Aktenzeichen W 8 M 17.31825
RVG RVG § 30 Abs. 1, Abs. 2, § 33 Abs. 1, Abs. 2
Leitsatz
Der Gegenstandswert ist für eine Untätigkeitsklage in Form der Bescheidungsklage mit dem üblichen Gegenstandswert von 5.000,00 EUR gem. § 30 Abs. 1 RVG zu bewerten, da eine Korrektur nach unten nur für besonders einfach gelagerte bzw. für die Betroffenen weniger bedeutsame Verfahren erfolgen soll. (Rn. 15 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag der Beklagten, den Gegenstandswert mit der Hälfte des Regelstreitwerts nach § 30 Abs. 1 RVG festzusetzen, wird abgelehnt.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Beklagte (Erinnerungsführerin und Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens) wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 12. April 2017.
Die Klägerin hatte im Verfahren W 6 K 16.30245 Untätigkeitsklage erhoben und beantragt, die Beklagte zu verpflichten, innerhalb einer Frist von drei Monaten über den Asylantrag zu entscheiden. Nach Abhilfe der Beklagten durch Erlass eines Bescheides wurde das Verfahren aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärung eingestellt. Die Beklagte wurde zur Tragung der Kosten verpflichtet.
Mit Schriftsatz vom 27. März 2017 beantragte der Klägerbevollmächtigte ausgehend von einem Gegenstandswert von 5.000,00 EUR gemäß § 30 RVG die Kostenfestsetzung.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. April 2017 setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Würzburg gemäß § 164 VwGO die außergerichtlichen Aufwendungen der Klägerin antragsgemäß auf 492,54 EUR fest.
Mit Schriftsatz vom 21. April 2017 beantragte die Beklagte gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss die Entscheidung des Gerichts.
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, der nach § 30 Abs. 1 RVG mit 5.000,00 EUR angesetzte Gegenstandswert erscheine nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig, weshalb er zu reduzieren sei (§ 30 Abs. 2 RVG). Der Streitgegenstand der hier vorliegenden Untätigkeitsklage habe einen wesentlich geringeren Umfang gehabt als ein übliches Asylverfahren, somit sei der Gegenstandswert entsprechend angemessen zu reduzieren. Die Klageschrift habe lediglich auf die Fortführung des Asylverfahrens gezielt; darüber hinausgehende Klagebegehren seien nicht vorgetragen worden. Aus den vorgenannten Gründen sei der Gegenstandswert auf 2.500,00 EUR festzusetzen. Die Beklagte beantrage hiermit die Gegenstandswertfestsetzung auf 2.500,00 EUR gemäß § 30 Abs. 2 RVG.
Die Urkundsbeamtin half der Erinnerung nicht ab und legte sie dem Gericht mit Datum 26. April 2017 vor. Zur Begründung führte sie aus: Gemäß § 30 Abs. 1 1. HS RVG betrage der Gegenstandswert in Klageverfahren nach dem Asylgesetz grundsätzlich 5.000,00 EUR. Da das Gericht keine anderen Werte im Sinne des § 30 Abs. 2 RVG festgesetzt habe, sei die Verfahrensgebühr dem Bevollmächtigten der Klägerin antragsgemäß aus dem Gegenstandswert in Höhe von 5.000,00 EUR festzusetzen gewesen.
Den Beteiligten wurde mit Schreiben des Gerichts vom 8. Mai 2017 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie auf die Akte des Ausgangsverfahrens W 6 K 16.30245 und die Behördenakten der Beklagten Bezug genommen.
II.
Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde. Bei einer Entscheidung durch den Einzelrichter ist dieser auch im Erinnerungsverfahren zuständig.
Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 12. April 2017 erhobene Erinnerung ist nach § 165, § 151 VwGO zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist mit Blick auf die allein relevanten kostenrechtlichen Fragen nicht zu beanstanden. Der Kostenfestsetzungsbeschluss wurde von der Beklagten lediglich mit dem Argument angegriffen, der zugrundeliegende Gegenstandswert sei zu hoch. Mit diesem Einwand kann die Beklagte jedoch im Erinnerungsverfahren nicht gehört werden, da Gegenstand der Erinnerung nur der Kostenansatz und eine mögliche Verletzung des Kostenrechts ist (vgl. BayLSG, B.v. 6.10.2014 – L 15 SF 254/14 E – juris). Nach § 3 Abs. 1 GKG richten sich die Gebühren nach dem Wert des Streitgegenstandes bzw. hier nach dem Gegenstandswert. Der Gegenstandswert selbst ist inhaltlich nicht Gegenstand des Erinnerungsverfahrens (vgl. auch BGH, B.v. 20.3.2014 – IX ZB 288/11 – NJW-RR 2014, 765). Im Erinnerungsverfahren wird lediglich überprüft, ob der Kostenbeamte ausgehend von einem zuvor vom Gericht festgesetzten Gegenstandswert die richtigen Beträge ermittelt hat und bestimmte Gebühren angefallen sind. Dabei ist der Kostenbeamte an eine entsprechende gerichtliche Festsetzung gebunden. Im Regelfall kann der Kostenbeamte in Asylstreitigkeiten den sich aus § 30 Abs. 1 RVG ergebenden Gegenstandswert berücksichtigen, solange keiner der Beteiligten gemäß § 33 RVG einen Antrag auf anderweitige Festsetzung stellt und das Gericht keinen anderen Gegenstandswert festsetzt (vgl. Jendrusch, Gebührenansprüche des Rechtsanwalts in asylrechtlichen Streitigkeiten, NVwZ 2017, 516 ff.).
III.
Der weiter gestellte Antrag der Beklagten, den Gegenstandswert mit der Hälfte des Regelstreitwerts nach § 30 Abs. 1 RVG festzusetzen (§ 30 Abs. 2 RVG), ist zulässig, aber unbegründet.
Das Gericht, hier der Einzelrichter, setzt auf Antrag – hier durch die erstattungspflichtige Beklagte – gemäß § 33 Abs. 1 und 2 RVG den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit (Gegenstandswert) durch Beschluss fest.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Gegenstandswert jedoch nicht abweichend von § 30 Abs. 1 RVG gemäß § 30 Abs. 2 RVG auf 2.500,00 EUR zu reduzieren. Der Einzelrichter hält nach seiner ständigen Rechtsprechung auch in der vorliegenden Konstellation der Untätigkeitsklage im Ausgangsverfahren mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, innerhalb von drei Monaten über den Asylantrag zu entscheiden, den üblichen Gegenstandswert von 5.000,00 EUR gemäß § 30 Abs. 1 RVG für sachangemessen, da es um eine Streitigkeit nach dem Asylgesetz geht und das Klageziel auch bei der Untätigkeitsklage dahin geht, letztlich einen positiven Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zu erhalten bzw. alsbald im Anschluss an eine ablehnende Entscheidung ein entsprechendes Urteil erstreiten zu können. Außerdem ist vorliegend eine Unbilligkeit des üblichen Gegenstandswertes auch deshalb nicht ersichtlich, weil es sich bei der Untätigkeitsklage um einen vom Gesetzgeber geregelten Verfahrensablauf handelt (vgl. § 75 VwGO, § 161 Abs. 3 VwGO) und damit nicht um einen besonderen Umstand des Einzelfalles im Sinne des § 30 Abs. 2 RVG.
Denn das Asylgesetz geht grundsätzlich von einer Gleichbehandlung aller Streitigkeiten aus. § 30 RVG soll gerade zu einer Vereinfachung beitragen. Eine Korrektur des Gegenstandswertes soll nur ausnahmsweise erfolgen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen. Insbesondere soll eine Korrektur nach unten für besonders einfach gelagerte bzw. für die Betroffenen weniger bedeutsame Verfahren erfolgen. Die Untätigkeitsklage in Form der Bescheidungsklage stellt aber gerade auch im Asylrecht keinen Einzelfall dar, wie eine Vielzahl derartiger Verfahren gezeigt hat. Bei der Bescheidungsklage handelt es sich um ein gesetzlich zugelassenes Mittel zur Durchsetzung des Rechts auf Bescheidung und nicht um einen abweichend zu beurteilenden Einzelfall. Gerade angesichts der Bedeutung der Entscheidung über den Asylantrag für den asylsuchenden Antragsteller (hier die Klägerin) und angesichts der Bedeutung der Erlangung baldiger Gewissheit über den Ausgang des Asylverfahrens für den Betreffenden rechtfertigt sich keine Ausnahme. Eine baldige Entscheidung über seinen Asylantrag ist vielmehr für den Betreffenden von wesentlicher Bedeutung (vgl. nur VG Lüneburg, B.v. 11.7.2017 – 5 A 26/17 – juris; VG Stuttgart, B.v. 10.3.2017 – A 9 K 5939/16 – juris; VG Gelsenkirchen, B.v. 6.12.2016 – 14a K 5393/16.A – juris; B.v. 18.6.2015 – 7a K 5867/13.A – juris; OVG Berlin-Bbg, B.v. 26.7.2016 – OVG 3 K 40.16 – NVwZ-RR 2017, 73; jeweils m.w.N. – auch zur Gegenmeinung).
Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Rechtsstreit, bei dem es nur um die Zwischennachricht ging, bis wann mit einer Entscheidung über den Asylantrag zu rechnen sei (§ 24 Abs. 4 AsylG), ausdrücklich entschieden, dass Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG nicht vorliegen (BVerwG, B.v. 16.3.2016 – 1 B 19/16, 1 PKH 55/16 – AuAS 2016, 119). Das Gericht hält die Bedeutung der Sache für die Klägerin in der hier gegebenen Konstellation für nicht geringer.
IV.
Nach alledem ist der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin nicht zu beanstanden, so dass die Erinnerung zurückzuweisen. Auch der weiter gehende Antrag auf Reduzierung des Gegenstandswerts war abzulehnen.
Die Kostenentscheidung des Erinnerungsverfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG). Auch die Festsetzung des Gegenstandswerts des Erinnerungsverfahren nach § 33 RVG hat nicht von Amts wegen zu erfolgen (vgl. Schneider, Keine Bindungswirkung sinnloser Wertfestsetzungen, NJW Spezial 2012, 603).
Hinsichtlich der Gegenstandswertfestsetzung für das Asylverfahren bedurfte es vorliegend keiner Kostenentscheidung, da das Verfahren gemäß § 33 Abs. 9 RVG gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden.