Arbeitsrecht

Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, Entscheidung des Vorsitzenden bzw. Berichterstatters, Kostenentscheidung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands

Aktenzeichen  13 A 21.2286

Datum:
14.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 33596
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FlurbG § 138 Abs. 1 S. 2
FlurbG § 139 Abs. 1 S. 2
FlurbG § 147 Abs. 3
VwGO § 87a Abs. 1 Nr. 3 u. 5, Abs. 3, 161 Abs. 2 u. 3

 

Leitsatz

Auch im Flurbereinigungsprozess ist im vorbereitenden Verfahren für die Entscheidung über die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen und die Kosten nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO gemäß § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 87a Abs. 1 Nr. 3 und 5, Abs. 3 VwGO der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter zuständig.

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 1) und der Beklagte je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) hat der Beklagte zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten hat die Klägerin zu 1) die Hälfte zu tragen. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Gerichtsgebühren fallen nicht an. Ein Pauschsatz für die baren Auslagen des Gerichts wird nicht erhoben.

Gründe

Die Kläger sind Teilnehmer des am 17. Mai 1978 nach §§ 1, 4, 37 FlurbG von der damaligen Flurbereinigungsdirektion W. angeordneten Flurbereinigungsverfahrens P. Nachdem über ihren Widerspruch gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung nicht entschieden worden war, erhoben sie am 16. Dezember 2016 Untätigkeitsklage. Diese wurde zunächst unter dem Aktenzeichen 13 A 16.2547 und wird nunmehr unter dem Aktenzeichen 13 A 21.2286 geführt.
Am 31. August 2021 haben die Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte das Widerspruchsverfahren mit Bescheid vom 19. Dezember 2019 eingestellt hatte. Mit Schreiben vom 7. September 2021, zugestellt am 9. September 2021, stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dem Beklagten den die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatz unter Hinweis darauf zu, dass der Rechtstreit in der Hauptsache erledigt sei, wenn dieser der Erledigungserklärung nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des Schriftsatzes widerspreche (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 161 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Der Beklagte widersprach der Erledigungserklärung nicht.
1. Für die vorliegende Entscheidung im vorbereitenden Verfahren über die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen und die Kosten nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gemäß § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 87a Abs. 1 Nr. 3 und 5, Abs. 3 VwGO der Berichterstatter zuständig.
Nicht entgegen steht diesem Ergebnis die Regelung in § 139 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, wonach das Flurbereinigungsgericht in der Besetzung von zwei Richtern und drei ehrenamtlichen Richtern verhandelt und entscheidet, von denen nach § 139 Abs. 2 Satz 2 FlurbG ein ehrenamtlicher Richter zum höheren Dienst der Flurbereinigungsbehörden befähigt sein muss und mindestens drei Jahre in Flurbereinigungsangelegenheiten tätig gewesen sein soll. Diese Vorschrift ist hinsichtlich der Besetzung eine Spezialregelung zu § 9 Abs. 3 VwGO (BVerwG, B.v. 3.8.2021 – 9 B 48.20 – juris Rn. 20 m.w.N.; B.v. 3.8.2021 – 9 B 49.20 – juris Rn. 24 m.w.N.).
Nicht von § 139 Abs. 1 Satz 2 FlurbG verdrängt wird hingegen die Regelung in § 87a VwGO, wonach für die dort genannten Entscheidungen, wenn diese im vorbereitenden Verfahren ergehen, der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter zuständig ist: Im allgemeinen Prozessrecht gilt § 87a VwGO als Spezialregelung neben § 9 Abs. 3 VwGO. Die Vorschrift des § 139 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist Spezialregelung (nur) zu § 9 Abs. 3 VwGO und verdrängt deshalb nur diese. Daneben bleibt § 87a VwGO als Spezialregelung für die dort genannten Entscheidungen über § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG auch im Flurbereinigungsprozess anwendbar.
Dem steht – auch für die Entscheidung über die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen und die Kosten nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO – Sinn und Zweck der speziellen Besetzungsvorgaben in § 139 Abs. 1 Satz 2 FlurbG nicht entgegen: Die besondere Besetzung des Flurbereinigungsgerichts dient der sachgerechten Würdigung der im Rahmen der Flurbereinigung zu beurteilenden besonderen Sachverhalte (BVerwG, B.v. 3.8.2021 – 9 B 48.20 – juris Rn. 19 m.w.N.; B.v. 3.8.2021 – 9 B 49.20 – juris Rn. 23 m.w.N.). Hieraus ist aber nicht zu folgern, dass auch die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren über die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen und die Kosten nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der in § 139 Abs. 1 Satz 2 FlurbG vorgesehenen „vollen Besetzung“ zu ergehen hat. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gericht bei einer Einstellung des Verfahrens nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen weder den Sachverhalt weiter aufzuklären, noch eine eingehende Prüfung der Erfolgsaussichten vorzunehmen hat (vgl. dazu: Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 161 Rn. 15 ff. m.w.N.). Dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab streitet gegen die Annahme, Sinn und Zweck des § 139 Abs. 1 Satz 2 FlurbG forderten, dass auch diese Entscheidung in „voller Besetzung“ zu treffen sei. Vielmehr ist es sachgerecht, wenn der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter entscheidet, der als Mitglied des Flurbereinigungsgerichts über hinreichenden Sachverstand verfügt, um den bisherigen Sach- und Streitstand sachgerecht würdigen zu können (im Ergebnis letztlich offenlassend, jedoch erwägend, ob sämtliche Entscheidungen des Flurbereinigungsgerichts grundsätzlich in voller Besetzung ergehen müssen, wobei für die verschiedenen Entscheidungen im Katalog des § 87a Abs. 1 VwGO unterschiedliche Besetzungen angedacht werden und für „bloße Formalentscheidungen“ wie Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahmen eine Ausnahme von der „vollen Besetzung“ angedacht wird: BVerwG, B.v. 3.8.2021 – 9 B 48.20 – juris Rn. 22; B.v. 3.8.2021 – 9 B 49.20 – juris Rn. 26 m.w.N.).
