Arbeitsrecht

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Aktenzeichen  6 Sa 448/20

Datum:
15.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 52594
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 305 ff
GewO § 106

 

Leitsatz

Eine im Arbeitsvertrag zwischen einer ausländischen Fluggesellschaft und einem Piloten enthaltene unternehmensweite Versetzungsklausel erfasst auch die Versetzung an eine ausländische “homebase”. Dies verstößt als echte das Direktionsrecht erweiternde Klausel nicht gegen die §§ 305 ff BGB. (“Parallelverfahren” zu Urt. v. 12.05.2021 – 2 Sa 29/21).

Verfahrensgang

1 Ca 836/20 2020-10-20 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 20.10.2020 – Az. 1 Ca 836/20 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insoweit auch statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b) u. c) ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
B.
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht im Ergebnis und auch weitgehend mit zutreffender Begründung die Versetzung des Klägers nach Bologna für wirksam erachtet. Eine Überprüfung der sozialen Wirksamkeit der vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung war somit nicht veranlasst.
I. Die internationale Zuständigkeit ist – was auch von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wird – nach Art. 21 Nr. 2 lit. a EUGVVO gegeben, da der Kläger seine Arbeit zuletzt gewöhnlich von der Base in Nürnberg aus verrichtet hat (Zöller/Geimer, ZPO 33. Aufl., Art. 21 EuGVVO, Rn 6; zur Bedeutung des Begriffs der Heimatbasis als wichtigem Indiz für den Begriff des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet vgl. BAG 07.05.2020 – 2 AZR 692/19 Rn 27 ff, juris).
II. Die Versetzung nach Bologna ist nach Ansicht des Berufungsgerichts von dem in Ziffer 6.1 des Arbeitsvertrages der Parteien bestimmten Direktionsrecht der Beklagten in Verbindung mit dem Tarifsozialplan gedeckt. Die Frage, ob die Klausel in Ziffer 6.1 des Arbeitsvertrages hinsichtlich der dort bestimmten Vergütungsregelung wirksam ist oder nicht, ist nach Auffassung des Berufungsgerichtes nicht entscheidungserheblich.
1. Die Wirksamkeit der Versetzung von Nürnberg nach Bologna ist nach deutschem Recht zu überprüfen. Dies gilt trotz der Vereinbarung irischen Rechts in Ziffer 135 des Arbeitsvertrags sowohl für die Prüfung der Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag als auch für die Frage, ob die Versetzung billigem Ermessen im Sinne des § 106 GewO entspricht.
a. Nach Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO gilt grundsätzlich die freie Rechtswahl. Vorliegend haben die Vertragsparteien ausdrücklich eine Rechtswahl getroffen und die Anwendung irischen Rechts vereinbart. Die Rechtswahl ist im internationalen Arbeitsvertragsrecht jedoch in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt, d.h. unabhängig von einer Vereinbarung über das anzuwendende Recht setzen sich bestimmte zwingende Normen aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes durch. Zunächst folgt aus Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom-I-VO, dass durch die Rechtswahl dem Arbeitnehmer nicht der Schutz der zwingenden Normen des Rechts entzogen werden darf, welches bei objektiver Anknüpfung nach Art. 8 Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 4 Rom-I-VO anzuwenden wäre. Bei objektiver Anknüpfung käme deutsches Recht zur Anwendung, da der Kläger seine Base in Nürnberg hat und daher die Arbeit gewöhnlich von Deutschland aus verrichtet (Art. 8 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. Rom-I-VO; vgl. EuGH 14.09.2017 – C-168/16 und C-169/16; BAG 07.05.2020 – 2 AZR 692/19 Rn 27 ff, juris). Zwingende Vorschriften in diesem Sinne sind Normen, die dem Schutz der Beschäftigten dienen und vertraglich nicht abdingbar sind, z.B. die §§ 1 bis 14 KSchG, sowie die §§ 305 ff BGB (AGB-Kontrolle, ErfK-Schlachter, 21. Aufl., Rom-I-VO, Art. 9 Rz. 19). Hierzu zählen auch Tarifnormen, sofern sie für das Arbeitsverhältnis konkret gelten, § 4 Abs. 1 iVm Abs. 3 TVG (BAG 09.07.2003 – 10 AZR 593/02; ErfK-Schlachter, 21. Aufl., Art. 9 Rom I-VO Rn 19). Anzuwenden ist die für den Arbeitnehmer günstigere Norm, wobei für den Günstigkeitsvergleich zusammengehörige Regelungskomplexe zu vergleichen sind (sog. Sachgruppenvergleich) (so auch Temming in Preis, Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl., § 220, Entsendung Rz. 9, mwN).
