Arbeitsrecht

Bewusste Falschangabe eines Arbeitnehmers in einem Rechtsstreit ist wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung

Aktenzeichen  6 Sa 297/19

Datum:
22.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6334
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 626 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die vorsätzlich unwahre Sachverhaltsdarstellung eines Arbeitnehmers in einem gerichtlichen Verfahren rechtfertigt regelmäßig die außerordentliche Kündigung, da dies das notwendige Vertrauensverhältnis erheblich stört und der Erklärende nicht davon ausgehen kann, dass die Gegenseite solches hinnehmen werde. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Arbeitnehmer verletzt seine nebenvertragliche Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis massiv, wenn er im Rechtsstreit gegenüber seinem Arbeitgeber bewusst wahrheitswidrig vorträgt, weil er befürchtet, durch wahrheitsgemäße Angaben einen Anspruch nicht durchsetzen zu können. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 Ca 807/18 2019-04-10 Endurteil ARBGWUERZBURG ArbG Würzburg

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 10.04.2019, Az.: 5 Ca 807/18, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 2 c ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung ist in der Sache nicht begründet.
Zu dem Vorbringen im Berufungsverfahren ist auszuführen, dass es keineswegs darauf ankommt, welcher Inhalt und Sinn dem Schreiben des Klägers vom 06.02.2018 zukommt.
Entscheidend ist, was der Kläger gegenüber dem Arbeitsgericht vortragen ließ, um eine für ihn günstige Entscheidung des Gerichts zu erlangen, wie schon das Wort Prozessbetrug zeigt. Danach kommt es allein darauf an, was der Kläger gegenüber dem Gericht vorbringen ließ, nämlich „überhälftig Toilettenreinigungstätigkeit“.
Diese Angabe entspricht auch nach Überzeugung des Berufungsgerichts nicht der Wahrheit. Die Angabe „Der Kläger wurde in der Vergangenheit überhälftig für Toilettenreinigungstätigkeiten eingesetzt…“ legt nahe, dass der Kläger behaupten will, dass er in der Vergangenheit überhälftig Toilettenreinigungstätigkeiten tatsächlich hätte erbringen müssen. Den Wahrheitsgehalt einer solchen Aussage hat der Kläger aber in keiner Weise belegt. Eine solche Tätigkeit hätte allenfalls in der Zeit vom 29.01. bis 09.02.2018 (aufgrund des neuen Dienstplanes) nach dem Vorbringen des Klägers anfallen können. Dafür, dass der Kläger in dieser Zeit überhälftig Toilettenreinigungstätigkeiten erbracht hätte, hat der Kläger aber nichts vorgebracht, er hat sich zu seinen ausgeführten Tätigkeiten in dieser Zeit nicht im Einzelnen geäußert.
Soweit der Kläger seine Angabe dahingehend verstanden wissen will, dass er nach dem neuen Dienstplan (insbesondere für Februar 2018) überhälftig zu Toilettenreinigungstätigkeiten eingeteilt werden sollte, so ist auch dies schon nach den Angaben des Klägers unzutreffend und unwahr. Denn nach seinen eigenen Angaben sollten Toilettenreinigungstätigkeiten nur bei der Firma F… zu erledigen sein. Nach dem Dienstplan für den Februar 2018 war er dort mit 40 Stunden eingeteilt und bei anderen Firmen mit anderen Tätigkeiten für 39 Stunden. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht selbst eingeräumt hat, dass er bei der Firma F… fast nur Sanitärräume gereinigt habe, in einem Teil sei auch eine Teeküche zu reinigen gewesen. Daraus ergibt sich aber schon, dass der Kläger nicht überhälftig zu Toilettenreinigungstätigkeiten eingesetzt werden sollte.
Dass der Kläger auch tatsächlich vortragen wollte, dass er mit über der Hälfte seiner Arbeitszeit mit Toilettenreinigungstätigkeiten eingesetzt wäre, zeigt auch die Begründung der Klage, dass eine gerichtliche Klärung notwendig wäre, weil er nach seiner Wiedergenesung befürchten müsse, wieder überwiegend Toilettenreinigungstätigkeiten zugewiesen zu bekommen.
Solches würde erst recht gelten müssen, wenn unter dem Begriff der Toilettenreinigungstätigkeiten nicht generell die Reinigung von Sanitärräumen zu verstehen wäre. Erst recht nach den Angaben der Beklagten ergibt sich keine solche überhälftige Tätigkeit des Klägers.
Der Arbeitnehmer verletzt massiv eine nebenvertragliche Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis, § 241 Absatz 2 BGB, wenn er im Rechtsstreit gegenüber seinem Arbeitgeber bewusst wahrheitswidrig vorträgt, weil er befürchtet, durch wahrheitsgemäße Angaben einen Anspruch nicht durchsetzen zu können. Es ist zwar zu beachten, dass nicht jede objektiv wahrheitswidrige Erklärung einer Partei in einem Rechtsstreit von vorneherein dahingehend zu bewerten ist, dass ein Vertragspartner sich damit auf unredliche Weise auf Kosten des anderen Vertragspartners rechtliche Vorteile verschaffen will. Hierzu gehört auch noch, dass die objektiv wahrheitswidrige Erklärung auch von dem Bewusstsein getragen ist, dass mit ihr das Gericht zu einer positiven Entscheidung zugunsten des Erklärenden bewegt werden kann. Vorliegend lautete der Arbeitsvertrag auf Hausmeistertätigkeiten sowie Gartenarbeiten (Ziffer 1.1), wobei der Arbeitgeber den Inhalt der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen konnte (Ziffer 6). Mit seiner Klage wandte sich der Kläger gegen die Anordnung unter anderem von reinen Toilettenreinigungstätigkeiten und hat bewusst unwahr vorgetragen, um bei Gericht den Eindruck zu erwecken, dass solches weder vertragsgemäß ist noch billigem Ermessen entsprechen könne.
Die vorsätzlich unwahre Sachverhaltsdarstellung in einem gerichtlichen Verfahren rechtfertigt regelmäßig die außerordentliche Kündigung, da dies das notwendige Vertrauensverhältnis erheblich stört und der Erklärende nicht davon ausgehen kann, dass die Gegenseite solches hinnehmen würde.
Für die Durchführung der Einzelabwägung wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Urteil (Seite 7) Bezug genommen. Die Interessen des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht weiter fortsetzen zu müssen überwiegen in der Abwägung das Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.
Dabei wurde zugunsten des Klägers sein Alter berücksichtigt. Andererseits ist das Vertrauensverhältnis der Parteien durch das Verhalten des Klägers zumindest schwer gestört, das Arbeitsverhältnis hatte noch keinen besonders langen Bestand (erst 16 Monate) und die Aussichten des Klägers auf dem Arbeitsmarkt in der Gebäudereinigung bzw. als Hausmeister können nicht als besonders schlecht bezeichnet werden.
Danach bleibt die Fortführung des Arbeitsverhältnisses für die Beklagte unzumutbar.
Die Beklagte hat auch die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Absatz 2 BGB eingehalten. Nach obigen Ausführungen ist ausschlaggebend die unwahre Tatsachenbehauptung im Prozess, um möglichst eine günstige Entscheidung des Gerichts zu erlangen.
Von den unwahren Angaben im Prozess hat die Beklagte durch Zustellung der Klage am 03.08.2018 erfahren. Die Kündigung ist dem Kläger am 10.08.2018 zugegangen und damit innerhalb der 2-Wochen-Frist.
Nach alldem hat das Arbeitsgericht zutreffend die außerordentliche Kündigung für wirksam erachtet und die Klage abgewiesen, womit auch die Berufung zurückzuweisen ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 72 Abs. 2 ArbGG).


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