Arbeitsrecht

Erfolgshonorarvereinbarung zwischen Prozessfinanzierer und Rechtsanwalt

Aktenzeichen  23 U 940/19

Datum:
17.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 36425
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BRAO § 49b Abs. 2 S. 1
BGB § 134
RVG § 4a Abs. 1 S. 1, § 4b

 

Leitsatz

1 Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars, das ein Vermittler oder Prozessfinanzierer zunächst (vom Mandanten) vereinnahmen und dann zu einem (erheblichen) Teil an den Rechtsanwalt weiterreichen soll, ist an § 4a RVG zu messen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2 Soll eine Erfolgshonorarvereinbarung mit einem Vermittler oder Prozessfinanzierer pauschal für alle von ihr erfassten Mandanten gelten, fehlt es an einer Einzelfallbetrachtung, wie sie § 4a Abs. 1 S. 1 RVG vorschreibt. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3 Sieht eine Erfolgshonorarvereinbarung vor, dass der Mandant zusätzlich zu dem Erfolgshonorar auch noch die regulären Anwaltsgebühren bezahlen soll, kommt eine Rechtfertigung gem. § 4a Abs. 1 S. 1 RVG nicht in Betracht. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
4 § 4b RVG erhält nicht den Anspruch des Rechtsanwalts auf ein Zusatzentgelt aufrecht, das dieser von einem Vermittler oder Prozessfinanzierer zusätzlich zu seiner vom Mandanten zu zahlenden Vergütung vereinnahmen soll (Abgrenzung zu BGH BeckRS 2014, 13314 Rn. 17). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

10 O 9392/18 2019-01-31 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 31.01.2019, Az. 10 O 9392/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Der Senat beabsichtigt zudem, das Rubrum auch des Ersturteils dahingehend zu ergänzen, dass die Beklagte zu 1) gesetzlich vertreten wird durch den Beklagten zu 2). Gemäß § 51 Abs. 1 Fall 2 ZPO muss die Beklagte zu 1) nämlich im Rechtsstreit gesetzlich vertreten werden (Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 49. Aufl. 2019, § 51 Rn. 3, 6a). Die Vertretungsberechtigung des Beklagten zu 2) ergibt sich aus dem von diesem mit Schriftsatz vom 19.06.2019 (Bl. 78 der Akte) vorgelegten Auszug aus dem Partnerschaftsregister.
3. Zu Ziffern 1. und 2. besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 24.10.2019.

Gründe

Das Landgericht hat im Ergebnis die Klage zu Recht abgewiesen. Die dagegen gerichteten Berufungsrügen der Kläger greifen nicht durch. Dabei kann dahinstehen, ob dem Zahlungsbegehren der Kläger, wie das Landgericht argumentiert, § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegensteht. Die Klage erweist sich aus anderen Gründen als nicht begründet.
1. In Bezug auf die Klage gegen die Beklagte zu 1) ist schon fraglich, ob die Beklagte zu 1) überhaupt durch die streitgegenständliche Vereinbarung (Anlage K1) verpflichtet wurde.
Dagegen spricht der Wortlaut: Gemäß Ziffer 4 der Vereinbarung wird lediglich „F.H.“ zur Zahlung verpflichtet. Im Rubrum der Vereinbarung wird „F.H.“ als Rechtsanwalt F. H. definiert. Dies ist der Beklagte zu 2). Dass zuvor mitgeteilt wird, dass der Beklagte zu 2) Partner bei der Beklagten zu 1) sei, dürfte für eine eigenständige vertragliche Verpflichtung der Beklagten zu 1) nicht ausreichend sein.
2. Die Klageanträge Nr. 1-3 haben überdies keinen Erfolg, weil die Kläger gegen die Beklagten keinen Anspruch auf entsprechende Auskunftserteilung und Abrechnung aus Ziffer 5 der Vereinbarung vom 11.06.2016, geändert am 10.05.2017 (Anlage K1), haben. Denn die Auskunft und Abrechnung gemäß Ziffer 5 betrifft die Zahlungspflichten der Parteien gemäß Ziffern 3 und 4 der Vereinbarung. Diese jedoch sind unwirksam.
2.1. Ziffer 3 der Vereinbarung ist gemäß § 134 BGB in Verbindung mit §§ 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO, 4a Abs. 1 RVG unwirksam. Infolgedessen ist gemäß § 139 BGB auch Ziffer 4 der Vereinbarung unwirksam.
2.1.1. Ziffer 3 der Vereinbarung verstößt gegen §§ 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO, 4a Abs. 1 RVG.
Gemäß § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO ist es unzulässig, dass ein Rechtsanwalt ein Erfolgshonorar erhält, soweit das RVG nichts anderes bestimmt. Gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 RVG ist ein solches Erfolgshonorar nur im Einzelfall und nur dann möglich, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde.
Mit dieser Regelung ist Nr. 3 der Vereinbarung (Anlage K1) nicht vereinbar.
Darin verpflichten sich die Kläger, den fünften Teil bzw. – ab 10.05.2017 – 50% eines Erfolgshonorars, das sie von den Klienten einnehmen, an den Beklagten zu 2) zu zahlen. Auch wenn das Erfolgshonorar damit zunächst von den Klägern vereinnahmt werden soll, ist es gemäß Ziff. 3 der Vereinbarung (Anlage K1) zu einem erheblichen Teil an den Beklagten zu 2) weiterzureichen. Anders gewendet: Der Beklagte zu 2) vereinnahmt einen erheblichen Teil eines Erfolgshonorars, das (auch) seine Klienten bezahlen sollen.
Eine Rechtfertigung gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 RVG liegt nicht vor. Es fehlt schon an einer in der Norm vorgeschriebenen Einzelfallbetrachtung (BeckOK RVG/v. Seltmann, RVG, 44. Ed. 2018, § 4a RVG Rn. 4; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 23. Aufl. 2017, § 4a Rn. 5), da Ziffer 3 der Vereinbarung (Anlage K1) pauschal für alle hiervon erfassten Klienten gelten soll. Zudem zeigt Ziffer 4 der Vereinbarung (Anlage K1), dass die Klienten zusätzlich zu dem Erfolgshonorar auch noch die regulären Anwaltsgebühren bezahlen sollen. Es ging also nicht darum, Klienten, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse die regulären Rechtsanwaltskosten scheuten, eine Alternative hierzu zu bieten. Vielmehr sollten die Kosten für sie kumuliert werden.
2.1.2. Ziffer 3 der Vereinbarung (Anlage K1) ist damit nichtig gemäß § 134 BGB.
Die §§ 49b Abs. 2 BRAO, 4a RVG stellen grundsätzlich ein Verbotsgesetz gemäß § 134 BGB dar (OLG München NJW 2012, 2207 unter 1.1.). Es soll verhindert werden, dass der Rechtsanwalt den Ausgang eines Mandats zu seiner eigenen „wirtschaftlichen“ Angelegenheit macht und bei der Führung des Mandats wirtschaftliche Erwägungen den Ausschlag geben (BGH NJW 2009, 3297 Tz. 15; OLG München NJW 2012, 2207 unter 1.1.2.).
Zwar ist eine Erfolgshonorarvereinbarung des Anwalts mit dem Mandanten nach aktueller BGH-Rechtsprechung nicht (mehr) gemäß § 134 BGB nichtig, auch wenn sie gegen §§ 49b Abs. 2 BRAO, 4a RVG verstößt (BGH NJW 2014, 2653; Staudinger/Sack/Seibl, BGB, 2017, § 134 Rn. 220): § 4b RVG stellt insoweit eine verdrängende Sondernorm dar, wonach die Vereinbarung mit dem Rechtsanwalt bis zur gesetzlichen Gebührenhöhe wirksam bleibt (BGH NJW 2014, 2653 Tz. 17).
§ 4b RVG greift vorliegend indes nicht. Die Vergütung in zumindest der gesetzlichen Gebührenhöhe, die die Norm dem Rechtsanwalt im Ergebnis grundsätzlich bewahrt, ergibt sich hier schon aus dem Anwaltsvertrag des Beklagten zu 2) mit seinen Mandanten. Ziffer 3 der Vereinbarung zwischen dem Beklagten zu 2) und den Klägern regelt ein Entgelt, das der Rechtsanwalt darüber hinaus, zusätzlich zu seiner von seinen Mandanten zu zahlenden Vergütung auch noch von den Klägern als Vermittler bzw. Prozessfinanzierer vereinnahmen soll. Dieses Zusatzentgelt wird von § 4b RVG aber gerade nicht geschützt. Der Anspruch hierauf wird nicht von § 4b RVG aufrechterhalten.
Ist damit § 4b RVG für dieses Zusatzentgelt im Verhältnis der Kläger zu den Beklagten nicht einschlägig, vermag die Norm hierfür auch nicht die allgemeine Regelung des § 49b Abs. 2 BRAO zu verdrängen. Es bleibt deshalb bei der dort angeordneten Unzulässigkeitsfolge: Die Vereinbarung zwischen den Vermittlern bzw. Prozessfinanzierern und dem Anwalt, dass von jenen vereinnahmte Erfolgshonorare teilweise an den Anwalt weitergereicht werden sollen, ist gemäß § 134 BGB nichtig (OLG München NJW-RR 2015, 1333 Tz. 34; Staudinger/Sack/Seibl, BGB, 2017, § 134 Rn. 220; auch nach BGH NJW 2014, 2653 Tz. 17 a.E. wäre die gegen § 4a RVG verstoßende Erfolgsvereinbarung ohne die Spezialregelung des § 4b RVG nach § 134 BGB nichtig).
2.1.3. Aus der Unwirksamkeit von Ziffer 3 der Vereinbarung (Anlage K1) folgt gemäß § 139 BGB auch die Unwirksamkeit der Ziffer 4. Denn die beiden Zahlungspflichten stehen, wie vom Landgericht im Ersturteil zutreffend festgestellt wurde, im Gegenseitigkeitsverhältnis, es handelt sich um eine einheitliche, zusammengehörende Vereinbarung. Besteht damit keine Zahlungspflicht des Beklagten zu 2), vermag daraus auch keine Abrechnungs- und Auskunftspflicht nach Ziffer 5 der Vereinbarung zu resultieren.
2.2. Ziffer 4 der Vereinbarung (Anlage K1) ist zudem auch wegen § 49 Abs. 3 Satz 1 BRAO in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam.
§ 49 Abs. 3 Satz 1 BRAO verbietet dem Rechtsanwalt die Abgabe eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen für konkrete Mandate (BGH NJW 2016, 3105 Tz. 19). Entsprechende Vergütungsvereinbarungen sind dem Rechtsanwalt damit untersagt (Staudinger/Sack/Seibl, BGB, 2017, § 134 Rn. 220).
Ziffer 4 der Vereinbarung (Anlage K1) stellt indes eine solch verbotene Einigung dar, indem sich der Beklagte zu 2) als Rechtsanwalt verpflichtet, für die konkret von den Klägern vermittelten Klienten den fünften Teil bzw. – ab 10.05.2017 – 50% der von den Klienten vereinnahmten Gebühren an die Kläger als Vermittler abzugeben.
3. Die Klageanträge Nr. 1-3 sind mithin schon wegen der Unwirksamkeit der entsprechenden Regelungen der Vereinbarung (Anlage K1) unbegründet. Abgesehen davon wären überdies auch die Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage Ziff. 5 der Vereinbarung (Anlage K1) von den Klägern nicht schlüssig vorgetragen worden.
Die Vereinbarung betrifft ausweislich ihrer Ziff. 1 solche Klienten, mit denen die Kläger einen Vertrag geschlossen haben, der die Aufklärung und Recherche hinsichtlich des vorgetragenen Sachverhalts regelt und gegebenenfalls eine Prozessfinanzierung ermöglicht. Gemäß Ziff. 2 der Vereinbarung müssen die Kläger diese Klienten dem Beklagten zu 2) „liefern“.
Dass und wie genau diese Kriterien in Hinblick auf jeden einzelnen der Klienten, die in der in den Klageanträgen eingefügten Kundenliste stehen, erfüllt wären, wurde von der Klagepartei nicht substantiiert dargelegt.
Auch wurde seitens der Klagepartei nicht angegeben, wer genau mit welchem der Klienten den erforderlichen Vertrag geschlossen hatte. Folglich ergibt sich aus dem Klagevortrag nicht, ob für einen etwaigen Anspruch die Klägerin zu 1) und/oder der Kläger zu 2) aktivlegitimiert wäre.
Schließlich bleibt unklar, wann die einzelnen Klienten vermittelt wurden. Folglich kann nicht entschieden werden, ob die Vergütungsvereinbarung in ihrer ursprünglichen Fassung oder in der im Mai 2017 geänderten Variante heranzuziehen wäre.
4. Auch der Klageantrag Nr. 4 ist nicht begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Auskunftserteilung über erhaltene Fremdgelder sowie Rückerstattung von Gerichtskosten und sonstigen Kosten, die die Beklagten im Wege der Bearbeitung der Mandate der Kundenliste erhalten haben.
Die Kläger tragen insoweit vor, dass sie im Rahmen ihrer Prozessfinanzierungen nahezu etwa 100.000 € an Gerichtskosten verauslagt hätten; infolge von Klagerücknahmen in den betreffenden Verfahren waren 2/3 dieser Gerichtskosten an die Beklagtenpartei zurückzuerstatten (Berufungsbegründung S. 5, Bl. 71 der Akte).
Daraus erwächst kein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagten. Auch wenn die Kläger für die betreffenden Klienten die Finanzierung des Prozesses übernommen hatten, bestand das jeweilige Mandatsverhältnis zwischen dem Beklagten zu 2) und dem jeweiligen Klienten. Dieser ist mithin rechtlich gesehen der Auftraggeber der Beklagten. Daher müsste der Beklagte zu 2) ggf. den Klienten gemäß § 667 BGB etwaig aus dem Auftrag erlangte Rückzahlungen erstatten. Die Klienten müssen sodann ggf. – je nach Inhalt ihres Finanzierungsvertrages mit den Klägern – diese Zahlung an die Kläger erstatten. Ein Direktanspruch der Kläger gegen den Beklagten zu 2) ist insoweit nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
5. Weil die Auskunftsansprüche nicht bestehen, ist auch dem Antrag auf eidesstattliche Versicherung nicht stattzugeben. Aus dem oben Gesagten ergibt sich des weiteren, dass auch die Zahlungsansprüche (Anträge Nr. 6 und 7) nicht bestehen.
6. Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe.


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