Aktenzeichen M 5 K 15.3979
VwGO § 123
HföDG Art. 14 Abs. 2 S. 2
BayLBG Art. 7 Abs. 1
BayVwVBes Ziff. 31.2.3
Leitsatz
Die Förderlichkeit von Vortätigkeiten im Sinne des Art. 31 Abs. 2 BayBes muss nicht die ganze Bandbreite der späteren Verwendung umfassen. Vielmehr sind die inhaltlichen Anforderungen mehrerer Ämter einer Fachrichtung oder auch nur die Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens in den Blick zu nehmen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom … Februar 2015 auf Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten für seine Tätigkeit als Nachhilfelehrer vom … Februar 2004 bis 30. September 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Der Bescheid des Beklagten vom … März 2015 und der Widerspruchsbescheid vom … August 2015 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu 70% und der Beklagte zu 30% zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Aufgrund des erklärten Einverständnisses der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
II. Soweit der Kläger neben der Festsetzung der Stufe 3 als Anknüpfungspunkt für weitere Berechnungen und der Anerkennung seiner Nachhilfetätigkeiten als förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten noch einen dritten Antrag gestellt hat, war über diesen nicht gesondert zu entscheiden. Unter Auslegung des Klägerbegehrens nach § 88 VwGO kommt dem dritten Antrag keine eigenständige Bedeutung zu. Denn der Antrag fasst lediglich die ersten beiden Anträge zusammen und enthält kein zusätzliches, über die Anträge zu 1) und zu 2) hinausgehendes Begehren.
III. Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom … März 2016 und der Widerspruchsbescheid vom … August 2015 sind hinsichtlich der Ablehnung förderlicher hauptberuflicher Zeiten rechtswidrig und verletzen den Kläger insoweit in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Anerkennung seiner Beschäftigungszeiten entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Mit der Klage darüber hinaus geltend gemachte weitere Ansprüche hinsichtlich der Stufenfestsetzung stehen dem Kläger jedoch nicht zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), da die festgesetzte Stufe rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
1. Der Kläger hat einen Anspruch auf erneute Entscheidung des Beklagten über die Anerkennung seiner Beschäftigungszeiten als Nachhilfelehrer vom … Februar 2004 bis … September 2011.
a) Art. 31 Abs. 2 Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG) sieht vor, dass der Zeitpunkt des Dienstantritts auf Antrag um sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten fiktiv vorverlegt werden kann. Der Begriff der Förderlichkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, hinsichtlich dessen der entscheidenden Behörde ein Beurteilungsspielraum zusteht (so die Gesetzesbegründung zu Art. 31 Abs. 2 BayBesG, LT-Drs. 16/3200, S. 382; Kuhlmey in Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Dezember 2016, Art. 31 BayBesG Rn. 45; 31.2.5 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten – BayVwVBes; VG Saarlouis, U.v. 23.9.2014 – 2 K 732/12 – juris Rn. 51). Ziff. 31.2.3 der BayVwVBes sieht vor, dass der Begriff der Förderlichkeit weit auszulegen ist (vgl. auch VG München, U.v. 2.7.2014 – M 5 K 13.4946 – juris Rn. 24; VG Bayreuth, U.v. 14.4.2015 – B 5 K 13.712 – juris Rn. 24) und sich auf die künftig auszuübende Beamtentätigkeit und die mit dem Amt verbundenen Aufgaben bezieht (so auch die Gesetzesbegründung zu Art. 31 Abs. 2 BayBesG, LT-Drs. 16/3200, S. 382). Demnach sind insbesondere solche Tätigkeiten erfasst, die mit den Anforderungsprofilen möglicher Tätigkeiten der betreffenden Qualifikationsebene in sachlichem Zusammenhang stehen oder durch die Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen erworben wurden, die für die auszuübenden Tätigkeiten von Nutzen oder Interesse sind. Die Förderlichkeit von Vortätigkeiten muss dabei nicht die ganze Bandbreite der späteren Verwendung umfassen. Vielmehr sind die inhaltlichen Anforderungen mehrerer Ämter einer Fachrichtung oder auch nur die Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens in den Blick zu nehmen (VG Bayreuth, a.a.O., Rn. 24; zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 des Beamtenversorgungsgesetzes – BeamtVG a.F. auch BVerwG, U.v. 14.3.2002 – 2 C 4.01 – Buchholz 239.1 § 10 BeamtVG Nr. 14 – juris; vgl. auch VGH BW, U.v. 18.3.2014 – 4 S 2129/13 – juris Rn. 22; VG Augsburg, U.v. 12.7.2012 – Au 2 K 11.1646 – juris; VG Wiesbaden, U.v. 1.10.2012 – 3 K 692/11.WI – juris).
