Arbeitsrecht

Gestaltungsfreiheit des Dienstherrn hinsichtlich der Zuständigkeit für die Leistungsbewertung

Aktenzeichen  M 21 K 15.174

Datum:
13.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 75 S. 1
BBG BBG § 21

 

Leitsatz

1 Bestehen keine normativen Regelungen, hat der Dienstherr im Rahmen seiner organisatorischen Gestaltungsfreiheit zu bestimmen, durch wen er die Aufgabe der dienstlichen Beurteilung der Beamten wahrnimmt (vgl. BVerwG BeckRS 2015, 42244). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Kann der Beurteiler die Bewertung nicht auf seine eigene Anschauung stützen, hat er, um eine aussagekräftige Tatsachengrundlage zu erhalten, Beurteilungsbeiträge sachkundiger Personen einzuholen. Diese Beiträge müssen bei der Ausübung des Beurteilungsspielraumes berücksichtigt werden. Es liegt aber an dem Beurteilten, im Streitfall Tatsachen darzutun, aus denen sich ergibt, dass der Beurteiler seiner Verpflichtung zur eigenständigen Würdigung der Beurteilungsbeiträge nicht nachgekommen ist (vgl. BVerwG BeckRS 1992, 30441087). (Rn. 29 und 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist zulässig, weil über den Widerspruch des Klägers vom 9. Oktober 2014 bis heute ohne zureichenden Grund sachlich nicht entschieden ist (§ 75 Satz 1 VwGO).
Die Klage ist am … Januar 2015 und damit mehr als drei Monate nach Einlegung des Widerspruchs erhoben worden, so dass der Sperrfrist nach § 75 Satz 2 VwGO Rechnung getragen ist. Zwar mag das Ausbleiben einer Widerspruchsbegründung eine gewisse Zeit lang ein Zuwarten mit der Entscheidung über den Widerspruch gerechtfertigt haben. Nach erfolgloser Fristsetzung zur Vorlage einer Widerspruchsbegründung hätte aber jedenfalls innerhalb einer angemessenen Frist von drei Monaten seit seiner Erhebung über den Widerspruch entschieden werden können und müssen. Deswegen ist die Klage gemäß § 75 Satz 1 VwGO abweichend von § 68 VwGO, das heißt ohne Nachprüfung der angegriffenen Regelbeurteilung in einem Vorverfahren (vgl. § 126 Abs. 2 Satz 1 Bundesbeamtengesetz – BBG), zulässig.
Die Klage ist unbegründet, weil die angegriffene Regelbeurteilung vom 8. Juli 2014 für den Zeitraum vom 1. Oktober 2004 bis zum 30. September 2012 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verbescheidung zur Neuerstellung einer Regelbeurteilung für den genannten Zeitraum (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO analog).
Eine dienstliche Beurteilung ist wegen der Beurteilungsermächtigung des Dienstherrn nur einer eingeschränkten gerichtlichen Prüfung zugänglich. Die Verwaltungsgerichte können nur prüfen, ob der Beurteiler einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, ob er den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob allgemeine Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind und ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten ist. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abfassung der dienstlichen Beurteilung erlassen hat, ist vom Gericht zu prüfen, ob diese – vermittels Art. 3 Abs. 1 GG den Dienstherrn gegenüber dem Beamten rechtlich bindenden – Richtlinien eingehalten sind und ob die Richtlinien mit den gesetzlichen Regelungen, speziell denen der Laufbahnverordnung über die dienstliche Beurteilung, und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften im Einklang stehen (vgl. nur BVerwG, U.v. 21.3.2007 – 2 C 2/06 – juris Rn. 7 m.w.N.).
Nach diesem Maßstab sind keine Rechtsfehler der angegriffenen Regelbeurteilung feststellbar.
Das BBG (§ 21) und die Bundeslaufbahnverordnung (§§ 48 bis 50) enthalten keine Festlegungen dazu, wer für den Dienstherrn die dienstliche Beurteilung erstellt. Mangels normativer Regelung hat der Dienstherr im Rahmen seiner organisatorischen Gestaltungsfreiheit zu bestimmen, durch wen er die Aufgabe der dienstlichen Beurteilung der Beamten wahrnimmt (vgl. nur BVerwG, U.v. 27.11.2014 – 2 A 10/13 – juris Rn. 17 m.w.N.).
