Arbeitsrecht

erstrebter Austritt einer Mitgliedsgemeinde aus dem Zweckverband, Vorliegen eines wichtigen Grundes (verneint)

Aktenzeichen  AN 4 K 20.00502

Datum:
19.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42915
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KommZG Art. 44, 48
GG Art. 28 Abs. 2 S. 1
BV Art. 11 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
4. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist mit ihren in der mündlichen Verhandlung konkretisierten Anträgen zulässig (A.), aber nicht begründet (B.).
A. Die Klage ist mit den in der mündlichen Verhandlung konkretisierten Anträgen zulässig.
1. Die Klage ist im Antrag zu 1. als Feststellungsklage i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO statthaft und auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor. Streitgegenständlich ist insoweit das Bestehen oder Nichtbestehen der Mitgliedschaft der Klägerin im beklagten Zweckverband. Hierbei handelt es sich auch um ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Die Kammer geht auch vorliegend nicht von der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Gestaltungs- und Leistungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) aus, unabhängig von einem denkbaren Vorgehen gegen eine Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde. Zum einen bleibt der Konzentrationszweck des § 43 Abs. 2 VwGO (hierzu Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, VwGO § 43 Rn. 41 unter Verweis auf BVerwGE 111, 306 (308 f.)), jedenfalls nach der Beiladung des Freistaats Bayern, gewahrt und zum anderen erfordert § 43 Abs. 2 VwGO nicht, dass ein Vorgehen gegen einen anderen Beteiligten vorrangig durchgeführt werden muss (vgl. auch im Ergebnis VG Karlsruhe, U.v. 18.02.2021, Az. 9 K 1777/20, Rn. 58, juris).
2. Der Beschluss der Verbandsversammlung des Beklagten über das Austrittsgesuch der Klägerin stellt dabei keinen Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar, weil es sich insoweit nicht um eine hoheitliche Maßnahme des beklagten Zweckverbandes handelt. Vielmehr stehen sich Gemeinde und Zweckverband insoweit gleichrangig gegenüber, weshalb es an einem Fall der Über- und Unterordnung fehlt (Hauth/Hillermeier/Bonengel/Kitzeder, Verwaltungsgemeinschaft und Zweckverbände, 575.52, Art. 44 KommZG, Abschnitt 20.44, Rn. 2). Folglich sind die Klageanträge zu 2. und 3. als zulässige allgemeine Leistungsklagen anzusehen.
3. Der hilfsweise gestellte Klageantrag zu 4. ist als Feststellungsklage i.S.d. § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Auch insoweit steht der Zulässigkeit nicht entgegen, dass ein Vorgehen gegen eine spätere möglicherweise versagte Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde zumindest denkbar gewesen wäre, weil bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3 i.V.m. Art. 20 KommZG von einem Rechtsanspruch ausgegangen werden könnte (VG Regensburg, U.v. 16.03.2005, Az. RN 3 K 04.00617, Rn. 30, juris; Hauth/Hillermeier/Bonengel/Kitzeder, Verwaltungsgemeinschaft und Zweckverbände, 575.40, Art. 20 KommZG, Abschnitt 20.20 Rn. 3). Auch hat die Klägerin den Antrag sachdienlich dahingehend konkretisiert, dass nicht allein das Vorliegen eines wichtigen Grundes festgestellt werden soll, sondern konkret die Feststellung begehrt wird, dass der konkreten Erklärung der früheren ersten Bürgermeisterin ein wichtiger Grund zugrunde lag. B. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Voraussetzungen für einen Austritt aus dem Zweckverband (hierzu nachfolgend I.) liegen im konkreten Fall nicht vor (nachfolgend II.).
I. Der Gesetzgeber hat für Zweckverbände mit den Regelungen des KommZG ein besonderes Rechtsregime geschaffen, das grundsätzlich von einer Beständigkeit solcher Verbände ausgeht. Nach diesem besteht die Möglichkeit zur Kündigung der Zweckverbandsvereinbarung nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes.
1. Nach dem durch Art. 44 Abs. 1 und 3 KommZG geschaffenen Regelungsregime hat grundsätzlich das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines Zweckverbandes den Vorrang vor den Interessen der einzelnen Mitglieder, was sich letztlich auch daraus rechtfertigt, dass zwischen den Mitgliedern eines Zweckverbandes nicht lediglich vertragsrechtliche Beziehungen bestehen, sondern körperschaftsrechtliche bzw. statusrechtliche Bindungen. Eine ausnahmsweise Aufkündigung der Mitgliedschaft aus wichtigem Grund ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Einzelinteresse des austrittswilligen Mitgliedes unter Beachtung des Interesses an einer Dauererledigung der vom Zweckverband übernommenen Aufgaben mehr Gewicht hat als die Pflicht zur Verbandstreue. Anders als bei der Arbeitsgemeinschaft und bei der Zweckvereinbarung (vgl. Art. 6, 14 KommZG) hat der Gesetzgeber bewusst auf die Regelung einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit verzichtet, weil dadurch die Beständigkeit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe zu stark gefährdet wäre (VG Ansbach, U.v. 07.07.2005, Az. AN 4 K 05.00349, Rn. 24, juris).
Die bayerische Rechtslage sieht eine Kündigung aus wichtigem Grund in Art. 44 Abs. 3 KommZG ausdrücklich vor. Allenfalls können allgemeine Rechtsgrundsätze als Auslegungshilfe bei der Bestimmung des wichtigen Grundes nach Art. 44 Abs. 3 KommZG herangezogen werden (VG Regensburg, U.v. 16.03.2005, Az. RN 3 K 04.00617, Rn. 44, juris).
2. Aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 KommZG ergibt sich kein Anspruch eines Zweckverbandsmitglieds auf Zustimmung zum begehrten Austritt durch die Verbandsversammlung.