b) Der Beklagte ist im Rahmen seines Beurteilungsspielraums in unzulässiger Weise davon ausgegangen, dass sich die Förderlichkeit der Vortätigkeit auf den Dienstposten beziehen muss, den der Kläger derzeit innehat. So ist im Widerspruchsbescheid ausgeführt, dass im Bayerischen Landesamt … durch die Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt (FH), Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen, fachlicher Schwerpunkt nichttechnischer Verwaltungsdienst, Einsatzmöglichkeiten eröffnet seien, die einen Bezug zum öffentlichen bzw. privaten Recht, Wirtschafts- und Finanzlehre bzw. Verwaltungslehre besitzen. Hierdurch findet eine unzulässige Verengung des Begriffs der Förderlichkeit statt. Denn der Beklagte bezieht sich lediglich auf die Fachlaufbahn des Klägers im Landesamt … Ziff. 31.2.3 Satz 3 BayVwVBes geht jedoch ausdrücklich von einem sachlichen Zusammenhang zu den Anforderungsprofilen möglicher zukünftiger Tätigkeiten in der betreffenden Qualifikationsebene aus. Das umfasst somit die gesamte dritte Qualifikationsebene ohne Beschränkung auf die Laufbahn des Klägers (vgl. die Gesetzesbegründung zu Art. 31 Abs. 2 BayBesG, LT-Drs. 16/3200, S. 382; auch Kuhlmey in Schwegmann/Summer, a.a.O., Art. 31 BayBesG Rn. 45: „Tätigkeiten der betreffenden Laufbahngruppe“). Diese Betrachtungsweise wird bestätigt durch die Rechtsprechung, nach der sich die Förderlichkeit auch bloß auf die inhaltlichen Anforderungen eines einzelnen Dienstpostens zu beziehen braucht (VG Bayreuth, a.a.O., Rn. 24). Dies ist nicht etwa dahingehend zu verstehen, dass sich die Förderlichkeit auf einen bestimmten, durch den Dienstherrn ausgewählten Dienstposten beziehen muss. Der Dienstherr darf daher nicht eine konkrete Fachlaufbahn heranziehen – hier die Fachlaufbahn Verwaltung und Finanzen – und verlangen, dass die Vortätigkeit gerade hierfür förderlich ist.
So wäre beispielsweise zu prüfen, ob eine Förderlichkeit im Hinblick auf eine mögliche hauptamtliche Dozententätigkeit an der HföD besteht. Gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern (HföD-Gesetz – HföDG) kann, ausnahmsweise, als hauptamtliche Lehrperson auch lehren, wer seine Lehrbefähigung durch besondere fachbezogene Leistungen in der Praxis nachgewiesen hat und pädagogisch geeignet ist, wenn an seiner Gewinnung ein besonderes dienstliches Interesse besteht. Der Beklagte hat sich weder mit dieser, für den Kläger grundsätzlich in Betracht kommenden, Tätigkeit auseinandergesetzt, noch mit anderen möglichen Tätigkeit der dritten Qualifikationsebene.
Es liegt daher ein beachtlicher Beurteilungsfehler vor, der zur teilweisen Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Bescheide führt. Die Entscheidung darüber, ob letztlich eine Förderlichkeit anzunehmen ist und, falls ja, in welchem Umfang, obliegt dem Dienstherrn.
c) Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf fiktive Vorverlegung seines Diensteintritts durch das erkennende Gericht. Denn die Entscheidung über die Anerkennung, insbesondere deren Umfang, steht im Beurteilungsspielraum wie auch im Ermessen des Dienstherrn. Mangels Spruchreife kann das Gericht den Beklagten nur dazu verpflichten, den Antrag des Klägers vom … Februar 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
2. Die Klage ist darüber hinaus unbegründet, soweit der Kläger begehrt, als Anknüpfungspunkt für die Berechnung die Stufe 3 der Besoldungsgruppe A 9 festzusetzen.
a) Gemäß Art. 30 Abs. 1 Satz 2 BayBesG erfolgt bei der erstmaligen Begründung eines Beamtenverhältnisses mit Anspruch auf Grundbezüge die Zuordnung zur ersten mit einem Grundgehaltsbetrag ausgewiesenen Stufe der maßgeblichen Besoldungsgruppe (Anfangsstufe). Die Gewährung einer höheren Stufe kommt nur ausnahmsweise in Betracht. So sieht Ziff. 30.1.10 BayVwVBes etwa vor, dass eine abweichende Stufenfestlegung im Falle eines höherwertigen Qualifikationserwerbs nach erstmaliger Begründung eines Beamtenverhältnisses möglich ist.
b) Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger rechtmäßig eingestuft worden. Er wurde mit Wirkung zum … Oktober 2014 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Regierungsinspektor ernannt. In der hierfür geltenden Besoldungsgruppe A 9 stellt die Stufe 1 die Ausgangsstufe dar.
