Arbeitsrecht

Eingruppierung einer medizinisch-technischen Laboratoriumsassistentin – Durchführung von Coombs-Tests

Aktenzeichen  6 Sa 93/19

Datum:
24.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 36073
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
TVöD-AT § 12, Anl. 1 – Entgeltordnung (VKA) Teil B Absch. XI Ziff. 10 Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 2
TVÜ-VKA § 29 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Bei der Durchführung so genannter Coombs-Tests handelt es sich nicht stets um schwierige Antikörperbestimmungen im Sinne der Entgeltgruppe 9 b Fallgruppe 2 zweiter Spiegelstrich TVöD/VKA (so auch LAG Nürnberg BeckRS 2019, 40912; von BAG BeckRS 2020, 41049 nachfolgend offen gelassen). (Rn. 89 – 95) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 Ca 848/18 2019-01-22 Endurteil ARBGWEIDEN ArbG Weiden

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – vom 22.01.2019, Az. 5 Ca 848/18, wird auf Kosten der Berufungsführerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO). Die Feststellungsklage ist auch in der letzten Fassung zulässig. Mit dem im Berufungsverfahren gestellten Antrag begehrt die Klägerin weiterhin die Feststellung, dass sie in die Entgeltgruppe 9b einzugruppieren sei und die Beklagte sie danach zu vergüten habe seit dem 01.01.2017. Dabei handelt es sich bei dem zuletzt gestellten Antrag im Grunde um den ursprünglichen Feststellungsantrag und stellt lediglich einen leicht modifizierten Eingruppierungsfeststellungsantrag dar. Eine Klageänderung ist damit nicht verbunden.
II.
Die Berufung ist in der Sache nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin die begehrte Eingruppierung nicht zukommt. Auf die ausführlichen und sorgfältigen Ausführungen des Erstgerichts in den Entscheidungsgründen wird ausdrücklich Bezug genommen und von deren lediglich wiederholenden Darstellung daher abgesehen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Zur Begründung der Berufung ist anzumerken, dass auch die erkennende Kammer davon ausgeht, dass für die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9b nicht allein ausreichend ist, dass die Klägerin Coombs-Tests im erforderlichen zeitlichen Umfang durchführt. Entgegen der Ansicht der Klagepartei haben die Tarifvertragsparteien nicht explizit festgelegt, dass es sich um „schwierige Antikörperbestimmungen“ handle, wenn Coombs-Tests durchgeführt werden. Nach dem Wortlaut des Tarifvertrages ist wesentliches Merkmal für die entsprechende Eingruppierung die Durchführung „schwieriger Antikörperbestimmungen“. Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Klammerzusatz nicht festgelegt, wann immer eine solche schwierige Antikörperbestimmung vorliegen soll. Sie haben gerade nicht, wie zum Beispiel in der Protokollerklärung Nr. 1 zur Entgeltgruppe 8, selbst festgelegt, in welchen Beispielsfällen eine „schwierige“ Tätigkeit vorliegen soll. Sie haben vielmehr mit dem Klammerzusatz genannt, wann beispielsweise eine solche „schwierige“ Tätigkeit auch anfallen kann. Eine solche schwierige Antikörperbestimmung kann demnach auch bei Standardverfahren, wie dem Coombs-Test, und früher auch ausdrücklich erwähnt, bei der Blutgruppenserologie, vorliegen. Danach kann eine Antikörperbestimmung auch mittels Standardverfahren schwierig sein, ist es aber nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht in jedem Fall automatisch. Das maßgebliche Eingruppierungsmerkmal bleibt die „schwierige Antikörperbestimmung“.
Der Wortlaut spricht auch dafür, dass es nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien nicht nur „schwierige Antikörperbestimmungen“ gibt, sondern auch solche, die diesen Schwierigkeitsgrad nicht aufweisen. Da aber nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien ganz überwiegend die Antikörperbestimmung mittels Coombs-Test erfolgt, würde der Schwierigkeitsgrad einer Bestimmung entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift ohne Bedeutung sein, wenn allein die Durchführung von Coombs-Tests für das geforderte Tätigkeitsmerkmal mit seinem ausdrücklichen Schwierigkeitsgrad ausreichend wäre.
