Arbeitsrecht

Eingruppierung – korrigierende Rückgruppierung – gründliche Fachkenntnisse – Darlegungslast

Aktenzeichen  2 Sa 181/19

Datum:
12.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landesarbeitsgericht 2. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LAGTH:2022:0512.2SA181.19.00
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Erfurt, 28. März 2019, 1 Ca 77/18, Urteil

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 28.03.2019 – 1 Ca 77/18 – abgeändert.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin für den Zeitraum vom 01.10.2016 – 31.01.2021 nach Entgeltgruppe 5 Stufe 5 Teil I der Anlage A TV-L zu vergüten und die sich zur gezahlten Vergütung nach Entgeltgruppe 4 Stufe 5 TV-L ergebenden Bruttodifferenzbeträge an die Klägerin zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.01.2018.
2. Der Klägerin wird wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin ist seit 01.07.2006 beim Beklagten beschäftigt. Die Parteien vereinbarten im Arbeitsvertrag vom 27.07.2007 (Bl. 73 d. A.) die Eingruppierung der Klägerin in Entgeltgruppe 5 TV-L und die Anwendung des TV-L, TVÜ-L sowie der diese Tarifverträge ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und für den Freistaat geltenden Fassung. Die Klägerin war zunächst beim ehemaligen Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt, aus dem der jetzige Beklagte hervorgegangen ist, als Tierpflegerin in …….. eingesetzt und wurde nach Auflösung des Tierparks mit Wirkung zum 30.07.2012 in die Zentrale der Landesforstanstalt versetzt. Dort ist sie als Mitarbeiterin im Sachgebiet 1.2 Recht, innerer Dienst, IT beschäftigt. Die Beklagte zahlte mit Inkrafttreten der Entgeltordnung zum TV-L mit Wirkung zum 01.01.2012 ohne nähere Überprüfung der Eingruppierung weiterhin Vergütung nach Entgeltgruppe 5 TV-L.
Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 17.09.2014 die Überprüfung ihrer Eingruppierung und machte eine Höhergruppierung geltend. Sie erstellte hierfür eine Stellen-/Tätigkeitsbeschreibung unter dem 09.08.2016 (Bl. 10 ff. d. A.). Der Beklagte überprüfte die Stellenbeschreibung, fasste die von der Klägerin zu 2) und 5) aufgeführten Arbeitsvorgänge zum Arbeitsvorgang 2) zusammen und übernahm die Stellenbeschreibung (Bl. 50 ff. d. A.).
Danach ergeben sich folgende Arbeitsvorgänge:
1) Postwesen – 20 v.H. der Gesamtarbeitszeit
2) Beschaffung und Inventur des beweglichen Anlagevermögens – 15 v.H. der Gesamtarbeitszeit
3) Aufrechterhaltung Dienstbetrieb – 5 v.H. der Gesamtarbeitszeit
4) Kopierstelle der Zentrale – 5 v.H. der Gesamtarbeitszeit
5) Renovierungs- und Reinigungsarbeiten – 5 v.H. der Gesamtarbeitszeit
6) Betreuung der Dienstfahrzeuge der Zentrale – 50 v.H. der Gesamtarbeitszeit.
Der Arbeitsvorgang Betreuung der Dienstfahrzeuge der Zentrale umfasst nach der Tätigkeitsbeschreibung der Beklagten vom 02.02.2017 (Bl. 50 f. d. A.) folgende Aufgaben: Bestätigung der Kfz-Verfügbarkeit in Dienstreiseanträgen (Unterschrift Fahrdienstleiter), das Führen und Kontrollieren von monatlichen Fahrzeugeinsatzlisten, Durchführung der neuen Zulassungen von Kraftfahrzeugen beim Bürgeramt und Organisieren von geprägten Kennzeichen (auch für Parkplätze) bei der Thüringer Landespolizei, Organisierung von Wartungs- und Reparaturterminen sowie Termine zum halbjährigen Räderwechsel, Radmuttern nachziehen lassen, Registrieren der Kosten in die Mittelkontrolle und der Fahrzeugeinsätze pro Sachgebiet in Tabellen; Registrieren und Prüfen der UTA Tank- und Serviceabrechnungen für 19 Kraftfahrzeuge der Zentrale, Eintragen der jeweiligen Kraftstoffmengen und Kosten (Service- und Reparaturkosten) sowie gefahrenen Kilometer und Einsatztage in die jeweiligen Fahrzeuglisten.