Aus dem Wortlaut des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 KommZG ergeben sich hierbei keine an die abstimmenden Verbandsmitglieder gerichteten Einschränkungen für die Stimmabgabe, vielmehr spricht diese Vorschrift allein von einer erforderlichen Mehrheit von zwei Dritteln der satzungsmäßigen Stimmenzahl in der Verbandsversammlung. Unter Berücksichtigung der Systematik des KommZG und der insoweit deutlichen Schutzrichtung zugunsten der Stabilität der Zweckverbände lässt sich insoweit auch nicht erschließen, dass hierdurch ein Rechtsanspruch einer Gemeinde auf Zustimmung enthalten sein sollte. Vielmehr zeigen teleologische Erwägungen, dass der Gesetzgeber mit diesem verhältnismäßig hohen Zustimmungserfordernis die Entscheidung über den Austritt – und damit notwendigerweise verbunden auch die Prognose der hieraus resultierenden Konsequenzen – nicht dem austrittswilligen Mitglied überlassen wollte, sondern der Verbandsversammlung, die insoweit (auch) die Interessen der den Zweckverband tragenden Mitglieder repräsentiert.
Damit kann sich aus Sicht des entscheidenden Gerichts allenfalls aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine Einschränkung der Abstimmungsoptionen ergeben, etwa im Falle einer missbräuchlichen Rechtsausübung. Eine derartige Ausnahme kann jedoch bereits dann nicht mehr angenommen werden, wenn für den Zweckverband und die übrigen Zweckverbandsmitglieder nicht allein völlig untergeordnete wirtschaftliche, politische oder rechtliche Gründe gegen den Austritt sprechen.
3. Die Beschränkung der Austrittsmöglichkeiten eines austrittswilligen Zweckverbandsmitglieds ist auch verfassungsgemäß.
a. In Bezug auf die Bindung einer Mitgliedsgemeinde an den Zweckverband ist von einer Eröffnung des Schutzbereichs des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts aus Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV und des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG auszugehen. Zur insoweit vergleichbaren Gesetzeslage in Thüringen (vgl. zur Bezugnahme des dortigen Gesetzgebers beim ThürKGG auf die Bayerische Rechtslage auch ohne expliziten Verweis in der Gesetzesbegründung bei OVG Weimar, U.v. 12.03.2015, Az. 4 KO 758/14, Rn. 28, juris), sieht der Thüringer Verfassungsgerichtshof (B.v. 31.01.2018, Az. 26/15, Rn. 57, juris) die Entscheidung einer Gemeinde, Mitglied in einem solchen Zweckverband zu werden, als Ausfluss der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie in Gestalt der Organisationshoheit an, welche den Gemeinden das Recht gebe, über die innere Verwaltungsorganisation einschließlich der bei der Aufgabenwahrnehmung notwendigen Abläufe und Zuständigkeiten eigenverantwortlich zu entscheiden. Dies schließt die Befugnis ein, selbst darüber zu befinden, ob eine bestimmte Aufgabe eigenständig oder gemeinsam mit anderen Verwaltungsträgern wahrgenommen wird (sog. Kooperationshoheit; vgl. BVerfG, U.v. 21.11.2017, Az. 2 BvR 2177/16, Rn. 74, juris, m.w.N.). Das Recht, solche Kooperationen zu beenden, stellt hierzu die Kehrseite dar und unterfällt ebenfalls der Organisationshoheit (ThürVerfGH a.a.O.). Dabei unterliegt die eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (und auch Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV) dem Gesetzesvorbehalt („im Rahmen der Gesetze“), deshalb wird die Frage der äußeren Grundstrukturen der Gemeinde in allen Ländern stets als Sache des Gesetzgebers angesehen. Allerdings verbietet der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung Regelungen, die eine eigenständige organisatorische Gestaltungsfähigkeit der Kommunen im Ergebnis ersticken würden (BVerfG, B.v. 26.10.1994, Az. 2 BvR 445/91, BVerfGE 91, 228, Rn. 32 f.). Die Übertragung der verwaltungsmäßigen Besorgung gemeindlicher Aufgaben auf einen anderen Träger begründet für sich genommen wegen der Berechtigung des Gesetzgebers, den Gemeinden Organisationsvorgaben zu machen, noch keine Verletzung des Kernbereichs eigenverantwortlicher Aufgabenerledigung (BVerfG, U.v. 20.12.2007, Az. 2 BvR 2433/04, BVerfGE 119, 331, Rn. 147; ThürVerfGH a.a.O., Rn. 58, juris).
b. Die durch das Zwei-Drittel-Mehrheitserfordernis bedingte, starke Bindung einer Mitgliedsgemeinde an den Zweckverband stellt einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG dar, weil durch die gesetzgeberische Entscheidung in Art. 44 Abs. 3 KommZG das (einseitige) Kündigungsrecht auf den Fall des Vorliegens eines wichtigen Grundes beschränkt ist. Allerdings stellt sich die Bindung einer Gemeinde an einen Zweckverband nur als Eingriff in den Randbereich und nicht in den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung dar. Dies ist dadurch begründet, dass nicht von einer erstickenden Wirkung durch die hohen Kündigungshürden ausgegangen werden kann (ThürVerfGH, a.a.O., Rn. 59, juris – dort in Bezug auf einen Zweckverband für Gewässerunterhaltung).
c. Der Eingriff ist jedoch gerechtfertigt, weil und soweit der Gesetzgeber ein Austrittsrecht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes vorgesehen hat.
Der Eingriff dient dabei dem legitimen Zweck, dass ein Zweckverband die ihm von den Zweckverbandsmitgliedern übertragenen Aufgaben dauerhaft und zu möglichst gleichbleibenden rechtlichen Rahmenbedingungen ausüben kann. Auch ist die Beschränkung geeignet, diesen Zweck zu fördern. Denkbare, für ein austrittswilliges Mitglied mildere Mittel wären nicht gleichermaßen wirksam, weil sie immer mit stärkeren Auswirkungen auf die Beständigkeit des Zweckverbands verbunden wären. Ein milderes Mittel ist unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative insbesondere nicht in einem Verzicht auf das Erfordernis eines wichtigen Grundes zu sehen, weil zwar die Eingriffsintensität für die austrittswillige Gemeinde geringer wäre, das Ziel (gleichbleibende rechtliche Rahmenbedingungen für den Zweckverband) jedoch auch dann nicht gleichermaßen erreicht würde, wenn man derartige Überlegungen bei der Prüfung entgegenstehender Gründe des öffentlichen Wohls beim Genehmigungsverfahren (Art. 48 Abs. 1 Satz 3 KommZG) berücksichtigte (zum wortlautähnlichen § 42 Abs. 1 ThürKGG: ThürVerfGH, a.a.O., Rn. 71, juris). Der Eingriff ist damit als verhältnismäßig anzusehen. Ein darüber hinaus gehendes einseitiges Kündigungsrecht ist nicht erforderlich. Der Eingriff ist somit nicht nur dann gerechtfertigt, wenn es weitergehende Loslösungsmöglichkeiten gibt.
4. Der „wichtige Grund“ i.S.d. Art. 44 Abs. 3 KommZG stellt dabei einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, was zur Folge hat, dass dessen Vorliegen als Rechtsfrage voll gerichtlich überprüfbar ist (vgl. VG Ansbach, U.v. 07.07.2005, Az. AN 4 K 05.00349 -, Rn. 24, juris).
Für diesen wichtigen Grund i.S.d. Art. 44 KommZG ist jedenfalls keine Parallele zu jenem des Zivilrechts zu ziehen, weil es hierbei schon an einer vergleichbaren Interessenlage mangelt. Anders als bei typischen zivilrechtlichen Verträgen führt die öffentlich-rechtliche Gründungsvereinbarung zur Schaffung einer neuen juristischen Person des öffentlichen Rechts, für die andere Rechtsmaßstäbe als die den zivilrechtlichen Regelungen zugrundeliegende Selbstbestimmung gelten (VGH Mannheim, U.v. 20.03.1989, Az. 1 S 247/87, Rn. 23, juris; VG Regensburg, U.v. 16.03.2005, Az. RN 3 K 04.00617, Rn. 37, juris; VG Karlsruhe, U.v. 18.02.2021, Az. 9 K 1777/20, Rn. 66 juris).
Dabei stellt zunächst der Begriff des wichtigen Grundes im Sinne von Art. 44 Abs. 3 KommZG, § 21 Abs. 3 Satz 1 Zweckverbandssatzung offensichtlich auf objektive Gegebenheiten ab, nicht auf subjektive Entscheidungen einzelner Mitgliedsgemeinden eines Zweckverbandes (VG Ansbach, U.v. 07.07.2005, Az. AN 4 K 05.00349, Rn. 30 juris). Derartige objektive Gegebenheiten können aber auch als Änderungen in der Sphäre nur eines Mitglieds eintreten, die seine Existenz oder Aufgabenerfüllung gefährden, wenn alle Möglichkeiten des Interessensausgleichs ausgeschöpft sind (VGH Mannheim, U.v. 20.03.1989, Az. 1 S 247/87, Rn. 25 juris). Hierzu sind allerdings bloße finanzielle Belastungen typischerweise nicht zu zählen, weil sie regelmäßig keine Existenzgefährdung bewirken; der finanziellen Schieflage einer Gemeinde ist dabei vorrangig mit den Mitteln der Kommunalaufsicht oder des Finanzausgleichsrechts zu begegnen (ThürVerfGH, B.v. 31.01.2018, Az. 26/15, Rn. 65 juris).
Auch Änderungen in der Sphäre des Zweckverbandes können einen wichtigen Grund darstellen, wenn beispielsweise eine völlige Zweckvereitelung des Verbandszwecks gegeben ist. Daraus müssen sich neue unvorhergesehene und unvorhersehbare Umstände entwickeln, die so wesentlich sind, dass sie zu einer Unzumutbarkeit der weiteren Mitgliedschaft führen. Die Erfüllung des ursprünglichen Verbandszwecks muss damit nahezu unmöglich geworden sein. Nicht ausreichend für einen wichtigen Grund i.S.d. Art. 44 Abs. 3 KommZG hingegen ist die Enttäuschung über die Entwicklung eines Zweckverbandes, wozu insbesondere Erwartungen über einen finanziell günstigeren Ausgang gegenüber der alleinigen Aufgabenerledigung gehören (VG Regensburg, U.v. 16.03.2005, Az. RN 3 K 04.00617, Rn. 39 f., juris, unter Verweis auf OVG Bautzen, B.v. 06.07.1995, Az. 3 S 156/94, LKV 1997, 420, 421; OVG Magdeburg, B.v. 06.03.2000, Az. A 2 S 364/98, Rn. 5 juris; VGH Mannheim, U.v. 20.03.1989, Az. 1 S 247/87).
Auch Umstände, die sich aus der Rechtsbeziehung zwischen Zweckverband und eines seiner Mitglieder ergeben, können als Vorliegen eines wichtigen Grundes i.S.d. Art. 44 Abs. 3 KommZG angesehen werden. Dies setzt aber voraus, dass es sich beispielsweise um schwerwiegende oder anhaltende Pflichtverletzung durch den Zweckverband gegenüber dem Mitglied handelt und gleichzeitig rechtsaufsichtliche Maßnahmen gegenüber dem Zweckverband entweder erfolglos oder von vornherein nicht erfolgsversprechend gewesen sind (ThürVerfGH, B.v. 31.01.2018, Az. 26/15, Rn. 65, juris).
5. Aus Art. 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KommZG ergibt sich, dass die Kündigung der Mitgliedschaft im Zweckverband aus wichtigem Grund der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf. Diese Genehmigung ist damit Wirksamkeitsvoraussetzung für den Austritt, der auch erst nach der amtlichen Bekanntmachung am Folgetag bzw. am hiervon abweichend festgelegten Tag erfolgt (Art. 48 Abs. 3 Satz 1 und 2 KommZG).
II. Gemessen hieran ist die Klage nicht begründet.
1. Der Klageantrag zu 1. bleibt schon deshalb ohne Erfolg, weil ein wirksamer Austritt der Klägerin aus dem beklagten Zweckverband nach Art. 48 Abs. 3 Satz 1 und 2 KommZG die Veröffentlichung der Maßnahme (hier: Austritt eines Verbandsmitglieds) einschließlich der nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KommZG erforderlichen Genehmigung erfordert. Nachdem es vorliegend aber bereits sowohl an der Genehmigung, als auch an der nachfolgenden Veröffentlichung fehlt, ist die von der Klägerin begehrte Feststellung, mit Ablauf des 31.12.2017 nicht mehr Mitglied des Beklagten zu sein, bereits ausgeschlossen. Nichts anderes ergibt sich für den insoweit hilfsweise dahingehend erweiterten Antrag, dass die Klägerin „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ nicht mehr Mitglied des Beklagten sein soll.
Auch der weiter hilfsweise gestellte Teilantrag hat keinen Erfolg. Dabei kommt es schon nicht mehr auf die erheblichen Zweifel an der Zulässigkeit eines solchen Antrags an, weil insoweit eine bedingte Feststellung begehrt wird, zugleich aber – in gewisser Weise tautologisch – die Voraussetzungen für den Bedingungseintritt mit der begehrten Antragstellung erst erreicht werden sollen. Denn selbst wenn die Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde erteilt würde, fehlte es noch darüber hinaus an der entsprechenden Veröffentlichung.
Selbst eine äußerst wohlwollende Auslegung des insoweit von der anwaltlich vertretenen Klägerin hilfsweise gestellten Antrags über den Wortlaut hinaus, dass dieser zusätzlich vorbehaltlich der Bekanntmachung erfolgen soll, würde nicht zum Erfolg führen, weil insoweit nicht von einer Bedingung vergleichbar mit Art. 36 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG ausgegangen werden kann und selbst rechtlich gebundene Entscheidungen eine rechtliche Würdigung voraussetzen (BVerwG, B.v. 31.07.2017, Az. 10 B 26.16, BeckRS 2017, 124194 Rn. 6, beck-online). Folglich scheidet eine Feststellung vorbehaltlich der rechtlichen Würdigung durch die Aufsichtsbehörde aus.
2. Die Klägerin kann vom Beklagten nicht die Zustimmung zum Austritt verlangen, weil sich aus Art. 44 Abs. 1 Satz 1 KommZG wie auch aus § 21 Abs. 1 Satz 2 Verbandssatzung kein dementsprechender Anspruch ergibt.
a. Insoweit ergeben sich schon keinerlei Anhaltspunkte aus der Verbandssatzung (dort insbesondere § 21 Abs. 1 bis 3), dass mit dieser Regelung – vorbehaltlich der inzwischen obsolet gewordenen, zehnjährigen Bindung und der Formulierung einer Austrittsfrist – von Art. 44 KommZG abweichende oder ergänzende Regelungen geschaffen werden sollten. Vielmehr handelt es sich im Wesentlichen um eine Wiedergabe der gesetzlichen Voraussetzungen.
Nachdem gemessen am Maßstab des Art. 44 Abs. 1 GG hinsichtlich der einseitigen Lösung vom Zweckverband eine Beschränkung auf den Fall eines wichtigen Grunds zulässig ist (s.o.), bedarf es auch aus höherem Recht nicht einer weiteren einschränkenden Auslegung hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses zugunsten austrittswilliger Mitglieder.
b. Die Ablehnung des Austritts unter Berufung auf die nicht erfolgte finanzielle Einigung war bereits nicht rechtsmissbräuchlich. Deshalb kommt es bereits nicht mehr auf die Frage an, ob in einem solchen Fall ein Anspruch anzunehmen wäre. Dabei kann explizit offenbleiben, wie die Kostenaufteilung zwischen der Klägerin und dem Beklagten im Falle eines Austritts erfolgen müsste. Denn die Verbandsversammlung durfte eine freiwillige (überobligatorische) Zustimmung zum Austritt der Klägerin aus dem Zweckverband davon abhängig machen, dass eine einvernehmliche Lösung herbeigeführt wird.
i. Auch wenn sich ausweislich der Regelungen des KommZG und der Verbandssatzung die Frage der Modalitäten der Vermögensauseinandersetzung erst nach dem Beschluss über die Zustimmung der Verbandsversammlung zum Austrittswunsch stellt, durften die zur Entscheidung berufenen Verbandsräte bei ihrer Entscheidung berücksichtigen, dass vorab keine Einigkeit über die noch offenen vermögensrechtlichen Fragen erzielt wurde. Nachdem das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit vor dem Hintergrund der Funktionsfähigkeit des Zweckverbandes zu sehen ist, erscheint der Kammer auch gut nachvollziehbar, dass der Frage eine maßgebliche Bedeutung zukommt, ob mit dem austrittswilligen Mitglied vorab eine Einigung zustande gekommen ist. Jedenfalls für den Fall einer vorherigen Einigung zwischen dem austrittswilligen und den verbleibenden Zweckverbandsmitgliedern ist weitgehend konkret absehbar, welche Konsequenzen sich für die verbleibenden Mitglieder ergeben, nicht zuletzt unter Berücksichtigung der zu erwartenden höheren Verbandsumlage und sonstiger, zu erwartender Kostensteigerungen. Schließlich darf auch von den Verbandsräten das Risiko, einen Rechtsstreit mit dem früheren Mitglied nach dessen Ausscheiden führen zu müssen, als Motivation herangezogen werden, dem Austrittsgesuch nicht zuzustimmen.
ii. Ebenso wenig ergibt sich etwas Anderes unter Berücksichtigung der konkret von der Klägerin und dem Beklagten geführten Verhandlungen über eine Austrittsvereinbarung. Selbst unter Zugrundelegung, dass im Falle einer Auseinandersetzung nach erfolgtem Austritt gesetzliche Regelungen anderer Art bestünden, bedeutet dies keine Pflichtverletzung gegenüber der Klägerin, wenn der Beklagte Forderungen wie insbesondere Beratungs- und Gutachterkosten nach einem dem Verursacherprinzip angelehnten Rechtsgedanken in den Raum stellt.
iii. Anders als von der Klägerin angenommen ist auch keine Koppelung der Verhandlungen an sachfremde Forderungen seitens des beklagten Zweckverbandes zu erkennen. Nachdem insoweit von einem weiten Handlungsspielraum auszugehen ist, sind Forderungen im Rahmen der Austrittsverhandlung jedenfalls dann nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn die konkreten Posten kausal durch den Austrittswunsch der Klägerin entstanden sind. Dass darüber hinausgehende Forderungen gestellt wurden, die auch ohne ein Austrittsbegehren der Klägerin entstanden wären, ist nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich. Selbst die Annahme, dass die Klägerin im Falle eines Austritts nicht sämtliche Rechtsberatungskosten des beklagten Zweckverbandes und notwendige Gutachterkosten wird allein tragen müssen, führt nicht zur Rechtsmissbräuchlichkeit der Einigungsforderung.
iv. Nachdem aus Sicht der Kammer nicht erkennbar ist, dass der Zweckverband im Rahmen der Verhandlungen über den Austritt unzulässige – weil sachfremde – Forderungen gestellt hätte oder dass wesentlich falsche oder unvollständige Informationen über die rechtlichen Ausgangsbedingungen eines Austritts aus dem Zweckverband gegeben wurden, kann die klägerseits behauptete Irreführung der Verbandsräte schon nicht angenommen werden. Gleiches gilt für die finanziellen Auswirkungen, die sich durch einen Austritt der Klägerin aus dem beklagten Zweckverband ergeben, nachdem hierüber denknotwendig nur Prognosen angestellt werden können. Dass die vom Zweckverbandsvorsitzenden skizzierten finanziellen Folgen eines Austritts für den Zweckverband oder die verbleibenden Zweckverbandsmitglieder im Wesentlichen unzutreffend sein sollen, erschließt sich der Kammer nicht. Auf die Rechtsfolge einer solchen Irreführung kommt es damit nicht an.
Hinzu kommt, dass den übrigen stimmberechtigten Verbandsräten – auch nach teils intensiven Verhandlungen vor den jeweiligen Beschlüssen über den Austritt der Klägerin – unzweifelhaft bekannt gewesen sein dürfte, dass und auf welcher rechtlichen Grundlage die Klägerin diese Einschätzung des Beklagten und dessen Vorsitzenden nicht teilt.
c. Keine Einschränkung der Entscheidungsoptionen seitens der Verbandsräte ergibt sich aus der Entscheidung des Zweckverbands, am vom Landratsamt … geleiteten Schlichtungsverfahren teilzunehmen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass aus § 23 Verbandssatzung eine Pflicht zur Durchführung folgt. Daneben widerspräche es aber auch dem allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben, derartige Einigungsbemühungen auch seitens des Beklagten zu einer für ihn ungewünschten Rechtsfolge umzudeuten.
3. Nachdem schon der Klageantrag zu 2. deshalb keinen Erfolg hat, weil keine gebundene Entscheidung bzw. weitergehende Rechtsbindung bei der Entscheidung (vergleichbar einer Ermessenseinschränkung) hierüber anzunehmen ist, kommt aus den gleichen Gründen auch ein Anspruch auf erneute Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts als wesensgleiches Minus nicht in Betracht.
4. Die Voraussetzung für eine Kündigung der Verbandsmitgliedschaft aus wichtigem Grund liegen nicht vor. Dabei ist – wie auch insbesondere im vom ThürVerfGH entschiedenen Fall (a.a.O., Rn. 59, juris) – hinsichtlich der Eingriffstiefe nur von der Notwendigkeit der Rechtfertigung eines Eingriffs in den Randbereich kommunaler Selbstverwaltung auszugehen. Maßgeblich hierfür sind insbesondere die finanzielle Bedeutung bei aktuell nur knapp über 40.000 EUR jährlicher Verbandsumlage für die Klägerin und hinsichtlich der Einschränkung der Klägerin die Beschränkung der Ausweisung von neuen eigenen Gewerbegebieten nur im Falle eines Flächenverbrauchs von voraussichtlich über 5 ha (vgl. § 4 Abs. 1 Verbandssatzung).
Von einem Eingriff in den Kernbereich kommunaler Selbstverwaltung kann auch nicht vor dem Hintergrund ausgegangen werden, dass sich die durch das geplante, auf dem Gemeindegebiet eines anderen Verbandsmitglieds liegende Gewerbegebiet bedingte Verkehrs(lärm) problematik politisch in der gemeindlichen Diskussion der Klägerin offenbar zu einem zentralen Streitthema entwickelt hat, denn dieser Kernbereich kann sich naturgemäß nur durch objektive Merkmale bestimmen. Andernfalls könnte jeder noch so unbedeutenden Auswirkung eines Zweckverbandes das Potential für eine solche Kernbereichsrelevanz innewohnen und es läge in der Hand eines jeden Zweckverbandsmitglieds, hierdurch die eigenen Austritts- bzw. Kündigungsmaßstäbe zu modifizieren.
a. Ein wichtiger Grund ergibt sich nicht daraus, dass der Verbandszweck nicht mehr erreichbar wäre. Dieses ist bereits nicht genügend dargelegt. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass die Realisierung als offen anzusehen ist. Aufgrund des Vortrags der Beteiligten sieht die Kammer die für die noch bestehende Realisierbarkeit des Verbandszwecks sprechenden Gründe sogar als nachvollziehbar an.
i. Dabei reicht es vor allem nicht, die Annahmen des Beklagten mit Nichtwissen zu bestreiten. Vielmehr müsste wegen der materiellen Darlegungslast der Klägerin zum Vorliegen eines wichtigen Grundes von ihr substantiiert werden, dass der Verbandszweck nicht mehr erreichbar ist. Der Vortrag der Klägerin beschränkte sich jedoch darauf, die vom Beklagten vorgebrachten Planungsgesichtspunkte pauschal in Frage zu stellen. Aus der bloßen Tatsache, dass in der Vergangenheit einzelne Planungsoptionen aufgrund der hohen Lärmbelastungen und unzureichender Möglichkeiten der Lärmminderung gescheitert sind, folgt nicht notwendigerweise die Unmöglichkeit. Mangels konkreter Anhaltspunkte kann die Klägerin auch keine weiteren Nachforschungspflichten auslösen.
Daneben erweisen sich insbesondere die Ausführungen zum weit überproportional zunehmenden Schwerlastverkehr wegen angeblich übermäßiger, ursprünglich nicht geplanter Logistiknutzung als obsolet, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des inzwischen neuen Bebauungsplans und der kurz vor Klageerhebung bekannt gewordenen Möglichkeit der Errichtung einer neuen Autobahnanschlussstelle.
ii. Die bloße Tatsache, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht alle rechtlichen Voraussetzungen bezüglich der geplanten Autobahnausfahrt und des Anbindegebotes vorliegen, ist deshalb unschädlich, weil es für diese Planungskomponente allein auf eine Betrachtung tatsächlicher Wahrscheinlichkeiten der Realisierung ankommt und in Anbetracht der Vielzahl möglicher kreativer Lösungsmöglichkeiten keineswegs auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer konkreten Teilfrage gemessen allein aufgrund der aktuellen Rechtslage abgestellt werden kann. Schließlich liegt es in der Natur der Sache, dass bei einer Planung der Exekutive wie in der vorliegenden Dimension (anders als bei einer retrospektiven rechtlichen Würdigung einer konkreten rechtlichen Maßnahme) auch die Möglichkeit der Einwirkung auf verschiedene Stellen zur Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht nur möglich, sondern auch rechtlich zulässig erscheint.
b. Ebenso wenig ergibt sich ein wichtiger Grund für die Klägerin aus der Tatsache, dass der Verbandszweck zwar noch realisierbar ist, der geplante Industrie- und Gewerbepark aber bisher noch nicht realisiert ist. Denn auch unter Berücksichtigung der gemessen an früheren Planungen langen Zeit steht der Klägerin nicht schon alleine deswegen ein Recht auf anderweitige Planung zu. Gerade bei einem solch großen Unterfangen kann jedenfalls nicht von einer hindernisfreien Realisierung ausgegangen werden, vielmehr erscheint die Dauer bei nüchterner Betrachtung erklärbar. Weder das Hinziehen des Gründungsprozesses bis zum Ende des Jahres 2004, noch die Zeit bis zum ersten Bebauungsplan im Jahr 2011 oder das Scheitern dieses Plans beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof sind für sich genommen Aspekte, die bei einer Projektplanung dieser Größenordnung außerhalb des Erwartbaren liegen. Gleiches gilt naturgemäß dann auch für die resultierende Dauer des Verfahrens, für die hierfür maßgeblichen Punkte eine anderweitige Lösung zu finden.
c. Kein wichtiger Grund i.S.d. Art. 44 Abs. 3 KommZG ist darin zu sehen, dass die fortbestehende Treuepflicht der Klägerin dem Zweckverband gegenüber für sie unzumutbar wäre. Insbesondere besteht außerhalb des Verbandsgebiets nach § 3 Zweckverbandssatzung keine Pflicht zur Hinnahme sämtlicher Planungen des Beklagten, wie letzterer auch besonders in der mündlichen Verhandlung hervorhob. Soweit die Klägerin sich insoweit auf eine Unzumutbarkeit einer Lärmbelastung durch die geplante Kreisstraße … als U. straße oder durch eine stärker in Anspruch genommene Ortsdurchfahrt … bezieht, ist sie diesbezüglich gerade nicht an die Planungen des Zweckverbandes gebunden. Dass die Realisierung des geplanten Gewerbeparks allerdings augenscheinlich dazu führen wird, dass sich die Klägerin für eine von mehreren Varianten wird entscheiden müssen, stellt nur eine mittelbare logische Folge des ursprünglich von ihr mit dem Beitritt zum Zweckverband mitgetragenen Willensentschlusses dar und ist insoweit nicht unmittelbar dem Beklagten zuzurechnen. Ebenso führt die Treuepflicht nicht dazu, dass der Klägerin oder ihren Gemeindebürgern eventuelle Klagerechte abgeschnitten würden, die ihnen ansonsten wegen Verletzung eigener subjektiver Rechte zustünden, wenn beispielsweise die Planungen des Beklagten dazu führten, dass – wie behauptet – die Lärmbelastungen im rechtlichen Sinne unzumutbar wären.
d. Weiterhin liegt für die Klägerin kein wichtiger, zur Kündigung berechtigender Grund i.S.d. Art. 44 Abs. 3 KommZG aus dem Grunde vor, dass der Beklagte seine Pflichten gegenüber der Klägerin erheblich verletzt hätte.
i. Die Klägerin hat hier neben der bloßen Behauptung, ihr sei die Verbandsarbeit erschwert oder unmöglich gemacht worden, keine konkreten Belege hierfür nennen können, die über pauschale Verweise auf eine fehlende Information über Haushalts- und Planungsinformationen oder die Einmischung in den Kommunalwahlkampf hinausgingen. Hierbei ist bereits keine Pflichtverletzung zu sehen (aa), darüber hinaus hat die Klägerin sich nicht um eine Behebung dieser Problematik bemüht (bb). Damit kann offen bleiben, ob die genannten Pflichtverletzungen überhaupt der Kündigung zu Grunde gelegt hätten werden können (cc). Auf eine allein aus Sicht der Klägerin fehlende Basis vertrauensvoller Zusammenarbeit kann es nicht ankommen (dd).
aa. Soweit die Klägerin als Verbandsmitglied in Anspruch nimmt, über Planungen des beklagten Zweckverbandes hinsichtlich des Haushaltes und der baulichen Planungen zu Lärmschutzmaßnahmen und der Autobahnanschlussstelle informiert werden zu müssen, übersieht sie bereits die körperschaftliche Zweckverbandssstruktur. Dabei liegt auf der Hand, dass ein juristisch eigenständiger Zweckverband auch die Möglichkeit eigenständigen Handelns (im Rahmen der Vorgaben der Verbandsräte) haben muss. Wie auch der Vergleich zu juristischen Personen des Privatrechts mit der Unterscheidung zwischen Aufsichtsorganen und einer Geschäftsführung zeigt, sind derartige Konstellationen stets mit einem Wissensgefälle verbunden, dem über Frage- und Auskunftsrechte begegnet wird. Hierbei ist es regelmäßig – vor allem ohne eine entsprechende Aufforderung durch die Klägerin – auch nicht zwingend erforderlich, dass sämtliche zur Verfügung stehende Informationen und Gutachten zur Verfügung gestellt werden, sondern dass für den Informationszweck geeignete Unterlagen bereitgestellt werden. Vorliegend kann auch die Bemängelung im gerichtlichen Verfahren, die Informationen lägen der Klägerin nicht vor, keine entsprechende vorherige Anfrage ersetzen.
Wenn und soweit das Verbandsmitglied durch seine Verbandsräte nicht auf eine Vorlage derartiger Informationen hinwirkt, ist eine Berufung hierauf schon notwendig ausgeschlossen. Vorliegend bezieht sich dies insbesondere auf die Haushaltsplanungen. Auch wenn es oftmals der Verwaltungspraxis verschiedener Körperschaften entspricht, dass vor einem Beschluss über den Haushalt und die Jahresrechnung eine Haushaltsvorberatung erfolgt, ist diese – erst recht bei später zustimmendem Beschluss – nicht zwingend notwendig. Dass die Klägerin mit diesem Vorgehen zum Zeitpunkt des Beschlusses nicht einverstanden gewesen sein soll, ist weder dargelegt, noch finden sich konkrete Belege hierüber in der Akte.
Auch hinsichtlich der Lärmschutzplanungen könnte von einer Pflichtverletzung allenfalls dann ausgegangen werden, wenn die Klägerin diese konkreten Unterlagen überhaupt angefordert hätte. Unabhängig von der Frage, ob und zu welchem Zeitpunkt der Beklagte dieses Gutachten zur Verfügung hätte stellen müssen, ergibt sich die Bemängelung der fehlenden Information erst aus dem gerichtlichen Vorbringen der Klägerseite.
Ebenso wenig führt die konkrete Information über den Planungsstand hinsichtlich der inzwischen vom Bundesverkehrsminister unterstützten Autobahnausfahrt zu einer Pflichtverletzung. Insbesondere nachdem die Klägerin selbst in früheren Jahren auf die Notwendigkeit eines neuen Autobahnanschlusses nördlich des Autobahnkreuzes hingewiesen hat, erscheinen die Bemühungen in diese Richtung keinesfalls unzulässig. Auch bezüglich des Zeitpunktes ergeben sich hier keine Bedenken, nachdem der Bundesminister in einem an MdB … gerichteten Schreiben vom 28. Februar 2020 seine grundsätzliche Zustimmung zur Anschlussstelle mitgeteilt hat und der damalige Verbandsvorsitzende des Beklagten in der Bürgermeisterausschusssitzung vom 6. März 2020 die Mitglieder hierüber informierte. Unter Berücksichtigung von hierfür üblichen Ladungsfristen ist die Information noch hinreichend zeitnah erfolgt, auch wenn man die Presseberichterstattung vom 29. Februar 2020 in der …zeitung bedenkt. Dass hier keine unmittelbare Information der Verbandsmitglieder nach Zugang des Schreibens erfolgte, bedeutet jedenfalls keine Pflichtverletzung.
Schließlich führt auch die in einem Pressebericht wiedergegebene Stellungnahme des damaligen Zweckverbandsvorsitzenden und zugleich Bürgermeisters der weiteren Mitgliedsgemeinde …, er fordere die Verantwortlichen der Klägerin auf, den Austrittswunsch aufgrund der geänderten Sachlage zu überdenken, jedenfalls nicht zu einer erheblichen Pflichtverletzung. Hier ist auch in Anbetracht der Nähe zur Kommunalwahl zugunsten dieser Äußerung zu berücksichtigen, dass der Vorsitzende zu diesem Zeitpunkt noch selbst politisch aktiv war und als Bürgermeister der Nachbargemeinde naturgemäß dieses Interesse wiedergeben durfte. Dies gilt vor allem, nachdem seine Position den interessierten Gemeindebürgern ohnehin bekannt gewesen sein dürfte und im Pressebericht lediglich eine als solche erkennbare Meinung wiedergegeben wurde.
Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung beantragt hat, zum Beweis der Tatsache, dass die Klägerin an den politischen und konkreten Planungen zur Umsetzung der Zwecke des Zweckverbandes in den Jahren 2014 bis 2020 nicht, jedenfalls nicht ausreichend beteiligt war, die frühere Bürgermeisterin der Klägerin als Zeugin zu vernehmen, fehlt es diesbezüglich bereits an ein einer konkreten Anknüpfungstatsache. Hinsichtlich der zuvor im Verfahren thematisierten Entwicklungen über die Autobahnanschlussstelle ergibt sich keine Pflichtverletzung, woraus notwendig zu folgern ist, dass eine genügende Information erfolgt ist. Im Übrigen wurden keine konkreten, angeblich vorenthaltenen Informationen bemängelt.
bb. Daneben ergeben sich keinerlei Hinweise, dass die behaupteten Pflichtverletzungen des Beklagten gegenüber der Klägerin von dieser auch hinreichend gerügt worden seien oder die Klägerin sich – beispielsweise über die Aufsichtsbehörde – um eine Verbesserung bemüht hätte. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass sich der Eindruck eines zumindest später sehr schwierigen Verhältnisses zwischen der früheren ersten Bürgermeisterin der Klägerin und dem Vorsitzenden ergibt. Dies befreit jedoch die Klägerin gerade nicht davon, sich dennoch aus Gründen der Verbandstreue um eine Verbesserung zu bemühen.
cc. Nachdem schon nicht von erheblichen Pflichtverletzungen des Beklagten gegenüber der Klägerin auszugehen ist und auch keine dahingehenden formalen Verbesserungsbestrebungen von der Klägerin unternommen wurden, kommt es schon nicht mehr darauf an, ob insbesondere die Vorwürfe der fehlenden Information über die Bemühungen zur neuen Autobahnanschlussstelle und zur Einmischung in den Kommunalwahlkampf überhaupt der Kündigung zu Grunde gelegt hätten werden können.
Jedoch bestehen aus Sicht der Kammer gewisse Bedenken an der Kausalität dieser Erwägungen für die Kündigungserklärung, nachdem die erste Bürgermeisterin in der Kündigungserklärung vom 16. März 2020, welche erstmalig eine Kündigung aus wichtigem Grunde beanspruchte, Bezug auf den zugrundeliegenden Gemeinderatsbeschluss vom 4. April 2019 nahm. Denn sämtliche Ereignisse nach diesem Gemeinderatsbeschluss, insbesondere solche, die dem Grunde nach noch nicht vorher angelegt waren, wie die vorgetragene Einmischung in den Kommunalwahlkampf oder die Verhandlungen um die Errichtung einer neuen Autobahnausfahrt, können dem Gemeinderat zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt gewesen sein.
dd. Nachdem das Gericht keine erhebliche Pflichtverletzung seitens des beklagten Zweckverbandes gegenüber der Klägerin erkennen konnte, kann ein wichtiger Grund auch nicht in einem zerrütteten Vertrauensverhältnis zwischen Klägerin und Beklagtem zu sehen sein. Jedenfalls sind keine Aspekte zu erkennen, die über die oben behaupteten Pflichtverletzungen und die Auseinandersetzungen über zukünftige Planungen des Zweckverbandes sowie um Modalitäten eines eventuellen Austritts der Klägerin hinausgehen. Abgesehen davon, dass für das Gericht die tiefgehende Zerrüttung fraglich erscheint, kann auch ohne objektiven Anhaltspunkt durch Handeln des Beklagten eine solche nicht angenommen werden. Ansonsten hätte es die Klägerin in der Hand, die vom Gesetz nicht vorgesehenen Austrittsmöglichkeiten selbst zu schaffen.
ii. Daneben ergibt sich keine für die Klägerin unzumutbare Belastung dadurch, dass der Beklagte eine massive Belastung der Gemeindebürger der Klägerin bewirken würde. Insbesondere ist hier schon nicht dargelegt, weshalb sich hier eine wesentliche Änderung der Sachlage seit Gründung des Beklagten ergeben haben sollte, zumal die Dimension und Konsequenzen des geplanten Gewerbeparks von Gründung des beklagten Zweckverbandes an absehbar gewesen sein müssen. Eine bloße Neubewertung der damit verbundenen Folgen durch die Klägerin kann hierfür nicht ausreichen. Weiterhin ist hier zu sehen, dass sich der Beklagte aus Sicht der Kammer um ausgleichende Lösungen bemüht hat, beispielsweise mit Planungen einer U. straße, dies aber letztlich auf Wunsch der Klägerin nicht fortgeführt wurde. Auch die Planung der Autobahnanschlussstelle ist hier als Lösungsversuch des Beklagten bezüglich des für die Klägerin und deren Gemeindebürger problematischen passiven Schallschutzes zu sehen.
e. Keinesfalls ist bei der fortdauernden Mitgliedschaft der Klägerin im beklagten Zweckverband von ihrer Existenzgefährdung bzw. einer Gefährdung der eigenen Aufgabenerfüllung auszugehen. Dies ergibt sich zum einen aus den finanziellen Auswirkungen der Mitgliedschaft, die mit einer Verbandsumlage von aktuell knapp über 40.000 EUR für die Klägerin realisierbar erscheinen. Zum anderen ist – auch unter eventueller Berücksichtigung eines realisierten Gewerbeparks zu späterem Zeitpunkt – der Klägerin auch nicht die Möglichkeit versperrt, eigene Gewerbegebiete auszuweisen (§ 4 Abs. 1 Satz 4 Verbandssatzung). Soweit die Klägerin befürchtet, durch prognostizierte Kosten der Autobahnanschlussstelle in Höhe von 10 Mio. EUR existenzgefährdend belastet zu werden, ist dies bereits nicht belegt, erscheint aber auch aus dem Grund sogar als unwahrscheinlich, dass zum einen diese Kosten durch Verkauf der Grundstücke refinanziert werden können, zum anderen aber höhere Belastungen auch durch die übrigen Verbandsmitglieder, hierunter ähnlich große Gemeinden wie die Klägerin, getragen werden müssten und es hierfür eines entsprechenden Beschlusses der Verbandsversammlung bedürfte.
C. Die Klägerin trägt als unterliegender Teil nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
D. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben