Arbeitsrecht

Festsetzung der Sachverständigenvergütung nach Zeitaufwand

Aktenzeichen  W 1 M 15.1235

Datum:
13.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
JVEG JVEG § 4 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Die “erforderliche” Zeit (§ 8 Abs. 2 S. 1 JVEG) für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens richtet sich nicht nach den tatsächlich aufgewendeten Stunden, sondern danach, welchen Zeitaufwand ein durchschnittlich befähigter Sachverständiger zur sachgemäßen Auftragserledigung benötigt. (redaktioneller Leitsatz)
Nach der für den Sachverständigen günstigeren Rechtsprechung ist für die Abfassung einer Seite des Gutachtens mit 1.800 Anschlägen ein Zeitaufwand von einer Stunde erforderlich. Dabei bleiben Passagen außer Betracht, die lediglich eine zuvor bereits geschilderte Anamnese wiederholen und zusammenfassen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Sachverständigenvergütung des Beteiligten zu 1) in der Verwaltungsstreitsache W 1 K 14.621 (vormals W 1 K 12.620) wird auf 3.786,88 EUR festgesetzt.

Gründe

Über den zulässigen Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Sachverständigenvergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG entscheidet gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG der Berichterstatter als Einzelrichter.
Die Vergütungsfestsetzung beruht auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG. Danach erhält der Sachverständige für seine Leistungen als Vergütung ein Honorar, das gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG nach Stundensätzen innerhalb der jeweils einschlägigen Honorargruppe zu bemessen ist und für jede Stunde der „erforderlichen“ Zeit gewährt wird (§ 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG). Für die Ermittlung der „erforderlichen“ Zeit kommt es nicht auf die tatsächlich aufgewendeten Stunden, sondern darauf an, welcher Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung und durchschnittlichen Kenntnissen bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität üblicherweise erforderlich ist, um sich nach sorgfältigem Aktenstudium und erforderlichenfalls einer persönlichen Untersuchung des Klägers ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche Stellungnahme zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen (BayLSG, B.v. 19.3.2007 – L 14 R 42/03.Ko – juris Rn. 14, 15; Thüringisches LSG, B.v. 4.4.2005 – L 6 SF 83/05 – juris Rn. 15; Binz in Binz/Dörndorfer, GKG, FamGKG, JVEG, 3. Aufl. 2014, § 8 JVEG Rn. 7).
Danach ist die Vergütung des Beteiligten zu 1) im Einzelnen wie folgt festzusetzen:
Leistungsentschädigung für Aktenstudium, Anamnese, Untersuchung, Ausarbeitung, Diktat und Korrektur für 35,5 Stunden nach Honorargruppe M 3 in Höhe von 85,00 EUR/Stunde (§ 8 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i. V. m. Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG)
3.017,50 EUR
Schreibauslagen für 132.472 Anschläge – ergibt 133 angefangene 1.000 Anschläge á 0,75 EUR (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 und § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG)
99,75 EUR
Sachkosten der Klinik (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 und § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG i. V. m. DKG-NT)
53,00 EUR
Aufwendungen für Porto- und Versand (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 und § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG)
12,00 EUR
19% Mehrwertsteuer aus 3.182,25 EUR (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 und § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG)
604,63 EUR
Erstattungsbetrag:
3.768,88 EUR.
Hinsichtlich der Begründung nimmt das Gericht zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Vergütungsfestsetzung durch die Urkundsbeamtin vom 13. September 2013 Bezug, der sich das Gericht in vollem Umfang anschließt.
Ergänzend ist zu den Einwänden des Beteiligten zu 1) auszuführen:
Für die Abfassung einer Seite der Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen ist ein Zeitaufwand von einer Stunde für eine ganze Seite im Umfang von 1.800 Anschlägen angemessen (BayLSG, B.v. 15.6.2009 – L 15 SF 129/09 BE – juris Rn. 15; B.v. 19.3.2007 – L 14 R 42/03.Ko – juris Rn. 20). Der Rechtsauffassung der Urkundsbeamtin folgend geht das Gericht dabei von der für den Beteiligten zu 1) günstigeren Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts aus und wendet nicht die demgegenüber ungünstigere Rechtsprechung des Thüringischen Landessozialgerichts (B.v. 4.4.2005 – L 6 SF 83/05 – juris Rn. 20) an, welche einen Zeitaufwand von in der Regel drei Seiten pro Stunde ansetzt.
Bei der Ermittlung des Zeitaufwandes für die Abfassung des Gutachtens sind dabei, der Festsetzung durch die Urkundsbeamtin folgend, ca. 12 die Beantwortung der Beweisfragen umfassenden Seiten (Seite 86, 2. Absatz bis Seite 97), d. h. insgesamt 9,11 Standardseiten zum Ansatz zu bringen. Die Seiten 72 bis 86, 1. Absatz (Unterpunkt E „Zusammenfassung und Beurteilung“) des Sachverständigengutachtens sind dabei vor dem Hintergrund des Gebots der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung nicht anzusetzen, weil diese lediglich die bereits auf den vorherigen Seiten des Gutachtens geschilderte Anamnese wiederholen und zusammenfassen. Der Einwand des Beteiligten zu 1), die Integration und psychiatrische Kommentierung der anamnestischen Informationen aus verschiedenen Bereichen in der zusammenfassenden Beurteilung sei ein essenzieller Bestandteil der Abfassung des Gutachtens, kann in Bezug auf die auf Seiten 72 bis 86 enthaltene Wiederholung und Zusammenfassung der Anamnese nicht gefolgt werden. Für die Integration und psychiatrische Kommentierung der Anamnese ist die nochmalige Wiederholung bzw. Zusammenfassung derselben nicht erforderlich. Eine Integration und psychiatrische Kommentierung dieser Informationen erfolgt auf den genannten Seiten des vorliegenden Gutachtens noch nicht. Erst ab Seite 86, 2. Absatz stellt der Sachverständige die aktuellen Untersuchungsbefunde den anamnestisch gewonnenen Informationen gegenüber und zieht daraus seine gutachterlichen Schlüsse. Erst hierbei handelt es sich um die vom Beteiligten zu 1) angesprochene „Integration und psychiatrische Kommentierung der anamnestischen Informationen aus verschiedenen Bereichen“ im Sinne der Beantwortung der vom Gericht gestellten Beweisfragen.
Im Übrigen würde, worauf die Urkundsbeamtin im Vorlagebericht vom 8. Oktober 2013 zu Recht hinweist, bei Einbeziehung der gesamten zusammenfassenden Beurteilung (d. h. ab Seite 72 des Gutachtens) unter Anwendung der von der Kostenstelle des Gerichts üblicherweise herangezogenen Rechtsprechung des Thüringischen Landessozialgerichts (B.v. 4.4.2005 – L 6 SF 83/05 – juris Rn. 20) ein Zeitaufwand von drei Seiten pro Stunde, d. h. insgesamt 6,32 Stunden (anstatt 9,11 Stunden) für die Abfassung der Beurteilung anzusetzen sein. Das Gericht geht jedoch, wie bereits ausgeführt, beim Ansatz des zeitlichen Aufwands für die Ausarbeitung des Gutachtens von der für den Beteiligten zu 1) günstigeren Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts aus. Hierbei trotz der oben genannten Bedenken die gesamte Zusammenfassung und Beurteilung von Seite 72 bis 97 des Gutachtens anzusetzen, stellte eine nicht mehr gerechtfertigte Vergünstigung dar.
Die testpsychologischen Befunde wurden mit einem Zeitaufwand von 0,5 Stunden je testpsychologische Untersuchung nach der Honorargruppe M 3, mithin der höchsten Honorargruppe, angesetzt. Eine weitere Vergünstigung erscheint auch hier nicht gerechtfertigt.
Eine Kostenerstattung findet im Verfahren der gerichtlichen Vergütungsfestsetzung nicht statt (§ 4 Abs. 8 Satz 2 JVEG).


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