Arbeitsrecht

Disziplinarklage, Vorsätzliches unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst für mehr als 2 Jahre, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis

Aktenzeichen  M 19L DK 21.711

Datum:
7.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 39929
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 11

 

Leitsatz

Tenor

I. Gegen die Beklagte wird die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Gegen die Beklagte wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 Bayerisches Disziplinargesetz – BayDG) erkannt.
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Insbesondere erhielt die Beklagte in allen Verfahrensschritten die Gelegenheit zur Äußerung.
2. Das Gericht legt der Beklagten zur Last, dass sie seit 4. März 2019 und damit 23 Monate bis zur Erhebung der Disziplinarklage sowie 33 Monate bis heute unerlaubt dem Dienst ferngeblieben ist. Sie hat ihren Dienst nach Auslaufen des Sonderurlaubs aus familienpolitischen Gründen nicht wieder angetreten. Einen Antrag auf Verlängerung des Sonderurlaubs hat sie nicht gestellt. Anhaltspunkte für eine Dienstunfähigkeit der Beklagten sind nicht gegeben. Sie hat keine Atteste oder ärztlichen Stellungnahmen vorgelegt, aus der sich eine solche ergeben könnte.
Anders als in der Disziplinarklage ausgeführt ist der erste Tag des unerlaubten Fernbleibens nicht der 1. März 2019, sondern der 4. März 2019, weil der Beklagten mit Schreiben des Bezirks Oberbayern vom 29. Januar 2016 bis einschließlich (Freitag, den) 1. März 2019 Sonderurlaub gewährt wurde und die Pflicht, zum Dienst zu erscheinen, damit erst ab Montag, den 4. März 2019 bestand. Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Aktenlage.
3. Das Fehlverhalten der Beklagten stellt dabei ein innerdienstliches dar (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG), weil es untrennbar mit ihren dienstlichen Pflichten verbunden ist.
4. Mit dem unerlaubten Fernbleiben vom Dienst hat die Beklagte gegen ihre Pflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz dem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG), und ihre Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen.
5. Die Beklagte hat die ihr obliegenden Pflichten dabei schuldhaft verletzt. Ihr ist vorsätzliches Handeln zur Last zu legen. Es ist davon auszugehen, dass sie dem Dienst mit Wissen und Wollen fernblieb. Der Bezirk Oberbayern hatte sie mit Schreiben vom 29. Januar 2016, 30. Oktober 2018 und 21. März 2019 auf das Auslaufen des Sonderurlaubs und die Notwendigkeit eines Verlängerungsantrags hingewiesen und mit Schreiben vom 25. April 2019 sogar eine Missbilligung wegen des Fernbleibens bis zu diesem Zeitpunkt ausgesprochen.
6. Das Fehlverhalten der Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass sie das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG auf die Höchstmaßnahme zu erkennen.
Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 – juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9/14 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 36).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder aufgrund seines Fehlverhaltens sei eine erhebliche, nicht wieder gut zu machende Ansehensbeeinträchtigung eingetreten (BayVGH, U.v. 28.9.2016 – 16a D 13.2112 – juris Rn. 49).
Das vorsätzliche unentschuldigte Fernbleiben vom Dienst für die Dauer von 23 Monaten bis zur Erhebung der Disziplinarklage und von 33 Monaten bis heute betrifft den Kernbereich der Pflichten aus dem Beamtenverhältnis und stellt ein sehr schweres Dienstvergehen dar. Ein vorsätzliches unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst über einen Zeitraum von mehreren Monaten ist regelmäßig geeignet, das Vertrauensverhältnis endgültig zu zerstören. Verweigert ein Beamter den Dienst für einen längeren Zeitraum oder wiederholt – auch für kürzere Zeitspannen -, so ergibt sich die Notwendigkeit, das Beamtenverhältnis einseitig zu lösen, regelmäßig schon aus der Dauer der Dienstverweigerung selbst sowie aus dem Umstand, dass das Erfordernis der Dienstleistung und damit die Bedeutung ihrer Unterlassung für jedermann leicht zu erkennen ist. Daher ist in diesen Fällen die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Ausgangspunkt der Überlegungen zur Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme. Grundsätzlich wird die Höchstmaßnahme in Fällen ausgesprochen, in denen der Beamte ununterbrochen vier Monate oder länger unerlaubt vorsätzlich dem Dienst fern geblieben ist. Die von der Schwere des Dienstvergehens ausgehende Indizwirkung entfällt nur dann, wenn im Einzelfall gewichtige Entlastungsgründe zu Gunsten des Beamten zu berücksichtigen sind (BVerwG, U.v. 12.10.2006 – 1 D 2/05 – juris Rn. 51; U.v. 6.5.2003 – 1 D 26/02 – juris Rn. 54 ff.; Zängl, Bayer. DisziplinarR, Stand Aug. 2021, MatR/II Rn. 219). Da gewichtige Entlastungsgründe hier nicht vorliegen, rechtfertigt es das vorsätzliche unerlaubte Fernbleiben vom Dienst für die Dauer von 23 bzw. 33 Monaten, das Vertrauensverhältnis als endgültig zerstört anzusehen und die Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
7. Durchgreifende Milderungsgründe, die zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung führen könnten, sind nicht ersichtlich.
Die fehlende straf- und disziplinarrechtliche Vorbelastung der Beklagten und ihre bisherigen guten dienstlichen Leistungen – jedenfalls bis ins Jahr 2008 – stellen ein normales Verhalten zur Erfüllung der Dienstpflichten dar und sind nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens derart abzumildern, dass von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden könnte (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09.3029 – juris Rn. 96).
Anhaltspunkte für eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit der Beklagten liegen nicht vor. Sie hat keine Atteste oder gutachterliche Äußerungen vorgelegt, die hierauf schließen lassen. Zwar mag sie aufgrund von zwei Todesfällen im familiären Umfeld persönlich angegriffen sein, eine verminderte Schuldfähigkeit ergibt sich hieraus jedoch nicht. Zudem kommt eine maßnahmemindernde Wirkung verminderter Schuldfähigkeit dann nicht in Betracht, wenn das Dienstvergehen – wie hier im Hinblick auf die Dienstleistungspflicht – in der Verletzung einer elementaren, selbstverständlichen und einfach zu befolgenden Pflicht besteht (BayVGH, U.v. 21.3.2007 – 16a D 06.2681 – juris Rn. 22).
8. Die Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis ist auch nicht unverhältnismäßig. Ist – wie hier – das Vertrauensverhältnis gänzlich zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.


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