Arbeitsrecht

Exmatrikulation wegen nicht ordnungsgemäßen Studiums

Aktenzeichen  AN 2 K 19.02069

Datum:
4.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 27512
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHSchG Art. 18 Abs. 1 S. 1, Art. 51 S. 3

 

Leitsatz

1. Befindet sich eine Studierende der Humanmedizin (Regelstudienzeit 13 Semester) im 67 Fachsemester und liegt die letzte Anmeldung zur ersten Ärztlichen (Wiederholungs)Vorprüfung ca. 19 Jahre zurück, stellt dies eine Pflichtverletzung dar, so dass eine Exmatrikulation gem. Art. 51 Satz 3 iVm Art 18 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG rechtmäßig ist. (Rn. 43 und 36 – 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Exmatrikulation ist ermessensfehlerfrei, da die Lebensumstände und die Schwerbehinderung der Klägerin hinreichend gewürdigt wurden. Sie ist verhältnismäßig, insbesondere da der Klägerin trotz Exmatrikulation der Prüfungszugang eröffnet bleibt und durch die Beklagte die Wiederaufnahme des Studiums bei Abschluss der ersten Ärztlichen Vorprüfung in Aussicht gestellt wurde. (Rn. 48 und 44 – 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) zulässig erhobene Klage ist unbegründet, da der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 24. September 2019 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der angegriffene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § … Die Vorschrift sieht vor, dass Studierende exmatrikuliert werden können, wenn sie durch ihr Verhalten fortgesetzt oder in erheblicher Art und Weise ihre Pflichten aus Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayHschG verletzen, insbesondere indem sie das Studium nicht aufnehmen bzw. nicht ordnungsgemäß betreiben. Hier liegt der Exmatrikulationsgrund des nicht ordnungsgemäßen Betreibens des Studiums vor.
a) Es bestehen keine Zweifel, dass § … als universitäres Satzungsrecht von der Ermächtigungsgrundlage nach Art. 51 Satz 3 BayHSchG (Bayerisches Hochschulgesetz vom 23. Mai 2006, GVBl. S. 245, BayRS 2210-1-1-WK) umfasst ist. So bestimmt Art. 51 Satz 3 BayHschG, dass Hochschulen durch Satzung weitere Fälle bestimmen können, in denen die Immatrikulation versagt oder Studierende exmatrikuliert werden können, wenn Gründe vorliegen, die einem ordnungsgemäßen Studium entgegenstehen. Nichts anderes regelt § …
b) Auch liegen hier die Tatbestandsvoraussetzungen nach § … vor.
(1) Zunächst erfüllt das Regelbeispiel des nicht ordnungsgemäßen Studiums die allgemeineren Voraussetzungen nach § … Denn im Fall eines nicht ordnungsgemäßen Studiums handelt es sich, wie § … allgemein voraussetzt, um eine Pflichtverletzung in Bezug auf Pflichten der Studierenden aus Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayHschG. So haben sich nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG alle Mitglieder der Hochschule unbeschadet weitergehender Verpflichtungen so zu verhalten, dass die Hochschule ihre Aufgaben erfüllen kann und niemand an der Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten gehindert wird. Anerkannt ist, dass hierunter auch die Verpflichtung der Studierenden fällt, ein ordnungsgemäßes Studium zu absolvieren (vgl. Reich in BayHSchG, 5. Aufl. 2007, Art. 18 Rn. 2). Dies ergibt sich im Übrigen auch aus Art. 48 Abs. 2 Satz 1 und Art. 51 Satz 3 BayHSchG. So sieht die erstgenannte Vorschrift vor, dass Studierende von der Hochschule auf Antrag aus wichtigem Grund von der Verpflichtung zu einem ordnungsgemäßen Studium befreit werden können (Beurlaubung). Damit setzt die Vorschrift die Verpflichtung zu einem ordnungsgemäßen Studium gerade voraus (vgl. Reich a.a.O.). Dasselbe gilt für die bereits erwähnte Satzungsermächtigung aus Art. 51 Satz 3 BayHSchG. Denn die Vorschrift ermächtigt die Hochschulen sinngemäß, gerade auf das pflichtwidrige, nicht ordnungsgemäße Betreiben des Studiums mit der Exmatrikulation zu reagieren.
(2) Hier liegt die Exmatrikulationsvoraussetzung des nicht ordnungsgemäßen Betreibens des Studiums vor, auch im Sinne einer fortgesetzten Pflichtverletzung sowie in Gestalt einer Pflichtverletzung in erheblicher Art und Weise.
(a) Zumindest setzt das Betreiben eines ordnungsgemäßen Studiums voraus, dass Studierende ihr Studium in einer Weise planen und durchführen, dass sie dieses jedenfalls in vertretbarer Zeit orientiert an der Regelstudienzeit abschließen können.
(b) Danach betreibt die Klägerin ihr Studium der Humanmedizin an der … nicht ordnungsgemäß, wobei eine fortgesetzte Pflichtverletzung sowie eine Pflichtverletzung in erheblicher Art und Weise vorliegt.
Außer Streit steht, dass die Klägerin bis zum Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Exmatrikulationsbescheids und bis heute ihr Studium der Humanmedizin an der … nicht abgeschlossen hat. Dabei streitet für die Annahme eines nicht ordnungsgemäßen Studiums die erhebliche Studiendauer von – nach der Berechnung der Kammer – 67 Fachsemestern im Sommersemester 2019. Hierbei handelt sich um eine außerordentliche Überschreitung der an sich vorgesehenen Regelstudienzeit von 13 Fachsemestern. Überdies lag die letzte Anmeldung der Klägerin zu dem schriftlichen Teil der Ärztlichen Vorprüfung im Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Exmatrikulationsbescheids etwa 19 Jahre zurück. Insoweit konnte die Klägerin den Prüfungsversuch zwar wegen Krankheit nicht wahrnehmen. Jedoch ist seitdem – trotz eingehender Hinweise der Beklagten – keine weitere Prüfungsanmeldung erfolgt. Darüber hinaus datiert der letzte, tatsächlich wahrgenommene Prüfungsversuch betreffend die Ärztliche Vorprüfung vom Juni 1986, liegt also mehrere Jahrzehnte zurück. Außerdem hat die Klägerin jedenfalls bis 11. September 2019 in ihrem Studium an der … keine Prüfungsleistungen erbracht. Hinzu kommt, dass die fraglichen, weit zurückliegenden Prüfungsversuche den ersten Abschnitt des Studiums der Humanmedizin betreffen, die Klägerin also inhaltlich betrachtet vergleichsweise am Anfang ihres Humanmedizinstudiums steht, sich aber dennoch im Sommersemester 2019 jedenfalls in ihrem 67. Fachsemester befindet. Nach alldem hat die Klägerin ihr Studium in der Vergangenheit nicht in einer Weise durchgeführt, dass sie dieses in vertretbarer Zeit orientiert an der Regelstudienzeit hätte abschließen können. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang Erkrankungen ihrer Mutter vorgebracht hat, kann dies die ganz erhebliche Überschreitung der Regelstudienzeit, weit zurückliegende Prüfungsversuche und seither fehlende Prüfungsanmeldungen nicht ausreichend erklären. Darüber hinaus hat die Klägerin keine konkreten Entschuldigungs- oder Hinderungsgründe geltend gemacht, so dass von einem nicht ordnungsgemäßen Betreiben des Studiums auszugehen ist. Auch das Ausmaß des Nichtbetreibens stellt sich zur Überzeugung der Kammer als fortgesetzte Pflichtverletzung sowie als Pflichtverletzung in erheblicher Art und Weise dar. Dies ergibt sich bereits aus der erheblichen Überschreitung der Regelstudiendauer um ein Vielfaches ohne ausreichende Bemühungen um den Abschluss des ersten Studienabschnitts jedenfalls seit Mai 2000, also aus den ganz erheblichen Zeiträumen ohne erkennbaren Studienfortschritt.
Darüber hinaus ist die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin auch im Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Exmatrikulationsbescheids am 24. September 2019 und bis heute ihr Studium im beschriebenen Ausmaß nicht ordnungsgemäß betrieben hat bzw. betreibt. Denn es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass mit Blick auf Planung und Durchführung des klägerischen Studiums in der Vergangenheit nunmehr hinreichende Änderungen eingetreten wären. Dies hat die Kammer daraus geschlossen, dass die Klägerin weder im Verwaltungsverfahren – auch nicht auf Aufforderung der Beklagten – noch im Gerichtsverfahren dargelegt hat, wie genau sie ihr Studium und insbesondere den Erwerb der ausstehenden Leistungsnachweise in Zukunft zu gestalten beabsichtigt, um ihr Studium in vertretbarer Zeit abzuschließen. Soweit die Klägerin ausgeführt hat, sie werde ihre Beschäftigung bei der … aufgeben, sofern der Exmatrikulationsbescheid aufgehoben werde, handelt es sich um eine bloße Absichtserklärung, zumal unklar geblieben ist, wie die Klägerin ohne die Einnahmen aus der Beschäftigung ihren Lebensunterhalt bestreiten würde. Entscheidend ist aber, dass die fragliche Ankündigung eine belastbare Planung, wie und bis wann das Studium abgeschlossen werden soll, nicht hinreichend ersetzen kann. Aus demselben Grund kann, ebenfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände, kann zur Überzeugung der Kammer dahinstehen, ob die Klägerin – wie von ihr im Termin zur mündlichen Verhandlung geltend gemacht – 2019 Vorlesungen besucht hat.
c) Auch die Entscheidung der Beklagten, das ihr nach § … eingeräumte Ermessen dahingehend auszuüben, die Klägerin zu exmatrikulierem, ist nicht zu beanstanden. Denn vorliegend sind keine Ermessensfehler ersichtlich.
(1) Nach Art. 40 BayVwVfG hat die Behörde etwaig eingeräumtes Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen ist nach § 114 Satz 1 VwGO lediglich auf die Prüfung etwaiger Ermessensfehler beschränkt. Dagegen kann das Gericht sich nicht an die Stelle der Behörde setzen und ggf. eigenes Ermessen ausüben (Decker in Beckscher Online-Kommentar VwGO, 50. Edition Stand 1.7.2019, § 114 Rn. 26).
(2) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Ermessensentscheidung vorliegend nicht zu beanstanden. So war sich die Beklagte ausweislich der Begründung des angegriffenen Bescheids des ihr eingeräumten Ermessens bewusst, sodass kein Ermessensausfall vorliegt. Des Weiteren sind weder eine Ermessensüberschreitung noch ein Ermessensdefizit oder Ermessensfehlgebrauch ersichtlich. Vielmehr hat sich die Beklage in dem angegriffenen Bescheid ausführlich sowohl mit den Interessen der Klägerin am Fortbestand der Immatrikulation als auch mit der Interessenlage betreffend die Exmatrikulation der Klägerin auseinandergesetzt. Auch mit Blick auf die Schwerbehinderung der Klägerin liegt kein Ermessensdefizit vor. Denn die Schwerbehinderung hat die Klägerin nach eigenem Vortrag nicht daran gehindert, ihren Lebensunterhalt mit ihrer Tätigkeit am … (mit-)zufinanzieren, sodass die Beklagte ermessensfehlerfrei davon ausgehen durfte, dass die Klägerin aufgrund ihrer Schwerbehinderung nicht maßgeblich an einem ordnungsgemäßen Studium gehindert war bzw. ist. Im Übrigen hat die Klägerin dies auch nicht konkret geltend gemacht.
d) Schließlich ist die Exmatrikulation der Klägerin auch verhältnismäßig im Einzelfall. Sie verfolgt das legitime Ziel, im Sinne einer effektiven Verwendung öffentlicher Mittel Ressourcen der Lehre und Verwaltung betreffend den Studienplatz der Klägerin für solche Studierende einzusetzen, die ihr Studium im Unterschied zur Klägerin ordnungsgemäß betreiben. Dabei ist die Exmatrikulation geeignet und erforderlich, dieses Ziel zu erreichen, da keine milderen und vergleichbar wirksame Mittel zur Zweckerreichung ersichtlich sind. Schließlich stehen im Rahmen der Angemessenheitsprüfung die Interessen der Klägerin am Fortbestand der Immatrikulation gegenüber den genannten öffentlichen Interessen zurück, zumal der Klägerin durch die Exmatrikulation nicht die Teilnahme an der ausstehenden Prüfung verwehrt wird und der zuständige Prüfungsausschuss im Verwaltungsverfahren erklärt hat, er würde die Wiederaufnahme des klägerischen Studiums befürworten, wenn die Klägerin den erfolgreichen Abschluss des Ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung vorweisen könne. Soweit die Klägerin schließlich eine ggf. missbräuchliche Studienplatzvergabe an andere Studierende geltend macht, kann sie hieraus jedenfalls keinen Anspruch auf Fortbestand ihrer Immatrikulation herleiten, auch nicht aus dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Denn der allgemeine Gleichheitssatz durchbricht nicht die Bindung der Beklagten an Recht und Gesetz, so dass kein Anspruch auf Gleichheit im Unrecht besteht (vgl. Kischel in Beckscher Online-Kommentar GG, 43. Edition Stand 15.5.2020, Art. 3 Rn. 115).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.


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