Die Ausnahmeregelung des höherwertigen Qualifikationserwerbs ist hingegen nicht einschlägig, da der Kläger weder nach erstmaliger Begründung eines Beamtenverhältnisses eine höherwertigen Qualifikation erworben hat – er hat stattdessen 2001 und somit vor der Berufung in das Beamtenverhältnis die 1. Lehramtsprüfung abgelegt – noch in ein Amt der vierten Qualifikationsebene berufen wurde.
Eine analoge Anwendung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zum einen fehlt es angesichts des eindeutigen, begrenzenden Wortlautes an einer planwidrigen Regelungslücke. Zum anderen besteht keine vergleichbare Interessenlage. Der Zweck der Sonderregelung begründet sich gerade damit, dass ein qualifizierender Abschluss – anders als im Regelfall – nicht vor, sondern erst nach der Begründung des Beamtenverhältnisses erworben wurde. Wenn ein höherwertiger Abschluss vor dem Eintritt in das Beamtenverhältnis erlangt wurde, kann dieser Abschluss bereits bei der Einstellung Berücksichtigung finden. Im Falle des Klägers hätte dies bedeutet, dass er sich unmittelbar auf ein Lehramt bewirbt. Vorliegend hat er sich jedoch stattdessen auf eine völlig andere Laufbahn, nämlich auf ein Amt der Besoldungsgruppe A 9 in der Laufbahn Verwaltung und Finanzen beworben. Auch fehlt ihm der berufsqualifizierende Abschluss, da er lediglich die erste Staatsprüfung absolviert hat. Die Befähigung für ein Lehramt setzt nach Art. 7 Abs. 1 Bayerisches Lehrerbildungsgesetz (BayLBG) das erfolgreiche Ablegen sowohl der Ersten Lehramtsprüfung als auch der Zweiten Staatsprüfung voraus. Nicht jeder Hochschulabschluss gilt automatisch als höherwertiger Qualifikationserwerb, der zu einer höheren Besoldungsgruppe oder Stufeneinordnung führt.
Der Dienstherr ist dabei auch frei in seiner Entscheidung, für bestimmte Fallkonstellationen Sonderregelungen zu treffen und wiederum andere Konstellationen abweichend zu behandeln. Einschränkungen unterliegt er lediglich insoweit, als eine gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) verstoßende Ungleichbehandlung besteht. Eine solche Ungleichbehandlung wäre jedoch nur dann zu beanstanden, wenn diese in Bezug auf wesentlich gleiche Sachverhalte vorliegt. Wie dargestellt ist der Ausgangspunkt bei Beamten mit höherwertigen Qualifikationserwerb jedoch ein grundlegend anderer. Denn diese Beamten haben eine Qualifizierung für die betreffende Laufbahn erlangt und sind in die vierte Qualifikationsebene (wieder-) eingestiegen. Der Kläger ist jedoch in der dritten Qualifikationsebene eingestellt und gerade nicht als Lehrer tätig. Auch fehlt ihm der berufsqualifizierende Abschluss für ein Lehramt. Der Fall des Klägers ist daher gerade nicht ähnlich gelagert und eine Ungleichbehandlung nicht zu beanstanden.
Soweit der Kläger vorbringt, dass im Arbeitnehmerverhältnis beschäftigte Lehrkräfte unter bestimmten Voraussetzungen in die Entgeltgruppe E 12 eingruppiert werden, welche mit der Besoldungsgruppe A 12 vergleichbar sei, welche ihrerseits Stufe 3 als Anfangsstufe ausweise, handelt es sich hier ebenfalls um einen völlig anderen Sachverhalt. Denn der Kläger ist weder ein im Arbeitnehmerverhältnis Beschäftigter, noch Lehrer, noch in Besoldungsgruppe A 12 oder Entgeltgruppe E 12 eingruppiert. Bei derart unterschiedlichen Sachverhalten ist eine Ungleichbehandlung ebenfalls zulässig.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Entsprechend dem Anteil des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens waren die Kosten verhältnismäßig zu teilen. Für den Antrag zu 1), mit welchem der Kläger voll unterlag, ergibt sich ein Streitwert von 3.894,24 € (Differenz zwischen 1. und 3. Stufe der Besoldungsgruppe A 9 im Jahr 2015). Für den Antrag zu 2, mit welchem der Kläger mangels Spruchreife hälftig unterlag, ergibt sich Streitwert von 4.832,75 € (Differenz zwischen 3. und 5. Stufe der Besoldungsgruppe A 9 im Jahr 2015). Somit ist der Kläger im Verfahren zu etwa 70% unterlegen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).