der kaufmännische Leiter die Verantwortung für die sachgerechte, pünktliche und vorschriftsgemäße Ausführung der Aufgaben seines Zuständigkeitsbereiches – auch unter Einbeziehung der vorbereitenden Tätigkeiten der Erstkräfte – zu tragen hat.
bb) Auch die weiter vom Betriebsrat vorgetragenen Umstände vermögen nicht eine für die Eröffnung der Beschäftigungsgruppe IV vorauszusetzende Verantwortlichkeit der Tätigkeit zu begründen.
Die Teilnahme der Erstkräfte an den wöchentlichen Besprechungen der Abteilungsleiter begründet weder eine (Mit-) Entscheidungsbefugnis noch eine Verantwortlichkeit. Über den von der Arbeitgeberin insoweit vorgetragenen Umstand hinaus, wonach die Teilnahme der Erstkräfte zur Erfassung und Planung anstehender Aufgaben erforderlich sei, hat der Betriebsrat weitere aus dieser Teilnahme resultierende Befugnisse zur selbständigen Entscheidung oder zur Verantwortungstragung nicht aufgezeigt.
Auch die vom Betriebsrat vorgetragene Zuständigkeit der Erstkräfte für das Wechselgeld, Kassenstürze und Abschöpfungen begründet selbst bei Unterstellung des Zutreffens dieses Vortrages nicht die diesbezügliche Verantwortlichkeit der Erstkräfte. Zudem bestehen in Anbetracht des Vortrages der Arbeitgeberin, die KST Mitarbeiter seien selbst zuständig für die ordnungsgemäße Kassenabrechnung, Kassenstürze und Abschöpfungen, Zweifel an der diesbezüglichen Zuständigkeit und Verantwortlichkeit der Erstkräfte.
Die vom Betriebsrat vorgetragene Aufgabe der Erstkräfte, gegenüber den Mitarbeitern KST dafür zu sorgen, dass private Gegenstände der Mitarbeiter wie Taschen und Mobiltelefone nicht im Kassenbereich aufbewahrt werden und die Mitarbeiter nicht im Kassenbereich essen oder trinken, stellt mit der zutreffenden Ansicht der Arbeitgeberin nicht eine selbständige und verantwortliche Tätigkeit dar, sondern lediglich die Umsetzung der Betriebsordnung.
Nach alledem bleibt festzuhalten, dass es sich bei der Tätigkeit der Erstkräfte Kasse mangels Verantwortlichkeit nicht um eine selbständige und verantwortliche Tätigkeit im Sinne der Beschäftigungsgruppe IV handelt. Vielmehr hat die Arbeitgeberin die Erstkräfte Kasse zutreffend in Beschäftigungsgruppe III eingruppiert, weil es sich um Angestellte mit selbständiger Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Anweisungen handelt. Ein den Betriebsrat zur Verweigerung der Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 Betr.VG berechtigender Verstoß gegen tarifliche Vorschriften liegt nicht vor.
Die fehlende Zustimmung des Betriebsrates war daher auf Antrag der Arbeitgeberin nach § 99 Abs. 4 BetrVG auch für die Erstkräfte Kasse … und … zu ersetzen.
C.
Eine Kostenentscheidung bedarf es wegen des Grundsatzes der Kostenfreiheit des Beschussverfahrens nicht.


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