Der Beklagte informierte den Personalrat mit Schreiben vom 01.03.2017 über die beabsichtigte Rückgruppierung der Klägerin. Der Personalrat stimmte zu. Mit Schreiben vom 28.03.2017 (Bl. 14 d. A.) teilte der Beklagte der Klägerin mit, sie sei rückwirkend ab dem 01.10.2016 entsprechend der Entgeltordnung TV-L in Entgeltgruppe 4 korrigierend eingruppiert und der Stufe 5 zugeordnet. Die Klägerin widersprach der korrigierenden Rückgruppierung mit Schreiben vom 07.04.2017 und machte mit Schreiben vom 09.05.2017 Vergütung nach Entgeltgruppe 5 Stufe 1 TV-L geltend.
Die Klägerin wurde im Zusammenhang mit der Änderung ihres Aufgabengebietes rückwirkend zum 01.02.2021 in Entgeltgruppe 5 Stufe 5 TV-L eingruppiert.
Die Klägerin hat mit der am 12.01.2018 eingegangenen und dem Beklagten am 29.01.2018 zugestellten Eingruppierungsfeststellungsklage Vergütung ab 01.10.2016 nach Entgeltgruppe 5 Stufe 5 TV-L geltend gemacht.
Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 292 ff. d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, der Anspruch ergäbe sich nicht aus einer eigenständigen, von der Tarifautomatik unabhängigen individualvertraglichen Vereinbarung. Die Klägerin habe auch nach den tariflichen Bestimmungen keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 5 TV-L. Die Tätigkeiten der Arbeitsvorgänge zu 1) und 3) erforderten unstreitig gründliche Fachkenntnisse, die Tätigkeiten der Arbeitsvorgänge zu 4) und 5) dagegen nicht, so dass ein Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 5 TV-L nur bestehe, wenn die Tätigkeiten des Arbeitsvorgangs zu 6) (Betreuung der Dienstfahrzeuge) gründliche Fachkenntnisse erforderten. Dies habe die Klägerin nicht hinreichend nachvollziehbar dargelegt. Schließlich hindere auch der Grundsatz von Treu und Glauben den Beklagten nicht, sich auf das Fehlen der tariflichen Voraussetzungen für eine Vergütung nach Entgeltgruppe 5 TV-L zu berufen und die Klägerin zurück zu gruppieren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 299 d. A.) verwiesen.
Das Urteil wurde der Klägerin am 21.05.2019 zugestellt. Die Klägerin hat mit dem am 17.06.2019 eingegangenen Schriftsatz Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren beantragt. Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss vom 19.08.2019 bewilligt. Der Beschluss wurde der Klägerin am 27.08.2019 zugestellt. Die Klägerin hat mit dem am 28.08.2019 eingegangenen Schriftsatz wegen Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, Berufung eingelegt und die Berufung begründet.
