Arbeitsrecht

erfolgreicher Eilantrag auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis und auf Ausbildungsduldung

Aktenzeichen  M 25 E 20.5646

Datum:
30.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 33772
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60a Abs. 2 S. 3, § 60c Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 5, Abs. 6
BeschV § 32
VwGO § 123

 

Leitsatz

Zwar wird nach § 60c Abs. 6 S. 1 AufenthG einem Ausländer nur einmalig für sechs Monate eine Duldung zur Suche eines neuen Ausbildungsplatzes erteilt, allerdings sperrt diese Regelung nicht die Erteilung einer neuen Ausbildungsduldung, falls dem Ausländer nach dem Ablauf der sechs Monate aus einem anderen Grund eine Duldung erteilt wird, er einen neuen Ausbildungsplatz findet, einen erneuten Antrag stellt und die Erteilungsvoraussetzungen des § 60c Abs. 1 iVm Abs. 2 AufenthG vorliegen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig bis zur Entscheidung über seinen Antrag eine Duldung zur Ausbildung zum Maler und Lackierer mit Fachrichtung Gestaltung und Instandhaltung bei der … Maler und Ausbau GmbH zu erteilen.
II. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig bis zur Entscheidung über seinen Antrag eine Beschäftigungserlaubnis zur Ausbildung zum Maler und Lackierer mit Fachrichtung Gestaltung und Instandhaltung bei der … Maler und Ausbau GmbH zu erteilen.
III. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
IV. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die vorläufige Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis sowie einer Ausbildungsduldung zum Zwecke der Aufnahme einer Ausbildung zum Maler und Lackierer mit Fachrichtung Gestaltung und Instandhaltung bei der … Maler und Ausbau GmbH in München.
Der Antragsteller ist iranischer Staatsangehöriger und reiste am 30. November 2015 erstmalig in das Bundesgebiet ein. Am 8. Juli 2016 stellte der Antragsteller bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Dieser wurde am 31. Mai 2017 abgelehnt. Die daraufhin erhobene Klage hat keinen Erfolg und das Asylverfahren ist seit 17. Juni 2019 rechtskräftig abgeschlossen.
Am 1. Januar 2019 begann der Antragsteller eine Einstiegsqualifizierung hinsichtlich einer qualifizierten Berufsausbildung als Fahrzeuglackierer. Am 5. September 2019 wurde dem Antragsteller eine Ausbildungsduldung zum Zwecke der Absolvierung einer qualifizierten Berufsausbildung als Fahrzeuglackierer bei der Firma B. Vallorani GmbH erteilt. Am 6. Dezember 2019 wurde dem Antragsteller betriebsbedingt zum 31. Dezember 2019 gekündigt. Am 2. Januar 2020 wurde dem Antragsteller zur Suche einer neuen Ausbildungsstelle eine Duldung für 6 Monate gemäß § 60c Abs. 6 Satz 1 AufenthG erteilt. Innerhalb dieser 6 Monate legte der Antragsteller keinen neuen Ausbildungsvertrag vor und ihm wurde eine Duldung nach 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG wegen fehlender Reisedokumente erteilt. Am 13. Juli 2020 legte der Antragsteller seinen am 26. Juni 2020 ausgestellten Reisepass vor und er wurde mit Schreiben vom 28. Juli 2020 zur Klärung der Ausreisemodalitäten zu einem Gespräch am 17. August 2020 eingeladen. Im Rahmen dieses Gespräches erklärte der Antragsteller, dass er freiwillig ausreisen wolle. Einen Termin für seine Ausreise nannte er nicht. Weiterhin wurde der Antragsteller über Förderungsmöglichkeiten einer freiwilligen Rückkehr unterrichtet. Mit Schreiben vom 29. September 2020 verlängerte der Antragsgegner die erteilte Duldung um 2 Monate ab Ausstellungsdatum des Schreibens.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2020 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers die Erteilung einer Ausbildungsduldung und übersandte einen Ausbildungsvertrag der … Maler und Ausbau GmbH zum Maler und Lackierer mit Fachrichtung Gestaltung und Instandhaltung. Die Dauer der Ausbildungszeit wurde mit 1. September 2020 bis 31. August 2023 angegeben.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2020 teilte der Antragsgegner dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit, dass die Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht in Betracht käme, da die einmalig für 6 Monate ausgestellte Duldung zum Zwecke der Suche eines weiteren Ausbildungsplatzes verstrichen sei und mit dem Gespräch zur Klärung der Ausreisemodalitäten bereits konkrete Maßnahmen hinsichtlich einer Aufenthaltsbeendigung eingeleitet worden seien.
Am 4. November 2020 beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München gemäß § 123 VwGO, den Antragsgegner zu verpflichten,