b. Der zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Versetzung geltende VTV sieht auch ausdrücklich vor, dass rückwirkend ab 01.01.2019 für alle an deutschen Bases stationierten Piloten deutsches Recht zur Anwendung kommt.
aa. Eine solche Vereinbarung des Arbeitsvertrags-Statuts durch Tarifvertrag ist zulässig (ErfK-Schlachter, 21. Aufl., Rom I-VO Art. 9, Rn 7; EuArbRK/Krebber Art. 8 VO 593/2007/EG Rn 9 mwN). Die Notwendigkeit tariflichen Schutzes kann bei grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeiten nicht geringer eingeschätzt werden als bei rein nationalen Sachverhalten. Die anwendbare Rechtsordnung kann die Arbeitsverhältnisse in so erheblichem Ausmaß gestalten, dass sie als tariflich regelbare Arbeitsbedingung einzuordnen ist (ErfK-Schlachter a.a.O). Weitere Voraussetzung ist, dass der entsprechende Tarifvertrag das in Frage stehende Arbeitsverhältnis rechtlich erfasst und gestaltet. Dies ist bei Tarifgebundenheit nach §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 2 TVG der Fall (EuArbRK/Krebber Art. 8 VO 593/2007/EG Rn 9 mwN). Im vorliegenden Fall liegt beiderseitige Tarifgebundenheit vor. Der Kläger ist Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft Cockpit. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die Beklagte sind als tarifschließende Arbeitgeber selbst Tarifpartei. Das Arbeitsverhältnis hätte ohne die im Arbeitsvertrag getroffenen Rechtswahl deutschem Arbeitsrecht unterlegen. Die Parteien haben Nürnberg als Homebase des Klägers vereinbart. Aus der Gesamtheit der Umstände ergibt sich nicht, dass der Arbeitsvertrag eine engere Verbindung zu einem anderen Staat im Sinne von Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO hatte.
bb. Die Rechtswahl kann jederzeit geändert werden (Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO). Dies haben die Tarifvertragsparteien für an den deutschen Bases stationierten Piloten getan, in dem sie deutsches Recht vereinbart haben. Hinzu kommt, dass die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin selbst Arbeitsvertrags- und Tarifvertragspartei sind. In einem solchen Fall wäre es ohnehin treuwidrig, sich weiterhin auf die Geltung irischen Rechts zu berufen. Dies hat die Beklagte aber auch nicht getan.
2. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel erfasst auch Versetzungen ins Ausland. Dies ergibt die Auslegung der Klausel.
a. Bei den Bestimmungen des streitgegenständlichen Arbeitsvertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Bereits das äußere Erscheinungsbild der formularmäßigen Vertragsgestaltung lässt auf Allgemeine Geschäftsbedingungen schließen. Auch entspricht der streitgegenständliche Arbeitsvertrag nach deren unbestrittenem Vorbringen einer bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten betriebsüblichen Blankettvorlage. Es handelt sich nach alledem um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Jedenfalls ist der streitgegenständliche Arbeitsvertrag ein Verbrauchervertrag iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Dass der Kläger auf den Inhalt des Arbeitsvertrags Einfluss nehmen konnte (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB), hat die Beklagte nicht behauptet.
b. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist (vgl. etwa BAG 26.11.2020 – 8 AZR 58/2 Rn 57 mwN; BAG 03.12.2019 – 9 AZR 44/19 Rn. 15 mwN).
aa. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthält nach seinem Wortlaut keine Festlegung des Arbeitsortes. Nach der Rechtsprechung des BAG verhindert die Bestimmung eines Ortes der Arbeitsleistung in Kombination mit einer im Arbeitsvertrag durch Versetzungsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung. In einem solchen Fall ist eine örtliche Versetzung vertraglich nicht ausgeschlossen und grundsätzlich vom Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 Satz 1 GewO gedeckt. Es macht keinen Unterschied, ob im Arbeitsvertrag auf eine Festlegung des Ortes der Arbeitsleistung verzichtet und diese dem Arbeitgeber im Rahmen von § 106 Satz 1 GewO vorbehalten bleibt oder ob der Ort der Arbeitsleistung bestimmt, aber die Möglichkeit der Zuweisung eines anderen Orts vereinbart wird. In diesem Fall wird lediglich klargestellt, dass § 106 Satz 1 GewO gelten und eine Versetzungsbefugnis an andere Arbeitsorte bestehen soll (BAG 30.11.2016 – 10 AZR 11/16 Rn 19 mwN). Das Recht der Beklagten bezüglich des Arbeitsortes ist nicht durch den Arbeitsvertrag dahingehend eingeengt, dass jedwede andere Zuweisung eines Arbeitsortes außerhalb Nürnbergs per se unwirksam wäre. Die Formulierung „will be located principally at Nuremberg Airport and at such other place or places as the Company reasonably requires fort he proper fulfiment of your duties and responsibilities under the Agreement“ kann nach beiden Übersetzungen nicht anders verstanden werden, als dass Nürnberg gerade nicht vertraglich garantiert war. Sie zielt vielmehr gerade darauf ab, sich die durch § 106 GewO eingeräumte Befugnis „vorzubehalten“, den Kläger auch an eine andere Base versetzen zu können.
bb. Der Wortlaut der Versetzungsklausel enthält weder nach der Übersetzung des Klägers noch der der Beklagten eine örtliche Begrenzung etwa auf Deutschland oder Europa. Sie ist auch nicht unter Berücksichtigung der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise entsprechend einschränkend auszulegen. Es handelt sich hier um einen Arbeitsvertrag mit fliegendem Personal einer irischen Fluggesellschaft. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Anwendung irischen Rechts vereinbart. Weiter ist vereinbart, dass sich die Vergütung bei Versetzung nach dem dann an der neuen Base geltenden Gehaltssystem richten soll. Auch dies ist – unabhängig von der Wirksamkeit einer solchen Klausel – ein deutlicher Hinweis, dass eine Versetzung auch in eine ausländische Base, also grundsätzlich weltweit, vertraglich vorbehalten sein sollte.
3. Die das Ausland erfassende Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag verstößt nicht gegen zwingendes deutsches Arbeitnehmerschutzrecht.
aa. Die Versetzungsklausel verstößt nicht gegen § 106 GewO.
(1) Nach § 106 Satz 1 GewO darf der Arbeitgeber den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften etwas anderes festgelegt ist.
(2) Es ist zwar umstritten, ob die Regelung des § 106 GewO grundsätzlich auch eine Versetzung ins Ausland zulässt. So wird einerseits vertreten, dass die Befugnis zu einer Versetzung ins Ausland grundsätzlich direkt aus § 106 GewO folgt (vgl. ErfK-Preis, 21. Aufl. 2021, § 106 GewO Rdnr. 18 mwN). Nach anderer Ansicht ist eine Versetzung in einen ausländischen Betrieb allein auf der Grundlage von § 106 Satz 1 GewO in der Regel ausgeschlossen. Allerdings kann auch nach dieser Ansicht eine solche Möglichkeit vereinbart werden (KR-Kreft, 12. Aufl. 2019, § 2 KSchG, Rdnr. 66). Auch das BAG hat im Urteil vom 20.04.1989 (2 AZR 431/88, Rn 20) festgehalten, dass es für die Möglichkeit der Versetzung (im dortigen Fall von Berlin nach Lyon wegen Betriebsverlagerung) auf die vertraglichen Vereinbarungen ankommt. Der Meinungsstreit kann hier dahingestellt bleiben, da die Parteien im Arbeitsvertrag eine andere, nämlich eine die Versetzung ins Ausland umfassende Versetzungsklausel vereinbart haben.
bb. Die Versetzungsklausel ist auch nicht wegen Verstoßes gegen die §§ 305 ff BGB unwirksam. Sie hält einer Klauselkontrolle stand.
(1) Die Versetzungsklausel ist nicht intransparent iSv § 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie regelt eindeutig die Versetzungsmöglichkeit an eine andere Base und ist nicht auf Deutschland beschränkt.
(2) Die Versetzungsklausel hält auch der Inhaltskontrolle nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 308, 309 BGB stand.
(a) Geht man davon aus, dass § 106 GewO ohnehin die örtliche Versetzung ins Ausland mitumfasst, weicht die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel im Ergebnis nicht von § 106 GewO ab. Eine solche unechte Erweiterung des Direktionsrechts auf das gesetzlich ohnehin zulässige Maß als gesetzeswiederholende AGB ist gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB inhaltskontrollfrei (ErfK-Preis, 21. Aufl., § 106 GewO, Rn 17, 18 mwN).
(b) Geht man davon aus, dass es sich bei der Versetzungsklausel um eine echte das Direktionsrecht erweiternde Klausel handelt, so unterliegt diese zwar der vollen Inhaltskontrolle der §§ 307 ff BGB. Dieser hält sie aber stand.
(aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, der Zweck und die besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (BAG 13.03.2007, a.a.O.).
(bb) Es kann dahinstehen, ob die Klausel, dass die Bezahlung nach dem dort (am neuen Standort) geltenden Gehalts- und Flugvergütungssystem erfolgt, einer Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 ff BGB standhält, insbesondere § 308 Nr. 4 BGB.