Die Klägerin beruft sich darauf, der Beklagte trage für die korrigierende Rückgruppierung die Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber habe die objektive Fehlerhaftigkeit der bisher gewährten Vergütung darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Beklagte gehe insofern rechtsfehlerhaft davon aus, sie trage die Darlegungs- und Beweislast für die Eingruppierung in Entgeltgruppe 5 TV-L. Dem Beklagten sei es nicht gelungen, die objektive Fehlerhaftigkeit der bisherigen Vergütung schlüssig darzulegen und nachzuweisen. Auch das Arbeitsgericht habe der Darlegungs- und Beweislastregelung in seinem Urteil nicht Rechnung getragen und sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, sie habe darzulegen und nachzuweisen, dass sie Tätigkeiten mit gründlichen Fachkenntnissen im Umfang von mindestens 50 % erbringe. Die Klägerin ist überdies der Auffassung, der Arbeitsvorgang zu 6) Betreuung der Dienstfahrzeuge erfordere gründliche Fachkenntnisse iSd. Entgeltgruppe 5 TV-L. Sie benennt die Vorschriften, die sie im Rahmen ihrer Einzelaufgaben anzuwenden habe. Sie behauptet insbesondere, ihre Tätigkeit erschöpfte sich nicht nur in der Prüfung der Vollständigkeit der Fahrtenbücher. Sie habe auch die Übereinstimmung des eingetragenen Fahrziels mit dem Fahrauftrag, den Zweck der Fahrt und die Übereinstimmung der Kilometerstände sowie die von den Fahrern eingetragenen Mängel zu überprüfen und Letztgenannte zu beheben. Hier sei es ihre Aufgabe, für eine Reparatur des Schadens zu sorgen und zum Schadensverursacher zu recherchieren. Sie habe Selbstbeteiligungen zur Schadensregulierungen zu überprüfen und den Schaden in den entsprechenden Fahrzeugtabellen zu registrieren. Die Fahrzeugverwaltung umfasse die Planung, Bewirtschaftung und Abrechnung sämtlicher Fahrzeugkosten, wie z. B. Mietleasing, Kfz-Versicherung sowie sämtliche sonstige Kosten für Reparaturen, Reinigung, Kleinbedarf etc. Auch die Führung, Verwaltung, Abrechnung und Kontrolle der Fahrtenbücher gehe mit der Bewirtschaftungspflicht der Fahrzeuge einher. Die für die jeweiligen Fahrzeuge eingehenden Rechnungen seien von ihr auf den Gesamtsummenblatt als sachlich und rechnerisch richtig zu prüfen. Nachdem sie das bestätigt habe, würden die Zahlungen von der Zeugin ……… angewiesen. Sie sei auch berechtigt, selbstständig Reparaturaufträge ohne eine finanzielle Obergrenze in Drittwerkstätten auszulösen.
Die Klägerin beantragt,
wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren
und
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Erfurt vom 28.03.2019 – 1 Ca 77/18 – festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin für die Zeit vom 01.10.2016 – 31.01. 2021 nach Entgeltgruppe 5 Stufe 5, Teil I Anlage A zum TV-L zu vergüten und die sich zur gezahlten Vergütung ergebenden Brutto-Differenzbeträge nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er ist der Auffassung, die Klägerin habe nicht nachvollziehbar dargelegt, der Arbeitsvorgang zu 6) erfordere gründliche Fachkenntnisse. Der Beklagte tritt dem Vortrag der Klägerin entgegen. Er behauptet, die Klägerin führe bestimmte Aufgaben nicht aus und bestreitet die Erforderlichkeit gründlicher Fachkenntnisse für die Erledigung der ihr obliegenden Aufgaben.
Wegen der übrigen Einzelheiten des wechselseitigen Vortrags wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug zur Akte gereichten Schriftsätze und die in der Verhandlung am 12.05.2022 zu Protokoll gegebenen Erklärungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat auch für den Zeitraum vom 01.10.2016 – 31.01.2021 Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 5 Stufe 5 Teil I Anlage A TV-L.
I. Die nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes an sich statthafte Berufung ist nach § 66 Abs. 1 ArbGG zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt, denn der Klägerin ist gem. §§ 233, 234 ZPO bezüglich der versäumten Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
1. Einer Partei, die wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage war, ein Rechtsmittel, das dem Vertretungszwang unterliegt, wirksam zu erheben, ist nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Wiedereinsetzung setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist einzuhalten. Davon ist auszugehen, wenn er innerhalb der Rechtsmittelfrist alles in seinen Kräften Stehende und Zumutbare getan hat, um das in seiner Mittellosigkeit bestehende Hindernis zu beheben. Aus diesem Grund muss er bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe schaffen (BAG 26. Januar 2006 – 9 AZA 11/05 – juris mwN).
2. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin hat innerhalb der bis zum 21.06.2019 laufenden Frist zur Einlegung der Berufung das in ihren Kräften stehende zur Fristwahrung getan. Sie hat am 18.06.2019 einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst Entwurf der Berufung und Berufungsbegründung beim Landesarbeitsgericht gestellt. Der Klägerin wurde mit Beschluss vom 19.08.2019 Prozesskostenhilfe bewilligt, der ihr am 27.08.2019 zugestellt wurde. Der Wiedereinsetzungsantrag nebst Berufung und Berufungsbegründung sind am 28.08.2019 und damit rechtzeitig gem. § 234 ZPO innerhalb von 2 Wochen nach Behebung des Hindernisses beim Berufungsgericht eingegangen.
II. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Der Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach Entgeltgruppe 5 TV-L ergibt sich nicht bereits aus einer konstitutiven arbeitsvertraglichen Vereinbarung oder aus § 242 BGB. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Die Klägerin hat vielmehr einen tariflichen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe 5 TV-L, denn die Voraussetzungen für eine Rückgruppierung in Entgeltgruppe 4 TV-L liegen nicht vor.
1. Nach § 12 TV-L richtet sich die Eingruppierung der/des Beschäftigten nach den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltordnung (Anlage A). Die/der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen.
Die vorliegend einschlägigen Bestimmungen der Entgeltordnung (Anlage A) TV-L lauten:
“Entgeltgruppe 5
1. Beschäftigte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst,
 deren Tätigkeit gründliche Fachkenntnisse erfordert.
 (Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 3 und 7)
2. …
Entgeltgruppe 4
1. …
2. Beschäftigte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst,
 deren Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 3 heraushebt, dass sie mindestens
zu einem Viertel gründliche Fachkenntnisse erfordert.
 (Hierzu Protokollerklärungen Nrn. 3 und 7)
Entgeltgruppe 3
Beschäftigte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst
mit Tätigkeiten, für die eine eingehende Einarbeitung bzw. eine fachliche Anlernung erforderlich ist, die über eine Einarbeitung im Sinne der Entgeltgruppe 2 hinausgeht.
(Hierzu Protokollerklärung Nr. 3)
Protokollerklärungen:

7. Erforderlich sind nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen usw. des Aufgabenkreises.”
Bei der Beurteilung, ob eine Tätigkeit „gründliche Fachkenntnisse” erfordert, ist sowohl das quantitative als auch das qualitative Maß der benötigten Fachkenntnisse zu bewerten. Die Fachkenntnisse müssen sich nicht notwendig auf Rechtsvorschriften beziehen. Es sind Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art zu verlangen. Das Tätigkeitsmerkmal erfordert danach erweiterte Fachkenntnisse sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht (BAG 16. Oktober 2019 – 4 AZR 284/18 – juris mwN).
2. Die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Fehlerhaftigkeit der Eingruppierung in Entgeltgruppe 5 TV-L trifft, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts, den Beklagten.
a) Ein Arbeitnehmer, der die Auffassung vertritt, seine Tätigkeit erfülle die Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals einer höheren Entgeltgruppe, muss die tatsächlichen Voraussetzungen einer von ihm klageweise begehrten Eingruppierung im Prozess darlegen und gegebenenfalls beweisen. Anders verhält es sich bei einer sogenannten korrigierenden Rückgruppierung. Bei einer korrigierenden Rückgruppierung, d.h., bei einer beabsichtigten Einstufung in eine niedrigere als die bisher als zutreffend angenommene Vergütungsgruppe, muss der Arbeitgeber, wenn sich der Arbeitnehmer auf die ihm vom Arbeitgeber zuvor als maßgebend mitgeteilte und der Vergütung zugrunde gelegte Vergütungsgruppe beruft, die objektive Fehlerhaftigkeit dieser bisher gewährten Vergütung darlegen und gegebenenfalls beweisen (BAG 20. März 2013 – 4 AZR 521/11 – juris mwN).
b) Die Voraussetzungen für eine Anwendung der für die korrigierende Rückgruppierung entwickelten Grundsätze sind im Streitfall gegeben. Der Beklagte gruppierte die Klägerin in Entgeltgruppe 5 TV-L ein. Nunmehr hält er diese Entgeltgruppe fehlerhaft für zu hoch und meint, Entgeltgruppe 4 TV-L sei zutreffend. Daher obliegt ihm die Darlegungs- und ggf. Beweislast für die objektive Fehlerhaftigkeit der mitgeteilten tariflichen Bewertung nach Entgeltgruppe 5 TV-L.
