Arbeitsrecht

Einfache bereitstellung von WLAN in Erstaufnahmeeinrichtung reicht nicht zur Bedarfsdeckung aus

Aktenzeichen  S 11 AY 74/16

Datum:
16.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
AsylbLG AsylbLG § 3 Abs. 1 S. 8

 

Leitsatz

1. Durch die Bereitstellung von WLAN werden nicht alle Positionen der regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben für Nachrichtenübermittlung (Abteilung 8) abgedeckt. (amtlicher Leitsatz)

Tenor

I.
Der Bescheid vom 02.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2016 wird abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger weitere 135,68 EUR zu zahlen.
II.
Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
III.
Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Sie ist auch begründet.
1. Gegenstand des Verfahrens sind die konkludenten Bescheide des Beklagten vom 02.05.2016 und vom 04.07.2016. Für die Zeit bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids gilt für ausdrückliche bzw. konkludente Bewilligungsbescheide, die Folgezeiträume betreffen, dass diese in analoger Anwendung des § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens werden. Insoweit gilt nicht der Grundsatz fehlender Prozessökonomie, weil bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides die Verwaltung ohnedies das Verfahren in der Hand behält und auch ohne weiteres alle bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides ergangenen Bewilligungen überprüfen kann und muss (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 – B 8 AY 11/07 R -).
Der konkludente Bescheid vom 02.06.2016 sowie der konkludente Folgebescheid vom 04.07.2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 12.08.2016 erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 SGG.
Die Kläger sind zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach §§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, 56 SGG vorgegangen.
2. Die Kläger haben Anspruch auf Bewilligung von höheren Geldleistungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Abs. 1 S. 5 und 8 AsylbLG in der Fassung des Gesetzes vom 11. März 2016.
2.1. Es kann vorliegend dahinstehen (siehe 2.2.ff), ob der durch die reine Auszahlung veranlasste konkludente Verwaltungsakt nicht bereits wegen fehlender Bestimmtheit rechtswidrig ist. Nach § 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Er muss klar erkennen lassen, wer (erlassende Behörde) gegenüber wem (Adressat) was (Inhalt der Regelung) regelt. Da es auf die im Verwaltungsakt getroffene Regelung ankommt, muss nur diese Regelung, also der Verfügungssatz des Verwaltungsakts, hinreichend bestimmt sein (vgl. Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 33 SGB X, Rn. 10). Vorliegend erscheint es bereits schwer zuzuordnen, welchem Kläger welche Leistungen gewährt wurden. Werden sodann noch Geldleistungen für den notwendigen persönlichen Bedarf teilweise durch Sachleistungen bereitgestellt und vom Barbetrag abgezogen, ist es alleine durch die Auszahlung für die Empfänger der Leistungen kaum mehr überschaubar, wem die Leistungen zuzurechnen sind. Fraglich ist außerdem, ob den Klägern bekanntgegeben wurde, dass ihnen Leistungen in Form von WLAN gewährt werden.
2.2. Ungeachtet der ausgeführten Problematik stehen den Klägern höhere Leistungen zu.
Ein Abzug der Kosten für Nachrichtenübermittlung ist nicht in Anwendung von § 3 Abs. 1 S. 6 AsylbLG vorzunehmen.
Die Bereitstellung eines WLAN-Zuganges ohne die Sicherstellung, dass der Zugang tatsächlich in Anspruch genommen wurde bzw. werden konnte, stellt keine Deckung des existenzsichernden Bedarfs der Kläger dar.
Die Entscheidung des Gesetzgebers in § 3 Abs. 1 Satz 6 AsylbLG, zur Deckung des existenzsichernden Bedarfs vorrangig Sachleistungen vorzusehen, wird nicht alleine durch die Bereitstellung von WLAN ausgefüllt. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind (BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 -). Der Gewährleistungsanspruch ist zu erfüllen. Erforderlich – und ausreichend – ist, dass Sachleistungen aktuell das menschenwürdige Existenzminimum tatsächlich decken. Wer existenzsichernde Sachleistungen bezieht, erhält daher auch keine ergänzende Geldleistung zur Deckung der Bedarfe (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 -, Rn. 109, juris). Nachdem der Beklagte nicht sicherstellen kann, dass der Internetzugang von den Klägern tatsächlich in Anspruch genommen werden konnte oder wurde, ist mangels tatsächlicher Deckung ein Abzug nicht möglich. Der WLAN-Zugang kann lediglich ein Angebot zur Deckung des notwendigen persönlichen Bedarfs darstellen.
3. Zusätzlich ist der Abzug auch aus systematischen Gründen in der vorgenommenen Form nicht statthaft.
3.1. Es oblag nicht dem Beklagten oder der Kammer festzustellen, ob der für die Kläger zugrunde gelegte Bedarf für Nachrichtenübermittlung in der Summe korrekt ist oder gar aufgrund der Lebenssituation der Kläger zu hoch angesetzt wurde, was nicht auszuschließen ist.
Die Anerkennung existenzsichernder Bedarfe obliegt vielmehr dem Gesetzgeber.
Die durch die gesetzliche Neuregelung des § 3 AsylbLG geschaffenen Leistungssätze nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG (notwendige persönliche Bedarfe) sind nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) (vgl. BVerfG v. 18.07.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 -) ermittelt worden.
Der Gesetzgeber hat durch die Übernahme der Übergangsregelung des BVerfG im Sinne einer 1:1-Umsetzung mangels anderweitiger Erkenntnisse auf die nach § 28 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vorgenommene Sonderauswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) zurückgegriffen. Der Gesetzgeber hat folglich keine eigene Erhebung der Verbrauchsausgaben von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG durchgeführt. Ein besonderes Verbrauchsverhalten von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG, das von dem in der EVS zugrunde gelegten abweicht, sei „nicht qualifiziert ermittel- und abschätzbar“ bzw. „nicht plausibel zu belegen“ (Gesetzentwurf, Drucksache 18/2592 vom 22.09.2014, S.21ff). Es gab demnach eine gesetzgeberische Entscheidung dahingehend, den Bedarf von Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG analog den Bedarfen von Leistungsberechtigten nach dem SGB XII bzw. Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu berechnen. Diese Entscheidung ist in der Ausführung der gesetzlichen Vor-gaben anzuerkennen.
Die Zusammensetzung und die Höhe des notwendigen persönlichen Bedarfs und somit des Bargeldbedarfs bestimmt sich im Jahre 2016 noch immer wie im SGB II und SGB XII auf Grundlage der Einkommens- und Verbrauchstichprobe von 2008.
In der EVS 2008 hat der Gesetzgeber zunächst definiert, was zum soziokulturellen Existenzminimum gehören soll und hat sodann durch ein Statistikmodell ermittelt, welche Ausgaben Haushalte für diese relevanten Verbrauchsausgaben hatten.
Nach dem Statistikmodell wurden die Regelbedarfe auf der Grundlage von empirisch ermittelten Verbrauchsausgaben und den Entscheidungen des Gesetzgebers über deren Relevanz für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für die einzelnen zu betrachtenden Haushaltskonstellationen ermittelt. Dabei wurde vom Gesetzgeber normativ festgelegt, dass sich die Regelbedarfe am Konsumniveau anderer Haushalte mit niedrigem Konsumniveau orientieren sollen. Die ermittelten Verbrauchsausgaben
der Referenzhaushalte für einzelne Güter und Dienste, die vom Gesetzgeber als regelbedarfsrelevant definiert wurden, ergeben jeweils als Gesamtsumme die für die Gewährleistung des Existenzminimums erforderlichen Verbrauchsausgaben. Diese Summe stellt den monatlichen Zahlbetrag dar. Über die konkrete Verwendung dieses monatlichen Betrages entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich. Mit der Entscheidung des Gesetzgebers, welche Verbrauchsausgaben für die Regelbedarfsermittlung berücksichtigt
werden, soll die individuelle Entscheidung über die Verwendung des monatlichen Budgets nicht vorweg genommen werden. Mit der Ermittlung von Regelbedarfen wurde folglich nicht entschieden, wofür und in welchem Umfang Leistungsberechtigte den Auszahlungsbetrag verwenden. Allein die Höhe des Budgets wird bei der Ermittlung von Regelbedarfen nach dem Statistikmodell ermittelt. Die Logik des Statistikmodells liege gerade darin, dass in der Realität nicht exakt die für die einzelnen regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben berücksichtigten Beträge anfallen, sondern die tatsächlichen Verbrauchsausgaben im Einzelfall davon abweichen können. Entscheidend sei allein, dass der Gesamtbetrag des Budgets für die Bestreitung von Verbrauchsausgaben ausreicht, um ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten.
Dabei müssen sich zwangsläufig Mehrausgaben im Vergleich zu den eingerechneten Durchschnittsausgaben durch Minderausgaben an anderer Stelle ausgleichen.
Die individuelle Zusammensetzung der Verbrauchsausgaben ist aufgrund unterschiedlicher Entwicklungen und wegen der unausweichlichen Notwendigkeit von Prioritätensetzungen von Monat zu Monat unterschiedlich (zu alledem Gesetzentwurf, Drucksache 18/2592 vom 22.09.2014, S.21ff; Gesetzentwurf, Drucksache 17/3404 vom 26.10.2010 S. 51).
Der Gesetzgeber geht folglich selbst davon aus, dass es nicht darauf ankommt, ob die einzelnen zugrunde gelegten Positionen konkret ausreichend sind, um den jeweiligen Bedarf zu decken, sondern ob der Gesamtbetrag insgesamt zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums ausreicht. Dabei wurde bereits berücksichtigt, dass nicht jede Person in jedem Monat alle einzelnen berücksichtigten Verbrauchsausgaben hat.
Unter Achtung dieser Grundlagen ist es ausgeschlossen, einzelne Ausgaben regelbedarfsrelevanter Positionen mit der Begründung herauszurechnen, dass nicht jeder Leistungsempfänger jeden Bedarf gleichzeitig habe, nachdem dieser Ansatz bereits im Rahmen der Bemessung herangezogen wurde.
Hinzu kommt, nachdem bei der Bemessung bereits zugrunde gelegt wurde, dass es nur auf den Gesamtbetrag ankomme, dass vorliegend es den Leistungsbeziehern überlassen bleiben soll, wie sie ihr soziokulturelles Existenzminimum ausfüllen. Es obliegt diesen zu entscheiden, ob das Internet genutzt werden soll, Briefe mit der Post versandt werden oder ob in einem Monat ein besonderer Bedarf etwa in der Abteilung 7 (Verkehr) besteht und kein Bedarf in der Abteilung 8 (in diesem Sinne auch Gesetzentwurf, Drucksache 18/2592 vom 22.09.2014, S. 22).
Zur Bestimmung eines Kürzungsbetrages kann zwar zur Orientierung auf die Einzelbeträge der Abteilungen der EVS für die jeweilige Regelbedarfsstufe zurückgegriffen werden. Diese Werte stellen indes keine (konkreten) Berechnungspositionen dar, anhand derer die rechtmäßige Höhe des verbliebenen Teils der Geldleistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 8 AsylbLG exakt bestimmt werden könnte. Sie können wegen des Pauschalcharakters des Regelsatzes bzw. des Regelbedarfes nur als Orientierungshilfe dienen. Zur Bestimmung des Kürzungsbetrages kann im Wege der Schätzung (§ 202 SGG i. V. m. § 287 Zivilprozessordnung (ZPO)) jedenfalls dann auf die (fortgeschriebenen) Einzelbeträge der Abteilungen der EVS 2008 für die jeweilige Regelbedarfsstufe zurückgegriffen werden, wenn dem Anspruchsberechtigten aufgrund der Höhe der bewilligten Geldleistungen eine echte Möglichkeit des Ausgleichs zwischen verschiedenen Bedarfspositionen verbleibt und keine realitätsnähere Bemessung der Anteile möglich ist (vgl. bereits SG Landshut, Urteil vom 24. November 2015 – S 11 AY 35/15 – m. w. N.). Durch die Gewährung auch nur eines Teils der Geldleistungen muss eine gewisse Disponibilität gewährleistet sein, dass der Leistungsberechtigte durch die eigenverantwortliche Verwendung der pauschalierten Leistung einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen Lebensbereich ausgleichen kann (vgl. Frerichs in: Schlegel/Voelzke, juris PK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 3 AsylbLG 1. Überarbeitung, Rn. 166 m. w. N.). Dem Statistikmodell liegt die Überlegung zugrunde, dass der individuelle Bedarf eines Hilfebedürftigen in einzelnen Ausgabepositionen vom durchschnittlichen Verbrauch abweichen kann, der Gesamtbetrag der Regelleistung es aber ermöglicht, einen überdurchschnittlichen Bedarf in einer Position durch einen unterdurchschnittlichen Bedarf in einer anderen auszugleichen. Es muss deshalb sichergestellt werden, dass ein interner Ausgleich möglich bleibt (BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 -, Rn. 172, juris). Eine derartige Dispositionsmöglichkeit scheidet indes aus, wenn der Beklagte Bedarfe als erfüllt ansieht, ohne sicherzustellen, dass die Sachleistungen in Anspruch genommen werden (können). Anders als der notwendige Bedarf für Nahrungsmittel, Bekleidung und Wohnen ist der notwendige persönliche Bedarf individuell und fällt nicht jeden Monat je Abteilung in einer gleichbleibenden Höhe an.
3.2. Unklar bleibt der Kammer, weshalb der Beklagte zur Auffassung gelangt ist, dass existentielle Bedarfe der jeweiligen Abteilung lediglich schwerpunktmäßig zu befriedigen oder abzudecken seien. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass sich ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 ergebe. Art. 1 Abs. 1 GG begründe diesen Anspruch. Das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG erteile dem Gesetzgeber den Auftrag, jedem ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG habe als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es sei dem Grunde nach unverfügbar und müsse eingelöst werden (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 – 1 BvL 1/09 – m. w. N.). Der Gesetzgeber hat jedoch die Aufgabe, alle existenznotwendigen Aufwendungen zu bemessen. Sind Bedarfe durch den Gesetzgeber anerkannt, dann müssen diese grundlegenden Bedarfe auch vollständig und nicht schwerpunkmäßig gesichert werden.
4. Schließlich entbehrt die Auffassung, dass alle übrigen Positionen der Abteilung 8 durch die Bereitstellung von WLAN abgedeckt seien, einer empirischen Grundlage. Physische Briefe mit Unterschriften oder Unterlagen können nicht elektronisch versandt werden. Nicht jeder hat überhaupt ein WLAN-fähiges Gerät. Schließlich müsste auch der Anrufempfänger ein solches besitzen und der dortige Internetzugang gesichert sein. Davon kann (nicht nur in Krisengebieten) nicht ausgegangen werden. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass Ausgaben für die Anschaffung eines Mobiltelefons von der Abteilung 8 erfasst sind (vgl. Gesetzentwurf, Drucksache 18/7538 vom 16.02.2016, S. 22). Dieser Bedarf kann nicht durch die Bereitstellung von WLAN gedeckt werden.
Behörden und Gerichte lassen ebenfalls keine Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel durch einfache E-Mail zu. Auch können nicht, wie behauptet, PC-Faxe ohne weitere Zusatzkosten nur durch die Bereitstellung von WLAN-Zugängen versandt werden. Öffentliche Stellen oder Botschaften können wohl telefonisch nur über eine Festnetznummer erreicht werden, was ebenfalls gebührenpflichtig ist. Letztendlich bleibt offen, weshalb davon auszugehen ist, dass Menschen, die in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht sind, einen Bedarf an Nachrichtenübermittlung nur haben sollen, wenn sie sich in der Aufnahmeeinrichtung befinden. Es erscheint offenkundig, dass der Bedarf auch außerhalb besteht.
Berücksichtigt man, dass in der Erhebung aus 2008 Mobiltelefonie noch außen vor blieb und die damaligen Erhebungen auf Festnetztelefonie beruhten (BT-Drucks 17/3404 S 60; BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 – B 14 AS 153/11 R -, Rn. 74), geht alleine diese Heranziehung insoweit bereits bei der Berechnung des Barbedarfs eher zulasten der Leistungsbezieher nach dem AsylbLG, nachdem diese regelmäßig nicht über einen Festnetzzugang verfügen.
5. Das Gericht hält es gemäß den gesetzlichen Vorgaben (§ 3 Abs. 1 S. 6 AsylbLG) für grundsätzlich möglich – wenn auch für schwierig -, dass Positionen, die den notwendigen persönlichen Bedarf betreffen, durch Sachleistungen gewährt werden. Wenn diese sodann auf den pauschal berechneten Barbetrag angerechnet werden sollen, muss zunächst auch sichergestellt werden, ob die Sachleistung zumindest in Höhe der in der EVS 2008 (oder zukünftig EVS 2013) zugrunde gelegten Höhe in Anspruch genommen wurde. Nur dann wäre eine Anrechnung in der dort angesetzten Höhe (inkl. der Fortschreibung) auf den notwendigen persönlichen Bedarf denkbar. Die komplette Herausnahme der Ausgaben für die Abteilung 8 alleine wegen der Bereitstellung von WLAN ist ausgeschlossen.
Die Kläger haben damit Anspruch auf Leistungen nach § 3 Abs. 1 S. 8 AsylbLG ohne den Abzug der Abteilung 8.
Der Beklagte hat im streitgegenständlichen Zeitraum insgesamt 135,68 EUR für die Bereitstellung von WLAN einbehalten. Dieser Betrag ist den Klägern nachzuzahlen. Davon entfallen auf die Kläger zu 1) und 2) jeweils insgesamt 44,17 EUR, auf die Kläger zu 3) und 4) jeweils insgesamt 23,67 EUR.
Die Berufung war zuzulassen.
Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes – wie vorliegend – 750,00 EUR nicht übersteigt.
Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse allein genügt nicht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 144 Rn. 28). Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, wenn sie für den vorliegenden Fall entscheidungserheblich ist (Leitherer, a. a. O., § 160 RdNr. 9). Welche Auswirkung die Bereitstellung von WLAN auf die Höhe des Barbetrages hat ist weder vom Bayerischen Landessozialgericht noch vom Bundessozialgericht bisher entschieden. Nachdem viele Personen in Aufnahmeeinrichtungen potentiell betroffen sind, besteht ein Klärungsbedürfnis, dass über das Individualinteresse der Kläger hinausgeht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Ver-fahrens.


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