Arbeitsrecht

Disziplinarklage auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis

Aktenzeichen  M 19L DK 20.959

Datum:
14.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 31857
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 11 Abs. 6, Art. 33 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Art. 57 Abs. 2 Nr. 2, Art. 58 Abs. 2 S. 2 Nr. 3. Art. 72 Abs. 4 S. 2
VwGO § 161 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Das Disziplinarverfahren wird eingestellt
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BayDG vorliegen.

Gründe

I.
Mit Disziplinarklage vom 14. Februar 2017 beantragte der Kläger im Verfahren M 19L DK 17.593 die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Die Klage war unter anderem auf unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst seit 1. Juni 2016 gestützt. Unter den Daten 11. Januar und 11. September 2018 erhob der Kläger Nachtragsdisziplinarklagen gegen den Beklagten. Das Gericht holte zu den Fragen der Dienstfähigkeit des Beklagten nach dem 1. Juni 2016 und der erheblichen Verminderung seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit ein psychiatrisches Sachverständigengutachten ein. Der eingeschaltete Gutachter widerrief seine Ausführungen aus dem Gutachten vom 26. Januar 2018 weitgehend in der mündlichen Verhandlung am 11. Juni 2018. Zur erneuten Begutachtung bei einem weiteren psychiatrischen Sachverständigen erschien der Beklagte trotz mehrfacher Aufforderung nicht. Im Erörterungstermin am 5. Juni 2019 beantragte er seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zum 31. Dezember 2019; das Bayerische Staatsministerium der Justiz kam diesem Antrag mit Verfügung vom 27. Juni 2019 nach.
Mit Schreiben vom 26. Februar 2020 beantragte der Kläger die Einstellung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens, die Auferlegung der Kosten an den Beklagten und eine Feststellung nach Art. 11 Abs. 6 Satz 2 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG). Das mit Einverständnis der Parteien im Erörterungstermin am 5. Juni 2019 zum Ruhen gebrachte Verfahren M 19L DK 17.593 wurde daraufhin unter dem Aktenzeichen M 19L DK 20.959 fortgeführt. Der Beklagte schloss sich mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 30. März 2020 dem Antrag auf Einstellung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens an, widersetzte sich aber der Kostentragung und der beantragten Feststellung nach Art. 11 Abs. 6 Satz 2 BayDG, insbesondere weil nicht feststehe, dass das Gericht die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen hätte, der er durch den Entlassungsantrag zuvor gekommen sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Disziplinarakte und der Gerichtsakte, auch im Verfahren im M 19L DK 17.593, Bezug genommen.
II.
Das Disziplinarverfahren war nach dem Ausscheiden des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis einzustellen (1.). Im Einstellungsbeschluss war über die Kostentragung zu entscheiden (2.). Weiter wird eine Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 BayDG hinsichtlich einer erneuten Ernennung zum Beamten bei einem bayerischen Dienstherrn getroffen (3.).
1. Mit dem Eintritt der Wirksamkeit der Entlassung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis bei dem Kläger mit Ablauf des 31. Dezember 2019 kann eine Disziplinarmaßnahme nach Art. 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayDG nicht mehr verhängt werden, weil der Beklagte nicht mehr dem Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 BayDG unterfällt. Das gerichtliche Disziplinarverfahren konnte deshalb nach Art. 57 Abs. 2 Nr. 2 BayDG durch Beschluss eingestellt werden. Diesen erlässt nach Art. 43 Abs. 4 Nr. 3 BayDG die Kammervorsitzende ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter.
2. Über die Kosten des Verfahrens ist nach Art. 72 Abs. 4 Satz 2 BayDG i.V.m. § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu entscheiden. Danach ergibt sich die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen, wobei der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen ist.
Hier entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen, da gegen ihn ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich eine Disziplinarmaßnahme, nämlich die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach Art. 11 BayDG, ausgesprochen worden wäre. Er ist dem Dienst seit 1. Juni 2016 und damit im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses, das in der Entlassung am 31. Dezember 2019 liegt, seit mehr als dreieinhalb Jahren unentschuldigt ferngeblieben. Bereits im Falle eines mehrmonatigen unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst sieht die Rechtsprechung die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angemessene Disziplinarmaßnahme an (vgl. Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2019, MatR /II Rn. 203 ff., insbes. Rn. 219). Eine Dienstunfähigkeit des Beklagten, die einen Entschuldigungsgrund für das Fernbleiben vom Dienst darstellt, konnte im gerichtlichen Verfahren ebenso wenig nachgewiesen werden wie eine erhebliche Verminderung seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit, die als Milderungsgrund regelmäßig der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis entgegensteht. Der Nachweis scheiterte an der fehlenden Mitwirkung des Beklagten an der Erstellung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigengutachtens. Er hat die Möglichkeit nicht genutzt, eine Dienstunfähigkeit und eine erhebliche Verminderung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit, auf die er sich beruft, die aber nach erstem Anschein nicht vorliegen, gerichtsverwertbar zu belegen. Dabei ist es unerheblich, aus welchem Grund seine Mitwirkung unterblieb. Der Beklagte hätte damit im Fall einer gerichtlichen Entscheidung die Kosten des Verfahrens zu tragen gehabt, so dass es sachgerecht erscheint, ihm auch bei Einstellung des Verfahrens dessen Kosten aufzuerlegen. Hierzu gehören – nach Rückerstattung der von dem ersten psychiatrischen Sachverständigen in Rechnung gestellten Kosten – insbesondere die für die Einschaltung des zweiten psychiatrischen Sachverständigen bereits angefallenen Kosten.
3. Der Beklagte darf bei einem bayerischen Dienstherrn nicht erneut zum Beamten ernannt werden.
Nach der Einstellung des Disziplinarverfahrens aufgrund der Entlassung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis kann im gerichtlichen Verfahren die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BayDG getroffen werden (vgl. Art. 57 Abs. 2 Nr. 2 a.E. i.V.m. Art. 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BayDG).
Nach Art. 11 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Halbs. 1 BayDG wird nach der Entlassung des Beamten auf eigenen Antrag die erneute Ernennung zum Beamten bei einem bayerischen Dienstherrn ausgeschlossen, wenn der Beamte nach Einleitung eines Disziplinarverfahrens auf eigenen Antrag aus dem Beamtenverhältnis entlassen wurde und ohne diese Entlassung aus dem Dienst entfernt worden wäre, wenn also die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis aufgrund der Disziplinarklage nur deshalb nicht erfolgt ist, weil das Beamtenverhältnis vor der gerichtlichen Entscheidung im Disziplinarverfahren durch den Entlassungsantrag beendet wurde.
Dies ist hier der Fall. Wie dargestellt (vgl. 2.) hätte die Disziplinarklage zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis geführt.


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