Arbeitsrecht

Geldleistungen auf der Grundlage des Heimvertrages

Aktenzeichen  19 C 8850/15

Datum:
24.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 134064
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WBVG § 6 Abs. 2 S. 3, § 7 Abs. S. 1, § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2
BGB § 568 Abs. 1

 

Leitsatz

Es bedarf für alle von § 12 ABVG geregelten Kündigungen der Schriftform. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.192,65 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5% Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 19.3.2015 zu bezahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.192,60 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht aufgrund des Heimvertrages die in der Klage geltend gemachte Forderung in vollem Umfang zu. Insbesondere war der Vertrag durch den Auszug der Beklagten am 9.2.2014 nicht vorzeitig beendet worden, da eine solche etwaige Kündigungserklärung unwirksam war (dazu unter 1.). Die Klägerin kann insoweit auf die Kosten für die Bereitstellung eines Telefons verlangen (dazu unter 2.). Weiterhin steht der Beklagten auch kein Zurückbehaltungsrecht zu (dazu unter 3.).
I.
Der Vertrag vom 4.2.2014 wurde nicht wirksam am 9.2.2014 durch die Beklagte beendet.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Vertrag bereits ab dem 29.1.2014 wirksam war. Die erst später erfolgte schriftliche Fixierung war gemäß § 6 Abs. 2 S. 3 WBVG notwendig. Dabei ergibt sich im Übrigen bereits aus § 6 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 WBVG, dass auch ein zunächst nicht schriftlich fixierter Vertrag wirksam ist. Im vorliegenden Fall wurde aber die Schriftform nachträglich nachgeholt. Gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 WBVG i.V.m. dem Heimvertrag vom 4.2.2014 bestand für die Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Bezahlung der vereinbarten Entgelte. Dabei ist zwischen den Parteien unstreitig geblieben, dass pro Tag ein solches Entgelt in Höhe von 61,48 EUR vereinbart war.
Der Vertrag wurde aber insbesondere auch nicht gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 WBVG durch die Beklagte am 9.2.2014 wirksam gekündigt. Dabei kann an dieser Stelle offenbleiben, ob das Verhalten der Beklagten als fristlose Kündigung gemäß § 133 BGB ausgelegt werden kann. Denn zur Beurteilung dieser Frage wäre es erforderlich gewesen, die dabei anwesenden und benannten Zeugen zu hören. Zur Überzeugung des Gerichts ist allerdings davon auszugehen, dass die Kündigung deswegen unwirksam war, weil die Schriftform nicht eingehalten wurde. Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 WBVG kann der Verbraucher den Vertrag spätestens am 3. Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf desselben Monats schriftlich kündigen. Insoweit weist die Beklagte auch zutreffend daraufhin, dass insbesondere in den Folgeabsätzen die Schriftform der Kündigung nicht wieder aufgegriffen wird. Gemäß § 11 Abs. 2 S. 1 WBVG kann der Verbraucher innerhalb von zwei Wochen nach Beginn des Vertragsverhältnisses jederzeit ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Dabei beginnt die Frist gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 WBVG von zwei Wochen erst nach der Aushändigung des später abgeschlossenen schriftlichen Vertrages. Diese Voraussetzungen wären hier grundsätzlich am 9.2.2014 erfüllt gewesen. Zur Überzeugung des Gerichts ist das Gesetz aber dahingehend zu verstehen, dass auch für die Folgeabsätze eine Schriftform erforderlich ist (Iffland/Düncher, Kom. zum WBVG, § 11 Rn. 5; a.A. Palandt, 24. Aufl. 2015, § 11 WBVG, Rndr. 3; Bregger in Herberger/Martinek/Rößmann u.a. in Juris Praxiskommentar-BGB, 7. Aufl. 2014, § 11 WBVG, Rndr. 17 mwN). Dies ergibt jedenfalls die Auslegung des Gesetzes.
a) Hinsichtlich der historischen Auslegung ist zunächst auszuführen, dass die Grundlage des WBVG in der Förderalismusreform zu sehen ist, da einige Teile des Heimgesetzes der konkurrierenden Gesetzgebung unterfielen. Daher entschloss sich der Gesetzgeber, ein eigenes Gesetz hinsichtlich der Regelungen zum Heimvertrag vorzulegen und zu beschließen (Bundesdrucksache 16/12409, Seite 1). Ziel der neuen Regelung war es, ältere sowie pflegebedürftige oder behinderte volljährige Menschen bei Abschluss und Durchführung von Verträgen über die Überlassung von Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen vor Benachteiligungen zu schützen und dadurch in einer möglichst selbständigen und selbstbestimmten Lebensführung zu unterstützen. Dabei wurde insbesondere der Verbraucherschutz in das Gesetz eingebracht. Dabei stand der Verbraucherschutz allerdings auch im Lichte eines fairen Ausgleichs gegenüber den Unternehmern, denen angemessene Rahmenbedingungen zur Gestaltung ihrer vertraglichen Beziehungen eingeräumt werden sollten (Bundestagsdrucksache a.a.O., Seite 11 ff). Hinsichtlich der Regelungen zum Kündigungsrecht ist den Gesetzesmaterialien zu entnehmen, dass durch die Neuregelung in erster Linie unter Wahrung des bisherigen Schutzniveaus eine Neugestaltung erfolgen sollte. Das dabei geschaffene Recht zur außerordentlichen Kündigung innerhalb der ersten zwei Wochen wird insoweit ausdrücklich angeführt. Ob allerdings dieses neu geschaffene Kündigungsrecht einer Form unterliegt bzw. ob insoweit eine Änderung gegenüber dem früheren Heimgesetz eintreten sollte, kann den Gesetzesmaterialien nicht entnommen werden. Im alten § 8 Abs. 2 Heimgesetz war allgemein anerkannt, dass die dort nur in Abs. 2 Satz 1 erwähnte Schriftform sich auf alle Kündigungen innerhalb des genannten Absatzes bezog. Auch die insoweit dort geregelte fristlose Kündigung bedurfte daher der Schriftform Dass der Gesetzgeber an dieser Regelung etwas ändern wollte, vermag das Gericht nicht zu erkennen.
b) Auch die Wortlautauslegung ist insoweit nicht eindeutig. Während in § 11 Abs. 1 Satz 1 WBVG die Schriftform ausdrücklich erwähnt wird, wird sie bereits in § 11 Abs. 1 Satz 2 WBVG nicht mehr erwähnt. Ebenso wird sie nicht mehr in den Absätzen 2 ff aufgegriffen. Dass damit im Umkehrschluss ausdrücklich die Schriftform für die anderen Kündigungserklärungen nicht erforderlich sein soll, kann zur Überzeugung des Gerichts aus dem Wortlaut allein nicht geschlussfolgert werden. Denn eine ständige Wiederholung der Schriftform würde nur zu einem Aufblähen des Gesetzeswortlauts führen. Dabei ist es dem Gesetzgeber durchaus überlassen, die Schriftform im ersten Absatz zu verwenden, gleichwohl aber auch für die Folgeabsätze diese gedanklich stillschweigend vorauszusetzen. Insoweit kann auch aus der systematischen Stellung innerhalb des ersten Absatzes nichts anderes gefolgert werden. Denn letztlich sollte durch den § 11 WBVG nur § 8 Abs. 2 Heimgesetz unter Schaffung eines neuen außerordentlichen Kündigungsrechts aufgegriffen und neu strukturiert werden. Die dadurch erfolgte Aufgliederung in Absätze statt wie bisher einzelne Sätze innerhalb eines Absatzes vermag unter dem Gesichtspunkt der Systematik keine Neuauslegung zu rechtfertigen. Das Gericht räumt allerdings ein, dass eine klarstellende Regelgung wie in § 12 Abs. 5 WBVG wünschenswert gewesen wäre.
c) Auch die teleologische Auslegung spricht für die Notwendigkeit einer Schriftform auch der anderen Kündigungen. Sinn und Zweck der Kündigungsvorschriften ist es, dem jeweiligen Vertragspartner ein Recht zu geben, sich von dem üblicherweise auf unbestimmte Zeit geschlossenen Vertrag lösen zu können. Dabei soll unter Maßgabe des nunmehr eingeführten Verbraucherschutzes dem Verbraucher ein insbesondere in Absatz 2 Satz 1 geregeltes einfaches sofortiges Kündigungsrecht innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsabschluss eingeräumt werden. Dabei ist aber weiterhin zu berücksichtigen, dass der jeweilige Heimbetreiber, jetzt Unternehmer genannt, eine gewisse Rechtssicherheit haben muss. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass das Verhalten der jeweiligen Heimbewohner für den jeweiligen Unternehmer nicht immer eindeutig sein kann und muss. Dabei dient die Schriftform aber auch dem Schutz des jeweiligen Verbrauchers. Verlässt er beispielsweise das Heim und erklärt mündlich, er werde den Vertrag hiermit kündigen, entscheidet er sich dann aber spontan nach Verlassen des Heims nach wenigen Tagen anders, weil ihm ein Leben in seiner alten Umgebung nicht möglich ist, hätte er seinen Heimplatz unter Zugrundelegung der Gegenauffassung verloren. Er müsste nunmehr erst einen neuen Vertrag mit dem Heimbetreiber abschließen, der angesichts der knappen Ressourcen im Heimbereich mit einer längeren Wartezeit verbunden wäre. Auf der anderen Seite wird der Verbraucher, wenn er an dem Vertrag nicht festhalten will, nicht gänzlich schutzlos gestellt. Während seiner Abwesenheit tritt die Urlaubsregelung (§ 7 Abs. 5 WBVG) in Kraft, die ihm eine Ermäßigung der Heimkosten gewährt. Innerhalb dieser Überlegungsfrist kann er dann entsprechend reagieren und gegebenenfalls unter Beachtung der Schriftform den Vertrag kündigen. Das Interesse an der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist dabei auch auf Seiten des Unternehmers deswegen hoch zu gewichten, weil dieser den leerstehenden Platz möglichst zeitnah an eine weitere Person vergeben will. Ist dabei die ausgesprochene Kündigung unter Umständen nicht wirksam bzw. bindend gewesen oder lag eine solche Kündigung mangels Rechtsbindungswillens nicht vor, da sie eben nur mündlich erklärt wurde, kann eine Weitervergabe des Heimplatzes unter Umständen zu schadensersatzrechtlichen Konsequenzen führen. Auch nach dem actus-contrarius-Gedanken ist davon auszugehen, dass die Kündigung der Schriftform bedarf, da auch der Vertrag selbst schriftlich geschlossen werden soll, § 6 Abs. 1 WBVG, auch wenn dies erst nachträglich erfolgen kann. Darüber hinaus ist bei „normalen“ Mietverträgen gemäß § 568 Abs. 1 BGB die Kündigung nur schriftlich wirksam. Dieser grundsätzliche Rechtsgedanke sollte wegen der damit verbundenen Rechtssicherheit auch hier Anwendung finden.
d) Nach alledem war die Kündigung vom 9.2.2014 formunwirksam. Insoweit ist allerdings von einer Beurlaubung auszugehen, so dass nach den vertraglichen Regelungen eine Reduzierung der Leistungen bzw. Entgelte eintrat. Für die Zeit vom 9.2. Bis 17.2. war gemäß § 12 des Heimvertrages eine Abwesenheitsregelung getroffen. Unter Rückgriff auf § 7 Abs. 5 WBVG reduzierte sich das Entgelt nach Ablauf von drei Tagen Abwesenheit um 25%. Dabei war der 9.2.2014 noch nicht als erster Tag anzusehen, da die Beklagte erst an diesem Tag das Heim verließ. Ab dem 13.2. bis einschließlich 17.2. reduzierte daher die Klägerin auch die entsprechenden Beträge. Die von der Klägerin auf Blatt 10 d.A. vorgenommene Berechnung erscheint dem Gericht insoweit nachvollziehbar und schlüssig. Soweit die Beklagte deren Unschlüssigkeit einwendet, hat sie dazu nicht näher vorgetragen. Ab dem 18.2. wurde der Beklagten kein Entgelt mehr in Rechnung gestellt.
