Arbeitsrecht

Fehlerhafte Auskunft der Arbeitgebers zur Unverfallbarkeit von Betriebsrente

Aktenzeichen  8 Sa 176/18

Datum:
12.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 41286
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249,§  280, § 254
BetrAVG § 1b Abs. 1, § 30f Abs. 1
HGB § 84 Abs. 1

 

Leitsatz

Teilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer fälschlicherweise mit, dass seine Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung unverfallbar sind, so hat der Arbeitgeber grundsätzlich den hieraus entstehenden Vertrauensschaden zu ersetzen. Dieser kann im Einzelfall auch darin bestehen, den Arbeitnehmer so zu stellen, als sei die Unverfallbarkeit tatsächlich eingetreten. Dies war hier anzunehmen, da der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis nach der Auskunftserteilung zwei Monate vor der Unverfallbarkeit kündigte, um auf selbstständiger Basis mit dem bisherigen Arbeitgeber weiter zusammen zu arbeiten und kein Grund ersichtlich war, warum der Arbeitnehmer mit seiner Kündigung nicht noch zwei Monate hätte zuwarten können. (Rn. 60 ff.)

Verfahrensgang

2 Ca 732/17 2018-04-04 Endurteil ARBGBAMBERG ArbG Bamberg

Tenor

1. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Bamberg vom 04.04.2018 – Az. 2 Ca 732/17, werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.
Die Berufungen beider Parteien sind zulässig. Sie sind form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V m. §§ 519, 520 ZPO).
B.
Die Berufungen haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Das Erstgericht hat völlig zu Recht dem Hilfsantrag stattgegeben. Es kann insoweit vollumfänglich auf die äußerst sorgfältigen, überaus umfassenden und rechtlich völlig zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Erstgerichts verwiesen werden. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen, das jedoch überwiegend die bereits erstinstanzlich vorgebrachten Argumente aufgreift, sieht sich das Berufungsgericht noch zu folgenden ergänzenden Ausführungen veranlasst.
I.
Die Berufung des Klägers gegen die Abweisung des Hauptantrags ist unbegründet, da ihm ein Anspruch aus dem Tarifvertrag VO 85 nicht zusteht. Er erfüllt bei seinem Ausscheiden zum 31.03.2005 nicht die für den Erwerb einer unverfallbaren Anwartschaft erforderliche Voraussetzung einer 10-jährigen Pensionszusage bzw. einer 12-jährigen Betriebszugehörigkeit.
a) Der vom Arbeitgeber formulierte Ausbildungsvertrag aus dem Jahr 1993 unterfällt nicht dem Regime der Auslegung nach Maßgabe der §§ 305 ff. BGB. Nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB ist nach Ermittlung von Wortsinn und unter Einbeziehung der dem objektiven Erklärungsempfänger bekannten und jedenfalls erkennbaren wesentlichen Begleitumständen, bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, wie etwa Entstehungsgeschichte des Vertrages, Parteigebräuche etc. und unter Berücksichtigung von Treu und Glauben maßgeblich vor allem auf Zweck und Interessenlage des auslegungsbedürftigen Rechtsgeschäfts abzustellen.
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichtes handelt es sich bei der vertraglichen Formulierung unter „Vergütung“, dass die „betrieblichen und tariflichen Leistungen gewährt werden“ um eine allgemeine Bezugnahmeklausel. Der Kläger soll grundsätzlich – unabhängig von einer Mitgliedschaft bei der tarifschließenden Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen – vergütungsrechtlich so gestellt werden, wie die an diese Tarifverträge gebundenen Arbeitnehmer. Die bei der Beklagten geltenden Tarifverträge finden somit unabhängig von einer Gewerkschaftsmitgliedschaft auf den Kläger Anwendung. Der Kläger kann die tariflich gewährten Leistungen neben seiner Festvergütung beanspruchen, sofern er die