Arbeitsrecht

Einstellung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit

Aktenzeichen  AN 16 K 18.00173

Datum:
4.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7118
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2, Art. 73 Abs. 1 Nr. 1, Art. 87a Abs. 1
SG § 37 Abs. 1 Nr. 3, § 41 Abs. 1 S. 1
VwVfG § 38 Abs. 1

 

Leitsatz

1. § 37 SG begründet seiner Normstruktur nach selbst keine subjektiven Rechte. Wird ein Bewerber mit Hinweis auf das Fehlen einer der Eigenschaften des § 37 SG abgelehnt, kann er allerdings insoweit in seinen subjektiven Rechten verletzt sein, als hierdurch sein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung über seine Bewerbung, der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgt, nicht erfüllt wurde. Die Ernennung eines Einstellungsbewerbers steht demgemäß grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Einen gebundenen Anspruch auf Ernennung gibt es indes grundsätzlich nicht. Ein solcher kann nur infrage kommen, wenn die Ernennung rechtswirksam zugesichert worden ist oder unter Verletzung des Art. 33 Abs. 2 GG eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben ist. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßstab für die dienstlichen Anforderungen in den Streitkräften ist der Verteidigungsauftrag der Streitkräfte nach Art. 87a Abs. 1 GG. Diese Norm bringt zusammen mit Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG die verfassungsrechtliche Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wirksame militärische Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland und damit die Sicherung der staatlichen Existenz zum Ausdruck. Aus dem Verteidigungsauftrag folgt die Verpflichtung, die Streitkräfte organisatorisch so zu gestalten und personell auszustatten, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen sind. Die verfassungsrechtlich gebotene ständige Einsatzbereitschaft setzt in den Grenzen des Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 1 GG ein hohes Maß an personeller Flexibilität voraus. Es ist daher Sache des Dienstherrn, die sich daraus ergebenden militärischen Anforderungen zu bestimmen, die für jeden Soldaten unverzichtbar sind. Demgegenüber ist dem Dienstherrn kein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage eröffnet, ob der Bewerber den vom Dienstherrn festgelegten Voraussetzungen in gesundheitlicher Hinsicht genügt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage, über die das Gericht vorliegend trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung aufgrund eines entsprechenden Hinweises in der ordnungsgemäßen Ladung (§ 102 Abs. 2 VwGO) verhandeln und entscheiden konnte, ist unbegründet.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Einstellung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit, noch einen solchen auf Neuverbescheidung seines Einstellungsbegehrens unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts. Letzterer ist nach sachgemäßer Auslegung des klägerischen Begehrens (§ 88 VwGO) durch das Gericht jedenfalls als Minus von dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Klägerbevollmächtigten mitumfasst (vgl. etwa BayVGH B.v. 7.2.2007 – 25 ZB 05.1105 – juris Rn. 12). Der Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 2017 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2017 erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger schon deshalb nicht in seinen Rechten, weil der Kläger die für eine Ernennung erforderliche körperliche Eignung nicht aufweist.
1. Für die Begründung eines Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit bedarf es einer Ernennung, vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 Soldatengesetz (SG). Die Ernennung erfolgt durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SG). Weiter regelt § 37 Abs. 1 Nr. 3 SG, dass in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten oder eines Soldaten auf Zeit nur berufen werden darf, wer die charakterliche, geistige und körperliche Eignung besitzt, die zur Erfüllung seiner Aufgaben als Soldat erforderlich ist. § 37 SG begründet seiner Normstruktur nach selbst keine subjektiven Rechte. Wird ein Bewerber mit Hinweis auf das Fehlen einer der Eigenschaften des § 37 SG abgelehnt, kann er allerdings insoweit in seinen subjektiven Rechten verletzt sein, als hierdurch sein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung über seine Bewerbung, der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgt, nicht erfüllt wurde (vgl. Sohm in Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 3. Aufl. 2016, § 37 Rn. 3).
Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Öffentliche Ämter sind nach Maßgabe des Grundsatzes der Bestenauslese zu besetzen. Art. 33 Abs. 2 GG dient damit zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes und vermittelt zum anderen Bewerbern ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Jeder Bewerber hat damit einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung des Bestenauslesegrundsatzes trifft und eine Zurückweisung seiner Bewerbung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch). Wird dieses subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung verletzt, kann der unterlegene Bewerber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl bei rechtsfehlerfreiem Verlauf ernsthaft möglich erscheint (vgl. BVerwG U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – juris Rn. 22; B.v. 25.10.2011 – 2 VR 4/11 – juris Rn. 14; sowie Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, § 3 Rn. 72 m.w.N.). Die Ernennung eines Einstellungsbewerbers steht demgemäß grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn. Einen gebundenen Anspruch auf Ernennung gibt es indes grundsätzlich nicht. Ein solcher kann nur infrage kommen, wenn die Ernennung rechtswirksam zugesichert worden ist oder unter Verletzung des Art. 33 Abs. 2 GG eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben ist (vgl. Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, § 3 Rn. 31 m. w. N.).
a) Ein Anspruch auf Ernennung aufgrund einer rechtswirksamen Zusicherung durch die Beklagte ist vorliegend nicht gegeben. Eine Zusicherung i. S. d. § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist nach dortiger Legaldefinition eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder unterlassen. Die Zusicherung stellt eine verbindliche Erklärung dar und setzt dementsprechend einen hinreichend deutlich zum Ausdruck gelangenden Rechtsbindungswillen voraus (vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 17. Aufl. 2016, § 38 Rn. 9). Ausgehend hiervon kann das Schreiben der Beklagten vom 7. April 2017 nicht als Zusicherung i. S. d. § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gewertet werden, weil es sich insoweit um eine bloße Absichtserklärung handelt. Die Beklagte stellte dem Kläger lediglich eine Einstellung als Soldat auf Zeit in Aussicht, ohne sich hiermit bereits im Vorfeld einseitig rechtswirksam binden zu wollen. Denn dem bezeichneten Schreiben ist bereits zu dessen Beginn deutlich Folgendes zu entnehmen: „…aufgrund Ihrer Bewerbung ist beabsichtigt, Sie als Soldat auf Zeit in die Bundeswehr einzustellen.“. Die Bekundung einer Absicht genügt für die Annahme einer verbindlichen Erklärung jedoch nicht, auch wenn mit derartigen Aussagen freilich Erwartungen in Bezug auf ein künftiges Verhalten geweckt werden können. Hieran vermag auch der Umstand, dass der Kläger mit demselben Schreiben gebeten wurde, sich am 3. Juli 2017 zum Dienstantritt zu melden, nichts zu ändern. Soweit die Beklagte in dem Schreiben weiter ausführte, dass der Kläger nach dem Dienstantritt die Ernennungsurkunde erhalten werde, stellt dies lediglich einen Hinweis auf den beabsichtigten weiteren Verfahrensablauf dar (vgl. zum Ganzen auch Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, § 3 Rn. 32 sowie Fn. 133 unter Hinweis auf BVerwG ZBR 1979, 331; sowie BVerwG U. v. 26.9.1996 – 2 C 39/95 – NJW 1997, 1248).
Auch wenn es vor dem Hintergrund des Vorstehenden hierauf schon nicht mehr entscheidungserheblich ankommt, weist das Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass in der Zurückweisung der Bewerbung des Klägers jedenfalls eine konkludente Rücknahme einer rechtswidrigen Zusicherung nach § 48 Abs. 1, 3 und 4 VwVfG zu erblicken wäre, hinsichtlich derer das Ermessen der Beklagten aufgrund der fehlenden körperlichen Eignung (hierzu sogleich) auf Null reduziert wäre.
b) Des Weiteren stellt die Zurückweisung der Bewerbung des Klägers durch die Beklagte keinen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG dar, weil diesem die körperliche Eignung als zwingende Einstellungsvoraussetzung (§ 37 Abs. 1 Nr. 3 SG) fehlt. Somit kommen auch unter diesem Gesichtspunkt weder ein Anspruch des Klägers auf Ernennung noch ein solcher auf Neuverbescheidung in Betracht.
§ 37 Abs. 1 Nr. 3 SG statuiert die körperliche Eignung als zwingende Einstellungsvoraussetzung. Die Anforderungen, denen ein Bewerber in körperlicher Hinsicht genügen muss, ergeben sich aus den körperlichen Anforderungen, die der Bewerber erfüllen muss, um seine Aufgaben als Soldat auf Zeit wahrnehmen zu können. Der Dienstherr legt diese Anforderungen in Ausübung seiner Organisationsgewalt fest. Dem Dienstherrn steht hierbei ein weiter Einschätzungsspielraum zu (vgl. BVerwG U.v. 30.10.2013 – 2 C 16.12 – juris Rn. 18; U.v. 25.7.2013 – 2 C 12.11 – juris Rn. 12). Maßstab für die dienstlichen Anforderungen in den Streitkräften ist der Verteidigungsauftrag der Streitkräfte nach Art. 87a Abs. 1 GG. Diese Norm bringt zusammen mit Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG die verfassungsrechtliche Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine wirksame militärische Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland und damit die Sicherung der staatlichen Existenz zum Ausdruck. Aus dem Verteidigungsauftrag folgt die Verpflichtung, die Streitkräfte organisatorisch so zu gestalten und personell auszustatten, dass sie ihren militärischen Aufgaben gewachsen sind. Die verfassungsrechtlich gebotene ständige Einsatzbereitschaft setzt in den Grenzen des Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 1 GG ein hohes Maß an personeller Flexibilität voraus. Es ist daher Sache des Dienstherrn, die sich daraus ergebenden militärischen Anforderungen zu bestimmen, die für jeden Soldaten unverzichtbar sind. Demgegenüber ist dem Dienstherrn kein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage eröffnet, ob der Bewerber den vom Dienstherrn festgelegten Voraussetzungen in gesundheitlicher Hinsicht genügt. Der Spielraum des Dienstherrn bei der Bestimmung der körperlichen Anforderungen für eine Verwendung im Wehrdienstverhältnis rechtfertigt keine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Beurteilung der daran anknüpfenden körperlichen Eignung. Diese Frage unterliegt folglich der vollständigen verwaltungsgerichtlichen Überprüfung (vgl. zum Ganzen BayVGH B.v. 9.6.2017 – 6 ZB 16.1993 – juris Rn. 13 f.; BVerwG B.v. 4.8.1981 – 1 WB 29/81 – juris Rn. 20).
Hiervon ausgehend bleibt festzustellen, dass die Beklagte in der Zentralvorschrift A1-831/0-4000 „Wehrmedizinische Begutachtung“ festgelegt hat, wie die ärztlichen Untersuchungen im militärischen Bereich durchzuführen sind und welchen gesundheitlichen Anforderungen Soldaten genügen müssen. Insoweit hat die Beklagte im Speziellen festgelegt, dass Soldaten, die einen Keratokonus aufweisen zwingend nach der Anlage 5.3. der Zentralvorschrift A1-831/0-4000 in die Gradation VI der Gesundheitsziffer 21 (Brechende Medien (Hornhaut, Linse, Glaskörper)) einzustufen und damit als „nicht dienstfähig“ einzustufen sind. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Kammer sieht keine Anhaltspunkte dafür, an dieser wehrmedizinischen Einschätzung zu zweifeln, zumal die Beklagte auch eine etwaige Keratoplastik in ihre Einordnung hat einfließen lassen. Auch der Kläger ist dieser Einschätzung durch nichts entgegengetreten.
Dementsprechend erweist sich auch die in der Folge vorgenommene Einstufung des Klägers als „nicht dienstfähig“ als rechtsfehlerfrei, denn ausweislich des Untersuchungsergebnisses des Facharztzentrums … vom 23. Mai 2017 hat der Kläger auf beiden Augen einen Keratokonus. Dieser Feststellung ist der Kläger auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten, sondern hat diese vielmehr bestätigt. Die Beklagte hat dem Kläger die gesundheitliche Eignung mithin zu Recht abgesprochen. Auf die Frage der beim Kläger vorhandenen Sehschärfe kommt es daher – wie auch die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 18. April 2018 ausgeführt hat – schon nicht mehr entscheidungserheblich an, weshalb das Gericht von diesbezüglichen Ausführungen absieht.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit trifft das Gericht nicht, weil es davon ausgeht, dass die Beklagte vor Rechtskraft der Entscheidung nicht vollstreckt.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben