Arbeitsrecht

Fürsorgepflicht, Gesundheitsschutz

Aktenzeichen  M 5 K 21.1541

Datum:
6.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 29646
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 45

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
2. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber dem Beklagten, dass dieser ihm FFP2-Masken zur Verfügung stellt, eine Kostenübernahme zusagt, oder die Kosten, welche der Kläger für die Beschaffung der FFP2-Masken aufgebracht hat, erstattet.
a) Ein solcher Anspruch besteht nicht nach den Grundsätzen der Fürsorgepflicht i.V.m. arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen des Dienstherrn gegenüber dem Beamten.
Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn wird verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) garantiert. Sie hat einfachgesetzliche Konkretisierungen in § 45 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (BeamtStG) erfahren. Danach hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien zu sorgen und die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung zu schützen. Von der Fürsorgepflicht ist auch die Pflicht des Dienstherrn umfasst, für die Ausübung des Amtes angemessene Arbeitsbedingungen zu schaffen (BVerwG, U.v. 24.1.2013 – 5 C 12/12 – juris Rn. 24 mit weiteren Nachweisen). Es handelt sich dabei ebenso wie bei der umfassenden Treuepflicht des Beamten gegenüber dem Dienstherrn um einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.1980 – 2 C 1.77 – RiA 1980, 237; U.v. 29.6.1995 – 2 C 10/93 – Buchholz 237.7 § 85 NWLBG Nr. 8, juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 22.2.2016 – 3 ZB 13.2134 – RiA 2017, 179, juris Rn. 8).
Die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) sind unmittelbar auch auf Beamte anwendbar, § 2 Abs. 2 Nr. 4 ArbSchG (vgl. OVG Schleswig, B.v. 22.11.2017 – 2 LA 117/15 – DRiZ 2018, 70, juris Rn. 11). Der Dienstherr ist verpflichtet, die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst geringgehalten wird (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 4 Nr. 1 ArbSchG). Aus der Fürsorgepflicht i.V.m. den arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen folgt im Einzelnen ein Anspruch des Beamten auf Einhaltung der gesetzlichen Arbeitsschutzvorschriften. Der Dienstherr hat zunächst gemäß § 5 Abs. 1 ArbSchG die für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundene Gefährdung zu ermitteln und festzustellen, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. Nach § 3 Abs. 1 ArbSchG ist der Dienstherr verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und gegebenenfalls sich ändernden Umständen anzupassen. Im Zuge dessen hat er unter anderem für eine geeignete Organisation und die erforderlichen Mittel zu sorgen (§ 3 Abs. 2 ArbSchG).
Ist demzufolge der Dienstherr verpflichtet, Maßnahmen zur Gesunderhaltung des Beamten zu treffen, obliegt es diesem, im Rahmen seiner Organisationsfreiheit geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Der Dienstherr entscheidet damit nach pflichtgemäßen Ermessen, wie bzw. mit welchen Mitteln er seiner Fürsorgepflicht gerecht werden will. Der Dienstherr ist verpflichtet, die entsprechenden Gefahren auf ein angemessenes Maß zu reduzieren, soweit hierdurch auch weiterhin eine angemessene Dienstausübung gewährleistet ist (Kohde in v. Roetteken/Rothländer BeamtStG, Stand Juli 2021, Rn. 56 zu § 45). Die Auswahl zwischen mehreren möglichen Mitteln zur Abhilfe liegt allerdings im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn (BVerwG, U.v. 19.9.1984 – 2 C 33/82 – DVBl 1984, 1230, juris Rn. 19).
b) Der Kläger kann sich im vorliegenden Fall nicht auf eine Verletzung der in § 45 BeamtStG normierten Fürsorgepflicht i.V.m. arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen gegenüber dem Dienstherrn berufen. Die Voraussetzungen für eine Verletzung der den Beklagten als Dienstherrn treffenden Fürsorgepflicht aufgrund des vom Kläger geltend gemachten Sachverhalts sind nicht gegeben.
Der Beklagte hat insbesondere mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (KMS) vom 16. Februar 2021, mit welchem unter anderem die Wiederaufnahme des Unterrichtsbetriebes an Mittelschulen in Form des Präsenzunterrichts ab dem 22. Februar 2021 geregelt und die damit einhergehenden Maßnahmen des Gesundheitsschutzes getroffen wurden, seiner Fürsorgepflicht ausreichend Rechnung getragen und die aus seiner Sicht erforderlichen Maßnahmen des Gesundheitsschutzes ermessensfehlerfrei getroffen.
Das KMS vom 16. Februar 2021 stellt einleitend bereits klar, dass alle Sichtweisen abzuwägen seien und ein Weg zu finden sei, der bestmöglichen Infektionsschutz an den Schulen und den Anspruch der Schülerinnen und Schüler auf Bildung so gut es geht verbinde. So wurde unter Nr. 1 a) des KMS vom 16. Februar 2021 geregelt, dass Präsenzunterricht nur für Abschlussklassen und nur in Landkreisen bzw. kreisfreien Städten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100 stattfinden werde. Zudem sei ein Mindestabstand von 1,5 Metern auch in den Unterrichtsräumen einzuhalten. Unter Nr. 4 des KMS vom 16. Februar 2021 wird ausgeführt, dass persönliche Handhygiene, Abstandhaltern, regelmäßiges Lüften sowie das Tragen einer Maske auf dem gesamten Schulgelände (einschl. Unterrichtsräume) die wirksamsten Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus seien. Des Weiteren wird unter Nr. 4 des KMS vom 16. Februar 2021 angeordnet, dass Lehrkräfte ab sofort auf dem gesamten Schulgelände (einschl. Unterrichtsräume) zum Tragen einer OP-Maske verpflichtet seien, wofür zum Zeitpunkt des Erlasses des KMS vom 16. Februar 2021 bereits ca. 4 Millionen OP-Masken den bayerischen Schulen zur Verfügung gestellt werden sollten.
Eine Reduzierung der Organisationsfreiheit hinsichtlich der Auswahl der geeigneten Maßnahmen des Dienstherrn dahingehend, dass dieser eine Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken auch in Schulen bzw. eine Kostenübernahme oder Kostenerstattung dieser bei Tragen auf freiwilliger Basis hätte anordnen müssen, liegt nicht vor. Zufällige Kontakte mit unterschiedlichen unbekannten Personen und somit schwer nachzuvollziehende Infektionsketten liegen an Schulen, im Gegensatz zu anderen Situationen des täglichen Lebens in welchen eine FFP2-Maskenpflicht gilt, gerade nicht vor. Entsprechend der 12. Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (BaylfSMV) ist für die Benutzer des öffentlichen Personennahverkehrs sowie für Personal und Kunden in Verkaufsflächen samt Parkplätzen eine Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken vorgesehen. Diese Verpflichtung begründet der Verordnungsgeber jedoch damit, dass im öffentlichen Personennahverkehr sowie in den geöffneten Handels- und Dienstleistungsbetrieben, wie z. B. den Supermärkten, es weiterhin insbesondere zu Stoßzeiten zu zahlreichen zufälligen Kontakten unterschiedlichster Personen komme und eine Nachverfolgbarkeit von Kontaktpersonen unter diesen Rahmenbedingen kaum möglich sei (Bayerisches Ministerialblatt Nr. 35 vom 15.1.2021, Begründung der Verordnung zur Änderung der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung).
Auch verkennt der Beklagte nicht, dass eine FFP2-Maske und eine OP-Maske unterschiedliche Schutzwirkungen haben. Der Beklagte differenziert unter Nr. 4 des KMS vom 16. Februar 2021 zwischen beiden Maskentypen und verpflichtet Lehrkräfte zum Tragen einer OP-Maske. Es wurde weiter klargestellt, dass eine Verpflichtung zum Tragen einer FFP2-Maske nicht besteht, dies jedoch auf freiwilliger Basis erfolgen könne.
Die Ermessensentscheidung des Dienstherrn hinsichtlich der Auswahl der Schutzvorkehrungen bezüglich der Wiederaufnahme des Unterrichtsbetriebes an Mittelschulen ist nicht zu beanstanden.
c) Auch hat der Kläger keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Zusage der Kostenübernahme bzw. Erstattung der Kosten, welche der Kläger für die Beschaffung der FFP2-Masken aufgebracht hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Dienstherrn bzw. der für ihn handelnden Organe und Personen voraus (vgl. BVerwG, U.v. 12.6.1979 – II C 19.75 – Buchholz 237.5 § 92 HessBG Nr. 5, juris Rn. 26), wobei weiter Voraussetzung ist, dass dieses Verhalten einen bezifferbaren Schaden adäquat kausal herbeigeführt hat und dass der Beamte seiner Schadensabwendungspflicht nach § 839 Abs. 3 BGB nachgekommen ist (vgl. BVerwG, B.v. 3.11.2014 – 2 B 24/14 – Buchholz 232.0 § 78 BBG 2009 Nr. 1, juris Rn. 6 mit weiteren Nachweisen; BayVGH, B.v. 12.3.2014 – 6 ZB 12.470 -NVwZ 2014, 894, juris Rn. 8; vgl. zum Ganzen auch VG Bayreuth, U.v. 24.5.2016 – B 5 K 14.106 – juris Rn. 29; VG München, U.v. 13.7.2017 – M 5 K 15.976 – juris Rn. 16).
Es liegt schon – wie oben ausgeführt – keine Fürsorgepflichtverletzung des Beklagten in Form eines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens des Dienstherrn bzw. der für ihn handelnden Organe und Personen vor, sodass kein Anspruch auf Zusage der Kostenübernahme bzw. Anspruch auf Erstattung der Kosten auf Grund eines Schadensersatzanspruches aus einer Fürsorgepflichtverletzung besteht. Auf die weiteren Voraussetzungen hierfür kommt es nicht an.
3. Der Kläger trägt als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).


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