Arbeitsrecht

Eingruppierung – Fachkraft für Abwassertechnik

Aktenzeichen  1 Sa 252/20

Datum:
13.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 42531
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BMT-G § 20 Abs. 1

 

Leitsatz

Arbeiten am Kanalnetz stellen keine „Wartung und Instandsetzung“ einer Kläranlage im Sinne der Fallgruppe 1.11 Buchstabe a. der Lohngruppe 7 des Bezirkstarifvertrags Nr. 2 zum BMT-G II dar. (Rn. 32 – 35)

Verfahrensgang

4 Ca 5592/19 2020-05-20 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

I.Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 20.05.2020, Az. 4 Ca 5592/19, wird zurückgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.Die Revision wird nicht zugelassen.  

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht zum Landesarbeitsgericht eingereichte und auch begründete Berufung ist in der Sache nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Höhergruppierungsklage des Klägers zu Recht abgewiesen. Die Berufungskammer folgt zunächst den ausführlichen und zutreffenden Begründungen im Endurteil des Arbeitsgerichts und schließt sich ihnen an, so dass auf eine erneute, nur wiederholende Darstellung verzichtet werden kann (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Zu den in der Berufungsinstanz neuen und vertieften Argumenten des Klägers ist folgendes hinzuzufügen:
1. Die Berufungskammer hat vorliegend allein darüber zu befinden, ob der Kläger in Entgeltgruppe 8 – entsprechend der Lohngruppe 7 des Bezirkstarifvertrags Nr. 2 – einzugruppieren ist.
a. Der Kläger hat in der Berufungsinstanz ausdrücklich klargestellt, dass er keine Entscheidung über die Vergütung nach Vergütungsgruppen 7 oder 6 – entsprechend den Lohngruppen 6 und 5 – begehrt. Diese Einschränkung ist für die Berufungskammer zu beachten (§ 308 Abs. 1 ZPO).
b. Der Antrag auf Eingruppierung in Entgeltgruppe 8 enthält auch nicht das Begehren, hilfsweise in Entgeltgruppe 7 oder 6 eingruppiert zu werden. Es handelt sich bei den Lohngruppen 6 und 5 des Bezirkstarifvertrags, zumindest was das Verhältnis zur Lohngruppe 7 Nr. 1 betrifft, nicht um ein „Weniger“, sondern um einen anderen, eigenen Streitgegenstand. Die Lohngruppe 7 Nr. 1 baut nämlich nicht auf den Lohngruppen 5 und 6 auf. Die dort aufgeführten Merkmale der „hochwertigen“ bzw. „besonders hochwertigen“ Arbeiten sind in Lohngruppe 7 nicht verlangt. Nach Lohngruppe 7 Nr. 1 ist vielmehr unabhängig von der für die Lohngruppen 5 und 6 maßgeblichen Feststellung der Hochwertigkeit die entsprechende Vergütungspflicht immer schon dann gegeben, wenn Tätigkeiten verrichtet werden, die einer der Nummern 1.1 bis 1.29 zuzuordnen sind. Dem entspricht, dass in Nr. 1 der Lohngruppe 7 ausdrücklich festgehalten ist, dass „Arbeiter der Lohngruppe 4 Fallgruppe 1“ nach dieser Lohngruppe zu vergüten sind, wenn sie eine dieser besonderen Aufgaben wahrnehmen. Es handelt sich hierbei nicht um eine „Aufbaugruppe“, die zusätzlich die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale der Lohngruppen 5 und 6 voraussetzt. Diese sind nicht gesondert zu prüfen.
c. Eine Aufbaugruppe liegt nur zur Lohngruppe 4 Nr. 1 des Bezirkstarifvertrags vor. Nach dieser Lohngruppe wird der Kläger jedoch vergütet. Die Erfüllung von deren Merkmalen ist zwischen den Parteien unstreitig und offensichtlich gegeben – dies gilt auch vom Merkmal des mindestens zweieinhalbjährigen Ausbildungsberufs, was sich aus der von der Beklagten vorgelegten Verordnung (BGBl. 2002, Teil I Nr. 43, Anlage zum Schriftsatz vom 19.05.2020, Bl. 124 ff. d.A.) ergibt; der Kläger hat erläutert, dass ihm ein Teil der zuvor absolvierten Ausbildung angerechnet worden ist.
d. Nach alldem ist die Vergütung nach den Lohngruppen 5 und 6 nicht als „weniger“ im Antrag auf Erfüllung der Lohngruppe 7 bzw. Entgeltgruppe 8 enthalten (vgl. hierzu auch BAG vom 16.05.2013, 4 AZR 445/11, Rn. 11 der Entscheidungsgründe; BAG vom 03.07.2019, 4 AZR 456/18, Rn. 19 der Entscheidungsgründe; BAG vom 13.11.2019, 4 AZR 490/18, Rn. 17 der Entscheidungsgründe, jeweils zitiert nach juris). Aus diesem Grund hätte es eines ausdrücklichen Antrags dahingehend, wenigstens hilfsweise nach dieser Gruppe vergütet zu werden, bedurft. Diesen hat der Kläger ausdrücklich nicht gestellt. Ob der Kläger nach den Entgeltgruppen 6 und 7 – entspricht den Lohngruppen 5 und 6 des Bezirkstarifvertrags Nr. 2 – zu vergüten ist, war nach alldem nicht zu prüfen.
2. Der Kläger erfüllt nicht die Tatbestandsmerkmale der Lohngruppe 1.11 Buchstabe a) des Bezirkstarifvertrags.
a. Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte eine komplizierte Anlage nach Buchstabe a) mit der für 25.000 Einwohnergleichwerte ausgelegten Kläranlage betreibt, in der der Kläger teilweise auch tätig wird.
b. Der Kläger verrichtet aber nach seinen eigenen Angaben eine Vielzahl von Tätigkeiten, die mit der Wartung und Instandsetzung dieser großen Kläranlage nichts oder nur begrenzt zu tun haben. Er selbst zählt auch die Kläranlagen M… und T… zu den Anlagen, die er betreut. Er führt 28 angeschlossene Außenstationen (Pumpwerke usw.), ca. 140 km Kanalnetz, fünf Abwasserteichanlagen und Regenrückhaltebecken auf, mit bzw. an denen er ebenfalls tätig wird. Betrachtet man die vom Kläger selbst angeführten Teiltätigkeiten, ist folgendes anzumerken:
(1) Das Kamerabefahren von Kanälen (10% der Tätigkeit nach Angaben des Klägers) stellt keine Wartung oder Instandsetzung der Kläranlage als einer komplizierten Anlage – kompliziert, weil sie mechanisch, biologisch, mechanisch-biologisch mit getrennter Schlammbehandlung ausgestattet ist – dar. Es handelt sich um Zuleitungen, die mit der Art, der Komplexität und der Größe der Anlage nichts zu tun haben. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anlage in irgendeiner Weise gestört würde, wenn sich in einem der Kanäle des betroffenen Gebiets eine Störung zeigen würde.
(2) Dasselbe gilt für die Vorbereitung und die Überwachung von baulichen Kanalarbeiten (8%). Die Tätigkeit hat mit Wartung und Instandsetzung der Kläranlage selbst nichts zu tun.
(3) Dasselbe gilt für das Führen Baubesprechungen und Mitüberwachen von Kanalbaustellen (6%).
(4) Dasselbe gilt für das Suchen oder die Vorbereitung der Pläne bei Anfragen von Baufirmen oder Privatpersonen (5%). Auch hier geht es um das Kanalnetz, nicht aber um die Kläranlage und ihre Funktion.
(5) Dasselbe gilt für die Rattenbekämpfung (5%), jedenfalls, soweit sie nicht unmittelbar auf den Kläranlagenprozess bezogen ist.
(6) Dasselbe gilt für die Erstellung der elektronischen Jahresberichte, von denen der Kläger selbst vorträgt, dass er sie für das Kanalnetz und Sonderbauwerke anfertige (10%).
(7) Nichts anderes ergibt sich für die Anleitung und Überwachung von Tiefbaufirmen und Kanalsanierer (2%); auch hierbei handelt es sich um auf das Kanalnetz bezogene Tätigkeiten.
(8) Das gilt in gleicher Weise für das Kanalspülen mit Fremdfirmen und externen Kamerabefahrern (3%). Auch diese Tätigkeiten sind auf das Kanalnetz und nicht auf die Kläranlage als solche bezogen.
(9) Ebenso auf das Kanalnetz bezogen sind die Reinigungstätigkeiten hierfür (3%).
(10) Nichts anderes ist bei der Fehlersuche und Reparatur der Schachtabdeckungen und Straßeneinläufe festzustellen (1%); auch diese Tätigkeiten beziehen sich nicht auf die Kläranlage als solches.
(11) Entsprechendes gilt für die Tätigkeiten im Zusammenhang mit Hausanschlüssen (4%).
(12) Auch die Aufnahme von Aufträgen und Beobachtungen der Bürger hinsichtlich von Kanalschäden (3%) sind nicht auf die Kläranlage bezogen.
(13) Ebensolches gilt für das Molchen der Druckleitungen, jedenfalls soweit sie nicht unmittelbar in der Kläranlage selbst liegen (1%).
(14) Auch die Wartung und Reparatur von Pumpen und Antrieben (2%) würde sich nur dann als Wartung der Kläranlage selbst darstellen, wenn diese Pumpen und Antriebe nicht im Außenbereich bei Zu- oder Ableitungen, sondern in der Kläranlage selbst Bedeutung hätten, zumindest wenn Fehler bei diesen Pumpen oder Anlagen Auswirkungen auf die Klärprozesse haben könnten; dies ist nicht erkennbar.
(15) Die Einstellung der Reinigungsstufen (4%) könnte auf den Betrieb der Kläranlage bezogen sein. Fraglich ist, ob sich dies schon als „Wartung“ darstellt; ein Instandsetzen der Kläranlage ist hierin keinesfalls zu sehen.
(16) Ähnliches gilt für die Fernsteuerung und Überwachung im SPS-System (3%).
(17) Die Überwachung der chemischen Phosphatfällung (1%) kann eine Wartung der Kläranlage sein, wenn sie auf diese bezogen ist. Eine Instandsetzung liegt hierin offensichtlich nicht.
(18) Für die Kontrolle und Störungsbehebung bei den technischen Außenstationen (5%) kommt es darauf an, ob diese unmittelbar den störungsfreien Ablauf der Kläranlage selbst betreffen. Bei Regenüberlaufbecken, Stauraumkanälen und den Kläranlagen in M… und T… ist dies offensichtlich nicht der Fall. Nach dem Sachvortrag spricht wenig dafür, dass es sich um Wartung und Instandsetzung der Kläranlage selbst handelt.
(19) Die Erhebung von Messwerten im Labor (1%) stellt noch keine Wartung und/oder Instandsetzung der Kläranlage da. Die Änderung von Einstellungen könnte Teil der Wartung sein.
(20) Die Tätigkeiten hinsichtlich der Kläranlagen in M… und T… (2%) sind nicht auf die komplizierte Kläranlage mit mindestens 20.000 Einwohnergleichwerten bezogen.
(21) Die Fehlersuche, Durchführung von Reparaturen und Störungsbehebung in den elektrischen oder pneumatischen Anlagen und Steuerungen (4%) in der komplizierten Kläranlage selbst könnte eine Wartung und Instandsetzung sein; dies gilt nicht für solche Tätigkeiten an anderen elektrischen oder pneumatischen Anlagen im Kanalbereich.
(22) Grünpflege und Reinigungsarbeiten im vom Kläger dargestellten Sinn (2%) stellen keine Wartung oder Instandsetzung der Kläranlage als solches dar.
(23) Dasselbe gilt für die Fremdwassermessung bei den Teichanlagen (1%).
(24) Bei den Elektroarbeiten (1%) kommt es darauf an, ob sie unmittelbar auf die Kläranlage bezogen sind.
(25) Schulungen und Weiterbildung (1%) müssten, je nachdem auf welche Tätigkeiten sie bezogen sind, anteilig auf diese Tätigkeiten verrechnet werden.
(26) Ähnliches gilt für Besprechungen und Dienstgänge (1%).
(27) Hinsichtlich der Dokumentation und Büroarbeiten (10%) müsste im Einzelnen festgestellt werden, ob diese sich unmittelbar auf die Wartung und Instandsetzung der großen Kläranlage beziehen und nicht nur auf das Kanalnetz oder für die Kanäle erforderliche Anlagen wie Pumpen.
(28) Ähnliches gilt für die Teichanlagen (1%).
c. Nach alldem ist erkennbar, dass sich jedenfalls die Teiltätigkeiten (1) bis (4) und (7) bis (13) mit insgesamt 46% Tätigkeitsanteilen auf das Kanalnetz als solches und nicht auf die Wartung und Instandsetzung der Kläranlage selbst beziehen. Auch die Rattenbekämpfung (5) und die Erstellung der auf die Außenanlagen bezogenen Jahresberichte (6) haben mit Wartung und Instandsetzung der großen Kläranlage selbst nichts zu tun, so dass weitere 15% Tätigkeitsanteile nicht unter Lohngruppe 7 Nr. 1.11 Buchstabe a) subsumiert werden können. Die Erhebung von Messwerten im Labor (19) mit 1% Tätigkeitsanteil, die Tätigkeiten hinsichtlich der Kläranlagen in M… und T… (20) mit 2% sowie die Reinigungsarbeiten und Tätigkeiten in der Grünanlage (22) mit weiteren 2% stellen keine Wartung und Instandsetzung der großen Kläranlage selbst dar. Damit handelt es sich bei Teiltätigkeiten mit einem Anteil von 66% an der Arbeitskraft des Klägers nicht um Tätigkeiten, die mit der Wartung und Instandsetzung der komplizierten Kläranlage zu tun hätten.
d. Hinsichtlich der weiteren Teiltätigkeiten kommt eine Subsumption als Wartung, zum Teil auch als Instandsetzung in Betracht. Allerdings würde das nur gelten, wenn diese Tätigkeiten auf die komplizierte Kläranlage in H… selbst bezogen wären, nicht aber auf jede Tätigkeit etwa an einer Pumpe, deren Ausfall den Klärprozess als solchen nicht beeinflussen würde. Diesbezüglich sind genauere Angaben des Klägers nicht erfolgt. Letztlich ist dies jedoch angesichts des ganz überwiegenden Teils der nicht auf Wartung und schon gar nicht auf Instandsetzung der Kläranlage selbst bezogenen Tätigkeitsanteile unerheblich.
e. Nach alldem kann auch dahinstehen, ob und welche Teiltätigkeiten nach der Protokollerklärung zu § 2 Abs. 1 des Bezirkstarifvertrages zusammenzufassen sind. Selbst wenn die Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Kanälen in einem inneren Zusammenhang nach Buchstabe a) in § 2 Abs. 1 stehen würden, würde dies nichts am Ergebnis ändern, weil diese Tätigkeiten insgesamt nicht nach Nr. 1.11 Buchstabe a) der Lohngruppe 7 höherwertig sind. Ein „innerer Zusammenhang“ dieser auf die Kanäle bezogenen Tätigkeiten zur Wartung und Instandsetzung der Kläranlage selbst ist nicht erkennbar. Diese Arbeiten stellen sich nicht als unselbständiges Teilstück der hochwertigen Arbeiten an der Kläranlage selbst mit ihren mechanischen, biologischen oder biologisch-mechanischen Klärprozessen dar. Dasselbe gilt für die weiteren in Buchstabe c. aufgeführten Teiltätigkeiten. Damit kommt eine Vergütung nach Lohngruppe 7 Fallgruppe 1.11 Buchstabe a) nicht in Betracht. Hinsichtlich der sonstigen Tätigkeiten lässt sich nicht erkennen, ob sie auf die Kläranlage selbst bezogen sind und Wartung und Instandsetzung dieser darstellen. Aus diesem Grund kann die Kammer keine einzige der vom Kläger aufgeführten Teiltätigkeiten als Wartung und Instandsetzung der Kläranlage selbst nachvollziehbar erkennen. Die vom Kläger begehrte Höhergruppierung in Lohngruppe 7 Nr. 1.11 Buchstabe a) – übergeleitet in Entgeltgruppe 8 – kommt daher nicht in Betracht.
f. Andere Fallgruppen der Lohngruppe 7 scheiden ebenfalls aus. Sie sind vom Kläger weder behauptet noch entsprechende Tatsachen hierfür dargelegt. Über die Vergütungspflicht nach Lohngruppen 5 oder 6 war vorliegend nicht zu befinden.
3. Nach alldem hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden. Ein Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 8 besteht nicht. Die Berufung ist zurückzuweisen.
4. Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
5. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass.


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