Arbeitsrecht

Eingruppierung – Definition große Station

Aktenzeichen  4 Ca 669/18

Datum:
14.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 42356
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ArbGG § 48 Abs. 1 a, § 59
ZPO § 256, § 342, § 343
TVöD § 37

 

Leitsatz

1. Eine “große Station” im Sinne der Entgeltgruppe P 12 liegt regelmäßig vor, wenn die betreffende Station den Wert von zwölf Beschäftigten nach den Vorbemerkungen zur Entgeltordnung Nr. 9 überschreitet. Dabei reicht die Überschreitung der Unterstellungszahl von zwölf Beschäftigten auch um nur  0,5 Kräfte aus, um eine große Station im Sinne des Tarifrechts anzunehmen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Haben die Tarifvertragsparteien den Stationsbegriff und die Stationsgröße im Tarifvertrag definiert und gilt der Tarifvertrag für ganz Deutschland und ist nicht krankenhausbezogen, so kann kein innerbetrieblicher Durchschnitt gebildet werden, um das Sachverhaltsmerkmal „groß“ zu erfüllen oder abzulehnen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Teil-Versäumnisurteil vom 10.01.2019 wird aufrechterhalten.
2. Der Beklagte trägt die 6/7, die Klägerin 1/7 der Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert wird auf 5.770,00 € festgesetzt.
– – – – – – – – – –

Gründe

Die Klage ist zulässig.
Der Rechtsweg zum Arbeitsgericht im Urteilsverfahren ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Ziffer 2 a mit Abs. 5 ArbGG.
Örtlich zuständig ist das angerufene Arbeitsgericht Würzburg – Kammer Schweinfurt – bereits über § 48 Abs. 1 a ArbGG.
Die Klägerin hat Feststellungsklage erhoben. Das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO besteht. Der vorliegende Klageantrag ist geeignet, die Eingruppierungsproblematik unabhängig von den monatlich fälligen Zahlungsansprüchen sozusagen gebündelt vor die Klammer gezogen zu beantworten. In dieser Form und mit dem gewählten Antrag ist er zulässig und von der Rechtsprechung anerkannt.
Die Klage hat auch in der Sache Erfolg, das Teilversäumnisurteil war daher aufrecht zu erhalten.
Der Beklagte hat gegen das Teilversäumnisurteil, welches ihm am 24.01.2019 zugestellt worden ist am 29.01.2019 Einspruch erhoben und damit die Frist des § 59 ArbGG gewahrt.
Der zulässige Einspruch bewirkt nach § 342 ZPO, dass der Prozess in die Lage zurückversetzt wurde, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand. Die nach § 343 ZPO zu treffende Entscheidung führt dazu, das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten, da die Klägerin in der Sache einen Anspruch darauf hat, von der Beklagten Vergütung nach Entgeltgruppe P 12 des Tarifvertrages zu erhalten.
Nach § 12 des Tarifvertrages richtet sich die Eingruppierung des Beschäftigten nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 Entgeltordnung VKA. Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe in der sie/er eingruppiert ist. Maßgeblich ist hierbei die gesamte nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit, welche letztlich danach bemessen wird, ob zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale der gewünschten Entgeltgruppe erfüllen. In der Anlage 1 zur Entgeltordnung (VKA) befindet sich unter der Überschrift „Grundsätzliche Eingruppierungsregelungen (Vorbemerkungen) im Bereich XI Beschäftigte in Gesundheitsberufen unter der Ziffer 2.1 b die Bemerkung:
Die Station ist die kleinste organisatorische Einheit. Einer Stationsleitung sind in der Regel nicht mehr als 12 Beschäftigte unterstellt.“
Die maßgebliche Entgeltgruppe 12 setzt in der Alternative 2 voraus, dass der oder die Beschäftigte als ständige Vertreterin oder Vertreter von Stationsleiterinnen oder Stationsleitern der Entgeltgruppe P 13 tätig wird. Der Entgeltgruppe P 13 wiederum sieht Beschäftigte vor, die entweder mit einem höheren Maß von Verantwortlichkeit umzugehen haben oder die Leitung von sogenannten großen Stationen übertragen bekommen haben.
Bei Anwendung der vorgenannten Regelungen ist die Klägerin in die Entgeltgruppe P 12 einzugruppieren. Der Klägerin als stellvertretender Stationsleitung sind im Vertretungsfall mehr als 12 vollzeitbeschäftigte Arbeitskräfte fachlich unterstellt sind.
Die Klägerin selbst geht von ca. 16 unterstellten Arbeitskräften aus. Der Beklagte behauptet im letzten Schriftsatz, es seien 12,5.
Unter Berücksichtigung der bereits zitierten Vorbemerkung zur Eingruppierung reicht die Überschreitung der Unterstellungszahl von 12 Beschäftigten, und sei es auch nur um 0,5 Kräfte aus, hier eine große Station im Sinne des Tarifrechts anzunehmen. Besondere Umstände, aufgrund derer die Station dennoch nicht als groß einzustufen wäre, sind nicht ersichtlich. Das Gericht sieht die Angelegenheit so wie das Arbeitsgericht Wuppertal in seinem Urteil vom 13.12.2017 2 Ca 2536/17. Die Tarifvertragsparteien haben in den Vorbemerkungen ausweislich der Einleitung die Organisationsstrukturen definiert, die den Tätigkeitsmerkmalen für Leitungskräfte in der Pflege ab Entgeltgruppe P 9 zugrunde liegen. In den Entgeltgruppen ab P 9 wird grundsätzlich zwischen Gruppe, Team, Station und Bereich, Abteilung unterschieden. Die Bedeutung dieser Begriffe wird unter Ziffer 1 der Vorbemerkungen erläutert. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Organisationsstruktur, also die Einteilung der Einrichtung in Gruppen, Stationen und Bereiche dem jeweiligen Träger obliegt. Der Träger des Krankenhauses bestimmt also, welche Gruppen, Stationen und Bereiche er einrichtet und gibt so vor, ob für die Eingruppierung des Leiters der jeweiligen organisatorischen Einheit die für Gruppenleiter, Stationsleiter oder Bereichsleiter einschlägigen Entgeltgruppen anzuwenden sind. Er regelt aber mehr als das, nämlich auch, was typischerweise eine Gruppe, eine Station und einen Bereich kennzeichnet. Es ist eine „in der Regel“ relevante Personenzahl, der in der jeweiligen Organisationseinheit Beschäftigten maßgeblich. Daher liegt die Bedeutung der Anzahl der Beschäftigten nach dem erkennbaren Tarifwillen gerade darin, dass die Anzahl der Beschäftigten den typischen Fall einer Gruppe, einer Station und eines Bereiches bestimmt und eine höhere Beschäftigtenzahl die organisatorische Einheit deshalb in der Regel a-typisch, überdurchschnittlich und damit im Sinne der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppen ab P 9 „groß“ erscheinen lässt. Ein anderer Anwendungsbereich oder Regelungszweck als den der Abgrenzung einer gewöhnlichen von einer großen organisatorischen Einheit ist bei diesen Zahlengrenzen nicht zu erkennen. Liest man den Zusatz „in der Regel“ so, dass dieser lediglich als Klarstellung dient, um die regelmäßige Beschäftigtenzahl von außergewöhnlichen Schwankungen abzugrenzen, führt dies im Streitfall zu keinem abweichenden Ergebnis, da nicht erkennbar ist, dass und ob in der hier vorliegenden Station solche außergewöhnlichen Schwankungsbreiten zu verzeichnen sind. Versteht man unter „in der Regel“ so, dass hier Ausnahmefälle denkbar sind in denen eine Station trotz einer Überschreitung der regelmäßigen maßgeblichen Beschäftigtenzahl nicht als groß im Sinne der Entgeltgruppe einzuordnen ist, fehlt doch jeder Sachvortrag dazu, warum man hier von dieser Regelmäßigkeit aus Sicht des Beklagten abzuweichen gedenkt. Nach dem Grundsatz der abgestuften Darlegungslast, kann die Klägerin nicht wissen, der Beklagte aber sehr wohl, warum auf der streitgegenständlichen Station abweichend von der Regel hier besondere Verhältnisse gelten sollen. So wäre denkbar, dass aufgrund eines bestimmten Sachverhalts zwar die Anzahl der Beschäftigten größer, die zu leistenden Arbeiten aber gleichwohl quantitativ weniger wäre, so dass trotz der Überschreitung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl von einer durchschnittlichen oder gar unterdurchschnittlichen Station auszugehen ist. Dass und warum dies hier gegebenenfalls so sein sollte, ist für das Gericht nicht erkennbar. Das Argument des Beklagten, er habe bei den Stationen des Krankenhauses Schloss A-Stadt durchschnittlich 14,34 Angestellte pro Station, die Station der Klägerin mit 12,5 Beschäftigten sei daher unterdurchschnittlich, ist als Argument für eine Klageabweisung untauglich. Hätte die Beklagte zB auf der Station nicht nur ca. 15 sondern 30 Kräfte der Stationsleitung unterstellt und hielte dies bei allen anderen Stationen des Krankenhauses ebenso, würde die Argumentation der Beklagten darauf hinaus laufen, es läge selbst mit 30 unterstellten Kräften keine überdurchschnittliche Station vor, weil die anderen Stationen auch 30 Kräfte unterstellt hätten.
Dies selbst dann, wenn ein anderer Bezirk zB Stationen hätte, die nur mit 15 Kräften besetzt sind. Es leuchtet also ein, dass kein innerbetrieblicher Durchschnitt gebildet werden kann, um das Sachverhaltsmerkmal „groß“ zu erfüllen oder abzulehnen. Der Tarifvertrag gilt für ganz Deutschland und ist nicht krankenhausbezogen. Die Tarifvertragsparteien haben den Stationsbegriff und die Stationsgröße definiert. Auch von der juristischen Methodenlehre her deutet die Verwendung „in der Regel“ dass hiervon Ausnahmen statuiert werden können, diese aber einer gesonderten Begründung bedürfen. Eine solche Begründung ist im Streitfall nicht ersichtlich.
Nachdem die Klägerin auch die nach § 29 b Abs. 1 einzuhaltende Frist mit ihrem Antrag vom 28.08.2017 eingehalten hat (die daneben wohl nicht mehr relevante Frist nach § 37 TVöD wurde ebenfalls eingehalten) war das Teilversäumnisurteil aufrecht zu erhalten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, da das Unterliegen der Klägerin hinsichtlich der in Ziffer 2 ursprünglich eingeklagten Verzugspauschale zu berücksichtigen war.


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