Arbeitsrecht

Fehlende Lebensunterhaltssicherung steht der Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG entgegen

Aktenzeichen  M 12 K 16.2612

Datum:
11.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 3
VwGO VwGO § 113 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Die Ausländerbehörde kann sachdienliche Nachweise zur Lebensunterhaltssicherung verlangen, um die Überzeugungsgewissheit zu erlangen, dass die Voraussetzung des § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AufenthG erfüllt ist. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Gesetzgeber bringt durch § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AufenthG zum Ausdruck, dass die Sicherung des Lebensunterhalts und hinreichende mündliche Deutschkenntnisse als Ausdruck einer nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG als eine Voraussetzung von grundlegendem staatlichem Interesse anzusehen ist; Ausnahmen von der Regel sind daher grundsätzlich eng auszulegen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2017 entschieden werden, obwohl der Kläger nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Der Kläger ist form- und fristgerecht geladen worden.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Ablehnung seines Antrages im Bescheid vom 13. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Gemäß § 25 b AufenthG soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Die im Rahmen des § 25 b Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu prüfende Tatbestandsvoraussetzung der nachhaltigen Integration wird dabei in Satz 2 Nummer 1 bis 5 durch regelhafte Voraussetzungen näher bestimmt.
Eine Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 b Abs. 1 Satz 1 AufenthG scheitert daran, dass die Voraussetzungen des § 25 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 AufenthG nicht vorliegen.
Einen ausreichenden Nachweis bzgl. seiner Einkünfte, die eine Prognose für die überwiegende Sicherung des Lebensunterhalts im o.g. Sinn ermöglichen, hat der Kläger nicht vorgelegt. Hierfür genügt zwar grundsätzlich ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis, durch das der Lebensunterhalt gesichert werden kann. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte zum Nachweis eines derartigen Arbeitsverhältnisses die Vorlage der vollständigen letzten Gehaltsabrechnungen sowie einer aktuellen Arbeitgeberbestätigung verlangt. Die Beklagte kann die sachdienlichen Nachweise verlangen, die erforderlich sind, um die Überzeugungsgewissheit zu erlangen, dass die Voraussetzung des § 25 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG erfüllt ist. Einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, dass konkret die von der Beklagten angeforderten Unterlagen vorzulegen sind, bedarf es hierfür nicht. Die von der Beklagten angeforderten Unterlagen sind zur Prüfung der Sicherung des Lebensunterhalts sachdienlich. Die Höhe der derzeitigen Einkünfte zeigen die aktuellen Gehaltsabrechnungen. Schließlich dient eine Arbeitgebererklärung zum Nachweis dafür, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht, um die Dauerhaftigkeit der Einkünfte prognostizieren zu können. Dass jeweils Originale vorzulegen sind, dient der Fälschungssicherheit. Der Kläger hat bislang lediglich eine Gehaltsabrechnung für den Dezember 2016 vorgelegt und eine Kopie des Arbeitsvertrages. Die vorgelegte Arbeitgeberbestätigung vom 19. April 2016 stimmt hinsichtlich des Arbeitgebers nicht mit der zuletzt vorgelegten Kopie des Arbeitsvertrages vom 28. November 2016 überein. Allein die rückschauende Betrachtung ermöglicht vorliegend aber – vor allem vor dem Hintergrund, dass der Kläger in der Vergangenheit oft den Arbeitgeber wechselte und über Jahre Sozialleistungen bezog – noch nicht die Prognose der dauerhaften Sicherung des Lebensunterhalts.
Ein atypischer Sachverhalt, aufgrund dessen von der Voraussetzung des § 25 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG abzusehen wäre, ist nicht ersichtlich. Es ist nicht unverhältnismäßig, insbesondere im Falle des Klägers auch nicht unzumutbar, an der Voraussetzung festzuhalten. Der Gesetzgeber bringt durch § 25 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG zum Ausdruck, dass die Sicherung des Lebensunterhalts und hinreichende mündliche Deutschkenntnisse als Ausdruck einer nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 b AufenthG als eine Voraussetzung von grundlegendem staatlichem Interesse anzusehen ist. Ausnahmen von der Regel sind daher grundsätzlich eng auszulegen. Ein Ausnahmefall ist nur bei besonderen, atypischen Umständen gegeben, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, oder die Erteilung des Aufenthaltstitels muss aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten sein (BVerwG, U.v. 30. 4. 2009 – 1 C 3.08 – juris, BayVGH, U.v. 19.12.2015 – 19 B 15.1066 – juris Rn. 43, B.v. 24.4.2014 – 10 ZB 14.528 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Atypische Umstände liegen nicht vor. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ein etwaiges – auf seinen langjährigen Aufenthalt in Deutschland gründendes – Vertrauen des Klägers auf ein weiteres Recht auf Verbleib im Bundesgebiet schutzwürdig wäre. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet ein gewichtiges, aber nicht das allein entscheidende Kriterium zur Bestimmung eines vom Regelversagungsgrund abweichenden Ausnahmefalls ist (vgl. zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 31.8.2009 – 2 M 132/09 – juris Rn. 4). Vielmehr muss der Ausländer die ihm durch einen langen Aufenthalt gegebene Gelegenheit auch genutzt haben, sich wirtschaftlich und sozial so zu integrieren, dass eine Verfestigung seiner Lebensverhältnisse im Bundesgebiet eingetreten ist und ihn eine Beendigung des Aufenthalts besonders hart treffen würde. Zu der langjährigen Dauer des Aufenthalts müssen also noch besondere Umstände hinzutreten (vgl. zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG: BayVGH, B.v. 4.12.2013 – 10 CS 13.1449 – juris Rn. 22).
Schützenswerte familiäre oder anderweitige Bindungen hat der Kläger nicht vorgetragen und sind nicht ersichtlich. Auch beruflich hat sich der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland nicht integriert. Er hat über Jahre Sozialleistungen bezogen und häufig den Arbeitgeber gewechselt.
Die Beklagte hat auch zutreffend angenommen, dass die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes verstößt. Dem Kläger ist es zumutbar, sich in seinem Heimatland eine Existenz aufzubauen. Vor seiner Einreise 1992 lebte der Kläger 19 Jahre in seinem Heimatland.
Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu, die im Übrigen auch nicht beantragt war. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG scheitert bereits daran, dass der Kläger keinen vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet im Sinne dieser Vorschrift bezweckt. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG setzt u.a. voraus, dass die Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Hierfür liegen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte vor.
Auch die auf § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung und die auf § 50 AufenthG gestützte Ausreisefrist begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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