Arbeitsrecht

Hobbyschatzssucher begehrt erfolgreich Prozesskostenhilfe in Bezug auf eine allgemeine Feststellungsklage im Zusammenhang mit der Ausgrabung einer sog. “Hitlermühle”

Aktenzeichen  M 9 K 17.5432

Datum:
15.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 546
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114
DSchG Art. 1 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Es besteht ein berechtigtes Feststellungsinteresse daran, ob durch den Fund und den Verkauf einer „Hitlermühle“ gegen Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes verstoßen wurde, ob das Gerät aus dem 2. Weltkrieg ein Bodendenkmal darstellt, ob man eine Genehmigung benötigt hätte oder ob man gegen Mitteilungspflichten gegenüber der Denkmalschutzbehörde verstoßen hat. Da es sich bei der Schatzsuche um ein Hobby des Klägers handelt, besteht darüber hinaus ein grundsätzlicher Klärungsbedarf wegen der Wiederholungsgefahr. (Rn. 10) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe bewilligt durch Beiordnung von Rechtsanwalt … …

Gründe

I.
Verfahrensgegenstand ist vorliegend die Frage, ob ein technisches Gerät aus der Zeit des 2. Weltkriegs, hier eine sogenannte „Hitlermühle“, Schlüsselgerät 41, ein Bodendenkmal ist, für dessen Ausgrabung es deshalb eine Erlaubnis nach dem Bayerischen Denkmalschutzgesetz bedarf.
Der Kläger ist Hobbyschatzsucher und hat unter Einsatz eines Metalldetektors ein Dechiffriergerät aus der Zeit des 2. Weltkriegs („Hitlermühle“; Schlüsselgerät 41) gefunden und ausgegraben und an das Deutsche Museum in München verkauft. Aufgrund entsprechender Medienberichte forderte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege mit Schreiben vom 6. September 2017 das Landratsamt München, Untere Denkmalschutzbehörde auf, gegen den Kläger wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Bayerische Denkmalschutzgesetz, möglicherweise Unterschlagung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland / den Freistaat Bayern / dem Grundstückseigentümer und nicht auszuschließenden Verstößen gegen das Kulturgüterschutzgesetz von 2016 (KGSG) zur Einleitung eines Verfahrens auf. Da der Kläger und sein Freund nach eigenen Angaben seit vielen Jahren erfolgreich tätig seien und trotz vielfacher Publikationen der denkmalrechtlichen Notwendigkeiten noch nie etwas gemeldet hätten, sei von besonders schweren Fällen auszugehen.
Mit Schreiben vom 4. Oktober 2017 teilte die Untere Denkmalschutzbehörde dem Kläger unter Angabe des Wortlauts der Artikel des Denkmalschutzgesetzes mit, dass aufgrund der derzeitigen Informationslage der Verdacht eines Verstoßes gegen die Meldepflicht (Art. 8 Abs. 1 DSchG), gegen das Gebot des Unverändertlassens (Art. 8 Abs. 2 DSchG) und möglicherweise abhängig vom Fundort gegen die Grabungserlaubnisnotwendigkeit (Art. 7 Abs. 1 DSchG) bestehe. Er erhalte die Möglichkeit, zu den Vorwürfen bis zum 30. November 2017 Stellung zu nehmen.
Am 9. November 2017 legte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege der Unteren Denkmalschutzbehörde ein denkmalfachliches Gutachten zur Denkmaleigenschaft des Objektes anhand der Aktenlage, Gemeinde Aying, Landkreis München zum Schlüsselgerät 41 („Hitlermühle“) vor. Der Fund sei dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege allein aus der Presse bekannt geworden. Eine Meldung des Objekts bei den Denkmalschutzbehörden sei nicht erfolgt. Nach Kenntnis des Landesamts handle es sich um den ersten Fund einer in den letzten Kriegstagen versteckten derartigen Maschine in Bayern und um eines der seltenen, intakten, wenn auch nicht gebrauchsfähigen Geräte. Das Objekt erfülle als ehemaliger Bestandteil eines unbeweglichen Bodendenkmals und nach seiner Bergung aus dem Boden nunmehr als bewegliches Bodendenkmal die Voraussetzungen eines Denkmals nach Art. 1 Abs. 1 bei DSchG. Auch wenn es nicht aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit stamme, besitze es als herausragendes Zeitzeugnis der Nationalsozialistischen Epoche eine derartige geschichtliche und wissenschaftliche Bedeutung, dass es den Ausnahmetatbestand des Art. 1 Abs. 4 DSchG erfülle. In den Einzelheiten wird auf das Gutachten verwiesen (Blatt 38 ff. Behördenakte).
