Arbeitsrecht

Erhebung von Verwaltungskosten im Rahmen eines Notarztdienstes

Aktenzeichen  S 38 KA 379/15

Datum:
1.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V SGB V § 75 Abs. 1b S. 1, § 81 Abs. 2 Nr. 5, § 95 Abs. 3 S. 1
BayRDG BayRDG Art. 35 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 2
SGB X SGB X § 25 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Kostenregelung in Art. 35 Abs. 3 S. 2 BayRDG ist nicht abschließend. Während die allgemeinen Verwaltungskosten von § 24 Satzung der KVB erfasst sind, beziehen sich die sonstigen Kosten iSd Art. 35 Abs. 3 S. 2 BayRDG auf Organisationskosten. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klagen werden abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren.
III.
Die Notwendigkeit der Beiziehung eines Rechtsanwalts in den Vor-verfahren wird festgestellt.
IV.
Die Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Gründe

Die zum Sozialgericht München erhobene Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Der Kläger ist nicht in seinen Rechten verletzt. Die vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen (Absetzungen in Höhe von 2,5% Verwaltungskosten auch bei den Leistungen, die vom Kläger im Rahmen des Notarztdienstes in den Quartalen 4/12 und 1/13 erbracht wurden) sind rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für den Abzug von Verwaltungskosten ist § 81 Absatz 1 Ziffer 5 SGB V in Verbindung mit § 24 der Satzung der Beklagten. Danach (§ 81 Abs. 1 Ziff. 5 SGB V) muss die Satzung auch Bestimmungen über die Aufbringung und Verwaltung der Mittel enthalten. In § 24 Abs. 1 der Satzung ist daher geregelt, dass die KVB zur Durchführung ihrer Aufgaben von den Mitgliedern Beiträge (Verwaltungskostenanteile) nach einem Vomhundertsatz der Vergütung aus der vertragsärztlichen Tätigkeit oder nach einem festen Betrag oder nach einem System, das sich aus einer Verbindung dieser Bemessungsarten ergibt, erhebt. Der Kläger ist als Facharzt für Psychosomatik zugelassen. Die Zulassung bewirkt, dass er Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird (§ 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Somit ist die KVB grundsätzlich berechtigt, vom Kläger als Mitglied zur Durchführung ihrer Aufgaben Beiträge zu verlangen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 17.08.2011, Az. B 6 KA 2/11 R) können Vertragsärzte für die gesamten, über eine KVB abgerechneten Umsätze aus vertragsärztlicher Tätigkeit herangezogen werden. Dies betrifft auch Umsätze aus Sachkosten. Die Abrechnung der Leistungen aus dem Notarztdienst erfolgt über die KVB (Art. 35 Abs. 4 Satz 2 BayRDG). Fraglich ist, ob es sich um Umsätze aus vertragsärztlicher Tätigkeit handelt. Grundsätzlich gehört die notärztliche Versorgung nicht dazu, wie sich aus § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB V (a. F.) bzw. aus § 75 Abs. 1b Satz 1 SGB V (Fassung vom 16.07.2015, BGBl I S. 1211) ergibt. Allerdings kann das Landesrecht etwas anderes bestimmen. Nach Art. 14 Abs. 1 BayRDG ist die Be-handlung von Notfallpatienten auch Gegenstand der vertragsärztlichen Versor-gung und von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns sicherzustellen. Somit handelt es sich auch bei der Vergütung aus dem Notarztdienst um einen Umsatz aus vertragsärztlicher Tätigkeit. Gegen die Erhebung von Verwaltungskosten spricht auch nicht Art. 35 BayRDG, insbesondere nicht Art. 35 Abs. 3 BayRDG. Danach werden für die Mitwirkung von Notärzten und leitenden Notärzten in der Notfallrettung Benutzungsentgelte erhoben, die zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns und den Sozialversicherungsträgern vereinbart werden (Benutzungsentgeltvereinbarung). Zum Benutzungsentgelt gehören die Vergütungen für Leistungen der Notärzte, aber auch „sonstige Kosten, die bei der KVB für die Mitwirkung von Ärzten in der Notfallrettung entstehen“ (Art. 35 Abs. 3 S. 2 BayRDG). Nach Auffassung des Gerichts ist die Kostenregelung in Art. 35 Abs. 3 S. 2 BayRDG nicht abschließend, wie die Klägerseite meint. Es handelt sich nicht um einen doppelten Ansatz der Verwaltungskosten, einmal über die Sozialversicherungsträger, zum andern über die Notärzte. Bei den Kosten ist nämlich zu differenzieren zwischen den allgemeinen Verwaltungskosten und den Organisationskosten. Während die allgemeinen Verwaltungskosten von § 24 der Satzung der Beklagten erfasst sind, beziehen sich die sonstigen Kosten i. S. d. Art. 35 Abs. 3 S. 2 BayRDG auf Organisationskosten. Dafür spricht bereits der Wortlaut von Art. 35 Abs. 3 Satz 2 BayRDG, wonach im Rahmen der Entgeltvereinbarung sonstige Kosten zu regeln sind, die für die Mitwirkung von Ärzten der Notfallrettung entstehen. Dies bedeutet, diese sonstigen Kosten stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Notfallrettung. So werden diese Beiträge auch für die Schaffung von Personalstellen herangezogen. Für die Differenzierung spricht ferner die Gesetzesbegründung zum BayRDG (Bayeri-scher Landtag, Drucksache 15/10391), worauf die Beklagte zutreffend hinweist. In der Einzelbegründung zu Art. 35 wird betont, dass sich die Benutzungsentgelte aus den Vergütungen für den Bereitschaftsdienst und für die Sicherstellung des Notarztdienstes entstehenden „sonstigen Organisationskosten, zum Beispiel Fahrtkosten, Unterbringungskosten, Kosten der Mitwirkung von Krankenhäusern“ zusammensetzen. Zu erwägen wäre, ob in die Entgelte auch allgemeine Verwaltungskosten der Beklagten hätten mit aufgenommen werden müssen. Dies ergibt sich aber aus Art. 35 BayRDG nicht zwingend. Ob die Vereinbarungspartner die Möglichkeit gehabt hätten, die allgemeinen Verwaltungskosten der Beklagten im Rahmen der Entgelte zu berücksichtigen, ist eine Frage akademischer Natur und bedarf hier keiner weiteren Auseinandersetzung. Fest steht vielmehr, dass für die Beklagte auch keine Veranlassung bestand, die Aufnahme von allgemeinen Verwaltungskosten in die Entgeltvereinbarung zu fordern, da diese bereits über § 24 der Satzung erhoben werden. Soweit die Klägerseite geltend machte, sie beantrage Akteneinsicht in die Benutzungsentgeltvereinbarung, ergibt sich dieses Akteneinsichtsrecht nicht aus § 25 Abs. 1 SGB X. Denn diese Vorschrift bezieht sich nur auf „die Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten“, nicht aber auf die Einsicht in die Benutzungsentgeltvereinbarung. Schließlich ist auch die Höhe der Verwaltungskosten von 2,5% rechtlich nicht zu beanstanden. Erforderlich ist, dass der Prozentsatz angemessen ist und nicht gegen verfassungsrechtliche Maßstäbe, insbesondere gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen wird (vgl. BSG, Urteil vom 17.08.2011, Az. B 6 KA 2/11 R). Ein solcher Verstoß ist nicht festzustellen. Es trifft zu, dass die Vorteile, die den Vertragsärzten aus ihrer Mitgliedschaft in der KÄV und aus der Inanspruchnahme der Verwaltungstätigkeit erwachsen können, unterschiedlicher Art und unterschiedlichen Umfangs sind. Beispielsweise wird ein Vertragsarzt für seine primäre vertragsärztliche Tätigkeit ein breiteres Spektrum an von der Beklagten zu erbringenden Dienstleistungen abrufen können als für die Notarzt-Tätigkeit. Der Bemessung der allgemeinen Verwaltungskosten am Umfang der Vorteile steht jedoch entgegen, dass die Beklagte nicht zuletzt aus Praktikabilitätserwägungen heraus und, um die allgemeinen Verwaltungskosten möglichst gering zu halten, berechtigt ist, zu generalisieren, zu pauschalieren und zu typisieren. Erst bei einem wesentlich höheren Prozentsatz als 2,5% könnte die Angemessenheit in Frage gestellt werden. Aus den genannten Gründen war zu entscheiden, wie geschehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 VwGO. Nach Auffassung des Gerichts war die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Denn vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei durfte die Zuziehung eines Bevollmächtigten schon im Vorverfahren für erforderlich gehalten werden (vgl. Kopp/Schenke, Komment. zur VwGO Rn. 18 zu § 162). Die Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht war gemäß § 144 Abs. 2 Ziff. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.


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