Arbeitsrecht

Einigungsstelle, Gesamtbetriebsrat, Interessenausgleich, Sozialplan, Dienstleistungen, Informationsanspruch, Arbeitgeber, Arbeitgeberin, Sozialauswahl, Feststellung, Beisitzer, GBR, Zeitpunkt, Unterrichtungspflicht, fachliche Eignung, unternehmerische Entscheidung, nicht ausreichend

Aktenzeichen  31 BV 368/20

Datum:
8.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 22461
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit der Regelungsthematik „Verhandlungen über einen Interessenausgleich und den Abschluss eines Sozialplans zum deutschlandweiten Personalabbauprogramm zum 31. März 2021, zur Schließung der Bürostandorte H-Stadt, S-Stadt und R-Stadt sowie zum deutschlandweiten Abbau aller Home-Office und Home-Base Verträge und die Einführung von Smart Working bis zum 31. Dezember 2021“ wird Herr We, Direktor des Arbeitsgerichts Pforzheim a.D., bestellt.
2. Die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf drei festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die Bildung einer Einigungsstelle.
Die Antragstellerin (im Folgenden Arbeitgeberin) ist ein Tochterunternehmen der G.plc und bietet Dienstleistungen im Bereich der globalen Netzwerk- und IT-Services für Unternehmenskunden an. Sie unterhält in Deutschland neben dem Hauptsitz in M-Stadt insbesondere weitere Bürostandorte in H-Stadt, S-Stadt, R-Stadt und F-Stadt mit insgesamt über 700 Arbeitnehmern, davon einige mit ausschließlicher Tätigkeit im Home-Office.
Der Antragsgegner ist der für alle Standorte der Arbeitgeberin gebildete Gesamtbetriebsrat mit Sitz in A-Stadt. Daneben bestehen fünf regionale Betriebsräte in den Regionen Nord/Ost, Mitte, West, Süd sowie der Stadt M-Stadt.
Von der Arbeitgeberin wird ein umfassendes Restrukturierungsvorhaben geplant, das Teil eines globalen Transformationsprogramms zur Implementierung der B Global Strategy ist. Dieses umfasst zunächst ein deutschlandweites Personalabbauprogramm (Reduzierung um 145 Vollzeitstellen zum 31.03.2021), die Schließung der Bürostandorte H-Stadt, SStadt und R-Stadt mit Konzentration auf die strategischen Standorte in M-Stadt und FStadt sowie den deutschlandweiten Abbau aller Home-Office- und Home-Base-Verträge und die Einführung von Smart Working bis zum 31.12.2021.
Zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat sowie dem Wirtschaftsausschuss fanden seit dem 23.09.2020 mehrere Informationstermine bezüglich der geplanten Restrukturierungsmaßnahmen statt (vgl. Aufstellung Bl. 6 ff. d. A.). In dem Kick-Off-Termin am 23.09.2020 stellte die Geschäftsführung der Arbeitgeberin dem Gesamtbetriebsrat und dem Wirtschaftsausschuss erstmals umfassende Informationen über die geplante Restrukturierungsmaßnahme zur Verfügung. Die von der Arbeitgeberin in diesem Zusammenhang vorgelegte Präsentation (vgl. Anlage GBR 2) trägt die Überschrift „Umsetzung eines 3-Jahres-Restrukturierungsprogramms in Deutschland“ und nennt auf Seite 7 unter der Überschrift „Restrukturierungsprogramm – Details“ auch Zahlen hinsichtlich der Vollzeitkräfte für die Jahre 2 und 3 sowie die „Business Units“, die nach dem dritten Jahr nicht mehr in Deutschland vertreten sein werden. In den Terminen am 25. und 26.11.2020 sollte nach den Planungen der Arbeitgeberin ganztägig über die Modalitäten und die genaue Ausgestaltung des Interessenausgleichs und Sozialplans beraten und verhandelt werden. Dies erfolgte jedoch letztlich nicht, sondern es handelte sich um weitere Informationstermine, wobei der Zeitrahmen vom Gesamtbetriebsrat in beiden Fällen auf 2,5 Stunden reduziert wurde. In dem Termin am 04.12.2020 machte die Arbeitgeberin gegenüber dem Gesamtbetriebsrat u.a. deutlich, dass sie die Beratungen und Verhandlungen spätestens bis zum 31.01.2021 abgeschlossen haben wolle (vgl. Anlage BB 46). Es wurden zwei Varianten für das weitere Vorgehen vorgeschlagen: Variante 1 sehe vor, dass der Gesamtbetriebsrat Termine und Themen unterbreite, wie sich die Parteien bis zum 31.01.2021 einigen könnten. Die Arbeitgeberin sei dabei bereit, weitere Informationen für das Jahr 2 und 3 weiterzugeben, sobald diese vorliegen würden. Variante 2 sei die Einberufung einer Einigungsstelle.
Im Zusammenhang mit den Informationsterminen stellte die Arbeitgeberin dem Gesamtbetriebsrat zahlreiche Dokumente betreffend die geplanten Restrukturierungsmaßnahmen zur Verfügung (vgl. Aufstellung Bl. 20 f. d. A.). So wurden insbesondere am 09.11.2020 dem Gesamtbetriebsrat Entwürfe für einen Interessenausgleich und Sozialplan übermittelt (vgl. BB 53 und 54). Darüber hinaus wurden dem Gesamtbetriebsrat von der Arbeitgeberin zahlreiche weitere Termine angeboten (vgl. Aufstellung Bl. 23 f. d. A.).
Am 10.11.2020 beauftragte der Gesamtbetriebsrat die P GmbH mit der Beratung hinsichtlich der geplanten Restrukturierungsmaßnahme.
Mit E-Mail vom 23.11.2020 räumte die Arbeitgeberin den lokalen Betriebsräten sowie dem Gesamtbetriebsrat die Möglichkeit ein, bis zum 27.11.2020 zur Frage ihrer Zuständigkeit betreffend die geplanten Restrukturierungsmaßnahmen Stellung zu nehmen.