1.Dem Antragsteller vorläufig die Beschäftigung im Rahmen einer Ausbildung zum Maler und Lackierer mit Fachrichtung Gestaltung und Instandhaltung bei der … Maler und Ausbau GmbH in München zu erlauben und
2.ihm hierfür vorläufig eine Duldung zu erteilen.
Zur Begründung führte der Bevollmächtigte aus, dass einstweiliger Rechtsschutz notwendig sei, da ein weiteres Zuwarten unzumutbar sei, da der Antragsteller seine Ausbildung nicht beginnen könne und seinen Berufsausbildungsplatz verliere. Der Antragsgegner habe bereits zweimal erklärt, dem Antragsteller die Aufnahme der weiteren Ausbildung nicht erlauben zu wollen. Es bestehe auch ein Anordnungsanspruch, da die Voraussetzungen zur Erteilung einer Ausbildungsduldung gemäß § 60c Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 AufenthG vorliegen würden. Die frühere Erteilung einer Duldung gemäß 60c Abs. 6 AufenthG entfalte keine Sperrwirkung für die Erteilung einer weiteren Ausbildungsduldung.
Mit Schreiben vom 17. November 2020 beantragte der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Der Erteilung einer Ausbildungsduldung stehe 60c Abs. 6 Satz 1 AufenthG entgegen, da der Antragsteller innerhalb dieser 6 Monate keinen neuen Ausbildungsvertrag vorgelegt habe. Der jetzige Ausbildungsvertrag sei erst am 8. Oktober 2020 vorgelegt worden. Darüber hinaus seien mit Schreiben vom 28. Juli 2020, mit welchem der Antragsteller unter anderem zur Klärung der Ausreisemodellmodalitäten vorgeladen worden sei, konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet worden. Dementsprechend stehe auch § 60c Abs. 2 Nummer 5 AufenthG der Erteilung einer Ausbildungsduldung entgegen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, insbesondere auch, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Erforderlich sind danach ein Anordnungsanspruch – mithin der zu sichernde materielle Anspruch in der Hauptsache sowie ein Anordnungsgrund – also die Eilbedürftigkeit der Sache. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach § 123 Abs. 1 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
Im vorliegenden Fall ist der Antrag gemäß § 123 VwGO zulässig und begründet. Nach summarischer Prüfung hat der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung gemäß § 60c Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG sowie einer Beschäftigungserlaubnis zur Ausbildung zum Maler und Lackierer mit Fachrichtung Gestaltung und Instandhaltung bei der … Maler und Ausbau GmbH in München
1. Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung einen Anspruch auf Erteilung einer vorläufigen Ausbildungsduldung gemäß § 60c Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG.
Die Voraussetzungen des § 60c Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liegen vor. Der Antragsteller ist im Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG und bei der angestrebten Ausbildung handelt es sich um eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf.
Der Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG liegt nicht vor, da zum Zeitpunkt der Antragstellung noch keine konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, die in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung stehen, bevorstanden.
Zwar wurde der Kläger zu einem Gespräch am 17. August 2020 über seine Ausreisemodalitäten eingeladen, indem er angab, freiwillig ausreisen zu wollen und indem er über Förderungsmöglichkeiten informiert wurde. Jedoch ist keine dieser Maßnahmen so konkret und in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Aufenthaltsbeendigung um den Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG anzunehmen.
Unstreitig wurden keine Vorbereitungen für eine Abschiebung getroffen, da der Kläger angab freiwillig ausreisen zu wollen. Hierfür nannte der Kläger jedoch keinen Termin und hat auch in der Folgezeit keine Flugbuchung oder ähnliches vorgelegt. Soweit der Beispielskatalog des § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG betroffen ist, bezieht sich lediglich Buchstabe b) auf eine freiwillige Ausreise. Der Antragsteller hat jedoch zu keinem Zeitpunkt einen Antrag zur Förderung der freiwilligen Ausreise mit staatlichen Mitteln gestellt, noch wurde ein solcher Antrag genehmigt (s. Nr. 60c.2.5.2 Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat zum Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung). Aus einem Vergleich mit Buchstabe b) ergibt sich jedoch auch, dass sich die Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers in einem früheren Zeitpunkt befand und dementsprechend noch keine vergleichbare konkrete Maßnahme zur Aufenthaltsbeendigung ergriffen worden war und der Ausschlussgrund des § 60c Abs. 2 Nr. 5 AufenthG gerade nicht vorliegt.
Weitere Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich. Insbesondere steht § 60c Abs. 6 Satz 1 AufenthG der Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht entgegen. Zwar wird nach dieser Norm einem Ausländer nur einmalig für sechs Monate eine Duldung zur Suche eines neuen Ausbildungsplatzes erteilt, allerdings sperrt sie nicht die Erteilung einer neuen Ausbildungsduldung, falls dem Ausländer – wie hier – nach dem Ablauf der sechs Monate aus einem anderen Grund eine Duldung erteilt wird, er einen neuen Ausbildungsplatz findet, einen erneuten Antrag stellt und die Erteilungsvoraussetzungen des § 60c Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 vorliegen.
Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Dieser bzw. die ihm zugrundliegenden Tatsachen wurden ausreichend glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat einen Ausbildungsvertrag zum 1. September 2020 geschlossen und der Antragsgegner hat, auch wenn bisher kein Bescheid ergangen ist, mehrfach – unter anderem in der Antragserwiderung – erklärt, dass er eine Ausbildungsduldung nicht erteilen wird. Da Gründe, die gegen die Erteilung einer Ausbildungsduldung sprechen, nicht ersichtlich sind (s.o.), der Antragsteller bereits drei Monate seit Ausbildungsbeginn verpasst hat, und der Ausbildungsplatz nicht zeitlich unbefristet zur Verfügung steht, erfordert die Sicherung der aus § 60c Abs. 1 Nr. 2 AufenthG folgenden Rechtsposition eine vorläufige Erteilung der Ausbildungsduldung.
2. Nach summarischer Prüfung hat der Antragsteller darüber hinaus einen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis gemäß § 4a Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 32 BeschV. Zwar steht die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zu Ausbildungszwecken für Personen mit Duldung gemäß § 4 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 32 BeschV grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Dieses Ermessen ist vorliegend jedoch im Hinblick auf eine ebenfalls zu erteilende Ausbildungsduldung intendiertes Ermessen. Sofern die in § 60c Abs. 1 Nr. 2 AufenthG normierten Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung vorliegen, ist im Regelfall eine Beschäftigungserlaubnis zu erteilen, mithin das in diesem Zusammenhang grundsätzlich bestehende Ermessen auf Null reduziert. Im Falle des Antragstellers ergibt eine summarische Prüfung, dass diesem ein Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zusteht, mithin das Ermessen des Antragsgegners auf Null reduziert ist, weil der Antragsteller entsprechend den unter 1. gemachten Ausführungen einen Anspruch auf Erteilung einer Ausbildungsduldung nach § 60c Abs. 1 Nr. 2 AufenthG hat.
Ein Anordnungsgrund liegt, aus den selben Gründen wie unter 1., im Hinblick auf die zu erteilende vorläufige Beschäftigungserlaubnis vor, da der Antragsteller nur so seine Ausbildung rechtmäßig aufnehmen kann.
3. Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist im Hinblick auf die bereits am 1. September 2020 begonnene Ausbildung des Antragstellers zur Vermeidung schwerer, nachträglich nicht mehr zu behebender Nachteile und zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten, da der Antragsteller mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf die begehrte Ausbildungsduldung und Beschäftigungserlaubnis hat. Insoweit steht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache der einstweiligen Anordnung nicht entgegen (BayVGH, B.v. 18.3.2020, 7 CE 19.2143, Rn. 16).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG. Die wirtschaftliche Bedeutung einer Ausbildungsduldung rechtfertigt den Ansatz des Auffangwertes (vgl. etwa VGH BW, B.v. 16.7.2018 – 11 S 1298/18 – juris – Rn. 21; BayVGH, B.v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51 – juris – Rn. 31; a.A. OVG NW, B.v. 23.04.2018 – 18 B 110/18 – juris). In der vorliegenden Konstellation geht das Gericht zudem davon aus, dass dem Antrag auf Erteilung einer (vorläufigen) Beschäftigungserlaubnis neben der beantragten Ausbildungsduldung kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert in Sinn von § 39 Abs. 1 GKG zukommt (BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 10 CE 18.1598 – juris – Rn. 19; BayVGH, B.v. 24.9.2018 – 10 CE 18.1825 – juris – Rn. 10; BayVGH, B.v. 3.9.2018 – 10 CE 18.1800 – juris – Rn. 16; VGH BW, B.v. 9.7.2017 – 11 S 2090/17 – juris – Rn. 16).


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