Die mögliche Unwirksamkeit dieser Klausel nach deutschem Recht führt jedenfalls nicht zur Gesamtunwirksamkeit der Versetzungsklausel. § 306 BGB enthält eine kodifizierte Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB und bestimmt, dass bei Teilnichtigkeit grundsätzlich der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Die Anwendung dieses Grundsatzes entspricht der Interessenlage beider Arbeitsvertragsparteien. Soweit die Klausel nicht teilbar ist, tritt an ihre Stelle nach § 306 Abs. 2 BGB das Gesetz. Die Teilbarkeit einer Klausel ist mittels des sog. Blue-Pencil-Tests durch Streichung des unwirksamen Teils zu ermitteln (BAG 13.04.2010 – 9 AZR 976/09). Ist die verbleibende Restregelung weiterhin verständlich, bleibt sie bestehen. Maßgeblich ist also, ob die Klausel mehrere sprachliche Regelungen enthält und der unzulässige Teil sprachlich eindeutig abtrennbar ist. Gegenstand der Inhaltskontrolle sind für sich jeweils verschiedene nur formal verbundene Vertragsbedingungen (BAG 13.04.2010, a.a.O.).
Die Befugnis zur Versetzung und der Hinweis, dass im Falle der Versetzung/Übertragung/Transferierung auf eine andere Basis die Bezahlung nach dem dort geltenden Gehaltssystem erfolgen wird, sind inhaltlich abtrennbar. Letztere kann problemlos vollständig gestrichen werden. Trotzdem bleibt die übrige Versetzungsklausel äußerlich und inhaltlich unverändert und behält ihre Selbständigkeit und ihren spezifischen Zweck. Eine etwaige Unwirksamkeit der Klausel, die das geltende Vergütungssystem betrifft, berührt deshalb nicht die verbleibende Regelung.
(cc) Die Versetzungsklausel benachteiligt den Kläger nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
§ 106 GewO sowie entsprechende Versetzungsklauseln tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung. Der Arbeitsvertrag bedarf als Dauerschuldverhältnis einer ständigen, bei Vertragsschluss gedanklich nicht vorwegnehmbaren Anpassung. Die Einflussfaktoren sind im Arbeitsrecht so zahlreich und vielgestaltig, dass gesicherte Prognosen kaum möglich sind (BAG 13.04.2010, a.a.O.). So sind auch die Art des Arbeitsvertrages, der Status des Arbeitnehmers, der konkret vereinbarte Inhalt, die Vergütungsform und der zeitliche Umfang der geschuldeten Tätigkeit sowie die Dauer der Vertragsbeziehung jeweils für die Wirksamkeit der Vertragsklausel relevant (ErfK-Preis, 21. Aufl., §§ 305 – 310 BGB Rn 46). So sind Festlegungen bezüglich der zulässigen Entfernung als auch die Berücksichtigung von Ankündigungsfristen bei Versetzungsklauseln wünschenswert, jedoch nicht zwingend zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung erforderlich. Der Arbeitnehmer wird durch die vom Gericht nach § 106 GewO, § 315 BGB durchzuführende Ausübungskontrolle vor unbilligen Überforderungen geschützt (BAG 13.04.2010, a.a.O., mwN.).
Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitsvertrag die Position eines Piloten bei einem ausländischen Luftverkehrsunternehmen umfasst, der Arbeitsvertrag seitens der Arbeitgeberin nicht in Deutschland unterzeichnet wurde und ausdrücklich die Anwendung irischen Rechts vereinbart wurde. Dem Kläger musste aus den sich bei Vertragsabschluss ergebenden Umständen somit von Anfang an klar gewesen sein, dass sein Einsatz sich gerade nicht auf einen deutschen Standort begrenzte. Der Tätigkeit von Flugpersonal einer international tätigen Fluggesellschaft ist gerade eine gewisse Volatilität/Flexiblität immanent. Der Status des Klägers und die Art seines Arbeitsvertrages führen somit dazu, dass die arbeitsvertraglich vereinbarte Versetzungsmöglichkeit ins Ausland nicht unangemessen ist.
cc. Auch die im Bereich der Luftfahrt geltenden Regelungen über Flug-, Dienst- und Ruhezeiten stehen der Wirksamkeit der getroffenen vertraglichen Regelung nicht entgegen. Nach § 20 ArbZG iVm. Art. 1 iVm. Ziff. 3.1 des Anhangs III Abschn. Q OPS 1.1090 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom 20. August 2008 (ABl. EU L 254 vom 20. September 2008 S. 1, 223) ist die Beklagte verpflichtet, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis anzugeben. Aus diesen Vorschriften ergibt sich aber nicht die Verpflichtung, die Heimatbasis arbeitsvertraglich so festzuschreiben, dass eine Änderung nur im Wege einer Änderungskündigung erfolgen könnte. Vielmehr schließen auch diese Vorschriften nicht aus, dass der Arbeitgeber im Rahmen der vertraglichen Regelungen im Wege des Direktionsrechts diese Heimatbasis verändert und gegenüber dem Besatzungsmitglied neu benennt (BAG 30.11.2016 – 10 AZR 11/16 Rn 25 mwN).
4. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel verstößt allerdings gegen die Regelungen im TVSP und ist, soweit sie die Versetzung über die EU-Länder einschließlich Großbritannien, Norwegen und die Schweiz hinaus ermöglicht, nicht anzuwenden. Die arbeitsvertragliche Regelung ist nicht günstiger als die tarifliche (§ 4 Abs. 3 TVG).
(a) Auf Grund beiderseitiger Tarifgebundenheit gilt der TVSP im Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar und zwingend (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG). Der TVSP gilt nach dessen § 1 „(i) für alle dauerhaften … Stilllegungen und Einschränkungen (…) von Stationierungsorten in Deutschland und (ii) für alle Piloten mit einem Arbeitsvertrag mit R… … mit einer deutschen „homebase“, die auf Grund einer dauerhaften Stilllegung/Einschränkung ihres Stationierungsortes in Deutschland für eine Versetzung/Kündigung ausgewählt werden“ können. Der Kläger hatte seine Heimatbasis in Nürnberg. Dieser Stationierungsort wurde stillgelegt. Damit ist der räumliche, sachliche und persönliche Anwendungsbereich des TVSP eröffnet.
(b) Der TVSP regelt im Einzelnen den Prozess der Personalreduzierung bei Stilllegungen von Stationierungsorten und lässt hierbei in Stufe 4 nur die Versetzung/Änderungskündigung in EU-Ländern einschließlich Großbritanniens, Norwegens und der Schweiz zu, also keine weltweite Versetzung. Eine Versetzung an einen außerhalb dieses Bereichs liegenden Ort ist nicht geregelt. Damit enthält der Arbeitsvertrag hinsichtlich des Regelungsbereichs des TVSP keine hiervon abweichenden günstigeren Regelungen. Die Regelungen des TVSP gehen daher als nicht ungünstigere Regelungen vor und sind anzuwenden (§ 4 Abs. 3 TVG).
(c) Es liegt somit eine Einschränkung des vertraglichen Weisungsrechts vor und – entgegen der Auffassung der Klägerseite – keine Erweiterung. Der Kläger trägt selbst vor, dass die Tarifvertragsparteien sich im Rahmen des arbeitsvertraglich vereinbarten Weisungsrechtes halten wollten und eine Versetzung nur im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen möglich sein sollte. Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Für Arbeitsverträge, die dagegen eine Konkretisierung des Arbeitsortes und damit eine Einschränkung des Weisungsrechts beinhalten, wäre eine darüber hinausgehende Versetzung nur im Rahmen einer Änderungskündigung möglich. Diese Differenzierung erfolgt durch den Tarifsozialplan. Insoweit wird auch ausdrücklich von einer Änderung des Stationierungsortes per „Versetzung oder Änderungskündigung“ (§ 3 Ziff. 2 Stufe 4 TVSP, Blatt 74 der Akten) gesprochen. Damit wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien von verschiedenen Fallkonstellationen ausgingen, aber eben auch von der Möglichkeit einer vom Weisungsrecht gedeckten Versetzung. Dass die Gewerkschaft Cockpit e.V. bei Abschluss des Tarifvertrages insoweit von ihrer Rechtsauffassung ausging, dass § 106 GewO bzw. die Arbeitsverträge ohne Ausnahme nur eine Inlandsversetzung zulassen und die Aufnahme der Formulierung „Versetzung oder Änderungskündigung“ daher erfolgt sei, da ihrer Meinung nach Versetzungen nur Stationen im Inland und Änderungskündigung Stationierungsorte im Ausland umfassen, ist irrelevant. Die Klagepartei trägt selbst vor, dass diese Frage im Rahmen der Tarifverhandlungen kontrovers diskutiert wurde und somit beide Parteien das Risiko auf sich nahmen, dass der Umfang des arbeitsvertraglichen Weisungsrechtes durch die Arbeitsgerichte anders beurteilt werden könnte.
5. Die Versetzung des Klägers nach Bologna erfolgte auch im Rahmen des arbeitsvertraglich vereinbarten Versetzungsrechts iVm § 3 TVSP und aufgrund einer nicht zu beanstandenden Ermessensentscheidung der Beklagten. Sie ist im Rahmen der arbeitsvertraglichen und kollektiv-rechtlichen Grenzen erfolgt. Nach § 3 Ziffer 2 Stufe 4 des TVSP kann eine arbeitgeberseitige Änderung der Stationierungsorte bei Stilllegung oder Einschränkung von Stationierungsorten innerhalb Deutschlands oder an einem anderen Stationierungsort in EU-Ländern einschließlich Großbritannien, Norwegen und Schweiz erfolgen. Einer Änderungskündigung bedurfte es nicht.
a. Die Versetzung nach dem TVSP ist nicht deshalb unwirksam, weil nach § 3 Ziffer 4 Piloten, die an einen anderen ausländischen Stationierungsort verlegt werden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt werden, insbesondere das Gehalt sich nach dem am neuen Stationierungsort geltenden Tarifvertrag, richtet. Die Tarifvertragsparteien haben mit diesen Vorschriften im TVSP nicht die ihnen zustehende tarifliche Regelungsmacht überschritten.
aa. Es liegt keine Umgehung zwingender Kündigungsschutzvorschriften vor; wesentliche Elemente des Arbeitsvertrages sollen gerade nicht einer einseitigen Änderung durch den Arbeitgeber unterliegen, durch die das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung grundlegend gestört würde. Die Regelung im TVSP auf Weiterbeschäftigung gemäß den jeweils an den Stationierungsorten geltenden Tarifverträgen ist keine Änderung der Arbeitsbedingungen im Sinne des § 2 KSchG. Der Eingriff in das Gehaltsgefüge, das sich aufgrund eines Tarifvertrages ergibt, durch einen automatischen Wegfall der Geltung dieses Tarifvertrages und der möglichen Anwendung eines anderen Tarifvertrages, erfolgt nämlich nicht aufgrund einer einseitigen Gestaltungserklärung des Arbeitgebers und lässt günstigere arbeitsvertragliche Regelungen unberührt (§ 4 Abs. 3 TVG).
bb. Die Versetzung greift auch nicht in die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitsvergütung ein.
(1) Eine Erhöhung der mit der Berufsausübung verbundenen Belastungen wie z.B. Fahrtkosten, Mietkosten etc., betreffen nicht die vereinbarte Vergütung. Die Erhöhung der finanziellen Belastungen sind bei der Ausübungskontrolle im Rahmen der Prüfung des billigen Ermessens zu berücksichtigen (BAG 28.08.2013 – 10 AZR 569/12).
(2) Das Versetzungsschreiben betrifft nur die Änderung des Stationierungsortes. Die Tätigkeit des Klägers als Pilot soll unverändert bleiben. Eine Änderung der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung ist nicht erfolgt und wäre auch nur über eine Änderungskündigung oder einvernehmlich möglich.
Das zuletzt erzielte Brutto-Monatsgehalt ergab sich nicht aus dem Arbeitsvertrag, sondern aus dem im Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend geltenden VTV. Dies gilt auch für die „allowance“ von monatlich 500,- €, die jedenfalls nicht über den neben dem Grundgehalt zu zahlenden tariflichen Entgelten liegt (vgl. Tabelle 3.1 des VTV, Blatt 25 der Akten). Dieser Tarifvertrag entfaltet aber nur Wirkung für die in seinen örtlichen Geltungsbereich fallenden Piloten und findet ab dem Zeitpunkt der Versetzung nach Bologna, also ab 01.05.2020 bzw. ab 01.07.2020 keine Anwendung mehr. Eine dauerhafte Entsendung aus dem räumlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages führt nämlich regelmäßig zum Ende der Geltung des Tarifvertrages, es sei denn, es ist arbeitsvertraglich etwas anderes geregelt. Dies ist jedoch hier nicht der Fall. Bei einer nicht nur vorübergehenden Entsendung tritt ein Statutenwechsel zum ausländischen Recht ein, es entfällt das TVG und die Geltungsgrundlage für einen deutschen Tarifvertrag (Löwisch/Rieble, TVG, 4. Aufl. 2017, § 4 Rn 204, 206 mwN). Dies ist ein Automatismus, der der Änderung des Arbeitsortes folgt.
Für diese Änderung des kollektiven Rechts ist keine Änderungskündigung erforderlich. Tarifverträge gelten – soweit nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist – grundsätzlich nur für Arbeitnehmer, die unter deren Geltungsbereich fallen. Mit der (dauerhaften) Versetzung nach Italien gilt der VTV jedoch nicht mehr für den Kläger. Ob der in Italien von den dort zuständigen Tarifvertragsparteien geschlossene Tarifvertrag automatisch für den Kläger Anwendung findet, ist dann zunächst wohl nach irischem Recht zu beurteilen, es sei denn, die Tarifvertragsparteien in Italien hätten insoweit ebenfalls eine Änderung des Arbeitsvertrags-Statuts vereinbart.
b. Die Versetzung hält auch der Ermessensausübungskontrolle nach § 106 GewO, § 315 BGB stand.
(a) Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem bestimmungsberechtigten Arbeitgeber mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 BGB allein die Prüfung, ob der Arbeitgeber die Grenzen seines Direktionsrechts beachtet hat. Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und der Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Hierzu gehören die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Pflichten und Unterhaltsverpflichtungen. Welche Umstände dies im Einzelnen sind, hängt auch von der Art der Leistungsbestimmung ab, die der Berechtigte zu treffen hat. So können bei der Zuweisung der Tätigkeit an einen anderen Ort andere Faktoren relevant sein als bei der Bestimmung der Höhe einer variablen Vergütung. Von maßgeblicher Bedeutung kann auch die Ursache für die Notwendigkeit der Leistungsbestimmung sein. Ob die Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt wurden, kann nur durch Abwägung mit den dienstlichen Gründen des Arbeitgebers ermittelt werden, die zu der Ausübung des Direktionsrechts geführt haben. Die Berücksichtigung schutzwürdiger Belange des Arbeitnehmers anlässlich der Ausübung des Direktionsrechts kann eine personelle Auswahlentscheidung des Arbeitgebers erfordern, wenn mehrere Arbeitnehmer betroffen sind. Die Leistungsbestimmung ist dann gegenüber demjenigen Arbeitnehmer zu treffen, dessen Interessen weniger schutzwürdig sind. Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Die Darlegungs- und Beweislast für die Wirksamkeit der getroffenen Ermessensausübung liegt beim Arbeitgeber. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – ein Tarifvertrag eine Versetzung zulässt (vgl. BAG 10.07.2013 – 10 AZR 915/12).
(b) Die Beklagte hat bei ihrer Versetzungsentscheidung – wie das Erstgericht völlig zutreffend ausführt – nach objektiver Betrachtung billiges Ermessen gewahrt. Diese entspricht auch der in § 3 TVSP geregelten Vorgehensweise bei Stilllegungen von Stationierungsorten. Der TVSP will im Rahmen von Stilllegungen von Stationierungsorten und sich hieraus ergebenden und absehbaren Personalüberhängen die Piloten vor notwendigen betriebsbedingten Beendigungskündigungen schützen, eine geordnete Stilllegung von Stationierungsorten ermöglichen, die den Interessen der Arbeitnehmer an einem höchstmöglichen Bestandsschutz ihrer Arbeitsverhältnisse Rechnung trägt, indem zunächst Versetzungsmöglichkeiten voll ausgeschöpft werden müssen.
(aa) Anlass für die Versetzung war die unstreitige vollständige Stilllegung des Stationierungsortes in Nürnberg zum 29.03.2020 und damit ein Personalüberhang in Bezug auf die am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten.
(bb) Der Pilotenüberhang konnte nicht über Stufe 1 abgebaut werden. Die Beklagte hat dargelegt, dass eine Änderung des Stationierungsortes zu von der IATA als dieselbe Stadt bedienend benannten Flughäfen oder eine Änderung des Stationierungsortes mit einer Fahrtzeit von weniger als 60 Minuten nicht möglich war, da es einen solchen Stationierungsort nicht gibt. Dies wurde vom Kläger auch erstinstanzlich zuletzt nicht mehr bestritten.
(cc) Unstreitig hat der Kläger keine Angabe zur Wahl eines anderen Standortes innerhalb der gesetzten Frist bis 31.12.2019 getroffen, womit auch Stufe 2 nicht zum Tragen gekommen ist. Unabhängig davon hat die Beklagte auch zum Sachvortrag des Klägers, wonach Ende 2019 bzw. Anfang 2020 Piloten aus England nach Frankfurt und aus Hamburg nach Berlin, Köln sowie Frankfurt versetzt worden seien, weder erstinstanzlich noch in der Berufungsinstanz substantiiert Stellung genommen. Nach dem Vortrag der Beklagten waren zum Zeitpunkt der Entscheidung vom 25.11.2019, den Stationierungsort in Nürnberg zu schließen, keine freien Arbeitsplätze in Deutschland mehr vorhanden gewesen. Zwei Positionen für Copiloten an den Stationierungsorten Köln und Baden-Baden, die im November 2019 frei wurden, waren an zwei Piloten aus Hamburg vergeben worden. Bei den Versetzungen von Hamburg nach Berlin handelt es sich nicht um freie Positionen in Berlin, sondern anlässlich der Schließung des Hamburger Stationierungsortes hatten Kapitäne in Berlin angeboten, ihre Vollzeit zu reduzieren und sich den Arbeitsplatz im Rahmen eines Jobsharings mit einem der Hamburger Kapitäne zu teilen. Dies ist bereits vor der Versetzung der Nürnberger Piloten geschehen. Die Versetzung nach Frankfurt am Main ist zum 01.10.2019 und die letzte Versetzung nach Frankfurt-Hahn mit Wirkung zum 01.12.2019 erfolgt, wobei diese bereits im Oktober 2019 ausgesprochen wurden.
(dd) Erstinstanzlich hat die Beklagte weiter ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Versetzung auch keine Möglichkeit zum Abschluss von Arbeitsverträgen als mobile Piloten gemäß Stufe 3 bestand, da der einzige Arbeitsplatz für einen mobilen Piloten an einen Kollegen in Nürnberg vergeben wurde, der nach § 5 TVSP sozial schutzwürdiger war. Dies wurde vom Kläger auch in der Berufungsinstanz nicht mehr im Einzelnen bestritten.
(ee) Nach der Regelung in Stufe 4 war die Auswahl der Piloten, denen arbeitgeberseitig ein anderer Stationierungsort zugewiesen wird, gemäß § 6 TVSP vorzunehmen. Die Beklagte hat insoweit unwidersprochen vorgetragen, dass keine freien Stellen in Deutschland mehr vorhanden gewesen sind. Eine Verletzung der tariflichen Bestimmungen ist deshalb nicht erkennbar. Die in Stufe 5 nach § 7 TVSP vorzunehmende Sozialauswahl war nur für den Fall von Beendigungskündigungen vorgesehen und nicht bei Versetzungen vorzunehmen. Abgesehen davon sind alle Piloten des Nürnberger Stationierungsortes nach Italien versetzt worden, so dass auch unter diesen keine Auswahl getroffen werden konnte. Zudem konnte der ledige und nicht unterhaltspflichtige Kläger nicht darlegen, dass andere Kollegen weniger schutzwürdig gewesen seien bzw. eine weniger einschneidende Versetzung als von Nürnberg nach Bologna erhalten hätten. Gleiches gilt für andere etwaige Standorte außerhalb Deutschlands, die für ihn weniger belastend gewesen wären. Eine Auswahlentscheidung unter Abwägung der dienstlichen Belange der Beklagten und der persönlichen Umstände des Klägers war aufgrund der gleichen Ausgangslage für alle in Nürnberg stationierten Piloten damit nicht zu treffen.
(c) Die Ermessensentscheidung der Beklagten war somit weitgehend durch das im TVSP geregelte Stufenverfahren vorgegeben. Etwaige Motive oder Erwägungen der Beklagten, die unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung von Standorten zu treffen, können dahinstehen. Die Organisationsentscheidung kann nicht auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüft werden. Die Tarifparteien haben die Interessen der von einem Umzug betroffenen Piloten in § 8 TVSP mit Umzugsleistungen von € 2.000,- für den Piloten, die sich bis max. € 8.000,- für unterhaltsberechtigte Personen steigern, sowie eine Woche bezahlte Freistellung berücksichtigt. Es ist nicht ersichtlich, dass – nachdem in Deutschland keine freien Stellen vorhanden waren – ein weniger belastender, insbesondere näherliegender Stationierungsort als Bologna zur Verfügung gestanden hätte. Die soziale Absicherung beim Wechsel des Arbeitsortes ins europäische Ausland richtet sich nach der VO (EG) 883/2004. Nach Art. 11 Abs. 5 VO (EG) 883/2004 gilt die Tätigkeit eines Piloten in dem Mitgliedstaat ausgeübt, in dem sich die Heimatbasis im Sinne von Anhang III der VO (EWG) Nr. 3922/91 befindet, nach der Versetzung also Italien. Dass ein anderer Stationierungsort der Beklagten mit freien Stellen im Hinblick auf die soziale Absicherung weniger belastend gewesen wäre, ist weder behauptet noch ersichtlich. Die Versetzung ist auch mit ausreichender Ankündigungsfrist erfolgt. Sie lag über der gesetzlichen Kündigungsfrist, die im Fall des Klägers einen Monat zum Monatsende betragen hätte (§ 622 Abs. 2 BGB). Insbesondere aufgrund der Einhaltung des tariflich geregelten Stufenverfahrens ist die Versetzungsentscheidung damit sowohl unter Berücksichtigung der Interessen des Einzelfalles als auch unter Einbeziehung aller von der Stilllegung erfassten Arbeitnehmer nach billigem Ermessen im Sinne der §§ 106 Satz 1 GewO, 315 Abs. 1 BGB erfolgt.
III. Über die für den Fall des Obsiegens mit dem Berufungsantrag zu 2 gestellten Änderungsschutzantrag (Berufungsantrag zu 3) und den Weiterbeschäftigungsantrag (Berufungsantrag zu 4) war nicht mehr zu entscheiden.
C.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
D.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung war die Revision nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.


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