Arbeitsrecht

Bezugnahme auf Tarifvertrag – Gleichstellungsabrede – vertragliche Weitergeltung des Tarifvertrags nach Betriebsübergang mit Branchenwechsel

Aktenzeichen  4 AZR 403/09

Datum:
17.11.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 611 Abs 1 BGB
§ 613a Abs 1 S 1 BGB
§ 613a Abs 1 S 3 BGB
§ 3 Abs 1 TVG
§ 4 Abs 1 TVG
BMT-G 2
Spruchkörper:
4. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Wuppertal, 30. September 2008, Az: 8 Ca 965/08, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 2. April 2009, Az: 15 Sa 1560/08, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. April 2009 – 15 Sa 1560/08 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten darüber, ob ein Teilbetriebsübergang mit Branchenwechsel zu einem Wechsel des für ihr übergegangenes Arbeitsverhältnis maßgebenden Tarifrechts geführt hat.
2
Die Klägerin wurde auf der Grundlage eines schriftlichen Formulararbeitsvertrages vom 18. Mai 1998 von der Klinikum R GmbH, welche bei Vertragsschluss Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbandes war, in deren Krankenanstalten als Reinigungskraft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält folgende Regelung:
        
„§ 2   
        
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Vorschriften des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge – insbesondere der Anlage 9 + 10 zum BMT-G und des Bezirkszusatztarifvertrages (BZT-G/NRW) – in der jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an deren Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils inkraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung.
        
        
…“    
        
3
Die Beklagte übernahm von der Klinikum R GmbH den Bereich Reinigung, in dem die Klägerin beschäftigt war, mit Wirkung ab dem 1. Juli 2004. Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nicht widersprochen.
4
Die Beklagte zahlt der Klägerin und den anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Reinigungsbereich Entgelt nach den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung. Demgegenüber fordert die Klägerin unter Berufung auf das im Rechtsstreit einer Kollegin ergangene Senatsurteil vom 29. August 2007 (- 4 AZR 767/06 – BAGE 124, 34) Vergütung nach den Vergütungstarifverträgen zum BMT-G II, die sie später nach einem Hinweis des erstinstanzlichen Gerichts nach den Bestimmungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) neu berechnet hat.
5
In dem anwaltlichen Geltendmachungsschreiben vom 23. Oktober 2007 heißt es ua.:
        
„Unsere Mandantin gehört zu den Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnis vom S-Klinikum auf den D übergegangen ist.
        
Für unsere Mandantin machen wir ebenfalls Nachzahlungsansprüche geltend für die Zeit vom 01.07.2004 bis Oktober 2007, und zwar
        
Lohndifferenz 2,07 € x 130 Stunden im Monat x 40 Monate = 10.764,00 €.
        
Hinzu kommen noch Weihnachtsgeldansprüche für die Jahre 2004, 2005 und 2006,
        
Urlaubsgeldansprüche für die Jahre 2004, 2005, 2006 und 2007
        
sowie Ansprüche auf Vermögenswirksame Leistungen für 40 Monate.
        
Wir bitten Sie, eine entsprechende Abrechnung zu erteilen und sehen dieser entgegen innerhalb einer Frist von 2 Wochen …“
6
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin zuletzt noch Bruttodifferenzbeträge für den Zeitraum April 2007 bis April 2008, Jahressonderzahlung für das Jahr 2007 sowie vermögenswirksame Leistungen für den Zeitraum April 2007 bis März 2008.
7
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
        
        
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.810,11 Euro brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung.
8
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Auf das Arbeitsverhältnis seien die für allgemeinverbindlich erklärten Rahmen- und Lohntarifverträge für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung anzuwenden. Das Bundesarbeitsgericht habe sich mit dem Urteil vom 29. August 2007 (- 4 AZR 767/06 – BAGE 124, 34) in unzulässiger Weise von seiner bisherigen – jedenfalls noch für sog. Altverträge anzuwendenden – Rechtsprechung zur Auslegung von Bezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede entfernt. Falls jedoch ein Anspruch nach dem BMT-G II ab dem Betriebsübergang vom 1. Juli 2004 zuerkannt werde, sei dieser jedenfalls nicht dynamisch auch auf den TVöD bezogen. Schließlich seien Ansprüche der Klägerin für die Monate April bis November 2007 sowie auf Jahressonderzahlung 2007 nach § 63 BMT-G II verfallen; § 63 BMT-G II greife nicht, da die Klägerin für die Beklagte auf der Grundlage eines Stundenlohns tätig sei und sich deshalb die Vergütung monatlich ändere.
9
Das Arbeitsgericht hat der Klage im zuletzt beantragten Umfang stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Für die Klägerin hat es die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.


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