Anspruchsvoraussetzungen hierfür erfüllt. In Betracht kämen insoweit z.B. Leistungen, die Vergütungscharakter besitzen wie vermögenswirksame Leistungen, Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld, sofern diese Tarifverträge eine Leistung auch während des Ausbildungsverhältnisses vorsehen. Es handelt sich somit offensichtlich um tarifliche Leistungen, die zusätzlich zum Festgehalt monatlich oder jährlich als Synallagma für die erbrachte Arbeit gewährt werden. Leistungen aus einer Pensionszusage werden nicht als Vergütung für die geleistete Arbeit gewährt, sondern im Versorgungsfall aus Anlass der Tätigkeit für einen Arbeitgeber für geleistete Betriebstreue, die über eine längere Zeit erbracht werden muss. Das Ruhegeld steht nicht in unmittelbarer Beziehung zur eigentlichen Arbeitsleistung (BAG, Beschluss v. 12.06.1975, 3 ABR 13/74, in juris recherchiert).
Aus dieser Formulierung kann somit keinesfalls entnommen werden, dass eine übertarifliche Verpflichtung begründet werden sollte, insbesondere dass dem Kläger eine Pensionszusage im Sinne des Tarifvertrages VO 85 auch während der Ausbildungszeit erteilt werden sollte. Der Kläger musste auf Frage des Berufungsgerichtes auch vielmehr einräumen, dass über eine Pensionszusage gerade nicht gesprochen wurde.
Die Auskunft aus dem Jahr 2005, die rechtsfehlerhaft von einer unverfallbaren Anwartschaft bereits im Januar 2005 ausging, kann nicht zur Auslegung der vertraglichen Regelung im Sinne des Klägers herangezogen werden. Bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass von der Beklagten eine Pensionszusage auch für das Ausbildungsverhältnis erteilt werden sollte.
b) Zu Recht hat das Erstgericht das Auskunftsschreiben auch nicht als konstitutives Schuldanerkenntnis angesehen. Ein selbständiger Verpflichtungswille zur Begründung einer vom zugrundeliegenden Rechtsverhältnis unabhängigen selbständigen Verpflichtung ist aus diesem Schreiben in keinster Weise zu entnehmen. Ebenso wenig liegt ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis vor. Ein solches Schuldanerkenntnis setzt voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen wollen und sich dahingehend einigten (BAG, Urteil v. 22.07.2010, 8 AZR 144/09, in juris recherchiert). Es bestand jedoch zum Zeitpunkt der Auskunft im Januar 2005 gerade insoweit kein Streit oder eine Ungewissheit zwischen den Parteien, die mit diesem Schreiben geklärt werden sollte. Vielmehr war die Frage der betrieblichen Altersversorgung bis zu diesem Auskunftsschreiben kein Thema zwischen den Parteien.
Der vom Kläger gegen das Erstgericht erhobene Vorwurf, dass dieses unterlassen hätte, zu überprüfen, welche Regelungen für den Kläger günstiger wären, kann nicht nachvollzogen werden. Das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG ist vorliegend in keinster Weise betroffen. Vielmehr liegt gerade eine im Verhältnis zum Tarifvertrag für den Kläger günstigere vertragliche Vereinbarung nicht vor.
II.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Erstgericht hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger aufgrund der falschen Auskunft im Schreiben vom Januar 2005 ein Schadenersatzanspruch zusteht und zwar dergestalt, dass er so zu stellen ist, als ob er das Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig vor Ablauf der erforderlichen 10-jährigen Dauer der Pensionszusage beendet hätte.
1. Zu Recht weist das Erstgericht darauf hin, dass eine unrichtige Auskunft eine Pflichtverletzung darstellt, die gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu einem Schadenersatzanspruch führen kann (BAG, Urteil v. 12.11.1984, 3 AZR 255/84, in juris recherchiert) und zwar unabhängig davon, ob der Arbeitgeber zu der Auskunft verpflichtet gewesen wäre. Auch wenn der Arbeitgeber freiwillig und ohne Aufforderung des Arbeitnehmers eine Auskunft erteilt, so hat diese vollständig und zutreffend zu sein (BAG, Urteil v. 03.07.1990, 3 AZR 382/89, in jurs recherchiert). Entgegen der Ansicht des Klägers liegt jedoch keine Mitteilung nach Nummer 8.3 der VO 85 vor. Diese Mitteilungspflicht über eine unverfallbare Anwartschaft setzt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt der Mitteilung voraus.
Das Erstgericht geht zu Recht davon aus, dass der Kläger nach dem Inhalt des Auskunftsschreibens davon ausgehen konnte, dass ihm bereits im Januar 2005 eine unverfallbare Anwartschaft auf Betriebsrente zustand. Weitere Schritte des Klägers, diese Auskunft zu hinterfragen und sich noch einmal bei der Beklagten insoweit zu versichern, waren auch nach Auffassung des LAG nicht erforderlich.
a) Es liegt – entgegen der Ansicht der Beklagten – gerade nicht der Fall vor, dass dem Kläger vorgeworfen werden müsste, sich vor der Eigenkündigung über die rechtlichen Folgen dieses Schrittes keine Klarheit verschafft zu haben bzw. dass der Vorwurf im Raum stünde, dass die Beklagte den Kläger auf die knappe Nichterfüllung der Unverfallbarkeitsfristen hätte hinweisen müssen. Eine derartige Hinweispflicht besteht – wie die Beklagte zu Recht hinweist – nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht (BAG, Urteil v. 15.10.2013, 3 AZR 10/12, in juris recherchiert).
Das Auskunftsschreiben der Beklagten gab in keinster Weise Anlass dazu, die Auskunft nicht als vollständig, richtig und damit verbindlich anzusehen. Das Schreiben enthält keinerlei Hinweise darauf, dass es sich lediglich um ein Diskussionspapier handele bzw. dieses nur den Sinn und Zweck hätte, Meinungsverschiedenheiten über Berechnungsgrundlagen frühzeitig aufzudecken. Es handelt sich nach dem eindeutigen Wortlaut um eine Auskunft über die betriebliche Rentenanwartschaft.
b) Wie das Erstgericht völlig zutreffend ausführt, entlastet der Einwand, es handele sich bei dem Auskunftsschreiben um eine standardisierte Serviceleistung, die turnusmäßig an die Arbeitnehmer versandt werde, die Beklagte nicht. Insoweit liegt auch nach Auffassung des LAG bereits ein reines standardisiertes Schreiben gerade nicht vor. Das Schreiben ist vielmehr sehr wohl individualisiert, als es sich an den Kläger persönlich richtet und konkrete Angaben zur Höhe dessen unverfallbarer Anwartschaft enthält und somit allein den Kläger betreffende Besonderheiten berücksichtigt. Es liegt darin gerade keine allgemeine Auskunft über die bei der Beklagten geltenden Regularien hinsichtlich möglicher Rentenansprüche.
Darüber hinaus ist auf die Unterschiede im Auskunftsschreiben vom Januar 2004 und dem Auskunftsschreiben vom Januar 2005 hinzuweisen. Im ersten Schreiben ist von einer unverfallbaren Anwartschaft nicht die Rede, das heißt, aus den beiden Auskunftsschreiben ist ersichtlich, dass Veränderungen der konkret beim Kläger gegebenen Umstände berücksichtigt wurden. Auch wenn für die Beklagte gegebenenfalls zum Zeitpunkt der Auskunftserteilung nicht ersichtlich gewesen war, dass der Kläger geplant hatte, sein Anstellungsverhältnis zu beenden und somit davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit der Anwartschaft tatsächlich im Laufe des Jahres 2005 eintreten werden, ändert dies nichts an der Tatsache, dass die Auskunft über die unverfallbare Anwartschaft zu ihrer Richtigkeit voraussetzt, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls bis 31.05.2005 bestehen muss. Vielmehr wird dagegen ausdrücklich auf den Stand 2004 hingewiesen und darauf, dass für die Berechnung der Rentenanwartschaft die heute (Januar 2005) bekannten Daten berücksichtigt wurden. Im Januar 2005 konnte aber gerade nicht davon ausgegangen werden, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls noch bis 31.05.2005 bestehen werde.
Der Kläger hat auch nicht völlig autonom die Entscheidung getroffen, von sich aus zu kündigen. Vielmehr erfolgte die Eigenkündigung des Klägers jedenfalls nach Absprache mit dem Bezirksdirektor E., dass nämlich zukünftig eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger auf selbständiger Basis vorgesehen war. Herr E. hat insoweit ohne Zweifel als direkter Vorgesetzter und Bezirksdirektor im Rahmen dieser Sondierungsgespräche als Erfüllungsgehilfe der Arbeitgeberin gehandelt. Die Möglichkeit einer zukünftigen Tätigkeit nunmehr als selbständiger Versicherungsvertreter für die Arbeitgeberseite war von Herrn E. bestätigt worden. Dies war Grundlage für die Entscheidung des Klägers zur Eigenkündigung.
Darüber hinaus müssen auch Auskünfte in standardisierten Schreiben an die Arbeitnehmer vollständig und richtig sein.
c) Entgegen der Ansicht der Beklagten konnte der Kläger mit dem Auskunftsschreiben sehr wohl davon ausgehen, dass er jedenfalls zum Zeitpunkt Januar 2005 bereits eine unverfallbare Anwartschaft erworben hatte. Wie das Erstgericht völlig zutreffend darstellt, ergibt sich aus dem Hinweis, dass das Unternehmen nach Eintritt des Versorgungsfalles gemäß Tarifvertrag über die betriebliche Versorgungsordnung vom 01.04.1985 Versorgungsleistungen zahlen werde und der Bitte zu beachten, „dass zum Bezug der betrieblichen Versorgungsleistungen alle Leistungsvoraussetzungen erfüllt sein müssen“, nichts Abweichendes.
Diese Einschränkungen betreffen gerade den Bezug betrieblicher Versorgungsleistungen und weisen insbesondere auf die Voraussetzung der Bewilligung einer Vollrente durch den gesetzlichen Rentenversicherungsträger hin. Nach allgemeinen Hinweisen zur Rente nach Eintritt des Versorgungsfalles erfolgt in einem eigenen Absatz und durch Fettdruck optisch hervorgehoben der Hinweis, dass die Höhe des unverfallbaren Rentenanspruchs, welcher nach einem Ausscheiden aus dem Unternehmen zum 65. Lebensjahr fällig werden würde, nach Vollendung des 65. Lebensjahres 555,45 € beträgt.
Hinsichtlich der Unverfallbarkeit der Rentenanwartschaft wurden keine Vorbehalte oder Einschränkungen gemacht. Lediglich hinsichtlich der Fälligkeit wird auf das Erreichen des 65. Lebensjahres abgestellt. Der Konjunktiv „fällig werden würde“ bezieht sich somit eindeutig allein auf das – nicht unbedingt sichere – Erreichen des 65. Lebensjahres. Es ist allein von einem vorzeitigen Ausscheiden die Rede. Dass dieses Ausscheiden aber nicht vor dem 01.06.2005 erfolgen dürfe, um die unverfallbare Anwartschaft zu erwerben, ist nicht ersichtlich. Vielmehr ergibt sich aus dem Schreiben, dass „Stand 2004“ bzw. unter Zugrundelegung der heute (Januar 2005) bekannten Daten die Rentenanwartschaft berechnet wurde und diese 555,45 € beträgt. Dass im Laufe des Jahres 2005 noch der Eintritt einer weiteren Bedingung für die unverfallbare Anwartschaft Voraussetzung ist, ergibt sich nicht. Insoweit ist für die Höhe der unverfallbaren Rentenanwartschaft gerade nicht der Konjunktiv benützt. Damit ist offensichtlich mit „einem vorherigen Ausscheiden“ ein Ausscheiden vor dem 65. Lebensjahr gemeint, wobei eine weitere Einschränkung hinsichtlich des frühest möglichen Zeitpunktes des Ausscheidens gerade nicht erfolgt ist. Objektiv ist diese Auskunft somit so zu lesen, dass bei einem Ausscheiden im Zeitraum Januar 2005 bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres eine unverfallbare Anwartschaft begründet wird.
Aus der Auskunft ergibt sich somit auch nach Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Rentenanspruch bei einem vorzeitigen Ausscheiden nicht verfällt, sondern unverfallbar ist und zum Stand 2005 555,45 € beträgt. Die sonstigen Vorbehalte betreffen – wie das Erstgericht zutreffend hinweist – nicht den möglichen Verfall, sondern die nicht abschließend feststehende Rentenhöhe.
2. Bei einer unrichtigen Auskunft hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Schaden zu ersetzen, der ihm daraus erwächst, dass er auf die unrichtige Auskunft vertraut hat. Erweckt der Arbeitgeber in zurechenbarer Weise beim Arbeitnehmer die Vorstellung, es bestünde eine unverfallbare Anwartschaft, ist er somit verpflichtet, den aus dem Verfall der Anwartschaft erwachsenen Schaden zu ersetzen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 14.01.1992, 10 Sa 531/91, in juris recherchiert).
Zwar ist – wie die Beklagte zu Recht darauf hinweist – bei einem Schadenersatz wegen fehlerhafter Auskunft grundsätzlich der Vertrauensschaden und nicht das Erfüllungsinteresse zu ersetzen. Der Arbeitnehmer ist aber so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Arbeitgeber ihn von vornherein richtig über das Bestehen bzw. Nichtbestehen einer unverfallbaren Anwartschaft informiert hätte. Nach §§ 249 i.V.m. 252 BGB ist allein zu beurteilen, was der Arbeitnehmer getan hätte, wenn ihm eine richtige Auskunft erteilt worden wäre. Dies ist gemäß § 287 ZPO vom Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu beurteilen.
Vorliegend steht nach freier Überzeugung des Gerichtes fest, dass der Kläger, der aufgrund der falschen Auskunft durch eine um zwei Monate verfrühte Eigenkündigung tatsächlich eine unverfallbare Anwartschaft nicht erworben hatte, bei richtiger Auskunft erst zwei Monate später gekündigt hätte.
Dies ergibt sich aus den Besonderheiten des vorliegenden Falles eindeutig. Es ging gerade nicht darum, dass der Kläger gegebenenfalls eine erheblich höher dotierte Stelle bei einem anderen Arbeitgeber annehmen wollte und diese Stelle nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich vor dem 31.05.2005, hätte angetreten werden müssen. Vielmehr liefen Gespräche zwischen dem Kläger und insbesondere seinem Vorgesetzten, dem Bezirksdirektor Herrn E., über eine Änderung der seiner Tätigkeit zugrundeliegenden vertraglichen Gestaltung. Anstatt weiterhin im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses weiterbeschäftigt zu werden, war abgesprochen, dass der Kläger zukünftig mit der Arbeitgeberin als selbständiger Versicherungsvertreter weiter zusammenarbeiten solle. Dieses Angebot war auch nicht befristet; es hätte keinen Unterschied gemacht, ob der Kläger erst zwei Monate später das Anstellungsverhältnis gekündigt und damit erst ab 01.06.2005 anstatt ab 01.04.2005 als selbständiger Versicherungsvertreter den Weg in die Selbständigkeit beschritten hätte.
Die fehlerhafte Auskunft ist somit allein kausal für die verfrühte Kündigung. Bei richtiger Auskunft hätte der Kläger zwei Monate später gekündigt und die Stichtagsregelung des BetrAVG erfüllt. Die fehlerhafte Auskunft ist somit conditio sine qua non für das Nichterreichen der notwendigen 10-Jährigen Dauer der Pensionszusage. Der Kläger hätte bei richtiger Auskunft die Disposition getroffen, erst zwei Monate später zu kündigen und damit die unverfallbare Anwartschaft erworben.
Der zu ersetzende Vertrauensschaden kann in bestimmten Fällen dem Erfüllungsinteresse entsprechen. Der Vertrauensschaden kann ausnahmsweise mit dem Erfüllungsschaden übereinstimmen (Brandenburgisches OLG, Urteil v. 27.05.2010, 5 U 97/09, in juris recherchiert). Diesen Ausnahmefall hat das Erstgericht vorliegend zutreffend angenommen. Der Kläger ist somit so zu stellen, als hätte er erst zwei Monate später gekündigt und damit die unverfallbare Anwartschaft erworben.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
D.
Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass.


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