Arbeitsrecht

Erstattungsfähigkeit von Übernachtungskosten bei Berücksichtigung von Pufferzeiten neben der Fahrzeit

Aktenzeichen  34 O 1272/16

Datum:
29.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 5795
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 91
RVG VV 7006

 

Leitsatz

1. Übernachtungskosten nach VV 7006 RVG sind regelmäßig zu erstatten, wenn die Übernachtung zweckmäßig ist oder wenn Hin- und Rückreise am selben Tag nicht möglich oder nicht zumutbar sind, was dann anzunehmen ist, wenn Hin- und Rückreise nicht im Zeitfenster von 6 Uhr bis 21 Uhr erfolgen können. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dabei sind neben der reinen Fahrzeit auch Pufferzeiten zu berücksichtigen, um unvorhergesehene Verzögerungen ausgleichen zu können, wie etwa bei Verkehrsstaus, Parkplatzsuche oder Zugang vom Parkplatz zum Gerichtsgebäude. (Rn. 8 und 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

34 O 1272/16 2019-11-27 Berichtigungsbeschluss LGMEMMINGEN LG Memmingen

Tenor

Die von der Klagepartei an den Streithelfer … gem. § 104 ZPO nach dem rechtskräftigen Endurteil des Landgerichts Memmingen vom 26.09.2019 i.V.m. dem Beschluss vom 27.11.2019 zu erstattenden Kosten werden auf 1.924,53 € (in Worten: eintausendneunhundertvierundzwanzig 53/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB hieraus seit 04.10.2019 festgesetzt.

Gründe

Die gem. Kostenfestsetzungsantrag vom 02.10.2019 in Ansatz gebrachten Anwaltskosten sind nach Art und Höhe gebührenrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Kosten sind notwendigerweise entstanden und daher von der Gegenseite zu erstatten.
Die Endsumme der Kostenpositionen beträgt entgegen des Antrags rechnerisch richtig jedoch nur 1.924,53 €.
Insbesondere sind die Hotelkosten anlässlich des Gerichtstermins am 05.09.2019 zu erstatten.
Übernachtungskosten nach Nr. 7006 VV RVG sind zu erstatten, wenn diese angemessen sind. Dies ist regelmäßig dann gegeben, wenn die Übernachtung zweckmäßig, oder aber, wenn Hin- und Rückreise am selben Tag nicht möglich oder nicht zumutbar sind. Die herrschende Rechtssprechung nimmt dies in Anlehnung an § 758a Abs. IV ZPO dann an, wenn die Hin- und Rückreise nicht im Zeitfenster von 6.00 Uhr bis 21.00 Uhr erfolgen können (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 7. Auflage 2018, Rn. 3 zu Nr. 7006 VV RVG; Gerold/Schmidt, 22. Aufl., Rdnr. 71-73 zu Nr. 7003-7006 VV RVG).
Dem Prozeßbevollmächtigten des Streithelfers ist vorliegend zur Wahrung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht in Form des rechtzeitigen Erscheinens zum Gerichtstermin am 05.09.2019 um 10.00 Uhr zuzugestehen, die Anreise bereits am Vortag angetreten zu haben, weshalb in Folge dessen eine Übernachtung erforderlich wurde.
Hätte der Prozeßbevollmächtigte des Streithelfers die Hinreise zum Termin erst am 05.09.2019 angetreten, hätte die Abfahrt bei sorgfältiger Planung der Anreisezeit bereits vor 6.00 Uhr erfolgen müssen um zum terminierten Beginn um 10.00 Uhr anwesend zu sein, mithin zu einem Zeitpunkt, für welchen eine Übernachtung als angemessen zu betrachten ist.
Neben der reinen Fahrtzeit, welche nach dem Routenplaner google.maps vom Sitz der Kanzlei zum Gericht ca. 3 Stunden und 10 Minuten beträgt, wäre eine weitere Pufferzeit vorzuhalten gewesen, um mögliche unvorhergesehene Verzögerungen auszugleichen, welche durch die gegenwärtigen Baumaßnahmen auf der Autobahn A8 zwischen Stuttgart und Ulm jederzeit auftreten können. Ferner ist hierbei zu berücksichtigen, dass bei einer Anreise zum Gericht in der Frühe des Terminstags am 05.09.2019 auch möglichen Verzögerungen durch den Berufsverkehr um Karlsruhe und Stuttgart herum Sorge zu tragen gewesen wäre. Eine Pufferzeit zur reinen Fahrtzeit hinzu von etwa 45 Minuten wäre nach den genannten Unwägbarkeiten in Bezug auf den Verkehrsfluß, aber auch in Anbetracht der Länge der Fahrtstrecke von 250 km sicher einzuplanen gewesen.
Es ergibt sich somit bereits im Hinblick auf die Fahrtzeit neben der Pufferzeit hierfür eine Zeitspanne von knapp 4 Stunden.
Ausgehend vom Terminsbeginn um 10.00 Uhr ergibt sich, dass die Abfahrt um etwa 6.00 Uhr hätte begonnen werden müssen. Ferner wären überdies Zeiten für die Parkplatzsuche nach Ankunft am Gerichtsort, sowie für den Zugang vom Parkplatz zum Gerichtsgebäude einzuplanen gewesen, so dass in jedem Fall die Abreise – wenn auch nur knapp – vor 6.00 Uhr hätte begonnen werden müssen.
Soweit die Klagepartei ausführt, dass die Reise zum Gerichtstemin am 05.09.2019 auch – zur Vermeidung einer Übernachtung – mit der Bahn hätte erfolgen können, kann dem nicht gefolgt weden. Wie im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens dargelegt, wäre die Ankunft am Bahnhof in Memmingen bei einer Abfahrt um 6.43 Uhr um 9.55 Uhr erfolgt. Das Gerichtsgebäude liegt fußläufig nur etwa 5 Minuten vom Bahnhof entfernt und hätte ggf. – die planmäßige Ankunft vorausgesetzt – gerade noch rechtzeitig bis zum Terminsbeginn um 10.00 Uhr erreicht werden können. Einer sorgfältigen Planung des rechtzeitigen Erscheinens zum Terminsbeginn hätte dies jedoch in Anbetracht eines Puffers von 5 Minuten, selbst bei vorausgesetzt pünktlicher Ankunft des Zuges, bis zum Beginn des Gerichtstermins widersprochen.
Eine frühere Ankunft am Bahnhof des Gerichtsorts wiederum hätte eine Abreise vor 6.00 Uhr bedingt und daher ebenfalls eine Übernachtung gerechtfertigt.
Die Verzinsung ist gem. § 104 Abs. I ZPO ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrags bei Gericht auszusprechen.


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