Mit E-Mail vom 04.12.2020 (vgl. Anlage BB 73) forderte die Arbeitgeberin den Gesamtbetriebsrat nochmals auf, eine verbindliche Vorstellung eines Fahrplans für die Beratungen und Verhandlungen der vorgestellten betriebsändernden Maßnahmen auf der Grundlage der übermittelten Dokumente für einen Interessenausgleich, Sozialplan und eine freiwillige Betriebsvereinbarung mitzuteilen. Stellung genommen werden sollte insbesondere zu folgenden Themen: Verbindliche Mitteilung von Vorschlägen für Beratungs- und Verhandlungstermine für den Zeitraum bis zum 31.01.2021 sowie Vorschlag zu dem Vorgehen, wenn im Rahmen der Verhandlungen ab dem 31.12.2021 für eine Partei absehbar sei, dass die Verhandlungen voraussichtlich bis zum 31.01.2021 nicht zu einem von allen Parteien gemeinsam getragenen Ergebnis führen würden.
Mit weiterer E-Mai vom 04.12.2020 (vgl. Anlage GBR 13) unterbreitete die Arbeitgeberin dem Gesamtbetriebsrat den Vorschlag, unter dem Vorsitzenden We, Direktor des Arbeitsgerichts Pforzheim a.D., einvernehmlich eine betriebliche Einigungsstelle zu errichten. In der E-Mail heißt es u.a.
„[…] wie bereits angesprochen, halten wir es für zielführend […], wenn wir unter der Moderation eines Dritten in einer Einigungsstelle die Gespräche und Beratungen weiterführen. Daher möchten wir Ihnen vorschlagen, ab dem 10. Dezember 2020 eine Einigungsstelle unter dem Vorsitzenden We, Direktor des Arbeitsgerichts Pforzheim a.D., einzurichten. […] Bitte teilen Sie uns bis zum 9. Dezember 2020 mit, ob Sie damit einverstanden sind.
[…] Wie aber auch angesprochen, können wir gerne aber auch jetzt eine Einigungsstelle vereinbaren, falls wir sie zu einem späteren Zeitpunkt brauchen sollten.
Der Vorschlag für die Einigungsstelle ist, wie gesagt, nur für den Fall, dass Sie entweder keinen kooperativen Vorschlag machen möchten oder aber die Einigungsstelle doch vorziehen sollten.
[…]“
Mit E-Mail vom 08.12.2020 (vgl. Anlage GBR 14) schlug der Gesamtbetriebsrat vor, zur Klärung der noch offenen Fragen und fehlenden Informationen betreffend die einzelnen von der geplanten Maßnahme betroffenen Bereiche Arbeitsgruppen zu bilden. Mit weiterer E-Mail vom 10.12.2020 unterbreitete der Gesamtbetriebsrat konkrete Terminvorschläge für die verschiedenen Arbeitsgruppen.
Das bei der im Konzern der Arbeitgeberin in Europa länderübergreifend eingerichtete Arbeitnehmervertreter-Gremium B. ECC (Europabetriebsrat) wurde von der Arbeitgeberin am 22.09.2020 über erste Grundsätze sowie Pläne und Vorgaben zur Umsetzung des Programms Global Footprint für Europa informiert. Daneben wurde mitgeteilt, dass Deutschland das erste Land sein werde, in dem die Restrukturierung angekündigt werden würde.
Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass der Gesamtbetriebsrat versuche, die Verhandlungen mit ihr zu verzögern, um die von dieser geplanten Restrukturierungsmaßnahmen weiter hinauszuschieben. Zum einen stehe fest, dass die Informationsphase bereits abgeschlossen sei. Die Arbeitgeberin habe dem Gesamtbetriebsrat umfassende und abschließende Dokumente zur Verfügung gestellt, in denen alle relevanten und für die Verhandlungen maßgeblichen Informationen zu der geplanten Restrukturierungsmaßnahme enthalten seien. Zum anderen habe die Arbeitgeberin den Gesamtbetriebsrat in sieben stattgefundenen Informationsterminen auch mündlich über die geplanten Maßnahmen informiert und für Rückfragen zur Verfügung gestanden. Der Gesamtbetriebsrat habe keinerlei Bereitschaft gezeigt, sich Zeit für die Verhandlungen mit der Arbeitgeberin zu nehmen. Auch die verspätete Einschaltung der externen Beratung erst am 10.11.2020 und die auf diesen Umstand gestützten Absagen von Terminen habe der Verzögerung der Verhandlungen gedient.
Die Arbeitgeberin geht weiter davon aus, dass die Einigungsstelle zur Regelung der streitgegenständlichen Thematik zuständig sei, weil keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unzuständigkeit vorliegen würden.
Grundsätzlich bedürfe es für die arbeitsgerichtliche Entscheidung über die Besetzung der Einigungsstelle eines vorangegangenen ernsthaften Verhandlungs- und Einigungsversuchs nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Eine Ausnahme hiervon bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für den Fall, dass sich eine Partei von vorneherein verhandlungsunwillig zeige. Dies sei vorliegend aufgrund des Verhaltens des Gesamtbetriebsrats anzunehmen. Dadurch, dass der Gesamtbetriebsrat die vorgeschlagenen Termine in 27 Fällen nicht wahrgenommen habe und in allen anderen Terminen nur für sehr kurze Zeitfenster zur Verfügung gestanden habe, sei es nicht möglich gewesen, in die Verhandlungen über einen Interessenausgleich, Sozialplan sowie über die Gesamtbetriebsvereinbarung Smart Working einzusteigen. Insofern müsse für diesen Fall hinsichtlich der Einberufung einer gerichtlichen Einigungsstelle das gleiche gelten wie für gescheiterte Verhandlungen, weil auch in diesem Fall keine Einigung mit dem Gesamtbetriebsrat erzielt werden könne. Zur Erfüllung der innerbetrieblichen Verhandlungs- und Beratungspflichten genüge es, wenn der Antragsteller, der die Bildung einer Einigungsstelle anstrebe, einen ernsthaften Verhandlungsversuch unternommen habe. Ein Dissens über den Umfang und die ausreichende Erfüllung der Unterrichtungsansprüche des Betriebsrats stehe der Bestellung einer Einigungsstelle über die Beratung eines Interessenausgleichs nicht entgegen. Der Seite, die auf die Durchführung eines Einigungsstellenverfahrens angewiesen sei, könne regelmäßig nicht zugemutet werden, dass vor der Bildung der Einigungsstelle zunächst häufig unsichere Fragen über den genauen Umfang von Informationsansprüchen geklärt werden müssten. Soweit der Gesamtbetriebsrat in diesem Zusammenhang auf eine E-Mail der Arbeitgeberin vom 04.12.2020 Bezug nehme, unterschlage er, dass diese E-Mail im Kontext einer weiteren E-Mail vom 04.12.2020 sowie dem stattgefundenen Informationstermin am 04.12.2020 zu sehen sei. Der Gesamtbetriebsrat sei insoweit ausdrücklich zur Unterbreitung eines konstruktiven Vorschlags aufgefordert worden, wie bis zum 31.01.2021 eine Einigung zwischen den Parteien erzielt werden könnte. Der vom Gesamtbetriebsrat unterbreitete Vorschlag zur Bildung von Arbeitsgruppen habe nicht die geforderten Kriterien erfüllt und damit in klarem Widerspruch zu dem von der Arbeitgeberin geforderten, eindeutigen Gesamtvorschlag zum weiteren Vorgehen gestanden. Der Gesamtbetriebsrat habe somit damit rechnen müssen, dass die Arbeitgeberin nunmehr, wie angekündigt, beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Einsetzung einer gerichtlichen Einigungsstelle stellen werde.
Die Einigungsstelle sei auch nicht offensichtlich unzuständig gem. § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG. Ein weiterer Informationsanspruch des Gesamtbetriebsrats bestehe nicht. Die Arbeitgeberin sei der Unterrichtungspflicht nach § 111 BetrVG durch die permanente Zurverfügungstellung von detaillierten und umfassenden Dokumenten vollumfänglich nachgekommen. Das gesamte Vorgehen des Gesamtbetriebsrats sei aufgrund der rechtsmissbräuchlichen Verzögerung der Gespräche der Betriebsparteien gleichzusetzen mit einer Verweigerung der Verhandlungen. Insbesondere bestehe kein Unterrichtungsanspruch des Gesamtbetriebsrats über etwaige über den 31.12.2021 hinausgehende Personalmaßnahmen bei der Arbeitgeberin, denn die Restrukturierungsmaßnahme fuße auf einer unternehmerischen Konzeption, die betriebsändernde Maßnahmen im Zeitraum bis zum 31.12.2021 beinhalte. Etwa erfolgende Personalveränderungen für weitere Geschäftsjahre bis einschließlich 31.03.2023 seien nicht Teil der unternehmerischen Konzeption, so dass diesbezüglich derzeit kein Informationsanspruch bestehe. Hintergrund dafür sei unter anderem, dass die Arbeitgeberin zunächst das Ergebnis der ersten Personalreduktion sowie der Schließung der Standorte und der Beendigung der Home-Office- bzw. HomeBase-Verträge abwarten möchte.
Auch folge aus der Tatsache, dass die lokalen Betriebsräte derzeit mit der Klärung der Frage ihrer Zuständigkeit für die Schließungen der Standorte R-Stadt, H-Stadt und SStadt befasst seien, keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle. Denn der Gesamtbetriebsrat sei auch für diese Maßnahme zuständig. Bei der von der Arbeitgeberin geplanten Restrukturierungsmaßnahme handele es sich um ein standortübergreifendes Konzept, das insbesondere im Hinblick auf den Zentralisierungsgedanken auf die strategischen Standorte M-Stadt und F-Stadt und den damit einhergehenden Standortschließungen einer einheitlichen Regelung bedürfe. Der hierbei erforderliche Personalabbau erfolge auf der Grundlage eines unternehmenseinheitlichen Konzepts und finde für alle drei Standorte der Arbeitgeberin gleichermaßen Anwendung. Daher sei nach § 50 BetrVG der Interessenausgleich über die vorgestellten Maßnahmen sowie die Gesamtbetriebsvereinbarung zum Mobilen Arbeiten mit dem Gesamtbetriebsrat zu vereinbaren. Eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats bestehe jedoch auch für Verhandlungen des Sozialplans. Die Erforderlichkeit ergebe sich aufgrund eines einheitlichen Sozialkonzepts mit einheitlichen Kompensationsregelungen für sämtliche betroffene Arbeitnehmer. Das einheitliche Konzept folge aus den geplanten Regelungen des Interessenausgleichs, die Auswirkungen auf sämtliche Standorte der Arbeitgeberin zur Folge haben würden. So seien u.a. standortübergreifende Versetzungen bzw. entsprechende Änderungskündigungen an die Standorte A-Stadt und F-Stadt sowie ein Übergang in eine Transfergesellschaft mit einheitlicher Leitung geplant.
Der Arbeitgeberin sei auch nicht klar, weshalb der Gesamtbetriebsrat Herrn We als Einigungsstellenvorsitzenden ablehne. Dieser verfüge über die notwendige Unparteilichkeit und fachliche Eignung. Da sich die vorliegende Maßnahme von bisherigen Maßnahmen in der Vergangenheit unterscheide, sei zudem ohnehin eine Einarbeitung in die Gegebenheiten der Arbeitgeberin und der vorliegenden Restrukturierungsmaßnahme notwendig. Hinsichtlich der Anzahl der Beisitzer sei nicht ersichtlich, warum von der Regelbesetzung mit zwei Beisitzern je Seite derart abgewichen werden sollte, dass sie auf sechs Personen je Seite verdreifacht werden müsste. Die Besetzung der Einigungsstelle mit drei Beisitzern auf jeder Seite ermögliche dem Gesamtbetriebsrat sowohl die Einbringung betriebsinterner Kenntnisse als auch die Einbringung von Fachkompetenz oder zusätzlichem Wissen durch einen betriebsexternen Beisitzer.
Die Arbeitgeberin beantragt zuletzt,
1.Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit der Regelungsthematik „Verhandlungen über einen Interessenausgleich und den Abschluss eines Sozialplans zum deutschlandweiten Personalabbauprogramm zum 31. März 2021, zur Schließung der Bürostandorte H-Stadt, S-Stadt und R-Stadt sowie zum deutschlandweiten Abbau aller Home-Office und Home-Base Verträge und die Einführung von Smart Working bis zum 31. Dezember 2021“ wird Herr We, Direktor des Arbeitsgerichts Pforzheim a.D., bestellt.
2.Die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf drei festgesetzt.
Der Gesamtbetriebsrat beantragt,
den Antrag als unzulässig abzuweisen, hilfsweise den Antrag zurückzuweisen.
Der Gesamtbetriebsrat führt aus, dass die Arbeitgeberin nach dem bisherigen Verhalten nicht etwa verhandeln, sondern die Maßnahme einseitig und möglichst schnell „durchziehen“ und darüber den Gesamtbetriebsrat jeweils nur scheibchenweise informieren wolle. Alternativen gebe es aus Sicht der Arbeitgeberin nicht. Zu diesem Bild passe, dass die Arbeitgeberin versuche, das Verfahren mit jedem erdenklichen Druck zu beschleunigen.
Von einer Verzögerungstaktik des Gesamtbetriebsrats könne keine Rede sein. Dieser habe vielmehr von Beginn an und mit allen Kräften versucht, das geplante Vorhaben zu verstehen und im Einzelnen nachvollziehen zu können. Die zahlreichen Fragen des Gesamtbetriebsrats zu den einzelnen betroffenen Bereichen und den dort geplanten komplexen Umorganisationsmaßnahmen habe die Arbeitgeberin jedoch nicht oder nur teilweise beantwortet. Der Gesamtbetriebsrat habe wiederholt seine Verhandlungsbereitschaft signalisiert. Dabei habe er auch jeweils unmissverständlich kommuniziert, welche Informationen für die Aufnahme der Beratungen und Verhandlungen noch notwendig seien, damit dieser das ihm obliegende Mandat nach den §§ 111 ff. BetrVG ordnungsgemäß ausüben könne. Dazu zähle insbesondere die Planung der Arbeitgeberin für das Jahr 2 und 3. Die Arbeitgeberin sei an den Gesamtbetriebsrat herangetreten, um über die Umsetzung des 3-Jahres-Restrukturierungsprogramm in Deutschland zu beraten und zu verhandeln, habe aber bislang nur die Planungen für Jahr 1 offengelegt. In den Unterlagen zum Restrukturierungsprogramm würden detaillierte Zahlen genannt, und zwar zu Jahr 1, 2 und 3 des 3- Jahres-Restrukturierungsprogramms und noch im Termin am 25.11.2020 habe die Arbeitgeberin hinsichtlich der Planungen für Jahr 2 und 3 von einer Planungssicherheit von 70 bis 80% gesprochen. Eine Planung im Sinne des § 111 BetrVG erfordere jedoch keine 100%ige Sicherheit. Etwaigen Unsicherheiten bei der Umsetzung zu begegnen, sei gerade auch Aufgabe der Betriebsparteien im Rahmen ihrer Beratung der Betriebsänderung und Verhandlung eines Interessenausgleichs. Im weiteren Verlauf nach Verkündung am 23.09.2020 seien dem Gesamtbetriebsrat Informationen über das Restrukturierungsprogramm zur Verfügung gestellt worden, zum Teil jedoch nur in englischer Sprache oder durch nicht aussagekräftige Webex-Konferenzen. Von einer auch nur ansatzweise vollständigen Unterrichtung nach § 111 BetrVG könne insgesamt keine Rede sein. Zum 18.12.2020 gebe es immer noch eine große Menge von Informationen, die dem Gesamtbetriebsrat allein für die Bereiche Commercial und DDSO fehlten (vgl. E-Mail vom 18.12.2020 nebst Liste der offenen Fragen, Anlage GBR 11). Aus diesem Grund habe der Gesamtbetriebsrat nicht in Verhandlungen zu konkreten Regelungen betreffend die Maßnahmen eintreten müssen.
Der Gesamtbetriebsrat ist weiter der Auffassung, dass der auf die Errichtung einer Einigungsstelle gerichtete Antrag inhaltlich unbestimmt, verfrüht gestellt und damit unzulässig, zudem aber auch unbegründet sei.
Der Antrag sei zumindest in seiner ursprünglichen Fassung nicht hinreichend bestimmt, weil der Regelungsgegenstand nicht benannt werde und nicht einmal durch Auslegung zu ermitteln sei. Zudem fehle es am Rechtsschutzbedürfnis, weil die Arbeitgeberin ihren Antrag zu früh gestellt habe. Der Antragsteller müsse dem Verhandlungspartner vor der Einleitung eines Bestellungsverfahrens sinngemäß mitteilen, dass man z.B. davon ausgehe, der Gegner wolle nur verzögern und dann müsse man die andere Partei dazu auffordern, zur Anrufung der Einigungsstelle beizutragen. Eine Weigerung des Gesamtbetriebsrats, an der Bildung einer Einigungsstelle mitzuwirken, habe auch nach dem Vortrag der Arbeitgeberin nicht vorgelegen. Auch mit der E-Mail vom 04.12.2020 könne die Arbeitgeberin das Scheitern der Bemühungen nicht ohne Verstoß gegen § 74 BetrVG erklären. Die Einrichtung einer Einigungsstelle werde von der Arbeitgeberin „vorgeschlagen“ für den Fall, dass der Gesamtbetriebsrat keinen kooperativen Vorschlag zum weiteren Vorgehen machen wolle oder selbst die Einigungsstelle vorziehe. Gerade einen solchen kooperativen Vorschlag habe der Gesamtbetriebsrat mit den E-Mails vom 08.12. und 10.12.2020 jedoch unterbreitet. Eine Erklärung zum endgültigen Scheitern der gemeinsamen Gespräche oder der Vorwurf einer endgültigen Verhandlungsverweigerung samt damit verknüpfter Anrufung der Einigungsstelle als einzigen Ausweg sei daher nicht erfolgt.