Entgegen der Auffassung der Klagepartei spricht für dieses Verständnis auch die Systematik und der Aufbau der Tätigkeitsmerkmale. Wie das Arbeitsgericht schon zutreffend ausgeführt hat, ist für die Eingruppierung von MTLAs als Eingangsstufe die Entgeltgruppe 7 vorgesehen, wenn diese jeweils entsprechende Tätigkeiten ausüben. Welche Tätigkeiten damit gemeint sind, ergibt sich aus der jeweiligen aktuellen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung zum Zeitpunkt der begehrten Eingruppierung. Danach gehört die Durchführung von Coombs-Tests in Theorie und Praxis zu diesen Tätigkeiten. Damit eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 7 erfolgt muss ein MTLA nicht sämtliche entsprechenden Tätigkeiten ausüben, sondern es genügt, dass ein Teil dieser Tätigkeiten ausgeübt wird. Die Tätigkeit in Entgeltgruppe 7 ist eine entsprechende, wenn sie den Ausbildungsinhalten entspricht, auch wenn dies nur Teilbereiche der Ausbildungsinhalte betrifft. Damit ist die Durchführung von Coombs-Tests nach dem Willen der Tarifvertragsparteien von der Entgeltgruppe 7 bereits erfasst und deren Wertigkeit damit festgelegt. Darauf aufbauend sind Beschäftigte der Entgeltgruppe 7 mit entsprechenden Tätigkeiten (die auch Coombs-Tests durchführen) höher einzugruppieren, wenn über die Tätigkeiten der Entgeltgruppe 7 hinaus sie schwierige Aufgaben zu erfüllen haben (Entgeltgruppe 8 und 9a) oder zusätzliche Aufgaben wie „schwierige Antikörperbestimmungen“ (Entgeltgruppe 9b Fallgruppe 2) erfüllen. Andere Antikörperbestimmungen als „schwierige Antikörperbestimmungen“ sind dagegen bereits nach dem Willen der Tarifvertragsparteien von der Entgeltgruppe 7 erfasst. Jede der höheren Stufen über Entgeltgruppe 7 für MTLA verlangt, dass zu den Tätigkeiten, die von der Entgeltgruppe 7 erfasst sind, besondere Aufgaben hinzukommen müssen, verbunden mit besonderer Verantwortung oder einem gesteigerten Schwierigkeitsgrad. Der Klagepartei ist zuzugestehen, dass diese Entgeltgruppen nicht strikt aufeinander aufbauen, aber ihnen ist zumindest gemeinsam, dass zusätzliche Tätigkeiten über die von Entgeltgruppe 7 erfassten Aufgaben erfüllt werden müssen. Für die Entgeltgruppe 9b sind dies in Fallgruppe 2 „schwierige Antikörperbestimmungen“. Es wäre unverständlich, dass die Durchführung von Coombs-Tests in einem bestimmten zeitlichen Umfang zur Eingruppierung in Entgeltgruppe 9b führen würden, wenn diese Tätigkeiten selbst schon generell in der Entgeltgruppe 7 erfasst sind.
Die Aufzählung der Aufgaben in Entgeltgruppe 9b, die zu einer entsprechenden Eingruppierung führen, sind in sich zwar abgeschlossen, das in Klammern genannte Beispiel ist aber nicht das Einzige, bei dessen Vorliegen die vor die Klammer gesetzte Aufgabe gegeben sein kann, wie die Verwendung der Worte „z. B.“ für „zum Beispiel“ zeigt. Die Verwendung „z. B.“ zeigt nur, dass auch in anderen Fällen das vor der Klammer stehende Merkmal erfüllt werden kann. Dies bedeutet für den Wegfall der Blutgruppenserologie im Vergleich zu früheren Katalogen der entsprechenden Vergütungsgruppe, dass diese Tätigkeit zwar als ausdrückliches Beispiel weggefallen ist, aber wegen der nicht abschließenden Regelung der Beispiele auch dort nach wie vor eine schwierige Antikörperbestimmung anfallen kann.
