Arbeitsrecht

Erfolgreicher Rechtsschutz gegen Abbruch eines Auswahlverfahrens

Aktenzeichen  3 CE 19.1166

Datum:
20.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27401
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 123 Abs. 3, § 146 Abs. 4 S. 6
BayBesG Art. 33, Art. 82
ZPO § 920 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Kommt der Dienstherr nach Eröffung des Ausschreibungsverfahrens zu neuen Erkenntnissen, denen er Rechnung tragen möchte (zB Umorganisation des Dienstpostens), kann er aufgrund seines Organisationsermessens das Ausschreibungsverfahren abbrechen; die gerichtlich eingeschränkte Prüfung beschränkt sich darauf, ob die Entscheidung zum Abbruch willkürlich oder rechtsmissbräuchlich ist. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Dienstherr kann das Auswahlverfahren aber auch dann abbrechen, wenn er zwar weiterhin den unverändert bleibenden Dienstposten vergeben will, aber den Ausgang des ersten Auswahlverfahrens als unbefriedigend empfindet oder das bisherige Verfahren nach seiner Einschätzung an nicht behebbaren rechtlichen Mängeln leidet. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs eines Ausschreibungsverfahrens setzt voraus, dass die Bewerber hiervon rechtzeitig und in geeigneter Form in Kenntnis gesetzt werden und der wesentliche Abbruchgrund schriftlich dokumentiert wird. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ist der Entscheidungsprozess über den Zuschnitt und die Besetzung eines bereits ausgeschriebenen Dienstpostens noch nicht endgültig abgeschlossen, liegen keine vollendeten Tatsachen vor, die den Abbruch des Auswahlverfahrens schon zu diesem Zeitpunkt rechtfertigen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 1 E 19.488 2019-05-21 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 21. Mai 2019 wird aufgehoben.
II. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, das durch Beschluss vom 5. Juni 2019 abgebrochene Verfahren zur Nachbesetzung der Stelle des Geschäftsstellenleiters fortzusetzen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
III. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf jeweils 15.234,17 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig und hat teilweise Erfolg.
A.
Die Beschwerde ist zulässig. Nachträglich eingetretene Änderungen der Sach- und Rechtslage sind im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 29; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 82 ff. m.w.N.) und damit auch das Vorbringen, das sich gegen den erst im Beschwerdeverfahren förmlich verfügten Abbruch des Auswahlverfahrens (Schr. vom 17.6.2019) und dessen Begründung (vgl. Niederschrift der Gemeinschaftsversammlung der Verwaltungsgemeinschaft F. vom 14.6.2019) bezieht.
B.
Die von der Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren bestimmen und beschränken, führen zur Abänderung der angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
1. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund für eine auf Fortführung des Besetzungsverfahrens gerichtete einstweilige Anordnung glaubhaft gemacht.
Der erforderliche Anordnungsgrund folgt aus dem Umstand, dass im Interesse der Rechtssicherheit umgehend zu klären ist, ob die betreffende Stelle nicht doch in dem vom Dienstherrn abgebrochenen Auswahlverfahren zu vergeben ist (BVerwG, U.v. 3.12.2014 – 2 A 3.13 – juris Rn. 22 ff.). Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch auf Fortsetzung des abgebrochenen Auswahlverfahrens glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Er folgt daraus, dass für den Abbruch des Auswahlverfahrens zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (BayVGH, B.v. 5.8.20134 – 3 CE 14.771 – juris Rn. 28) kein sachlicher Grund gegeben ist.
Wegen seines Organisationsermessens kann der Dienstherr ein eingeleitetes Bewerbungs- und Auswahlverfahren aus sachlichen Gründen jederzeit beenden (BVerfG, B.v. 12.7.2011 – 1 BvR 1616/11 – juris Rn. 24; BVerwG, U.v. 3.12.2014 a.a.O. Rn. 16 ff.).
a. Bei der Entscheidung über den Abbruch eines eingeleiteten Auswahlverfahrens unterliegt der Dienstherr je nach Konstellation unterschiedlichen rechtlichen Bedingungen (dazu: BVerwG, B.v. 10.12.2018 – 2 VR 4.18 – juris Rn. 14 ff. m.w.N.):