Das Rechtsschutzbedürfnis fehle auch deshalb, weil die Arbeitgeberin den Gesamtbetriebsrat nicht hinreichend über die geplante Maßnahme unterrichtet habe. Der Gesamtbetriebsrat könne sich kein Bild über die 3-Jahres Planung machen, weil sich die Arbeitgeberin weigere, über Maßnahmen zu informieren oder zu verhandeln, soweit Vorgänge für die Zeit nach dem 31.03.2021 bzw. 31.12.2021 betroffen seien. Die Arbeitgeberin habe die Betriebsänderung definiert, indem sie das 3-Jahres-Restrukturierungsprogramm aufgestellt und zu Beginn der Gespräche kommuniziert habe. Entsprechend habe die Unterrichtung nach § 111 BetrVG den gesamten 3-Jahres-Zeitraum abzudecken. Die erteilten Informationen ließen zweifelsfrei erkennen, dass die unternehmerische Entscheidung für die Veränderung der dargestellten drei Jahre eine einheitliche unternehmerische Planung beinhalte.
Des weiteren sei die Einigungsstelle jedenfalls insoweit offensichtlich unzuständig, als der Gesamtbetriebsrat zumindest für den Sozialplan nicht zuständig sei. Es spreche zwar einiges für die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats in Bezug auf die Verhandlung und den Abschluss eines Interessenausgleichs. Lediglich wenn die Durchführung des Interessenausgleichs abhängig von besonders vereinbarten betriebsübergreifend einheitlichen Kompensationsregeln in dem noch abzuschließenden Sozialplan sei, sei der Abschluss des Sozialplans jedoch dem Gesamtbetriebsrat zugewiesen. Vorliegend gebe es kein solches einheitliches Sanierungsbudget.
Vorsorglich erkläre der Gesamtbetriebsrat, dass er mit dem vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden Herrn We nicht einverstanden sei. Die geplanten Maßnahmen könnten ohne Detailkenntnisse des Geschäftsmodells und der Organisationsstrukturen der Arbeitgeberin nicht beurteilt werden. Vorzugswürdig wäre daher ein Vorsitzender/eine Vorsitzende, die/der die Arbeitgeberin näher kenne. Vorgeschlagen werde insoweit Frau D., ehemalige BAG-Richterin. Aufgrund des mehr als komplexen Sachverhalts würden ferner sechs Beisitzer je Seite als erforderlich und angemessen erachtet.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift nebst den in der Sitzung übergebenen Anlagen Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
1. Der Antrag ist zulässig.
a) Der Antrag ist zumindest in seiner zuletzt gestellten Form hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Durch die zuletzt von der Arbeitgeberin vorgenommene Konkretisierung ist insbesondere der Regelungsgegenstand ausreichend benannt, indem die Regelungsthematik der Einigungsstelle mit „Verhandlungen über einen Interessenausgleich und den Abschluss eines Sozialplans zum deutschlandweiten Personalabbauprogramm zum 31. März 2021, zur Schließung der Bürostandorte H-Stadt, S-Stadt und R-Stadt sowie zum deutschlandweiten Abbau aller Home-Office und Home-Base Verträge und die Einführung von Smart Working bis zum 31. Dezember 2021“ bezeichnet wird.
b) Darüber hinaus fehlt es dem Antrag auch nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
aa) Für die Bildung einer Einigungsstelle fehlt das Rechtsschutzinteresse, wenn die Betriebsparteien in einer beteiligungspflichtigen Angelegenheit nicht den nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vorgesehenen Versuch einer gütlichen Einigung unternommen, sondern sofort die Einigungsstelle angerufen haben. Ein Rechtsschutzinteresse besteht in diesem Fall nur, wenn der Antragsteller geltend macht, dass entweder die Gegenseite Verhandlungen über das Regelungsverlangen ausdrücklich oder konkludent verweigert hat oder mit Verständigungswillen geführte Verhandlungen gescheitert sind (BAG v. 18.03.2015 – 7 ABR 4/13).
Die Anforderungen an die Feststellung des Scheiterns von Verhandlungen dürfen dabei nicht überspannt werden. Haben die Betriebspartner über die zu regelnde mitbestimmungspflichtige Angelegenheit ernsthaft miteinander verhandelt und hat dabei die eine Seite die Kernelemente ihrer künftigen Verhandlungsposition gegenüber der anderen Seite dargestellt, kann sie vom Scheitern des innerbetrieblichen Einigungsversuchs ausgehen, wenn die andere Seite keine Verhandlungsbereitschaft zeigt (sei es dadurch, dass sie sich auf das Verhandlungsangebot verschweigt, oder sei es, dass sie Verhandlungen pauschal ablehnt), oder wenn zwar zügig und ernsthaft in Verhandlungen eingetreten wird, hiernach jedoch eine der Seiten nach ihrer nicht offensichtlich unbegründeten subjektiven Einschätzung Anlass zu der Annahme hat, dass die Verhandlungen nicht oder zumindest nicht in absehbarer Zeit zum Erfolg führen. Letztlich findet damit in den Fällen aufgenommener, dann aber von der antragstellenden Seite wegen Aussichtslosigkeit abgebrochener Verhandlungen allein noch eine Rechtsmissbrauchskontrolle bei der Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses statt. Das dient dem gesetzlich an mehreren Stellen (§§ 76 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, 100 ArbGG) zum Ausdruck kommenden Bestreben, betriebliche Konflikte in Mitbestimmungsangelegenheiten einer zwar das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) beachtenden, aber auch möglichst zügigen Klärung zuzuführen. Anderenfalls hätte die verhandlungsunwillige Seite es durch geschicktes Taktieren in der Hand, die Einsetzung einer Einigungsstelle längere Zeit zu blockieren (LAG B-Stadt v. 16.07.2019 – 3 TaBV 36/19 m.w.N.).
bb) Vorliegend ist unter Zugrundelegung dieser Grundsätze von einem Scheitern der Verhandlungen auszugehen.
Die Arbeitgeberin hat vor einem Anrufen der Einigungsstelle ernsthaft versucht, mit der Gegenseite in Verhandlungen zum Thema der Einigungsstelle einzutreten, wozu insbesondere gehört, eigene Vorstellungen zum Regelungsthema zu formulieren, über die dann überhaupt erst verhandelt werden könnte. Die Arbeitgeberin hat den Gesamtbetriebsrat in mehreren Informationsterminen sowie durch Zurverfügungstellung zahlreicher Dokumente über die bis Ende 2021 geplanten Restrukturierungsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt und bereits Entwürfe für einen Interessenausgleich und Sozialplan vorgelegt.
Im Anschluss an diese die gesetzlichen Unterrichtungspflichten jedenfalls nicht offensichtlich auf den ersten Blick verletzende Unterrichtung des Gesamtbetriebsrats hat die Arbeitgeberin zumindest am 25. und 26.11.2020 nach aus ihrer Sicht erfolgtem Abschluss der Informationsphase einen ernsthaften Verhandlungsversuch über einen Interessenausgleich und den Abschluss eines Sozialplans unternommen.
In der Folge ist die Arbeitgeberin auch unter Berücksichtigung des zwischen den Beteiligten geführten E-Mail-Verkehrs Anfang Dezember 2020 zu der zumindest nicht offensichtlich unbegründeten subjektiven Einschätzung gelangt, dass Verhandlungen außerhalb der Einigungsstelle nicht mehr für aussichtsreich erachtet werden. In dem Informationstermin am 04.12.2020 sowie mit E-Mail vom 04.12.2020 forderte die Arbeitgeberin den Gesamtbetriebsrat u.a. auf, eine verbindliche Vorstellung eines Fahrplans für die Beratungen und Verhandlungen der vorgestellten betriebsändernden Maßnahme auf der Grundlage der übermittelten Dokumente für einen Interessenausgleich und Sozialplan mitzuteilen, wobei für die Termine ein Zeitraum bis 31.01.2021 vorgesehen wurde. Für den Fall, dass kein solcher kooperativer Vorschlag unterbreitet wird, wurde mit weiterer E-Mail vom 04.12.2020 seitens der Arbeitgeberin die Einrichtung einer Einigungsstelle angeregt. Der Gesamtbetriebsrat hat daraufhin mit E-Mails vom 08.12. und 10.12.2020 zwar die Bildung von Arbeitsgruppen zu verschiedenen Themen vorgeschlagen. Diesen Vorschlag hat die Arbeitgeberin jedoch – nicht offensichtlich unbegründet – subjektiv als keinen hinreichenden Vorschlag im Sinne der von ihr aufgestellten Kriterien erachtet. So ging es dem Gesamtbetriebsrat bei den vorgeschlagenen Arbeitsgruppen darum, noch offene Fragen zu klären und fehlende Informationen bezüglich der Restrukturierungsmaßnahmen zu beschaffen, also um eine Fortsetzung der Informationsphase, während die Arbeitgeberin gerade anstrebte, zeitnah in die Beratungen und Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan einzusteigen. Auf dieser Grundlage war die Entscheidung der Arbeitgeberin, weitere Verhandlungen außerhalb einer Einigungsstelle nicht mehr als aussichtsreich anzusehen und daher die Beststellung einer Einigungsstelle zu betreiben, ihre freie, keineswegs rechtsmissbräuchliche Entscheidung.
Als zu weitgehend wäre es in diesem Zusammenhang, von der Arbeitgeberin zu verlangen, gegenüber dem Gesamtbetriebsrat nochmals ausdrücklich das endgültige Scheitern der gemeinsamen Gespräche zu erklären und ihn nochmals aufzufordern, zur Anrufung der Einigungsstelle beizutragen. Ein solches Erfordernis würde dem Sinn und Zweck des gerichtlichen Bestellungsverfahrens nach § 100 ArbGG zuwiderlaufen, den Betriebsparteien im Konfliktfall möglichst zügig und ohne weitere Verzögerung durch eine der Betriebsparteien eine Einigungsstelle zur Seite zu stellen, wenn eine der Betriebsparteien aufgrund des bisherigen Verhaltens der anderen Partei die weitere Führung von Verhandlungen für aussichtslos hält. Die Situation ist vorliegend auch nicht mit dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall vergleichbar, in dem im Hinblick auf eine Beschwerde von Arbeitnehmern ohne Abwarten eines von der Arbeitgeberin angeregten Meinungsaustausches und ohne weitere Vorankündigung vom Betriebsrat die Einigungsstelle angerufen wurde (vgl. BAG v. 18.03.2015 a.a.O.). Vorliegend gingen dem Anrufen der Einigungsstelle vielmehr zahlreiche Informationstermine voraus und das Anrufen der Einigungsstelle wurde von der Arbeitgeberin mit E-Mail vom 04.12.2020 auch ausdrücklich als Ausweg vorgeschlagen.
cc) Ein Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass die Arbeitgeberin den Gesamtbetriebsrat nicht hinreichend über die geplante Maßnahme unterrichtet hat.
Die Arbeitgeberin hat von Anfang an klargestellt, dass zwar ein 3-JahresRestrukturierungsprogramm im Raum steht, zunächst jedoch nur über ein Restrukturierungsvorhaben informiert, beraten und verhandelt werden soll, das ein deutschlandweites Personalabbauprogramm zum 31.03.2021 sowie die Schließung der Bürostandorte H-Stadt, S-Stadt und R-Stadt und den deutschlandweiten Abbau aller Home-Office und Home-Base-Verträge sowie die Einführung von Smart Working zum 31.12.2021 umfasst. In diesem Sinne wurde auch der Antrag auf Einsetzung der Einigungsstelle konkretisiert.
Da der Regelungsgegenstand der Einigungsstelle somit auf Restrukturierungsmaßnahmen bis 31.12.2021 beschränkt ist, kann es im Rahmen der Frage des bestehenden Rechtsschutzbedürfnisses auch nur von Bedeutung sein, ob die Arbeitgeberin vor einem Anrufen der Einigungsstelle ernsthaft versucht hat, mit dem Gesamtbetriebsrat in Verhandlungen zum Thema der Einigungsstelle, hier also zu den Restrukturierungsmaßnahmen bis Ende 2021, einzutreten. Dies ist vorliegend entsprechend den obigen Ausführungen erfolgt. Weitere Verhandlungswünsche oder Informationsansprüche des Gesamtbetriebsrats stehen der Bildung einer Einigungsstelle dann nicht entgegen. Der Arbeitgeberin kann gerade für die häufig eilbedürftigen Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs nicht zugemutet werden, dass vor der Bildung der Einigungsstelle zunächst häufig unsichere Fragen über den Umfang von Informationsansprüchen geklärt werden müssen. Das Einigungsstellenverfahren dient gerade auch dazu, eine aufgrund von Streitigkeiten über formelle Fragen wie den Umfang von Informationsansprüchen festgefahrene Zusammenarbeit der Betriebspartner mit Hilfe eines unparteiischen Vorsitzenden zügig wieder in Gang zu bringen (vgl. LAG Hessen v. 17.04.2007 – 4 TaBV 59/07). Eine weitere Klärung der Frage, ob dem Gesamtbetriebsrat noch Informationen vor allem für die Bereiche Commercial und DDSO fehlen und ob ihm zunächst noch Informationen zur Personalliste fehlten, ohne die er kein Sozialplanvolumen ermitteln oder keine Sozialauswahl simulieren konnte, hat daher im Bestellungsverfahren nicht zu erfolgen. Soweit der Gesamtbetriebsrat weiter darauf abstellt, dass sich die Unterrichtungspflicht nach § 111 BetrVG auf den gesamten 3-Jahres-Zeitraum erstreckt, handelt es sich dabei letztlich um keine Frage des Rechtsschutzbedürfnisses, sondern allenfalls um eine Frage der Begründetheit.
2. Der Antrag ist auch begründet.
a) Die von der Arbeitgeberin begehrte Einigungsstelle ist einzurichten, da sie nicht offensichtlich unzuständig ist (§ 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG).
Nach § 100 Abs. 1 S. 2 ArbGG kann ein Antrag über die Besetzung einer Einigungsstelle nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle für das von ihr zu regelnde Thema offensichtlich unzuständig ist. Die Zurückweisung eines Bestellungsantrags wegen offensichtlicher Unzuständigkeit der Einigungsstelle setzt voraus, dass deren Zuständigkeit unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint, dass ihre Zuständigkeit bei sachgerechter Beurteilung also auf den ersten Blick unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet ist. Das Bestellungsverfahren dient nicht der Klärung komplizierter Rechtsfragen. Dies obliegt ggf. vielmehr der Einigungsstelle selbst und den Arbeitsgerichten in einem Beschlussverfahren über die Rechtmäßigkeit eines Spruchs der Einigungsstelle. Die Einigungsstelle ist nur dann nicht zu bestellen, wenn an ihrer Unzuständigkeit keine ernsthaften rechtlichen Zweifel möglich sind. (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl., § 100 ArbGG Rn. 3). Eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann dazu führen, dass eine Rechtsfrage im Sinne von § 100 Abs. 1 S. 2 BetrVG offensichtlich geklärt ist, wenn gegen sie keine beachtliche Kritik oder neue, vom Bundesarbeitsgericht bisher nicht in Betracht gezogene Erwägungen vorgetragen werden.
Wird eine Frage dagegen in Rechtsprechung und/oder Literatur mit beachtlichen Argumenten kontrovers diskutiert, ist kein Raum für die Annahme einer offensichtlichen Unzuständigkeit (Hess. LAG v. 15.10.2013 – 4 TaBV 138/13 m.w.N.).
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist die Einigungsstelle einzurichten. Es ist insbesondere kein Fall gegeben, in dem eine Zuständigkeit der Einigungsstelle unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint.
aa) Eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle folgt nicht daraus, dass sich die seitens der Arbeitgeberin geplante Betriebsänderung nicht nur auf den Regelungsgegenstand der Einigungsstelle, also die geplanten Restrukturierungsmaßnahmen bis Ende 2021, sondern auf das gesamte 3-Jahres-Restrukturierungsprogramm erstreckt.
(1) Nach dem Wortlaut des § 111 BetrVG muss eine „geplante“ Betriebsänderung vorliegen. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach §§ 111 ff. BetrVG ist die Planungsentscheidung des Arbeitgebers. Ein stufenweiser Personalabbau kann, soweit er auf einer einheitlichen unternehmerischen Planung beruht, eine Betriebsänderung darstellen (vgl. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 21. Aufl, § 111 BetrVG Rn. 7 m.w.N.).
(2) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist zumindest nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass die von der Arbeitgeberin geplante Betriebsänderung vorliegend nur die Restrukturierungsmaßnahmen bis Ende 2021 umfasst. Auch wenn die Arbeitgeberin gegenüber dem Gesamtbetriebsrat von Anfang an offengelegt hat, dass diese Restrukturierungsmaßnahmen Teil eines 3-Jahres-Restrukturierungsprogramms sind, ist jedenfalls nicht zwingend ersichtlich, dass hinsichtlich des gesamten 3-Jahres-Restrukturierungsprogramms bereits das Stadium der Planung erreicht ist. Zwar hat die Arbeitgeberin auch hinsichtlich der Jahre 2 und 3 bereits konkrete Zahlen hinsichtlich des Personalabbaus benannt und haben Vertreter der Arbeitgeberin gegenüber dem Gesamtbetriebsrat diesbezüglich von einer weitgehenden Planungssicherheit gesprochen. Dies bedeutet allerdings nicht zwingend, dass seitens der Arbeitgeberin auch für die Jahre 2 und 3 bereits eine umfassende Detailplanung vorgenommen wurde. Ebenso gut ist denkbar, dass entsprechend den Ausführungen der Arbeitgeberin nur bestimmte Zielsetzungen in den Raum gestellt wurden, ohne jedoch bereits detaillierte Planungen über den 31.12.2021 hinaus vorgenommen zu haben, da diesbezüglich Umstände und Erkenntnisse, die im Laufe der vorliegenden Restrukturierungsmaßnahme auftreten bzw. gewonnen werden, in die Planungen einfließen sollen. Das Bestellungsverfahren kann letztlich nicht der Klärung dieser komplexen Frage dienen.
bb) Die Einigungsstelle ist auch nicht deshalb offensichtlich unzuständig, weil der Informations- und Konsultationsprozess mit dem B. ECC noch nicht abgeschlossen ist. Der Gesamtbetriebsrat ist den zuletzt erfolgten Ausführungen der Arbeitgeberin, dass eine erste Information des B. ECC bereits am 22.09.2020 erfolgt ist, nicht entgegengetreten. Es ist somit davon auszugehen, dass eine rechtzeitige Unterrichtung und Anhörung des B. ECC entsprechend der Vereinbarung der „B European Consultative Council Constitution“ (Anlage BB 69) und § 30 EBRG stattgefunden hat.
cc) Eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle ergibt sich auch nicht daraus, dass der Gesamtbetriebsrat für die Verhandlung eines Sozialplans offensichtlich unzuständig ist.
(1) Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats von zwei Voraussetzungen abhängig. Zum einen muss die Angelegenheit entweder das Gesamtunternehmen oder zumindest mehrere Betriebe des Unternehmens betreffen. Zum anderen darf die Angelegenheit nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können.
Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, sind die örtliche Betriebsräte zuständig. Für den Begriff des „Nichtregelnkönnens“ ist zu verlangen, dass ein sachlich zwingendes Erfordernis für eine betriebsüberreifende Regelung besteht. Bei Betriebsänderungen obliegt die Wahrnehmung der Mitbestimmungsrechte dem Gesamtbetriebsrat, sofern es sich um Maßnahmen handelt, die das gesamte Unternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und die notwendigerweise nur einheitlich oder jedenfalls betriebsübergreifend geregelt werden können. Dabei folgt aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für einen Interessenausgleich nicht ohne weiteres seine Zuständigkeit auch für den Abschluss eines Sozialplans. Daher ist auch in den Fällen, in denen der Gesamtbetriebsrat für die Verhandlungen und eine Einigung über einen Interessenausgleich zuständig ist, stets gesondert zu prüfen, ob die Regelung des Ausgleichs oder der Milderung der durch die Betriebsänderungen entstehenden Nachteile ebenfalls zwingend unternehmenseinheitlich oder betriebsübergreifend erfolgen muss. Hierfür ist allein der Umstand, dass die für den Sozialplan erforderlichen Mittel von ein und demselben Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen sind, nicht ausreichend. Der Gesamtbetriebsrat ist allerdings dann zuständig, wenn ein mit dem Arbeitgeber im Rahmen eines Interessenausgleichs vereinbartes Sanierungskonzept nur auf der Grundlage eines bestimmten, auf das gesamte Unternehmen bezogenen Sozialplanvolumens realisiert werden kann (BAG v. 03.05.2006 – 1 ABR 15/05).
(2) Unter Zugrundlegung dieser Grundsätze kann im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesamtbetriebsrat für den Abschluss eines Sozialplans offensichtlich unzuständig ist. Hinsichtlich des Interessenausgleichs geht selbst der Gesamtbetriebsrat von seiner originären Zuständigkeit aus. Unstreitig besteht zwar kein einheitliches Sanierungsbudget i.S.d. der genannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Auf Grund der von der Arbeitgeberin vorgeschlagenen Regelungen im Interessenausgleich ist jedoch zumindest nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass eine betriebsübergreifende Sozialplanregelung zwingend erforderlich ist und damit eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt als möglich erscheint (vgl. BAG v. 23.10.2002 – 7 ABR 55/01; LAG Hessen v. 14.05.2012 – 16 TaBV 197/11). Die von der Arbeitgeberin vorgeschlagenen Restrukturierungsmaßnahmen betreffen nicht nur einen Standort oder einzelne Standorte unabhängig voneinander, sondern erfassen letztlich sämtliche Standorte der Arbeitgeberin in Deutschland. Aus dem Entwurf des Interessenausgleichs ergibt sich zudem, dass u.a. standortübergreifende Versetzungen bzw. entsprechende Änderungskündigungen an die Standorte M-Stadt und F-Stadt sowie ein Übergang in eine Transfergesellschaft mit einheitlicher Leitung geplant ist. In den künftigen Arbeitsorganisationen werden daher Arbeitnehmer aus verschiedenen bisherigen Standorten beschäftigt sein. Es ist somit unter Zugrundelegung der bisher ergangenen Rechtsprechung zumindest nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass die Durchführung des Interessenausgleichs abhängig von betriebsübergreifend einheitlichen Kompensationsregelungen in dem noch abzuschließenden Sozialplan ist. In diesem Fall wäre von einer originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats auszugehen.
b) Die Einigungsstelle ist – wie beantragt – unter dem Vorsitz von Herrn H. We mit drei Beisitzern je Seite einzurichten.
aa) Der Gesamtbetriebsrat hat letztlich keine maßgeblichen Umstände vorgetragen, die gegen eine Bestellung von Herrn We zum Einigungsstellenvorsitzenden sprechen. Insbesondere erscheint es nicht zwingend, dass die geplanten Restrukturierungsmaßnahmen nur von einem Vorsitzenden beurteilt werden könnten, der die Arbeitgeberin bereits näher kennt. Einem erfahrenen Richter a.D. wie Herrn We ist es durchaus möglich, sich in kürzester Zeit in die Gegebenheiten der Arbeitgeberin und die geplante Restrukturierungsmaßnahme einzuarbeiten. Hinzukommt, dass hinsichtlich der vom Gesamtbetriebsrat vorgeschlagenen Vorsitzenden Fr. D ausweislich der Ausführungen der Beteiligten in der mündlichen Anhörung unklar ist, wann diese überhaupt zeitlich zur Verfügung stehen würde.
bb) Die Anzahl der Beisitzer der einzusetzenden Einigungsstelle ist entsprechend dem Antrag pro Betriebspartei auf drei festzusetzen.
Nach ganz überwiegender Auffassung ist eine Bestellung von zwei Beisitzern pro Seite im Regelfall angemessen. Eine solche Besetzung gewährleistet einerseits die Präsenz sowohl betriebsexternen juristischen als auch betriebsinternen Sachverstands in der Einigungsstelle. Andererseits vermeidet sie eine Verkomplizierung der Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse in der Einigungsstelle sowie unverhältnismäßige Kosten durch die Heranziehung mehrerer externer Beisitzer (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 100 ArbGG Rn. 6). Vorliegend erscheint eine Erhöhung der Anzahl auf drei pro Seite angesichts der Komplexität der Verhandlungen bezüglich Interessenausgleich und Sozialplan als angemessen aber auch ausreichend. Auch wenn von den Maßnahmen letztlich alle fünf Standorte der Arbeitgeberin betroffen sind, ist es für einen hinreichenden betriebsinternen Sachverstand nicht zwingend erforderlich, dass auch jeder Standort mit einem eigenen Vertreter an der Einigungsstelle teilnimmt.


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