Arbeitsrecht

Gegenstandswert eines (unechten) Hilfsantrags auf Weiterbeschäftigung

Aktenzeichen  2 Ta 247/16

Datum:
8.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 130442
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG §§ 45 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Ein Weiterbeschäftigungsantrag ist jedenfalls dann bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen, wenn er nicht lediglich für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag gestellt wurde. (Rn. 7)
2. Im Übrigen sprechen gute Gründe dafür, einen Antrag auf Weiterbeschäftigung bei der Festsetzung des Gegenstandswerts auch dann zu berücksichtigen, wenn er ausdrücklich als sog. unechter Hilfsantrag gestellt wurde. (Rn. 10)

Verfahrensgang

43 Ca 1225/16 2016-08-10 Bes ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägervertreter wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 10.08.2016 – 43 Ca 1225/16 – abgeändert und der Gegenstandswert auf € 25.757,- festgesetzt.

Gründe

I.
In dem durch einen Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO beendeten Rechtsstreit hatte der Kläger folgende Anträge gestellt:
I. Es wird festgestellt, dass die Kündigung vom 26.01.2016 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis über den 30.04.2016 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
II. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 30.04.2016 hinaus zu unveränderten Bedingungen vertragsgemäß als Verbindungsingenieur (Resident Engineer) weiter zu beschäftigen.
Mit Beschluss vom 10.08.2016 hat das Arbeitsgericht den Streitwert auf € 19.318,05 (drei Bruttomonatsgehälter) festgesetzt und den Antrag auf Weiterbeschäftigung nicht werterhöhend berücksichtigt.
Gegen diesen den Klägervertretern am 17.08.2016 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Klägervertreter vom 26.08.2016, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, wurde form- und fristgerecht eingelegt, und der Beschwerdewert übersteigt € 200,- (§ 33 Abs. 3 RVG).
III.
Die Beschwerde ist begründet, denn das Arbeitsgericht hat den Antrag auf Weiterbeschäftigung zu Unrecht nicht bewertet.
1. Das Arbeitsgericht begründet seine Entscheidung damit, der Antrag auf Weiterbeschäftigung werde gem. § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG nur hinzugerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergehe. Ausweislich der Klagebegründung sei der Antrag als eigentlicher Hilfsantrag zu verstehen.
Dies überzeugt schon deshalb nicht, weil der Kläger seinen Antrag auf Weiterbeschäftigung nichts als Hilfsantrag gestellt hat. Aus der Klage wird nicht erkennbar, dass eine Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag nur für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag erfolgen soll und eine entsprechende innerprozessuale Bedingung gewollt ist.
1. Das Arbeitsgericht weist allerdings zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Antrag des Arbeitnehmers, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits vorläufig weiter zu beschäftigen, in aller Regel ein unechter Hilfsantrag ist. Danach kann von einem unbedingten Antrag auf Weiterbeschäftigung nur ausgegangen werden, wenn der Wille, einen unbedingten Antrag zu stellen, ausdrücklich erklärt worden ist (BAG vom 13.08.2014 – 2 AZR 871/12 – NZA 2014, 1359; BAG vom 30.08.2011 – 2 AZR 668/10 (A) – Juris). Es kann dahinstehen, ob dieser Rechtsprechung bei der Bewertung eines Weiterbeschäftigungsantrags in einem Revisionsverfahren, in dem Urteile typischerweise sofort rechtskräftig werden und damit ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ohnehin nicht in Betracht kommt, zu folgen ist. Nach Auffassung der Beschwerdekammer ist diese Rechtsprechung jedenfalls auf das Verfahren in erster und zweiter Instanz nicht anwendbar.
Das Gericht hat über gestellte Anträge zu entscheiden, wenn der Wille nicht deutlich wird, dass dies nur beim Obsiegen mit einem anderen Antrag geschehen soll. Bei Zweifeln muss das Gericht nachfragen, kann aber nicht einen Willen, der gar nicht erklärt wurde, unterstellen. Eine andere Betrachtung steht nicht im Einklang mit der Parteimaxime, denn es ist Sache der Parteien, welche Anträge sie stellen. Für die Bewertung von Anträgen kommt es nicht auf deren Sinnhaftigkeit an (ebenso LAG München vom 22.10.2015 – 7 Ta 246/15 -n.v.).
3. Im Übrigen sprechen gute Gründe dafür, einen Antrag auf Weiterbeschäftigung bei der Festsetzung des Gegenstandswerts auch dann zu berücksichtigen, wenn er ausdrücklich als sog. unechter Hilfsantrag gestellt wurde (LAG Chemnitz vom 11.05.2015 – 4 Ta 268/14 -Juris; LAG München vom 30.10.1990 – 5 Ta 135/90 – NZA 1992,140; LAG München vom 11.02.2003 – 2 Ta 45/03 – n.v.; ähnlich LAG München 7 Ta 246/15 aaO).
Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG wird ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Typischerweise ist ein Hilfsantrag für den Fall gestellt, dass der Hauptantrag keinen Erfolg hat. Das wirtschaftliche Interesse der Klagepartei, das bei der Bemessung des Gegenstandswerts von erheblicher Bedeutung ist, bei echten und unechten Hilfsanträgen verschieden und spricht dagegen, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG auf den unechten Hilfsantrag anzuwenden. Bei einem echten Hilfsantrag will der Kläger nur mit dem einen oder mit dem anderen Antrag obsiegen. Sein wirtschaftliches Interesse beschränkt sich auf den Wert des Hauptanspruchs oder auf den Wert des Hilfsanspruchs. Anders ist dies beim sog. unechten Hilfsantrag, bei dem der Kläger nicht den einen oder den anderen Anspruch zugesprochen erhalten will, sondern beide. Die hilfsweise Antragstellung erfolgt nur, um zwar im Falle des Obsiegens alles zu erhalten, im Falle des Unterliegens aber mit geringeren Kosten belastet zu werden. Solche Kostenüberlegungen können bei der Bestimmung des Gegenstandswerts nicht maßgeblich sein (BAG vom 08.04.1988 – 2 AZR 777/87 – Juris). Der Gegenstandswert ist nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers am Obliegen und nicht nach seinem Interesse an der Vermeidung von Kosten im Falle der Niederlage zu bestimmen (LAG Chemnitz aaO).
Außerdem betrifft § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG den gerichtlichen Streitwert, während der Tatbestand, der die Rechtsanwaltsgebühren auslöst, bereits mit der Stellung des Antrags vorliegt (ebenso LAG Chemnitz vom 11.05.2015 – 4 Ta 268/14 – Juris).
III.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).

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