Der Kläger hat selbst nicht in Frage gestellt, dass PHK S. und EPHK B. nach den einschlägigen Beurteilungsbestimmungen in seinem Fall die zuständigen Erst- und Zweitbeurteiler gewesen sind.
Der Kläger verkennt, dass er tatsächlich von PHK S. und EPHK B. und nicht etwa – wie von ihm behauptet – „von der Direktion der Bundespolizei …“ beurteilt worden ist. Das ist durch die Unterschriften von PHK S. und EPHK B. unter der angegriffenen Regelbeurteilung einwandfrei belegt. Überdies dürften übergeordnete Dienststellen in Beurteilungsverfahren etwa auf die Gewährleistung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabs hinwirken (vgl. nur § 50 Abs. 1 BLV). Entgegen der Auffassung der Klagepartei sind auch nach den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung keinerlei Anhaltspunkte für solche oder eine andere – gar rechtswidrige – Einflussnahme der Direktion Bundesbereitschaftspolizei … auf die angegriffene Regelbeurteilung gegeben. Überdies ist der Beurteilungsvorgang entgegen der Auffassung des Klägers nicht offenbarungspflichtig. Schließlich rechtfertigte allein der Umstand, dass dem Kläger seine Regelbeurteilung später als seinen Kollegen eröffnet worden sein soll, für sich genommen auch keinesfalls den Schluss auf die Rechtswidrigkeit seiner Regelbeurteilung.
In ihrer Klageerwiderung vom 26. Februar 2015 hat die Beklagte, ohne dass der Kläger dies bestritten hat, ausgeführt, der Erstbeurteiler, PHK S., sei der Einheitsführer und damit der unmittelbare Vorgesetzte des Klägers, der Zweitbeurteiler, EPHK B., dessen Hundertschaftsführer gewesen. Davon geht daher auch die Kammer aus.
Der Kläger war zwischen 27. November 2007 und 20. April 2011 vorläufig des Dienstes enthoben. Zwischen 27. April 2007 und 21. August 2007 war er in einer anderen Organisationseinheit und in anderer Funktion als im übrigen Beurteilungszeitraum, in dem er in der Organisationseinheit seiner Beurteiler Dienst getan hat, tätig. Somit waren Erst- und Zweitbeurteiler der Regelbeurteilung vom 8. Juli 2014 im überwiegenden Teil des Beurteilungszeitraums entgegen der Auffassung der Klagepartei durchaus in der Lage, ihre Leistungsbewertung auf ihre eigene Anschauung zu stützen, weil der Kläger in dieser Zeit in ihrer Organisationseinheit tätig war.
Kann der Beurteiler die Leistungsbewertung nicht für den gesamten Beurteilungszeitraum auf seine eigene Anschauung stützen, so hat er, um eine aussagekräftige Tatsachengrundlage für seine Bewertung zu erhalten, Beurteilungsbeiträge sachkundiger Personen einzuholen (vgl. nur BVerwG, U.v. 27.11.2014 – 2 A 10/13 – juris Rn. 22 m.w.N.). Das ist hier für den Zeitraum zwischen 27. April 2007 und 21. August 2007 durch die Einholung des Beurteilungsbeitrags der PHKin J. geschehen.
Beurteilungsbeiträge müssen bei der Ausübung des Beurteilungsspielraumes berücksichtigt, das heißt zur Kenntnis genommen und bedacht werden (vgl. nur BVerwG, U.v. 27.11.2014 – 2 A 10/13 – juris Rn. 24). Es liegt an dem Beurteilten, Tatsachen darzutun, aus denen sich ergibt, dass der Beurteilende seiner Verpflichtung zur eigenständigen Würdigung der Beurteilungsbeiträge nicht nachgekommen ist (vgl. nur BVerwG, B.v. 18.8.1992 – 1 WB 106/91 – juris Rn. 6).
An einem solchen Vortrag des Klägers fehlt es. Es bestehen auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beurteilungsbeitrag bei der Ausübung des Beurteilungsspielraumes nicht berücksichtigt worden sein könnte. Der Beurteilungsbeitrag wird zwar in der angegriffenen Regelbeurteilung nicht ausdrücklich erwähnt. Er war aber Bestandteil der Personalakte, so dass schon allein deswegen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge davon auszugehen ist, dass er bei der Erstellung der Regelbeurteilung – wenn auch wohl nicht negativ für den Kläger auf das Beurteilungsergebnis durchschlagend – berücksichtigt worden ist.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.


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