Mit am 17. November 2017 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz erhob der Bevollmächtigte des Klägers Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 Alternative 1 VwGO. Beantragt wurde die Feststellung, dass der Kläger keine Erlaubnis nach dem Denkmalschutzgesetz für das Ausgraben eines technischen Geräts aus der Zeit des 2. Weltkriegs (hier: „Hitlermühle“, Schlüsselgerät 41) bedarf. Ein Verwaltungsakt existiere nicht und es sei dem Kläger auch nicht zuzumuten, im Nachhinein eine Erlaubnis zu beantragen und diese notfalls gerichtlich durchzusetzen, so dass die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Alternative 1 VwGO die gebotene Klageart sei. Wegen der Beeinträchtigung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit und der Wiederholungsgefahr habe der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung. Die Auffassung der Denkmalschutzbehörde, dass ein nicht einmal 100 Jahre alter technischer Gegenstand ein Bodendenkmal im Sinne des Art. 1 DSchG sei, entspräche nicht dem geltenden Recht. Das Deutsche Museum in München sei als Anstalt des Öffentlichen Rechts der richtige Ort für technisch bedeutsame Objekte und deren Erforschung. Dafür sei die Denkmalschutzbehörde weder personell noch organisatorisch ausgestattet.
Der Bevollmächtigte des Klägers beantragte zugleich sinngemäß:
dem Kläger Prozesskostenhilfe durch Beiordnung des Unterzeichners zu gewähren.
Ausweislich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und den dazu beigefügten Belegen erhält der Kläger BAföG-Leistungen sowie eine Aufstiegsfortbildungsförderung, hat kein verfügbares Vermögen und Unkosten für eine Wohnung. Auf die Erklärung wird Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes liegen vor, § 166 VwGO i.V.m §§ 114, 121 Abs. 2 und Abs. 3 ZPO.
Nach § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Im vorliegenden Fall ist der Kläger auf Grund des Umstands, dass er sich in Ausbildung befindet, nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozesskostenhilfe aufzubringen. Unter Berücksichtigung des Verfahrensstandes hat die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg, da der Ausgang des Verfahrens offen ist. Insbesondere ist nach der hier vorliegenden Sach- und Rechtslage die Feststellungsklage nach § 43 VwGO die zulässige Klageart und nicht subsidiär zu einer etwaigen Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nach Erlass eines etwaigen Verwaltungsaktes nach dem Denkmalschutzgesetz. Der Kläger hat ein berechtigtes Feststellungsinteresse daran, ob er durch den Fund und den Verkauf der „Hitlermühle“ gegen Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes verstoßen hat, ob das Gerät aus dem 2. Weltkrieg ein Bodendenkmal darstellt, ob er eine Genehmigung benötigt hätte oder ob er gegen Mitteilungspflichten gegenüber der Denkmalschutzbehörde verstoßen hat. Da es sich bei der Schatzsuche um ein Hobby des Klägers handelt, besteht darüber hinaus ein grundsätzlicher Klärungsbedarf wegen der Wiederholungsgefahr.
Unter Berücksichtigung der Schwere der Vorwürfe war dem Kläger ein Rechtsanwalt beizuordnen, da die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Die Beiordnung erfolgt unter der Einschränkung des § 121 Abs. 3 VwGO, dass durch die Beiordnung des nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts keine weiteren Kosten entstehen dürfen, § 121 Abs. 3 ZPO.


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