2. Die Einstellung des Verfahrens beruht auf § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 92 Abs. 3 VwGO analog.
3. a) Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Maßgeblich sind die Erfolgsaussichten der Klage, aber auch, wer den Anlass für die Erledigung gegeben hat. Das Gericht hat dabei – wie ausgeführt – weder den Sachverhalt weiter aufzuklären, noch eine eingehende Prüfung der Erfolgsaussichten vorzunehmen (Schübel-Pfister in Eyermann, a.a.O., § 161 Rn. 15 ff. m.w.N.).
Vorliegend war Anlass für die Erledigungserklärung der Kläger, welcher der Beklagte nicht widersprochen hat (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 161 Abs. 2 Satz 2 VwGO), dass das ihrer Untätigkeitsklage gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung zugrundeliegende Widerspruchsverfahren durch Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2019 eingestellt worden war. Diese Einstellung des Widerspruchsverfahrens beruhte wiederum hinsichtlich der Klägerin zu 1) darauf, dass diese ihren Widerspruch zurückgenommen hatte. In Bezug auf den Kläger zu 2) war das Widerspruchsverfahren hingegen aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen eingestellt worden, nachdem der Beklagte mit Beschluss vom 14. August 2018 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 63 Abs. 1 FlurbG die vorzeitige Ausführung des Flurbereinigungsplans mit Wirkung zum 1. Oktober 2018 verfügt hatte (vgl. zu diesem Sachverhalt im Einzelnen das den Beteiligten bekannte Urteil des BayVGH v. 15. Juli 2021 – 13 A 20.133 – juris Rn. 13 ff.).
Bei diesem Sachverhalt entspricht es billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 2) dem Beklagten aufzuerlegen. Zur näheren Begründung wird insoweit auf das den Beteiligten bekannte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (v. 15.7.2021 – 13 A 20.133 – juris Rn. 29 ff.) verwiesen. Hinsichtlich der Kosten der vorliegenden Untätigkeitsklage des Klägers zu 2) gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung gelten die dortigen Erwägungen bezüglich der Kosten des Widerspruchs des Klägers zu 2) gegen diese zweite Änderung entsprechend. Danach hat der Beklagte die Erledigung durch die Anordnung der vorzeitigen Ausführung des Flurbereinigungsplans herbeigeführt und besteht hinsichtlich der Erfolgsaussichten eine deutliche Tendenz zugunsten des Klägers zu 2). Dass die Untätigkeitsklage des Klägers zu 2) unzulässig gewesen wäre (vgl. § 142 Abs. 2 FlurbG), kann unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes – das heißt insbesondere ohne weitere Sachverhaltsaufklärung – nicht festgestellt werden.
Hingegen entspricht es hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) billigem Ermessen, dass diese ihre Kosten selbst trägt. Die zur Erledigung der vorliegenden Untätigkeitsklage führende Einstellung des Widerspruchsverfahrens durch Bescheid vom 19. Dezember 2019 wurde in Bezug auf die Klägerin zu 1) durch diese selbst veranlasst: Sie hatte ihren Widerspruch gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung zurückgenommen.
Im Hinblick darauf, dass unterschiedliches Obsiegen/Unterliegen der Kläger zu 1) und 2) vorliegt, ist bei der einheitlich zu treffenden Kostenentscheidung die allgemein anerkannte Baumbachsche Formel anzuwenden (vgl. Olbertz in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Februar 2021, § 159 Rn. 5 ff.). Hieraus ergibt sich für die – hier letztlich nicht anfallenden (s. sogleich c) – Gerichtskosten, dass die Klägerin zu 1) und der Beklagte diese jeweils zur Hälfte zu tragen haben, sowie für die außergerichtlichen Kosten des Beklagten, dass diese die Klägerin zu 1) zur Hälfte und im Übrigen der Beklagte selbst zu tragen hat.
b) Dem gefundenen Ergebnis steht nicht entgegen, dass gemäß § 161 Abs. 3 VwGO die Kosten in den Fällen des § 75 VwGO stets dem Beklagten zur Last fallen, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift im Flurbereinigungsprozess überhaupt anwendbar ist, da § 75 VwGO von § 142 Abs. 2 FlurbG verdrängt werden dürfte (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 142 vor Rn. 1). Jedenfalls ist der Anwendungsbereich des § 161 Abs. 3 VwGO nicht eröffnet, da auch inhaltlich kein „Fall des § 75 VwGO“ gegeben ist (vgl. dazu Schübel-Pfister in Eyermann, a.a.O., § 161 Rn. 20 ff. m.w.N.; Clausing in Schoch/Schneider, a.a.O., § 161 Rn. 40 m.w.N.): Dem Widerspruch wurde nicht im Sinne des § 75 Satz 4 VwGO stattgegeben. Es ist auch keine ablehnende Entscheidung über den Widerspruch ergangen. Vielmehr wurde das Widerspruchsverfahren ohne Sachentscheidung eingestellt.
c) Gerichtsgebühren fallen gemäß § 147 Abs. 3 Satz 2 FlurbG nicht an. Es wird davon abgesehen, für die baren Auslagen des Gerichts einen Pauschsatz festzusetzen (§ 147 Abs. 1 und Abs. 3 FlurbG).
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 2 analog, § 152 Abs. 1 VwGO).


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