Entgegen der Auffassung der Klagepartei wäre es demnach gerade systemwidrig jedwede Durchführung von Coombs-Tests für eine höhere Eingruppierung als in Entgeltgruppe 7 ausreichen zu lassen. Hierzu wäre vielmehr die Durchführung „schwieriger Antikörperbestimmungen“ zum Beispiel mittels Coombs-Tests oder in anderer Weise notwendig.
Entgegen der Meinung der Klagepartei ergibt sich daraus, dass die Klagepartei hätte darlegen müssen, woraus sich bei ihrer Tätigkeit die besondere Schwierigkeit der Antikörperbestimmungen ergeben soll. Da sie solches auch im Berufungsverfahren nicht getan hat, ist dem Gericht die Feststellung verwehrt, dass die Klägerin schwierige Antikörperbestimmungen durchführe.
Es spricht zudem vieles dafür, die Tätigkeiten der Klägerin bei Durchführung der Coombs-Tests nicht als schwierige Antikörperbestimmungen bezeichnen zu können. Nach dem Vorbringen der Parteien und insbesondere der Klägerin selbst, sind die Tätigkeiten der Klägerin im Rahmen der Coombs-Tests und damit verbunden der Antikörperbestimmungen keine schwierigen Tätigkeiten im Tarifsinne. Die Klägerin hat selbst angegeben, dass bei Durchführung der Coombs-Tests in ihrer Praxis keine coombs-reaktiven Antikörper im Serum zu erwarten seien. Sei die Probe negativ, so sei für die Klägerin klar, es gebe keine Antikörper. Finde sie im Antikörper-Suchtest welche, werde statt mit drei nun mit elf Testzellen versucht, den Antikörper zu identifizieren. Gelinge das, gebe sie den Befund an die Station weiter. Dies bedeutet nichts Anderes, als dass die Klägerin nur ganz ausnahmsweise Antikörper bestimmt und ansonsten ganz überwiegend testet, ob solche überhaupt vorhanden sind. Schwierige Antikörperbestimmungen beginnen demgegenüber grundsätzlich erst, wenn die Band- bzw. Suchbreite größer ist und dies deutlich mehr Tests mit verschiedenen Panels und unterschiedlichen Spezifitäten erfordert. Dies zeigt sich auch darin, dass die Klägerin anführt, weitere Testverfahren unterschieden sich durch eine entsprechende Vorbehandlung des Untersuchungsmaterials und die Anzahl der Testansätze (auch verschiedener Firmen) und letztlich darin, dass dann die Interpretation des Ergebnisses nicht mehr der MTLA obliege, sondern in der Verantwortung des Facharztes liege. Die Klägerin konnte daher schon nicht darlegen, dass sie selbst „schwierige Antikörperbestimmungen“ durchführe.
Die Klägerin konnte aber auch nicht hinreichend darlegen, dass sie mindestens zur Hälfte ihrer Arbeitszeit Coombs-Tests mitsamt Zusammenhangstätigkeiten durchführe. Dies gilt erst recht dafür, dass sie mindestens zur Hälfte ihrer Arbeitszeit die Aufgabe „schwierige Antikörperbestimmungen“ erfülle.
Zu den Zeitanteilen hat die Klägerin erstinstanzlich wie auch in der Berufung nur vorgebracht, dass sie den ganzen Arbeitstag über permanent Coombs-Tests durchführen würde. Sie sei zu über 50 Prozent ihrer Tätigkeit in der sogenannten „Blutbank“ tätig, dies entspreche Ziffer 4 der Stellenbeschreibung (Blatt 8 der Akte). Die Klägerin differenziert ihre Arbeitszeit aber nicht danach, welcher zeitlicher Anteil (mit Zusammenhangstätigkeiten) überhaupt auf Coombs-Tests entfällt. Denn auch nach ihrem eigenen Vorbringen erfüllt sie während den automatischen Tests andere Aufgaben. Damit hat sie auch nicht hinreichend dargelegt, dass sie mindestens zur Hälfte entsprechende Aufgaben erfülle.
Nach alldem hat das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen, die Berufung ist zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 72 Abs. 2 Ziffer 1 Arb-GG). Die Eingruppierung der MTLAs, die Antikörperbestimmungen durchführen, bedarf einer grundsätzlichen Klärung.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben