Arbeitsrecht

Entlassung eines Sanitätsoffiziersanwärters wegen mangelnder Eignung, negative Eignungsprognose gestützt auf erhebliche Studienverzögerungen, Gewährung von leistungsbedingten Zusatzsemestern, gesundheitsbedingte Verhinderung am Prüfungstermin

Aktenzeichen  W 1 K 21.354

Datum:
24.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25816
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SG § 55 Abs. 4 S. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Personalmanagement der Bundeswehr vom 24. März 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Februar 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Entlassung wegen mangelnder Eignung ist § 55 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SG.
I. Der Entlassungsbescheid der Beklagten vom 24. März 2020 in Gestalt der Beschwerdeentscheidung vom 12. Februar 2021 ist formell rechtmäßig. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr ist gemäß § 55 Abs. 6, § 47 Abs. 1, § 4 Abs. 2 SG i.V.m. § 4 der Anordnung über die Ernennung und Entlassung von Soldatinnen und Soldaten und die Ernennung von Reservistinnen und Reservisten in der zum Zeitpunkt des Erlasses der Entlassungsverfügung gültigen Fassung für die Entlassung zuständig. Der Kläger wurde nach §§ 55 Abs. 6 Satz 1, 47 Abs. 2 SG angehört. Die Zustellungsfrist des § 55 Abs. 6 Satz 2 VwGO wurde gewahrt. Ausweislich des Entlassungsbescheids vom 16. März 2021 wurde die Entlassung mit Ablauf eines Monats, gerechnet vom Tage nach der Zustellung der Verfügung, wirksam.
II. Der Bescheid der Beklagten vom 23. März 2020 in Gestalt des Beschwerdebescheids vom 12. Februar 2021 erweist sich auch als materiell rechtmäßig.
1. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage § 55 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SG liegen vor.
Die Vier-Jahres-Frist des § 55 Abs. 2 Satz 1 SG gilt nicht für Entlassungen auf der Grundlage von Satz 2. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach Satz 2 unbeschadet des Satzes 1 gilt. Voraussetzung für eine Entlassung auf Grundlage von § 55 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SG ist jedoch auch, dass der Soldat noch den Status eines Anwärters innehat. Der Anwärterstatus endet bei Sanitätsoffiziersanwärtern nach § 31 Abs. 4 SLV mit der Beförderung zum Stabsarzt, Stabsveterinär oder Stabsapotheker. Der Kläger hatte zum Zeitpunkt der Entlassung noch den Anwärterstatus inne.
Nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 SG soll ein Sanitätsoffiziersanwärter entlassen werden, der sich nicht als Sanitätsoffiziersanwärter eignet. Voraussetzung für eine Entlassung nach § 55 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SG ist mithin, dass die Beklagte auf Grundlage einer rechtsfehlerfreien Prognose zu der Einschätzung gelangte, dass sich der Kläger nicht als Sanitätsoffizier eignet. Die Entscheidung darüber, ob ein Anwärter geeignet ist oder nicht, bemisst sich an den militärischen Anforderungen für die jeweilige Laufbahn. Da die Feststellung der Eignung in erster Linie von den spezifischen Anforderungen des Dienstes abhängt, kann nur der Dienstherr sachverständig und zuverlässig beurteilen, ob der einzelne Beamte ihnen entspricht. Es handelt sich hierbei um keine reine Subsumtion eines Sachverhalts unter den Tatbestand einer gesetzlichen Vorschrift, sondern um einen Akt wertender Erkenntnis des Dienstherrn. Der zuständigen Dienststelle kommt deshalb ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Dieser Beurteilungsspielraum erfasst dabei auch Fälle wie den vorliegenden, bei denen die Prognose fehlender Eignung auf defizitäre Studienleistungen gestützt wird. Zwar stützt sich die Einräumung eines nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums auf die Annahme eines besonderen Sachverstandes der Bundeswehr als Dienstherr hinsichtlich der militärischen Anforderungen an die jeweilige Laufbahn. Jedoch lässt sich der Bereich des Studiums gerade nicht von der späteren militärischen Tätigkeit trennen, denn im Studium soll der Offiziersanwärter die nötigen fachlichen Kenntnisse erwerben, die er für seine spätere Tätigkeit im Militär benötigt. Zudem lässt die Art und Weise, wie es einem Offiziersanwärter gelingt, sein Studium zu absolvieren, auch Rückschlüsse auf dessen Organisationsfähigkeit und Belastbarkeit und damit seine militärische Eignung zu. Schließlich erfordert auch die Rechtsgrundlage des § 55 Abs. 4 Satz 2 SG eine Gesamtprognose der Eignung für die jeweilige Laufbahn, in die sowohl die fachlichen als auch die militärischen Fähigkeiten des Anwärters einzustellen sind. Die gerichtliche Überprüfung hat sich – ähnlich wie bei der gerichtlichen Kontrolle von Prüfungsentscheidungen – darauf zu beschränken, ob von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, gesetzliche Begriffe verkannt oder der jeweilige gesetzliche Rahmen verletzt wurde bzw. ob allgemein gültige Wertungsmaßstäbe missachtet oder sachfremde Erwägungen eingestellt wurden (BVerwG, U.v. 8.2.1961 – VI 55/59; BVerwG, B.v.26.6.1986 – 1 WB 128/85 – BVerwGE 83, 200; Eichen/Metzger/Sohm, SG, § 55 Rn. 38).
Ein solcher Bewertungsfehler liegt nicht vor. Vielmehr erweist sich die von der Beklagten angestellte Prognoseentscheidung über die Eignung des Klägers gemessen an den oben genannten Maßstäben als rechtmäßig.
Sachverhaltsfehler liegen nicht vor. Die Beklagte hat vorliegend ihrer Entscheidung einen zutreffenden und vollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt. Dass das fünfte Zusatzsemester aus studienorganisatorischen Gründen erfolgte, ist von der Beklagten ausweislich der Begründung des Bescheids vom 24. März 2021 erfasst und in die Entscheidung eingestellt worden. Die psychischen Auswirkungen der HIV-Infektion waren vom Kläger anfänglich bei der Beantragung der Zusatzsemester nicht geltend gemacht worden, sondern wurden dem Dienstherrn erst im Verlauf des Beschwerdeverfahrens mitgeteilt. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte diesen Umstand, wie sich aus der Sachverhaltsdarstellung im streitgegenständlichen Beschwerdebescheids vom 12. Februar 2021 ergibt, ebenfalls ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Ob die Beklagte diesen genannten Umständen im Rahmen der Erstellung der Eignungsprognose dabei jeweils das richtige Gewicht beigemessen hat, ist hingegen keine Frage der zutreffenden Sachverhaltserfassung. Vielmehr ist die Gewichtung dahingehend zu überprüfen, ob hierbei gegen allgemeine Bewertungsmaßstäbe verstoßen wurde.
Weiterhin hat die Beklagte auch keine sachfremden Erwägungen in die Prognoseentscheidung eingestellt. In die Prognose der fehlenden Eignung dürfen grundsätzlich auch die Studienleistungen des Klägers mit einbezogen werden. Wie bereits eingangs dargestellt, sind diese untrennbar verbunden mit der Beurteilung der Frage der militärischen Eignung. Nichteignung liegt daher in jedem Falle bei endgültigem Nichtbestehen einer Prüfung vor. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass die Prognose der fehlenden Eignung auch aus der nicht rechtzeitigen Erbringung einer vorgeschriebenen Leistung resultieren kann, ohne dass es hierbei darauf ankommt, worauf die Leistungsverzögerung beruht (VG München, U.v. 23.11.1999 – M12 K 97.6962 – juris Rn. 49; VG Köln, B.v. 1.2.2019 – 23 L 2474/18 – juris Rn. 10). Diese Erwägung erweist sich auch nicht als sachfremd. Zwischen dem Kläger und der Beklagten als Dienstherrn ergibt sich im Zuge dieser Ausbildung ein spezielles Rechtsverhältnis mit gegenseitigen Verpflichtungen. Der Kläger erhält bereits während seines Studiums ein volles Gehalt und die Beklagte trägt die Kosten der Ausbildung. Im Gegenzug kommt dem Kläger die Verpflichtung zu, sein Studium ohne wesentliche Verzögerungen zu absolvieren. Die Beklagte muss aufgrund der Vielzahl von Studierenden, für die sie die Kosten der Ausbildung übernimmt, diesen zwar – sofern es erforderlich ist – ausreichend Zeit gewähren, da es Studienverzögerungen geben kann, die nicht in der Verantwortung des Studierenden liegen. Dennoch darf sie den Anspruch haben, dass es zu einer zeitgerechten Erbringung der Studienleistung kommt.
Die Prognose mangelnder Eignung weist auch keinen Verstoß gegen allgemeine Bewertungsmaßstäbe auf. Die Beklagte gelangte nachvollziehbar und bewertungsfehlerfrei zu dem Ergebnis, dass die bisher aufgetretenen erheblichen Studienverzögerungen einen verzugsfreien weiteren Studienverlauf nicht erwarten lassen.
Für den Kläger findet nach § 133 Abs. 1 ZApprO die Approbationsordnung für Zahnärzte in der bis zum 30. September 2020 geltenden Fassung Anwendung. Nach § 2 Satz 2 ZApprO aF beträgt die Regelstudienzeit für das Zahnmedizinstudium fünf Jahre und 6 Monate, wobei die zahnärztliche Vorprüfung gem. § 26 AppO aF nach fünf Semestern abgelegt werden kann. Der Kläger befand sich zum Zeitpunkt der Entlassung im 12. Studiensemester und im 5. Fachsemester. Er hatte damit die Regelstudienzeit bereits überschritten und zu diesem Zeitpunkt die zahnmedizinische Vorprüfung noch nicht erfolgreich abgelegt. Nach dem Bestehen der Vorprüfung wären selbst bei weiterem verzögerungsfreiem Ablauf noch drei weitere Jahre bis zum Abschluss des Studiums erforderlich. Eine wesentliche Verzögerung des Studienablaufs liegt damit vor.
Vor diesem Hintergrund ist ein Bewertungsfehler auch nicht darin zu sehen, dass die Beklagte trotz des Umstandes, dass der Kläger mittlerweile im Mai 2020 die zahnmedizinische Vorprüfung erfolgreich abgelegt und seitdem gute Studienleistungen erbracht hat, in der Beschwerdeentscheidung weiterhin von einer negativen Eignungsprognose ausgegangen ist. Die von der Beklagten angestellte Prognose wurde nicht durch die vom Kläger vorgewiesenen Leistungen widerlegt. Denn die Beklagte hatte ihre negative Eignungsprognose nicht darauf gestützt, dass ein erfolgreicher Studienabschluss des Klägers generell in Frage stehe, sondern dass nicht mehr zu erwarten sei, dass der Kläger sein Studium ohne wesentliche Verzögerungen beende. Derartige wesentliche Verzögerungen waren zum Entlasszeitpunkt bereits tatsächlich eingetreten und ließen sich damit auch nicht mehr widerlegen. Diese Einschätzung spiegelt sich auch in der Stellungnahme der Vertrauensperson des Klägers wider, die die Beklagte ihrer Prognoseentscheidung zugrunde gelegt hat. Darin wurde ausgeführt, dass man den Kläger als guten Zahnarzt im Zentralen Sanitätsdienst der Bundeswehr sehe und keine Zweifel daran habe, dass er sein Studium abschließe, die Eignung als Offizier jedoch aufgrund der hohen Anzahl an Zusatzsemestern zu prüfen bleibe. Aus militärischer Sicht sei der Kläger nicht die Person, eine Einheit militärisch korrekt und mit der nötigen Durchsetzungskraft zu führen.
Ein Bewertungsfehler ist auch nicht dahingehend erkennbar, dass die Beklagte dem Umstand nicht hinreichend Rechnung getragen habe, dass ein Zusatzsemester allein aus studienorganisatorischen Gründen erforderlich gewesen sei. Zwar kann die Beklagte die Prognose fehlender Eignung regelmäßig nicht auf solche Umstände stützen, die völlig außerhalb des Verantwortungsbereichs des betreffenden Offiziersanwärters liegen. Vorliegend wurde das fünfte Zusatzsemester des Klägers aus studienorganisatorischen Gründen erforderlich, da die Universität die Prüfungsleistung im Fach Biochemie 2 nicht rechtzeitig verbucht hatte und sich der Kläger infolge dessen nicht zur zahnmedizinischen Vorprüfung anmelden konnte. Die daraus resultierende Verzögerung durfte die Beklagte daher nicht heranziehen, um die mangelnde Eignung zu begründen. Diesem Umstand hat die Beklagte ausweislich der Begründung des Bescheids auch Rechnung getragen. In welchem Verhältnis hierzu die Beklagte die darüber hinausgehenden leistungsbedingten Verzögerungen bewertet, obliegt grundsätzlich ihrem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Insoweit ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass die Beklagte eine unverhältnismäßige Gewichtung vorgenommen hat, denn in Anbetracht des Umstandes, dass sich die Studienverzögerung des Klägers im Entlasszeitpunkt auf insgesamt sieben Semester belief, fiel das studienorganisatorisch bedingte Semester nicht erheblich ins Gewicht.
