Arbeitsrecht

Einsichtnahme in dienstliche E-Mails

Aktenzeichen  3 Ga 6/17

Datum:
17.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
RDV – 2017, 318
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Weiden
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BDSG BDSG § 32 Abs. 1 S. 1, S. 2
BetrVG BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 6
BGB BGB § 612a
ZPO ZPO § 3, § 91 Abs. 1
ArbGG ArbGG § 61 Abs. 1, § 64 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Eine Datenverarbeitung – wozu auch das Lesen von E-Mails gehört – ist nach den zu § 32 BDSG entwickelten Grundsätzen erforderlich (und damit zulässig), wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Gefährdung bzw. für einen Vertragsbruch des Arbeitnehmers bestehen. Die Maßnahme muss zur Aufklärung geeignet und das mildeste aller gleich geeigneten Mittel sein und schließlich dürfen der Einsichtnahme keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Beschäftigten entgegenstehen. Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ist gegen die Intensität des Verdachts, die Schwere der vermuteten Vertragsverletzung und die schützenswerten Belange des Arbeitgebers abzuwägen. (Rn. 19) (red. LS Thomas Ritter)
2 Die Zulässigkeit der Suche nach eventuellen Vertragsbrüchen des Arbeitnehmers ist „nur“ anhand § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG und nicht nach § 32 Abs. 1 S. 2 BDSG zu beurteilen. Dies hat zur Konsequenz, dass zwar auch hier eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen ist, es sich aber zu Gunsten des Arbeitgebers doch weitergehende Befugnisse bei der Verhinderung und Aufdeckung rein arbeitsrechtlicher Pflichtverletzungen ohne Bezug zu Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten mit Blick auf den Regelungszusammenhang ergeben, da hier (bei § 32 Abs. 1 S. 1 BDSG) der Arbeitgeber im Unterschied zur strafrechtlichen Bewertung als alleinig ermittelnde Stelle ohne Unterstützung durch den staatlichen Strafverfolgungsapparat agiert. Darüber hinaus sind die für den Arbeitnehmer in Aussicht stehenden Konsequenzen „lediglich“ arbeitsrechtlicher Natur. (Rn. 19) (red. LS Thomas Ritter)

Tenor

1. Der Zwischehbeschluss vom 10.05.2017 wird aufgehoben.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird abgewiesen:
3. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.
5. Die Berufung Wird nicht gesondert zugelassen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig aber unbegründet, da die Verfügungsbeklagte berechtigt ist, im beabsichtigten Umfang Einsicht in die Emails, des Verfügungsklägers auf dem von diesem genutzten PC der Verfügungsbeklagten zu nehmen.
Ein Verfügungsanspruch des Klägers auf Untersagung der Einsichtnahme besteht nicht.
Zwar geht das Gericht davon aus, dass sich vorliegend auch private Emails des Klägers auf dem Rechner bzw. im betreffenden Programm befinden können. Der Kläger äußert sich hierzu zwar nicht explizit. Allerdings weist der Beklagtenvortrag darauf hin, dass sich dort auch private Emails befinden können, was allerdings nicht verboten war.
Der Arbeitgeber darf danach nicht ohne besondere Grundlage die Emails des Klägers ansehen, da hierdurch das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt Werden könnte.
Eine Einwilligung des Klägers liegt gerade nicht vor.
Eine Erleichterung für den Arbeitgeber liegt auch nicht in der Anweisung per Email vom 7.6.2016 (Bl. 38 d.A.), da diese für den vorliegenden Zusammenhang – insbesondere in Bezug auf die Frage, ob private Emails.künftig strikt von dienstlichen Emails zu trennen sind – unklar ist. Eine hinreichend deutliche Anweisung dahingehend, private Emails künftig strikt von dienstlichen zu trennen, wird jedenfalls nicht ausgesprochen. Es gibt keine Anweisung zu privaten Emails, die archiviert werden sollen.
Allerdings unterliegt die Beklagte zur Überzeugung des Gerichts nicht dem Fern-, meldegeheimnis und damit den dieses schützenden Vorschriften z.B. des TKG, da nicht ersichtlich ist, dass das TKG ein Arbeitnehmerschutzgesetz wäre (vgl. Fül-bier, Splittgerber, NJW 2012, 1995). Das Gericht folgt in dieser Beurteilung der-soweit ersichtlich – bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung und einer deutlichen Tendenz auch in der Literatur (vgl. die bekiagtenseits zutreffend zitierten LAG Berlin-Brandenburg vom 16.2.2011 und LAG Niedersachsen vom 31.5.2010, vgl. aber auch VGH Kassel vom 19.5.2009, 6 A.2672/08.Z, LAG Hessen vom 5.8.2013, 7 Sa 1060/10, Plath, BDSG, 2. Aufl., § 32 Rn. 98 ff.). Eine Kontrolle des Arbeitgebers ist mithin allein am Maßstab des BDSG zu messen (vgl. Plath a.a.O.).
Die Emailkontrolle durch die Beklagte erscheint hier aber nach § 32M TBDSG gerechtfertigt. Auch die Verfolgung eingetretener Pflichtverletzungen und präventive Kontrollmaßnahmen zur Verhinderung von Vertragsbrüchen sind am Maßstab des Ga6/17,
§ 32 Abs. 1 S. 1 BDSG zu messen (BT-Drucks. 16/13657, 36), da auch diese für die Weitere Durchführung bzw. Beendigung des Arbeitsverhältnisses als erforderlich iSd. Vorschrift angesehen werden können (Grobys/Panzer, StichwortKommentar Arbeitsrecht, Datenschutz, allgemein Rn. 27, beck-online).
Eine Datenverarbeitung – wozu auch das Lesen der Emails gehört – ist nach den zu § 32 BDSG entwickelten Grundsätzen erforderlich (und damit zulässig), wenn tätsächliche Anhaltspunkte für eine Gefährdung bzw. für einen Vertragsbruch des Arbeitnehmers bestehen, die Maßnahme muss zur Aufklärung geeignet und das mildeste aller gleich geeigneten Mittel sein und schließlich dürfen der Einsichtnahme keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Beschäftigten entgegenstehen. Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ist gegen die Intensität des Verdachts, die Schwere der vermuteten Vertragsverletzung und die schützenswerten Belange des Arbeitgebers abzuwägen (vgl. Fülbier, Splittgerber a.a.O., vgl. auch Moll; Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht 2017, Rn. 239 ff.). In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Zulässigkeit der Suche nach – wie hier – eventuellen Vertragsbrüchen „nur“ anhand § 32 I 1 BDSG und nicht nach § 32 I 2 BDSG zu beurteilen ist: Dies hat zur Konsequenz, dass zwar auch hier eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen ist, es sich aber zu Gunsten des Arbeitgebers doch weitergehende Befugnisse bei der Verhinderung und Aufdeckung rein arbeitsrechtlicher Pflichtverletzungen ohne Bezug zu Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten mit Blick auf den Regeiungszusammen-hang ergeben, da hier (bei § 32 11 BDSG) der Arbeitgeber im Unterschied zur strafrechtlichen Bewertung er als alleinig ermittelnde Stelle ohne Unterstützung durch den staatlichen Strafverfolgungsapparat agiert. Darüber hinaus sind die für den Arbeitnehmer in Aussicht stehenden Konsequenzen „lediglich“ arbeitsrechtlicher Natur (vgl. hierzu Grobys/Panzer, StichwortKommentar Arbeitsrecht, Datenschutz, allgemein Rn. 28, beck-online):
Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich zur Überzeugung der Kammer die Zulässigkeit der arbeitgeberseitig beabsichtigten Einsichtnahme in die dienstlichen Emails des Klägers zu den beabsichtigten Konditionen (Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds, Anwesenheitsrecht auch des Klägers). Es bestehen tatsächliche Anhaltspunkte für ein vertragswidriges Verhalten des Klägers. Ausweislich seiner Email vom 14.10.2016 (Bl. 32 f. d.A.) geht auch der Kläger davon aus, dass die Beklagte eine Verkürzung der Vorgabezeiten für die Werker in E. plant. Dieses Vorhaben versucht der Kläger zu unterlaufen, indem er in dieser Email Wege aufzeigt, wie dies verhindert, abgemildert oder zumindest möglichst lange hinausgezögert werden kann. Eine Rechtfertigung für dieses den Interessen seines Arbeitgebers zuwiderlaufende Vorgehen ist nicht ersichtlich. Dies gilt auch bei Berücksichtigung der Gegendarstellung zur Abmahnung vom 4.11.2016 (Bl. 81 d.A.), in der der Kläger auf den Vorwurf, die im Raum stehende Kürzung der Vorgabezeiten durch bestimmte unberechtigte Maßnahmen verhindern bzw. herauszögern zu wollen, gar nicht eingeht. Dieser Loyalitätsverstoß begründet zusammen mit der Verweigerungshaltung des Klägers im Kammertermin, einer Einsichtnahme auch nur für einen bestimmten Zeitraum zu genau festgelegten Konditionen (Anwesenheitsrechte, Definition einer privaten Email, Vorgehen in Zweifelsfällen) zuzustimmen, zur Überzeugung der Kammer einen ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkt für ein vertragswidriges Verhalten auch in anderen Fällen. Die Einsichtnahme in die dienstlichen Emails in Anwesenheit des Klägers sowie eines Betriebsratsmitglieds ist auch geeignet, den Verdacht zu erhärten oder auch auszuräumen. Ein milderes Mittel ist wegen der Totalverweigerung des Klägers nicht er- . sichtlich. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung führt hier zu einem Überwiegen der Beklagteninteressen an der Einsichtnahme in die dienstlichen Emails. Zwar ist hier zu Gunsten des Klägers das Persönlichkeitsrecht zu beachten. Die Beklagte hat es geduldet, dass Mitarbeiter auch private Emails empfangen. Eine Einsichtnahme in eine solche private Email gegen den Willen des Klägers stellt einen erheblichen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar. Andererseits ist sich der Kläger gar nicht sicher, ob von ihm überhaupt private Emails auf dem Firmen PC existieren, die Gefahr eines Verletzung seines Persönlichkeitsrechts ist daher eher nur abstrakt gegeben und besteht nur theoretisch. Soweit dienstliche Emails gesichtet werden, sind schützenswerte Belange dei Klägers angesichts der selbst verschuldeten Verdachtsmomente nicht bzw. nicht entscheidend zu beachten (vgl. Bissels/ Lützeler, BB 2012, 189; Wisskirchen /Glaser, DB 2011, 1447 ff.). Konkret hingegen und im Ergebnis zur Überzeugung der Kammer gewichtiger sind die zu Gunsten der Beklagten sprechenden Punkte Schutz des eingerichteten Und ausgeübten Gewerbebetriebs und die durch die Zuständigkeit des Klägers für auswärtige Werke in durchaus verantwortungsvoller Position begründete Gefahr eines erheblichen finanziellen Schadens im Falle eines anderweitigen unberechtigten Vorgehens.
Mitbestimmungsrechte stehen dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Insbesondere besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 I Nr. 1 oder Nr. 6 BetrVG. Dies schon deshalb, da es bei der vorliegenden nur den. Kläger betreffenden Maßnahme im gegebenen Einzelfall jedenfalls am erforderlichen kollektiven Tatbestand fehlt – die übrige Belegschaft ist nicht tangiert – und es sich damit um eine mitbestimmungsfreie Individualmaßnahme handelt (vgl. hierzu BAG vom 8.11.1994, 1 ABR 22/94, zitiert nach juris Rn. 21).
Der Zwischenbeschluss war danach aufzuheben und der Antrag abzuweisen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 91 I ZPO.
Der Streitwert wurde gem. §§ 61 I ArbGG, 3 ZPO festgesetzt.
Ein gesetzlich begründeter Anlass für eine gesonderte Berufungszulassung ist nicht gegeben, § 64 III ArbGG.


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