3. Der Beklagte ist seiner Darlegungslast nicht nachgekommen.
a) Die Tätigkeiten nach Entgeltgruppe 5 TV-L erfordern mindestens zur Hälfte der die Gesamtarbeitszeit ausmachenden Arbeitsvorgänge gründliche Fachkenntnisse. Es kommt, soll Entgeltgruppe 5 TV-L nicht erfüllt sein, daher darauf an, dass gründliche Fachkenntnisse bei dem zu 50 v. H. der Gesamtarbeitszeit anfallenden Arbeitsvorgang zu 6) (Betreuung der Dienstfahrzeuge der Zentrale) nicht erforderlich sind. Hierzu mangelt es an entsprechendem Vortrag.
aa) Handelt es sich, wie hier, um Aufbaufallgruppen, muss der Arbeitgeber die Tatsachen vortragen, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, das von ihm nunmehr in Abrede gestellte tarifliche Tätigkeitsmerkmal sei nicht erfüllt. Ein schlüssiger Vortrag des Arbeitgebers liegt dabei noch nicht allein in der Darstellung der Tätigkeit des Arbeitnehmers, wenn das Fehlen eines Heraushebungsmerkmals geltend gemacht wird. Erforderlich ist vielmehr ein entsprechender Tatsachenvortrag, der einen wertenden Vergleich mit den nicht herausgehobenen Tätigkeiten, also den „Normaltätigkeiten” zulässt (BAG 20. März 2013 – 4 AZR 521/11 – aaO).
bb) Das ist nicht erfolgt. Ein wertender Vergleich ist nicht möglich. Es fehlt jeglicher Sachvortrag dazu, welche Anforderungen eine vergleichbare Tätigkeit nach Entgeltgruppe 3 an die „normalen Fachkenntnisse“ stellt, dh., welche Kenntnisse ein Angestellter mit einer Tätigkeit nach Entgeltgruppe 3, die mit der Tätigkeit der Klägerin „Betreuung der Dienstfahrzeuge der Zentrale“ vergleichbar ist, bereits schuldet, und es fehlt, darauf aufbauend, entsprechender Vortrag dazu, die der Klägerin obliegende Betreuung der Dienstfahrzeuge gehe hinsichtlich der Fachkenntnisse nicht über das Maß dessen hinaus, was Entgeltgruppe 3 in einer vergleichbaren Tätigkeit erfordere.
b) Dem Beklagten ist auf den gerichtlichen Hinweis zur Darlegungs- und Beweislast kein Schriftsatznachlass zu gewähren.
aa) Art. 103 Abs. 1 GG verbietet sog. Überraschungsentscheidungen. Die Parteien sollen Gelegenheit erhalten, sich zu dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt, den Beweisergebnissen und den Rechtsauffassungen vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Es kann der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt abstellt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das Gericht grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet ist. Ein Verfahrensbeteiligter muss grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist nur anzunehmen, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf rechtliche Gesichtspunkte abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter – selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen – nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht. Dann ist Gelegenheit zu weiterem Vortrag zu geben (BAG 6. Dezember 2017 – 6 AZN 770/17 – nv).
bb) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Beklagte musste damit rechnen, das Landesarbeitsgericht werde die Frage der Darlegungs- und Beweislast im Falle einer korrigierenden Rückgruppierung iSd. gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und damit anders, als das Arbeitsgericht, beurteilen. Hinzu kommt, dass sich die Klägerin sowohl erstinstanzlich, als auch in der Berufungsbegründung unter Bezugnahme auf das hierzu ergangene Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 15.06.2011 – 4 AZR 737/09 – darauf berufen hat, die Darlegungs- und Beweislast trage der Beklagte. Schließlich war das auch ein entscheidender Angriff der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben