Arbeitsrecht

Feststellung seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit

Aktenzeichen  M 24 K 19.560

Datum:
12.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9744
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LuftSiG § 7 Abs. 1a S. 4 Nr. 4
VwGO § 74, § 113 Abs. 5 , § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 5, § 117 Abs. 5, § 124, § 124 a Abs. 4
LuftSiZÜV § 5 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.
1. Das Gericht konnte ohne weitere mündliche Verhandlung über die Streitsache entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
2. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 Var. 1) zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben (§ 74 VwGO), aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Feststellung seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist unter Berücksichtigung des einschlägigen materiellen Rechts der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, da Streitgegenstand der Anspruch des Klägers auf Feststellung seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit ist.
2.1. Maßgebliche Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Feststellung der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit ist § 7 LuftSiG.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LuftSiG hat die Luftsicherheitsbehörde die Zuverlässigkeit von Personen, denen zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit nicht nur gelegentlich Zugang zum Sicherheitsbereich des Geländes eines Flugplatzes im Sinne des § 8 LuftSiG oder zu einem überlassenen Bereich des Luftfahrtunternehmens im Sinne des § 9 LuftSiG gewährt werden soll, zu überprüfen. Die Anforderungen an die Zuverlässigkeit im Sinne dieser Vorschrift werden in § 7 Abs. 1a LuftSiG und § 5 Abs. 1 LuftSiZÜV (Luftsicherheits-Zuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung) konkretisiert. Gemäß § 7 Abs. 1a LuftSiG bewertet die Luftsicherheitsbehörde die Zulässigkeit des Betroffenen aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LuftSiZÜV ist die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen, wenn daran Zweifel verbleiben. Es ist also nicht erforderlich, explizit eine Unzuverlässigkeit festzustellen, vielmehr genügen bloße Zweifel an der Zuverlässigkeit, um eine solche nicht (mehr) festzustellen. Umgekehrt folgt daraus, dass zuverlässig im Sinne dieser Normen nur ist, wer die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen. Wegen des gerade beim Luftverkehr hohen Gefährdungspotenzials und der Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Daher ist die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen, wenn an ihr auch nur geringe Zweifel bestehen (BVerwG U.v. 15.7.2004 – 3 C 33/03 – BVerwGE 121, 257, Leitsatz 2, juris).
Die Entscheidung der Sicherheitsbehörde über die Zuverlässigkeit der überprüften Personen unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle. Der Behörde steht kein Beurteilungsspielraum zu (Meyer in Grabherr/Reidt/Whysk, Luftverkehrsgesetz Kommentar, Stand Januar 2019, LuftSiG § 7 Rn. 81; BVerwG, U.v. 15.7.2004 – 3 C 33/03 – juris Rn. 16).
2.2. Im vorliegenden Fall sind Regeltatbestände im Sinne von § 7 Abs. 1a Satz 2 LuftSiG, bei denen es regelmäßig an der erforderlichen Zuverlässigkeit des Betroffenen fehlt, nicht einschlägig.
2.3. Zu Recht ist der Beklagte aber davon ausgegangen, dass sonstige Erkenntnisse vorliegen, aus denen sich im Rahmen der Gesamtwürdigung des Einzelfalles Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers ergeben und zwar in Form des Verdachts auf Alkoholabhängigkeit oder regelmäßigen Alkoholmissbrauchs (§ 7 Abs. 1a Satz 4 Nr. 4 LuftSiG).
2.3.1. Im vorliegenden Fall ergeben sich aus dem chemisch-toxikologischen Gutachten vom 13. Dezember 2018, welches einen Ethylglucuronid-Wert von 46 pg/mg aufweist, tatsächliche Anhaltspunkte für einen Verdacht auf Alkoholabhängigkeit oder regelmäßigen Alkoholmissbrauch. Laut dem Gutachten sind Konzentrationen im Bereich von 7-30pg/mg mit einem sozialen Konsum vereinbar. Der beim Kläger in diesem Gutachten ermittelte Wert liegt so erheblich über dem Normalbereich, dass er geeignet ist, Zweifel im Hinblick auf Alkoholabhängigkeit oder regelmäßigen Alkoholmissbrauch zu begründen.
2.3.2. Es ist dem Kläger nicht gelungen, diese Zweifel an seiner Zuverlässigkeit auszuräumen.
Das vom Kläger mit der Klagebegründung vorgelegte chemisch-toxikologische Gutachten vom 22. Januar 2019 ist weder für sich genommen noch im Zusammenspiel mit dem zuletzt vorgelegten internistischen Gutachten vom 23. Januar 2019 (gemeint: 2020) geeignet, diese Zweifel zu beseitigen. Der im chemisch-toxikologischen Gutachten vom 22 Januar 2019 ermittelte Ethylglucuronid-Wert liegt mit 30pg/mg gerade noch in dem Bereich, der mit einem sozialen Konsum vereinbar ist. Eine einmalige Punktlandung am obersten Grenzwert des sozialadäquaten Konsums vermag die aufgeworfenen Zuverlässigkeitszweifel nicht mit hinreichender Sicherheit zu beseitigen. Bezieht man zugunsten des Klägers die im internistischen Gutachten vom 23. Januar 2019 (gemeint: 2020) enthaltenen – im Hinblick auf Alkoholkonsum unauffälligen – Laborwerte mit ein, welche vom 12. November 2019 und vom 18. Dezember 2019 stammen, so kommt der Kläger zwar auf insgesamt drei unauffällige Ergebnisse, eine Beurteilung des klägerischen Alkoholkonsums über einen längeren durchgehenden Zeitraum ermöglichen diese punktuellen Werte jedoch nicht. Zwischen der dem Gutachten vom 22. Januar 2019 zugrunde liegenden Haarprobenentnahme und den dem Gutachten vom 23. Januar 2019 (gemeint: 2020) zugrundeliegenden Blutentnahmen liegt ein Zeitraum von mehr als 10 Monaten, über den keinerlei Erkenntnisse in Bezug auf den Alkoholkonsum des Klägers vorliegen. Der Kläger hat mit der Klagebegründung (Schriftsatz vom 21. März 2019) zwar vorgetragen, erneut eine Haarprobe beim Forensisch Toxikologischen Zentrum in Auftrag gegeben zu haben und das Untersuchungsergebnis vorzulegen, sobald dieses erstellt sein werde. Er hat das angekündigte Gutachten aber nie vorgelegt.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Luftamt zur Beseitigung der verbliebenen Zuverlässigkeitszweifel die Vorlage eines psychologischen Gutachtens gefordert hat, das der Frage nachgeht, ob beim Kläger – aus psychologischer Sicht – eine Alkoholabhängigkeit oder ein regelmäßiger Alkoholmissbrauch ausgeschlossen werden kann. Das Gericht geht insoweit in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) zu Eignungszweifeln wegen Alkoholabhängigkeit im Jagdrecht, die sich wiederum am Fahrerlaubnisrecht orientiert, davon aus, dass die Vorlage punktueller Laborbefunde keinesfalls geeignet ist, um Zweifel in Hinblick auf Alkoholabhängigkeit bzw. Alkoholmissbrauch auszuräumen. Angesichts der allgemeinen Verfügbarkeit und der sozialen Akzeptanz von Alkohol ist die Rückfallgefahr insoweit generell als hoch einzuschätzen. Um diese näher beurteilen zu können, bedarf es nicht nur medizinischen, sondern auch psychologischen Sachverstandes. Zuverlässigkeitszweifeln im Hinblick auf Alkoholabhängigkeit oder Alkoholmissbrauch kann nur durch die Beibringung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung begegnet werden. Im Rahmen einer solchen Untersuchung bedarf es zum Beispiel auch einer Prognose, inwieweit die inneren und äußeren Bedingungen einer Stabilisierung des geänderten Verhaltens nicht entgegenstehen. Die Ermittlung und Bewertung anamnestischer und aktuell vorliegender (sozial-) medizinischer Gegebenheiten setzt psychologischen Sachverstand voraus, eine bloß medizinische (körperliche) Untersuchung kann Alkoholabhängigkeit weder belegen noch verneinen (BayVGH, U.v. 29. 6. 2016 – 21 B 16.527 – juris Rn. 32 ff.; vgl. BVerwG, U.v. 27.9.1995 – 11 C 34.94 – juris Rn. 16; BVerwG, U.v. 21.5.2008 – 3 C 32.07 – juris Rn. 15; vgl. auch BayVGH, U.v. 17.11.2015 – 11 BV 14.2738 – DÖV 2016, 227: Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Wiedererteilungsverfahren bei Alkoholproblematik erforderlich).
Diesen Anforderungen wird das vorgelegte medizinisch-internistische Gutachten von Dr. … vom 23. Januar 2019 (gemeint: 2020) nicht gerecht. Der begutachtende Hausarzt und Internist verfügt nicht über die fachliche Qualifikation, um die psychologischen Aspekte einer Alkoholabhängigkeit bzw. eines Alkoholmissbrauchs insbesondere im Hinblick auf die Rückfallgefahr beurteilen zu können. Dementsprechend hat der begutachtende Internist bei genauerer Betrachtung seiner Stellungnahme jedenfalls eine eigene psychologische Einschätzung auch nicht vorgenommen, sondern insoweit auf das bereits vorhandene psychiatrische Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. … … vom 10. September 2018 Bezug genommen, in welchem die Frage einer Alkoholabhängigkeit bzw. eines Alkoholmissbrauchs allerdings gerade nicht abschließend beurteilt wurde. Das zuletzt vorgelegte Gutachten des Internisten Dr. … ist somit nicht geeignet, die entstandenen Zweifel bezüglich der Zuverlässigkeit des Klägers im Zusammenhang mit dem Verdacht einer Alkoholabhängigkeit oder des regelmäßigen Alkoholmissbrauchs zu beseitigen.
Unter Gesamtwürdigung aller Umstände ist das Luftamt daher im vorliegenden Fall zu Recht davon ausgegangen, dass der Verdacht auf eine mögliche Alkoholabhängigkeit oder regelmäßigen Alkoholmissbrauch nicht zweifelsfrei ausgeräumt werden konnte. Es bestehen Zweifel daran, ob der Kläger, auch wenn er nach den Laborergebnissen mehrere punktuell unauffällige Laborwerte vorliegen konnte, nicht etwa erneut in Gefahr von Alkoholabhängigkeit oder regelmäßigen Alkoholmissbrauch geraten könnte, wenn er arbeitsbedingt oder aus privaten Gründen in eine Situation erheblicher psychischer Belastung gerät. Nach dem Gesamtbild seiner Persönlichkeit lässt sich daher nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass er stets das erforderliche Maß an Verantwortungsbewusstsein und Selbstbeherrschung aufbringt, um auch in kurzfristigen oder länger anhaltenden Stresssituationen dem übermäßigen Alkoholkonsum zu entsagen, um die ihm obliegenden Pflichten zum Schutze des Luftverkehrs jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen.
Das Gericht folgt im Übrigen der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheides und sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit hat, war die Klage abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).


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