(1) Der Dienstherr kann ein Auswahlverfahren abbrechen, wenn er zu der Einschätzung gelangt, der konkrete Dienstposten solle mit dem ursprünglich festgelegten Zuschnitt und der ursprünglichen besoldungsrechtlichen Einstufung nicht mehr besetzt werden. Die Entscheidung über den Zuschnitt von Dienstposten unterfällt dem weiten, dem Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsermessen des Dienstherrn. Subjektive Rechte des Beamten gegen den neuen Zuschnitt eines Dienstpostens bestehen nicht. Die Schaffung und Bewirtschaftung von Planstellen und der Zuschnitt von Dienstposten dienen allein dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Der bloße Umstand der Eröffnung eines Auswahlverfahrens schränkt das Organisationsermessen des Dienstherrn nicht ein; der Dienstherr kann auch danach noch zu neuen Erkenntnissen kommen und diesen Rechnung tragen. Die gerichtliche Kontrolle ist insoweit auf die Prüfung beschränkt, ob sich die Entscheidung zum Abbruch willkürlich oder rechtsmissbräuchlich ist.
(2) Der Dienstherr kann das Auswahlverfahren auch dann abbrechen, wenn er den unverändert bleibenden Dienstposten weiterhin vergeben will, er aber den Ausgang des ersten Auswahlverfahrens als unbefriedigend empfindet oder das bisherige Verfahren nach seiner Einschätzung an nicht behebbaren Mängeln mit der Folge leidet, dass eine den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG gerecht werdende Auswahlentscheidung allein in einem weiteren Auswahlverfahren denkbar erscheint. Der vom Dienstherrn für den Abbruch vorgebrachte Grund muss in diesem Fall den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG genügen. Die Rechtmäßigkeit des Abbruchs setzt außerdem voraus, dass die Bewerber hiervon rechtzeitig und in geeigneter Form Kenntnis erlangen und der wesentliche Abbruchgrund schriftlich dokumentiert wird.
b. Hier besteht die Besonderheit, dass sich die Antragsgegnerin hinsichtlich des Zuschnitts und der Besetzung der verfahrensgegenständlichen Stelle noch in einem Entscheidungsprozess befindet. Sie hat nicht endgültig auf eine Nachbesetzung verzichtet, sondern nur vorläufig, um zum einen bis zum Vorliegen des Abschlussberichtes des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes keine vollendeten Tatsachen zu schaffen und zum anderen das Ergebnis von Sondierungsgesprächen, die sich auf den Zusammenschluss mit einer benachbarten Verwaltungsgemeinschaft und einer Gemeinde beziehen, abzuwarten. Da aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt offen ist, ob die Verwaltung grundlegend neu strukturiert und die verfahrensgegenständliche Stelle des Geschäftsstellenleiters besetzt wird, sind die unter B.1.a.(1) dargestellten Voraussetzungen für den Abbruch des Auswahlverfahrens derzeit nicht gegeben. Das Auswahlverfahren ist daher zunächst fortzusetzen. Die Antragsgegnerin darf jedoch zunächst den genannten Abschlussbericht abwarten bzw. die Sondierungsgespräche abschließen, weil anders dem Organisationsermessen des Dienstherrn nicht Rechnung getragen werden könnte. Es ist nicht gänzlich auszuschließen, dass die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis kommen wird, die verfahrensgegenständliche Stelle des Geschäftsleiters endgültig nicht zu besetzen oder die Verwaltung grundlegend umzuorganisieren.
2. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung, die der Antragsgegnerin aufgibt, die Antragstellerin im fortzuführenden Auswahlverfahren auszuwählen, kommt nicht in Betracht. Er ist auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet und hat schon aus diesem Grund keinen Erfolg.
3. Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 155 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt VwGO. Die Streitwertfestsetzung und -änderung beruhen auf §§ 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 und § 63 Abs. 3 GKG. Da der Antrag nicht nur auf die Fortsetzung des Auswahlverfahrens, sondern bereits auf die Vergabe des Dienstpostens gerichtet war, beträgt der Streitwert 1/4 der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge des von der Antragstellerin angestrebten Amtes, wobei auch die jährliche Sonderzahlung (Art. 82 ff. BayBesG) Berücksichtigung findet [vgl. BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris; Aufgabe der mit Beschluss des Senats vom 11.8.2017 (3 CS 17.512 – juris) begonnenen Rechtsprechung des Senats]. Danach beträgt der Streitwert für beide Rechtszüge 15.234,17 €, der sich unter Anwendung der Anlage III zum BayBesG für das Jahr 2019 wie folgt errechnet:
Grundgehalt A 12 56.676,72 €
Strukturzulage, Art. 33 BayBesG 1.128,84 €
Bruttobezüge 57.805,56 €
zzgl. Sonderzahlung
65% von 1/12 der Bruttobezüge
(Art. 83 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1,
Abs. 2 Nr. 1, 2. Halbs. BayBesG) 3.131,13 €
60.936,69 €
davon 1/4 15.234,17 €
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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