Arbeitsrecht

Duldung, Keine Unmöglichkeit der Ausreise, Passlosigkeit, Gambischer Heimreiseschein

Aktenzeichen  M 10 K 21.3767

Datum:
17.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10516
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

1. Die Klage, die zunächst (zulässig) gegen die erteilte Duldung nach § 60b AufenthG sowie auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis gerichtet war, ist nach § 91 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in zulässiger Weise in eine Klage auf Erteilung einer Duldung nebst Beschäftigungserlaubnis geändert worden. Die Klageänderung ist sachdienlich (§ 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), da sich mit Ablauf der Duldung nach § 60b AufenthG zum 20. Januar 2022 die gegen diese Duldung gerichtete Anfechtungsklage erledigt hat. Insoweit war es prozessökonomisch, die Klage auf Erteilung einer Duldung sowie einer Beschäftigungserlaubnis umzustellen. Im Übrigen hat sich der Beklagte rügelos auf die Klageänderung eingelassen (§ 91 Abs. 1 Alt. 1, Abs. 2 VwGO).
2. Die geänderte Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Duldung und damit auch nicht auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Der Kläger verfügt nicht über einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Es liegt kein Abschiebungshindernis in Form der tatsächlichen oder rechtlichen Unmöglichkeit der Ausreise im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor, da der gambische Staat dem Kläger am 24. Januar 2020 einen Heimreiseschein erteilt hat (sog. Emergency Passport). Insoweit wird auf die Ausführungen im Beschluss vom 24. November 2021 in den Verfahren M 10 S 21.5994 und M 10 K 21.3767 (insbesondere Rn. 38) Bezug genommen und von einer Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen (vgl. § 117 Abs. 5 VwGO).
Das Gericht hat keine durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf das Vorliegen des gambischen Heimreisescheins vom 24. Januar 2020. Eine Kopie des Heimreisescheins befindet sich in der Behördenakte und wurde dem Gericht in der mündlichen Verhandlung zur Einsichtnahme vorgelegt. Das Gericht hat eine Kopie hiervon zur Akte genommen. Das für Rückführungen zuständige Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen (LfAR) hat im Übrigen mit E-Mails vom 12. Februar 2020 (in der mündlichen Verhandlung eingesehen) und vom 12. Mai 2021 (Bl. 292 Behördenakte) bestätigt, dass ein solcher Heimreiseschein für den Kläger existiert. Zweifel an der Existenz des Heimreisescheins können auch nicht daraus hergeleitet werden, dass dem Gericht das Original des Heimreisescheins vom Beklagten nicht vorgelegt worden ist. Es entspricht der üblichen Vorgehensweise, dass das LfAR, das die Ausstellung der Heimreisescheine organisiert, die erteilten Original-Heimreisescheine bis zur Ausreise verwahrt.
Der gambische Heimreiseschein ist auch explizit für den Kläger ausgestellt worden und entgegen der Auffassung der Klägerbevollmächtigten zeitlich unbegrenzt gültig, da dem ausgestellten Dokument keine zeitliche Einschränkung zu entnehmen ist („This certificate is valid only for the journey to the Gambia leaving Germany for Banjul the Gambia.“). Die oben genannten E-Mails des LfAR bestätigen überdies die zeitlich unbegrenzte Gültigkeit des Heimreisescheins.
Anders als die Bevollmächtigte des Klägers meint, begründet im vorliegenden Fall auch die fortdauernde Passlosigkeit des Klägers nicht einen Fall der Unmöglichkeit nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Denn bei fehlendem Pass kommt es auf die konkrete Möglichkeit der Rückführung an. Eine tatsächliche Unmöglichkeit ist nur dann gegeben, wenn nach den Erfahrungen der Ausländerbehörde die Abschiebung ohne Pass oder Passersatz nicht möglich ist oder ein Abschiebungsversuch gescheitert ist (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 60a AufenthG Rn. 37; VG München, B.v. 19.9.2016 – M 10 E 16.1851 – BeckRS 2016, 54396). Dies ist hier nicht der Fall, da aufgrund des gambischen Heimreisescheins eine konkrete Möglichkeit zur Rückführung des Klägers besteht.
Angesichts dessen besteht kein Rechtsanspruch des Klägers auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Die Ausländerbehörde hat nach dieser Vorschrift entgegen der Rechtsauffassung der Klägerbevollmächtigten auch keinen Raum für eine Ermessensausübung. Des Weiteren hat der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Ermessensduldung aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null. Die Regelung des § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG, die die Erteilung einer Duldung aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen oder aus erheblichen öffentlichen Interessen im Ermessensweg erlaubt, greift nicht ein, auch nicht in Verbindung mit § 60c AufenthG. Da der Kläger nicht im Besitz einer Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist und hierauf auch keinen Anspruch hat, liegen jedenfalls bereits aus diesem Grund die Voraussetzungen einer Beschäftigungsduldung nach § 60d AufenthG ebenso nicht vor (zu dieser Voraussetzung: Dollinger, a.a.O., § 60d AufenthG Rn. 5).
b) Mangels Vorliegens einer Duldung für den Kläger sowie mangels eines darauf gerichteten Anspruchs fehlt es auch an den Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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