Ein Bewertungsfehler ergibt sich auch nicht mit Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten gesundheitlichen Umstände, die ihn im Wintersemester 2018/2019 und im Sommersemester 2019 am Ablegen der Vorprüfung hinderten. Zum einen hat die Beklagte bei ihrer Prognoseentscheidung nicht allein auf die Anzahl der benötigten Zusatzsemester abgestellt, sondern vielmehr die Prognose vor allem darauf gestützt, dass beim Kläger bereits im frühen Stadium des Zahnmedizinstudiums Probleme in einer Vielzahl von Grundlagenfächern auftraten und Prüfungen zum Teil wiederholt nicht bestanden wurden. Zum anderen kommt es für die Beurteilung der Eignung gerade nicht auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Betroffenen an. Die Rechtsgrundlage § 55 Abs. 4 Satz 2 SG knüpft allein an das Vorliegen objektiver Eignungsmängel an. Da fehlendes Verschulden nichts am Vorliegen der festgestellten Eignungsmängel ändert, kommt es daher auch nicht darauf an, auf welchen Umständen die Leistungsverzögerung beruht (VG Köln, 1.2.2019 -23 L 2474/18 – juris; VG München U.v. 23.11.1999 – M 12 K 97.6962 – juris; Eichen/Metzger/Sohm, SG, 4. Aufl. 2021, § 55 Rn. 39).
Der weiterhin vom Kläger vorgebrachte Einwand, die Beklagte habe der besonderen psychischen Belastungssituation des Klägers aufgrund seiner HIV-Diagnose im Oktober 2015 nicht hinreichend Rechnung getragen, vermag der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Ohne Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Entlassung ist hierbei, ob die Beklagte bei stärkerer Gewichtung dieses Umstandes auch zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können, denn diese wertende Entscheidung unterfällt wiederum dem nur eingeschränkten Beurteilungsspielraum der Beklagten. Maßgeblich ist allein, ob die Beklagte bei dieser Entscheidung gegen allgemeine Bewertungsmaßstäbe verstoßen hat. Ein solcher Bewertungsfehler ist vorliegend nicht erkennbar. Die Beklagte hat bei der Prognoseentscheidung keine evident unzutreffende Gewichtung vorgenommen. Zum einen fehlt es hinsichtlich des vorgetragenen Kausalzusammenhangs zwischen der belastenden Situation aufgrund der HIV-Diagnose und dem schlechten Abschneiden des Klägers in verschiedenen Prüfungsleistungen bereits an einer hinreichend gesicherten Tatsachengrundlage. So steht keinesfalls zweifelsfrei fest, dass die Belastungssituation allein maßgeblicher Grund für das Nichtbestehen der Prüfungen war. Hiergegen spricht zum einen, dass sich erste Defizite bereits im zweiten und dritten Studiensemester zeigten, als der Kläger noch keine Kenntnis von seiner HIV-Infektion hatte. Auch hatte der Kläger selbst die Zusatzsemester als leistungsbedingte Zusatzsemester beantragt und bis zum Beschwerdeverfahren sich der Beklagten gegenüber nie auf seine HIV-Infektion als Ursache für seine Studienverzögerungen berufen. Zum anderen gilt auch diesbezüglich, dass es auf ein Verschulden des Klägers nicht ankommt. Eine negative Eignungsprognose kann lediglich nicht auf solche Umstände gestützt werden, die völlig außerhalb des Sphäre des Klägers liegen. Durch psychische Belastungen bedingt eintretende Studienverzögerungen hingegen mögen zwar vom Kläger nicht schuldhaft herbeigeführt worden sein, sind jedoch unabhängig vom Verschulden immer noch dessen Sphäre zuzuordnen. Ein solches schuldhaftes Verhalten war dem Kläger im Übrigen auch nicht von der Beklagten vorgeworfen worden.
Weiterhin hat die Beklagte mit der Entlassung des Klägers auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Die Beklagte setzt sich hierdurch nicht in Widerspruch zur vorausgehenden Gewährung der leistungsbedingten Zusatzsemester. Insbesondere wurde hierdurch kein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers dahingehend geschaffen, dass seine Eignung trotz der Verzögerungen zunächst nicht in Frage gestellt werde. So wurde der Kläger unter anderem im Bescheid vom 24. Juli 2018 darauf hingewiesen, dass bei Studienverzögerungen grundsätzlich die Eignung zum Offizier überprüft wird, was auch zu einer Entlassung aus der Bundeswehr führen könne. Das vierte leistungsbedingte Zusatzsemester wurde dem Kläger zudem nur unter der Bedingung gewährt, dass er im Sommersemester 2018 die zahnärztliche Vorprüfung besteht und dies der Beklagten bis zum 15. Oktober 2018 nachweist. Diese Bedingung wurde vom Kläger jedoch auch im Entlasszeitpunkt noch nicht erfüllt. Die Beklagte hatte dem Kläger damit zu verstehen gegeben, dass Studienverzögerungen, unabhängig von ihrem Grund zu einer negativen Eignungsprognose und damit auch zu einer Entlassung aus der Bundeswehr führen können. Dass die Beklagte dem Kläger zunächst vier leistungsbedingte Zusatzsemester gewährt hat, steht einem Heranziehen dieser leistungsbedingten Studienverzögerungen im Rahmen der späteren Eignungsprognose auch nicht entgegen. Vielmehr kann sich der Dienstherr aus Fürsorgegründen zunächst noch veranlasst sehen, trotz leistungsbedingter Verzögerungen nicht direkt von einer negativen Eignungsprognose auszugehen, sondern vielmehr erst die weitere Entwicklung des Leistungsbildes abzuwarten. Dennoch hat eine später erfolgende Prognose immer das Gesamtbild zu erfassen und damit auch die Leistungsdefizite mit einzubeziehen, die der Dienstherr zunächst noch hingenommen hat. Aus eben jener Gesamtbetrachtung folgt auch, dass Umstände, die einzeln für sich genommen noch keine negative Eignungsprognose begründen würden, in ihrer Gesamtheit zu der Einschätzung führen können, dass ein Offiziersanwärter sich nicht für die von ihm eingeschlagene Laufbahn eignet. Vorliegend stützte die Beklagte ihre Prognoseentscheidung mithin bewertungsfehlerfrei unter anderem darauf, dass der Kläger trotz der bewilligten Zusatzsemester die zahnärztliche Vorprüfung im Zeitpunkt der Entlassung immer noch nicht vorweisen konnte. Sie setzt sich damit nicht in Widerspruch zur vorausgehenden Bewilligung der Zusatzsemester, sondern führt vielmehr ihre dort getroffene Entscheidung unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung fort.
Insgesamt hat die Beklagte auch keine überzogenen Anforderungen an einen verzögerungsfreien Studienablauf aufgestellt. Vielmehr ist sie dem Kläger durch die Bewilligung von fünf Zusatzsemestern – einem Zeitraum, der der Hälfte der Regelstudienzeit entspricht – in hinreichender Weise entgegengekommen. Auch wurden seit Auftreten der ersten Verzögerungen im Studienverlauf durch den Betreuungsoffizier immer wieder beratende Gespräche mit dem Kläger geführt.
2. Auf der Rechtsfolgenseite sieht § 55 Abs. 4 Satz 2 SG ein intendiertes Ermessen dahingehend vor, dass der Offiziersanwärter entlassen werden soll. Vom Gesetzgeber intendierte Ausnahmen stellen vor allem die Fälle des § 55 Abs. 2 Satz 3 SG dar, bei denen anstelle einer Entlassung eine Zurückführung in die frühere Laufbahn erfolgen soll (Eichen/Metzger/Sohm, SG, 4. Aufl. 2021; § 55 Rn. 39). Zum Teil wird in der Rechtsprechung vertreten, dass sich die Soll-Regelung nicht in der Bezugnahme auf Satz 3 erschöpfe, sondern auch die übrigen Entlassungsgründe in den Blick zu nehmen habe und zu erwägen sei, ob wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen ein anderer Entlassungsgrund zum Tragen komme. Dies kann jedoch dahinstehen, da beim Kläger weder ein Fall des Satz 3 vorliegt noch ein weiterer Entlassungstatbestand in Betracht kommt. Es verbleibt daher bei der vom Gesetzgeber intendierten Rechtsfolge der Entlassung.
III. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen gem. § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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