Arbeitsrecht

Feststellung des Status der Selbstständigkeit

Aktenzeichen  S 4 R 1035/14

Datum:
24.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG SGG § 51, § 57
SGB IV SGB IV § 7 Abs. 1 S. 1, § 7 a Abs. 2

 

Leitsatz

1. Bei der Beurteilung des Status nach § 7 SGB IV sind alle sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Gesichtspunkte, sowie das Maß der Weisungsgebundenheit, der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers und des unternehmerischen Risikos abzuwägen.
2. Auch eine sehr selbstbestimmt und mit großer organisatorischer und kreativer Eigenleistung arbeitende Fachkraft, wie die für einen Schulbuchverlag als Redakteurin tätige Klägerin, ist nach der Überzeugung des Gerichts bei den konkreten Arbeitsumständen abhängig beschäftigt, wenn sie ausschließlich für diesen einen Verlag arbeitet und kein unternehmerisches Risiko trägt. Dies gilt auch, wenn die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers nur gering ist, weil die Klägerin mit modernen Medien von zu Hause arbeitet.

Tenor

I.
Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2014 wird abgewiesen.
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Das Sozialgericht Augsburg ist sachlich und örtlich gemäß §§ 51, 57 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuständig.
Die ordnungsgemäß und fristgerecht eingereichte Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 07.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin und die Beigeladene zu 1. nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist ab dem 01.10.2013 bei der Beigeladenen zu 1. abhängig beschäftigt und unterliegt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Nach § 7 a Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) entscheidet die Beklagte im Rahmen eines Anfrageverfahrens auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts – BSG – (siehe BSG, Urteil vom 11.03.2009, Az.: B 12 R 11/07 R) findet dabei keine isolierte Feststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung, sondern zugleich eine Entscheidung über die Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung statt.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Beschäftigung ist danach die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen, eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers und das Fehlen eines unternehmerischen Risikos, § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmensrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 24.01.2007, Az. B 12 KR 31/06 R).
Nach diesen Grundsätzen überwiegen zur Überzeugung des Gerichts in der Zusammenschau aller Aspekte die Aspekte, die für eine abhängige Beschäftigung der Klägerin ab dem 01.10.2013 sprechen. Das Gericht hat dabei die sich aus dem Vertragsverhältnis ergebenden Gesichtspunkte, die Faktoren der Weisungsgebundenheit, der Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers und das unternehmerische Risiko abgewogen.
Entscheidend bei der Beurteilung der konkreten Fallgestaltung ist nach der festen Überzeugung des Gerichts, dass die Klägerin keinerlei unternehmerisches Risiko hinsichtlich des von ihr betreuten Werkes „E. “ trägt. Das gleiche gilt für die anderen Lehrwerke, „P.“ und „L. “, die die Klägerin noch im Verwaltungsverfahren als weitere von ihr betreute Werke angegeben hatte.
1. Vertrag Ausgangspunkt für die Beurteilung ist zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt (vgl. Landessozialgericht – LSG – Baden-Württemberg, Urteil vom 18.07.2013, Az. L 11 R 1083/12).
Sowohl die Klägerin als auch die Beigeladene zu 1. betonen, dass die Klägerin ab dem 01.10.2013 nur noch selbstständig für die Beigeladene zu 1. tätig sein wollte. Ein Vertrag wurde von den Genannten nicht vorgelegt, die Klägerin erhält vielmehr Aufträge durch mündliche Vereinbarungen.
Der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. geschlossene mündliche Vertrag über die freie Mitarbeit ergibt noch kein klares Bild.
Laut dem mündlichen Vertrag ist es die Aufgabe der Klägerin das Mathematiklehrwerk „E. “ für den deutschen Markt zu betreuen. Sie soll das Projekt so managen, dass die einzelnen Mitwirkenden wie Autoren und Grafiker ihre Arbeit so erstellen, dass dies den Vorgaben des jeweiligen Kultusministeriums entspricht und bis zur jeweiligen Frist fertig ist. Die Fertigstellungsfrist ergibt sich aus der vom Kultusministerium festgesetzten Abgabefrist für Schulbücher abzüglich der Zeit für die Abnahme des Werkes und den Druck. Die Tätigkeit wird nach einem festen Stundesatz in Höhe von 38,00 EUR vergütet.
Zwar sprechen die Regelungen des Vertrages zur fehlenden Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, dem fehlenden Urlaubsgeld, der Bezahlung nach tatsächlich geleisteten Stunden sowie der Verpflichtung zur Rechnungsstellung gegen eine abhängige Beschäftigung der Klägerin, jedoch entspricht die Vereinbarung eines festen Stundensatzes anstelle einer Vergütung je nach Auftrag einer typischen Entlohnung in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Dies gilt erst recht, da die Entlohnung unabhängig vom Erfolg bzw. dem Ergebnis der Tätigkeit erfolgt.
2. Unternehmerisches Risiko Abhängig Beschäftigte tragen kein unternehmerisches Risiko, vielmehr liegt das Risiko der Vermarktung der durch die Beschäftigten hergestellten Ware beim Arbeitgeber. Damit ist das Unternehmerrisiko ein klassisches Merkmal für eine selbständige Tätigkeit.
Maßgebendes Kriterium für ein unternehmerisches Risiko ist, ob eigenes Kapital und/oder eigene Arbeitskraft in einer Art und Weise eingesetzt werden, die die Gefahr des Verlustes bergen. Es muss also ungewiss sein, ob sich der Einsatz der sachlichen oder persönlichen Mittel lohnt. Die aus der Tätigkeitsübernahme folgende allgemeine verschuldensabhängige Haftung ist noch kein Indiz für die Übernahme eines unternehmerischen Risikos (vgl. Vor in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, Stand: 13.01.2017, § 1 SGB VI Rn. 40).
Die Klägerin hat zwar vorgetragen, dass sie nur in dem Maße ihre Stunden vergütet bekäme wie sie tatsächlich arbeite. Dies allein genügt jedoch nicht, für die Begründung eines unternehmerischen Risikos. Entscheidend ist nach der Überzeugung des Gerichts, dass die Klägerin nach übereinstimmender Auskunft der Beteiligten ihre Stunden vergütet bekommt und zwar gleichgültig, ob das fertige Werk vom jeweiligen Kultusministerium approbiert wird. Das Risiko des Erfolgs, nämlich der Vermarktung, trägt ganz allein die Beigeladene zu 1. Diese trägt dabei bereits im Vorfeld die Kosten für die Erstellung des Werkes, indem sie die Klägerin und die sonstigen am Werk Beteiligten entlohnt. Außerdem muss sie erhebliche Mittel in den Druck des Werkes investieren.
Die Investitionen der Klägerin in PC, Drucker, Telefon, Visitenkaten etc. sind nicht von einem solchen Umfang, dass bei ihrer Anschaffung bereits von einem unternehmerischen Risiko gesprochen werden könne. Zudem ist es auch für Beschäftigte nicht unüblich sich privat oder für ein Heimarbeitsbüro Hardware und Software und sogar Visitenkarten zu beschaffen. Inwieweit dies vom Arbeitgeber zu erstatten ist oder zu übernehmen gewesen wäre, wäre arbeitsrechtlich zu entscheiden. Möglicherweise schuldet die Beigeladene zu 1. dies der Klägerin noch. Dass die Beigeladene zu 1. die Kosten für die Anschaffung nicht übernommen hat, kann also nicht als Indiz für die Selbstständigkeit dienen.
3. Weisungsgebundenheit Weisungsgebundenheit liegt vor, wenn der Beschäftigte Weisungen hinsichtlich der Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeit zu folgen hat. Die Weisungsgebundenheit ist jedoch je nach Tätigkeit unterschiedlich stark ausgeprägt. Grundsätzlich gilt, dass je anspruchsvoller die Tätigkeit ist, desto geringer ist die Weisungsgebundenheit ausgeprägt. Ausformung der Weisungsgebundenheit ist regelmäßig eine Überwachung und Kontrolle des Beschäftigten durch den Arbeitgeber oder dessen Mitarbeiter (vgl. Vor in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, Stand: 13.01.2017, § 1 SGB VI Rn. 38).
Für das Gericht steht fest, dass die Klägerin eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit ausübt. Sie ist auf ihrem Gebiet eine Spezialistin. Die Klägerin arbeitet nach übereinstimmender und glaubhafter Aussage der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. sehr selbstbestimmt. Die Kontrolle der Beigeladenen zu 1. hinsichtlich der Arbeitszeit und der Arbeitsabläufe ist minimal, sie beschränkt sich fast ausschließlich auf die Auftragserteilung der Erstellung des Werkes nach den Vorgaben des jeweiligen Kultusministeriums und die Endabnahme.
Die sehr anspruchsvolle Tätigkeit mit großer organisatorischer und kreativer Eigenleistung erklärt die sehr geringe Kontrolle durch die Beigeladene zu 1. und steht einer Weisungsgebundenheit nicht entgegen. Ein Beachten-müssen der fachlichen Vorgaben des jeweiligen Kultusministeriums und damit auch der Beigeladenen zu 1. kann daher weder als ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung noch dagegen gesehen werden. Bei der Arbeit für einen Schulbuchverlag sind diese Vorgaben logischerweise zwingend für alle an einem Schulbuch Mitwirkenden einzuhalten, da das Werk ansonsten gar nicht vom Ministerium approbiert würde.
Die freie Arbeitszeiteinteilung und das Arbeiten in den eigenen Büroräumen war früher ein starkes Indiz für die Selbstständigkeit. Im Zuge der Modernisierung der Arbeitswelt hat dieses Kriterium zum Teil an Gewicht verloren. Denn die Arbeitsmittel wie PC und internetfähige Mobiltelefone ermöglichen eine Erreichbarkeit und ein Arbeiten rund um die Uhr. Sie sind auch für den „Hausgebrauch“ erschwinglich und lassen neue Arbeitszeitmodelle zu, die dem Beschäftigten zum Teil sehr viel Freiheit geben wann und von welchem Ort er seine Aufgaben erfüllen möchte (Heimarbeit, Gleitzeit…). Daher ist das Arbeiten von zu Hause mit freier Zeiteinteilung nunmehr kein zwingendes Zeichen mehr für eine selbstständige Tätigkeit. Dies gilt insbesondere für sehr anspruchsvolle Tätigkeiten mit kreativer Eigenleistung, wie die Klägerin eine ausübt. Das Gericht hat der Tatsache, dass die Klägerin ihre Arbeit selbstverantwortlich hinsichtlich Zeit und Ort organisiert, deshalb nur wenig Gewicht beimessen können.
Nach der Überzeugung des Gerichts spricht eindeutig für die Weisungsgebundenheit und damit für die abhängige Beschäftigung, dass die Klägerin ausschließlich für die Beigeladene zu 1. arbeitet. Sofern sie ihre Dienste anderen angeboten hat, kam die Annahme anderer Aufträge schon aus zeitlichen Gründen für sie nicht in Betracht, da sie bereits 30 – 40 Stunden, d.h. Vollzeit, für die Beigeladene zu 1. arbeitet.
Dazu kommt, dass die Klägerin nach ihrem Studium mit Referendariat für die Beigeladene zu 1. und nie für einen anderen Auftraggeber gearbeitet hat. Nach ihren eigenen glaubhaften Angaben war sie zunächst in Projekte von bereits bestehenden Lehrwerken eingebunden und wurde zunächst von der Beigeladenen zu 1. sehr viel mehr kontrolliert.
Dieser Unterschied zwischen der früheren Tätigkeit beim Verlag in Innsbruck bis September 2013 und der danach folgenden Tätigkeit von zu Hause aus ab Oktober 2013 lässt beim Gericht jedoch nicht die Überzeugung entstehen, dass die Klägerin ab Oktober 2013 selbstständig war. Denn es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter zunächst im Betrieb einarbeitet und stärker kontrolliert und dann nach und nach, wenn sich der Beschäftigte bewährt, immer selbstständiger und freiverantwortlicher arbeiten lässt. Für das Gericht steht fest, dass die Klägerin sich bewährt hatte und ein entsprechendes Vertrauensverhältnis zwischen ihr und der Beigeladenen zu 1. bestand. Dies hat die Beigeladene zu 1. in der mündlichen Verhandlung auch noch einmal dadurch bekräftigt, dass sie aussagte, die Klägerin als Fachkraft auf jeden Fall behalten zu wollen.
Ebenfalls bei seiner Einschätzung berücksichtigt hat das Gericht, dass die Klägerin nach übereinstimmender Aussage von ihr und der Beigeladenen zu 1. selbst den Vorschlag gemacht haben soll, das Mathelehrwerk „E. “ für die BRD aufzubereiten und zu verlegen. Doch auch diese Eigeninitiative kann das Gericht nicht als durchschlagendes Indiz für ein weisungsungebundenes Handeln sehen, ist es doch letztlich die Beigeladene zu 1., welche die Entscheidung trifft, welche Medien des Lehrwerkzirkels in welcher Auflage und welchem Bundesland angeboten werden. Auch von engagierten Beschäftigten werden in Betrieben neue Ideen an Arbeitgeber herangetragen.
4. Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation Von einer Eingliederung in einen fremden Betrieb ist nach der Rechtsprechung des BSG auszugehen, wenn „der Beschäftigte funktionsgerecht dienend in eine fremde Arbeitsorganisation eingebunden ist“ (Vor in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, Stand 13.01.2017, § 1 SGB VI Rn. 39 m.w.N.). Beschäftigter ist demnach jemand, der dienstbereit dem Arbeitgeber mit seiner Arbeitskraft zur Verfügung steht, wodurch seine Arbeit durch die Organisation des fremden Betriebs geprägt wird. Wichtiges Beurteilungskriterium ist, ob der Beschäftigte frei über seine Arbeitskraft verfügen kann und ob er z.B. die Übernahme von Tätigkeiten verweigern kann.
Die Klägerin und die Beigeladene zu 1. haben übereinstimmend und glaubhaft dargelegt, dass die Klägerin die Koordination weiterer Projekte abgelehnt habe. Die Klägerin hat jedoch auch dargelegt, dass sie dies getan habe, weil es ihr zeitlich gar nicht möglich gewesen sei weitere Aufgaben zu übernehmen. Sie arbeite bereits Vollzeit für die Beigeladene zu 1. Eine Ablehnung von Aufträgen der Beigeladenen zu 1. aus anderen Gründen kam für die Klägerin offenbar nicht in Betracht.
Für das Gericht steht daher fest, dass die Ablehnung von weiteren Aufträgen über das Werk „E. “, welches die Klägerin in Vollzeit managte, vergleichbar ist mit der Ablehnung der Übernahme eines von einem mit übermäßigen Überstunden verbundenen Projekts durch einen Beschäftigten. Denn in einem abhängigen Beschäftigtenverhältnis kann ein Arbeitgeber nicht verlangen, dass ein Beschäftigter über einen längeren Zeitraum übermäßig viele Überstunden macht. Vielmehr gehört es zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes zur Vermeidung einer Gesundheitsgefährdung seiner Beschäftigten einzuhalten. Das Gericht kann folglich aus den „Ablehnungen“ von weiteren Aufträgen durch die Klägerin nicht auf die Selbstständigkeit schließen.
Die Klägerin hat weiter vorgetragen, dass sie eigene Visitenkarten mit eigenem Logo und einen eigenen Internetauftritt besäße. Sie habe daher eine eigene Firmenidentität.
Da die Klägerin ihre Arbeitskraft faktisch ausschließlich der Beigeladenen zu 1. zur Verfügung stellt, vermochten auch diese Fakten das Gericht nicht von der Selbstständigkeit der Klägerin zu überzeugen.
Die Klägerin hat weiter vorgetragen, dass sie die Beigeladenen zu 1. nicht mehr auf Messen etc. repräsentiere. Sie trete seit Oktober 2013 nicht mehr als Mitarbeiterin der Beigeladenen zu 1. auf. Die Klägerin und die Beigeladenen zu 1. gaben aber übereinstimmend an, dass die Klägerin durch ihr Networking in Deutschland das auf dem Deutschen Markt neue Mathelehrwerk „E. “ bekannt gemacht habe.
Dass sich die Klägerin nicht selbst als Mitarbeiterin der Beigeladenen zu 1. bezeichnet, kann das Gericht nicht als klares Indiz für ihre Selbstständigkeit werten. Denn die Klägerin kann möglicherweise im potentiellen Kundenkreis sogar mehr Interesse wecken, wenn sie nicht als abhängige Beschäftigte, sondern als unabhängige Redakteurin gilt. Dies greift umso mehr als dass der Kundenkreis aus dem Bereich der Lehrerschaft kommt und die Klägerin selbst die vollständige Ausbildung hat, die sie zur Übernahme des Berufs als Lehrerin befähigte.
Dass die Klägerin, die entsprechend ihrer Auffassung und der der Beigeladenen zu 1. als selbstständige Mitarbeiterin geführte wird, keinen Anspruch auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall etc. hat, versteht sich von selbst. Dies kann das Gericht jedoch ebenfalls nicht als Nachweis einer Selbstständigkeit heranziehen, da es sich um einen Zirkelschluss handeln würde. Wäre die Klägerin von der Beigeladenen zu 1. als abhängige Beschäftigte geführt worden – wie es nach der Überzeugung des Gerichts korrekt gewesen wäre – hätte sie selbstverständlich ihren Anspruch auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall geltend machen können.
Die Klägerin zahlt nicht in die Künstlersozialkasse ein. Die Versicherung in der Künstlersozialkasse wäre u.U. ein Indiz für die Selbstständigkeit gewesen.
Die gesamten Umstände, wie die Tätigkeit der Klägerin erfolgt ist, sprechen im Rahmen des Gesamtbildes der Arbeitsleistung gegen eine selbständige Tätigkeit der Klägerin.
Die Klage war daher abzuweisen Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


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