I.
Die Klägerin kann auch die Kosten für die Bereitstellung eines Telefonanschlusses für die Dauer von 14 Tagen mit je 1,50 EUR pro Tag vergütet verlangen. Insoweit erfolgte die Bereitstellung des Telefons nach dem Vortrag der Klägerin auf den ausdrücklichen Wunsch der Beklagten hin. Soweit die Beklage dieses lediglich einfach bestreitet, ist dieses Bestreiten gemäß § 138 Abs. 1 ZPO unwirksam. Die Beklagte hätte sich zu dem Vortrag der Klägerin substantiiert äußern können und müssen. Das bloße einfache Bestreiten bezüglich derjenigen Tatsachen, die der Wahrnehmung der bestreitenden Partei unterliegen, ist grundsätzlich unwirksam. Dass die Beklagte zum heutigen Zeitpunkt infolge ihres Gesundheitszustandes dazu nicht mehr in der Lage sein könnte, vermag daran nichts zu ändern. Die getroffene Telefonkostenvereinbarung gilt daher als zugestanden.
I.
Soweit die Beklagte einwendet, eine prüffähige Rechnung sei an sie bzw. ihren Betreuer nicht erstellt worden, vermag dies letztlich an der Zahlungsverpflichtung nichts zu ändern. Zunächst bleibt festzuhalten, dass die Rechnung nicht Fälligkeitsvoraussetzung ist (Palandt, a.a.O., § 271 BGB Rndr. 7). Das Fehlen einer Rechnung kann aber ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB begründet. Der Vortrag der Beklagten kann insoweit als Geltendmachung dieser Einrede verstanden werden. Allerdings ist auszuführen, dass der Beklagten jedenfalls die Rechnung vom 22.7.2014 vorlag, da sie diese gegenüber dem Gericht einreichte. Dass diese an die zu diesem Zeitpunkt nicht bestellte Betreuerin adressiert war, vermag daran nichts zu ändern. Richtig ist es zwar, dass der Beklagten insoweit eine Art Berichtigungsanspruch gegenüber der Klägerin zustehen dürfte. Die Rechnung ist aber selbst inhaltlich prüffähig. Insbesondere ist aus der Rechnung zu entnehmen, dass sie sich auf die Beklagte bezieht. Der relevante Zeitraum ist dort angegeben, auch wenn in der Überschrift ein missverständlicher Zeitraum ausgewiesen ist. In der Rechnung selbst wird der Zeitraum aber mit konkreten Daten präzisiert. Dabei werden in der Rechnung die einzelnen Leistungen konkret aufgeschlüsselt und zusammengerechnet. Der darin ausgewiesene Gesamtrechnungsbetrag entspricht dem in der Klage geltend gemachten Forderungsbetrag. Soweit der Beklagten insoweit allenfalls ein Berichtigungsanspruch hinsichtlich des Adressfeldes bezüglich der Benennung des richtigen Betreuers zustehen mag, führt dies aber nicht zu einem Zurückbehaltungsrecht. Denn soweit die Beklagte die Rechnung benötigt, um diese gegenüber etwaigen Versicherungen oder sonstigen Pflegedienstleistungsträgern geltend zu machen, kann sie dies auch bereits mit der von ihr selbst vorgelegten Rechnung tun. Dass darin ein falscher Betreuer im Adressfeld ausgewiesen ist, dürfte an der Geltendmachung nichts ändern. Wäre die Rechnung zu einem Zeitpunkt erstellt worden, als die im Rechnungskopf ausgewiesene Betreuerin noch bestellt war, und würde die Beklagte später diese Rechnung gegenüber Versicherungen einreichen, stünde ihr auch kein Berichtigungsanspruch zu. Darüber hinaus war dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen, dass sie trotz Erhalt der falschadressierten Rechnung von der Klägerin eine berichtigte Rechnung gefordert hätte.
I.
Der Anspruch auf die Verzinsung folgt aus § 288 BGB.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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