Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf Umschreibung der tschechischen Fahrerlaubnis in eine inländische

Aktenzeichen  B 1 K 18.1047

Datum:
27.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 56682
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Nach § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung, von einer gültigen EU-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, nicht für Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis, die zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Vorliegend konnte ein Aufenthalt im Sinne des § 7 FeV über mehr als 185 Tage im Jahr 2008 in Tschechien vom Kläger nicht nachgewiesen werden. (Rn. 22 und 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.  

Gründe

1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
2. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Versagung der Umschreibung erfolgte, mangels Anspruchs des Klägers auf die Umschreibung seiner tschechischen Fahrerlaubnis, rechtmäßig und hat dadurch den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 FeV ist eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder berechtigt hat, unter erleichterten Bedingungen in eine deutsche Fahrerlaubnis umzutauschen. Inhaber einer EU-/EWR-Fahrerlaubnis mit Wohnsitz im Inland sind grundsätzlich nicht verpflichtet, ihre Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis umzutauschen, d.h. die deutsche Fahrerlaubnis zu erwerben. Sie können dies jedoch auf freiwilliger Basis tun und haben bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen einen entsprechenden Rechtsanspruch. Dabei wird der Begriff des „Umtauschs“ durch die Vorschrift nicht verwendet und § 30 FeV ist auch nicht als klassische Anspruchsgrundlage ausgestaltet. Vielmehr wird ein dahingehender Anspruch in § 30 Abs. 1 FeV als bestehend vorausgesetzt und lediglich hinsichtlich seiner Voraussetzungen und Rechtsfolgen konkretisiert (Neu in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, Stand: 11.7.2019, § 30 FeV Rn. 6 m.w.N.).
In diesem Zusammenhang bleibt zunächst festzuhalten, dass allein der Ablauf des 21. April 2018 nicht dazu führt, dass eine Umschreibung der tschechischen Fahrerlaubnis mangels deren Wirksamkeit nicht mehr möglich wäre. Vielmehr kann nach § 30 Abs. 2 Satz 1 FeV eine ausländische EU-/EWR-Fahrerlaubnis der Klasse B auch dann – nach Maßgabe des § 30 Abs. 1 FeV – in eine deutsche Fahrerlaubnis umgeschrieben werden, wenn deren Geltungsdauer nach Begründung des fahrerlaubnisrechtlichen Wohnsitzes in der Bundesrepublik Deutschland abläuft (vgl. hierzu z.B. Neu a.a.O. § 30 FeV Rn. 13; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 30 FeV Rn. 5).
Ein Anspruch auf Umschreibung der ausländischen Fahrerlaubnis nach § 30 Abs. 1 FeV besteht jedoch nur dann, wenn die ausländische EU-/EWR-Fahrerlaubnis auch zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder berechtigt hat. Wann dies im Einzelfall der Fall ist, richtet sich nach Maßgabe der §§ 28 und 29 FeV.
Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung, von einer gültigen EU-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, nicht für Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. Als ordentlicher Wohnsitz gilt nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV, Art. 12 RL 2006/126/EG der Ort, an dem der Führerscheininhaber wegen persönlicher und beruflicher oder – bei fehlenden beruflichen Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Jahr, im Inland wohnt.
Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von durch EU-Mitgliedstaaten erteilten Fahrerlaubnissen nach Art. 2 Abs. 1 RL 2006/126/EU darf nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dann unterbrochen werden, wenn aufgrund von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass die Wohnsitzvoraussetzung nicht beachtet wurde (vgl. EuGH, U.v. 9.7.2009 – C 445/08 – NJW 2010, 20174, Rn. 51 ff; U.v. 1.3.2012 – Akyüz, C 467/10 – NJW 2012, 1341, Rn. 62 ff.). Die Prüfung, ob Informationen über den ordentlichen Wohnsitz des Fahrerlaubnisinhabers zum Zeitpunkt der Erteilung des Führerscheins als vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührend und unbestreitbar eingestuft werden können, obliegt dabei den Behörden und Gerichten des Aufnahmemitgliedstaats (vgl. EuGH, U.v. 1.3.2012 – Akyüz, C-467/10 – NJW 2012, 1341 Rn. 73 f.; EuGH, U.v. 21.5.2015 – C 339/14 – NJW 2015, 3219, Rn. 39 ff.).
Die Fahrerlaubnisbehörde ist auch durch den Eintrag eines tschechischen Wohnsitzes im vorgelegten Führerschein nicht gehindert, die über das Kraftfahrt-Bundesamt beigebrachten Erkenntnisse der tschechischen Behörden zu berücksichtigen. Vielmehr dürfen Angaben im Führerschein selbst und andere vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen als Erkenntnisquelle gleichrangig herangezogen werden (vgl. EuGH, B.v. 9.7.2009 – C-445/08 – NJW 2010, 2017 Rn. 51). Dabei muss die Begründung eines Scheinwohnsitzes aufgrund der vom Ausstellungsmitgliedstaat stammenden Informationen nicht bereits abschließend erwiesen sein (vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2018 – 11 CS 17.1257 – juris Rn. 10; B.v. 23.1.2017 – 11 ZB 16.2458 – juris Rn. 12; OVG NRW, B.v. 9.1.2018 – 16 B 534/17 – juris Rn. 14 ff. m.w.N). Vielmehr reicht es aus, wenn diese Informationen darauf „hinweisen“, dass der Inhaber des Führerscheins im Gebiet des Ausstellungsmitgliedstaats einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck begründet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen (vgl. EuGH, U.v. 1.3.2012 – a.a.O. Rn. 75). Dann können die Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats auch inländische Umstände zur Beurteilung der Frage, ob die Wohnsitzvoraussetzung eingehalten ist, heranziehen (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 12.1.2018, a.a.O., Rn. 10; B.v. 23.1.2017, a.a.O., Rn. 12; OVG NRW, B.v. 9.1.2018, a.a.O., Rn. 14 ff.).
Vorliegend weist zwar der streitgegenständliche tschechische Führerschein aus, dass der Kläger einen Wohnort in … in Tschechien zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins am 21. April 2008 hatte, jedoch konnte ein Aufenthalt im Sinne des § 7 FeV über mehr als 185 Tage im Jahr 2008 in Tschechien vom Kläger nicht nachgewiesen werden. Aus der Auskunft des tschechischen Verkehrsministeriums vom 23. April 2018 geht hervor, dass auf die Frage eines gewöhnlichen Aufenthalts von mindestens 185 Tagen in der Tschechischen Republik und auf die Frage über enge familiäre und berufliche Bindungen die Antwort „unknown“, also unbekannt gegeben wurde. Allein diese Antworten des tschechischen Verkehrsministeriums geben einen gewichtigen Hinweis darauf, dass der Kläger in der Tschechischen Republik keinen ordentlichen 6-monatigen Wohnsitz zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis begründet hatte und daher gegen das Wohnsitzerfordernis verstoßen hat. Entgegen der Ansicht des früheren Klägerbevollmächtigten sind diese Informationen des tschechischen Verkehrsministeriums nach Ansicht des Gerichts als unbestreitbare Informationen anzusehen (vgl. BayVGH, Anmerkung zum U.v. 20.3.2018 – 11 B 17.2236 – ZfSch 2018, 414; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 31.3.2016 – 10 A 10231/16 – juris Rn. 7 f., VG Neustadt, U.v. 25.1.2016 – 3 K 756/15.NW – juris Rn. 46).
Soweit unbestreitbare Informationen des Ausstellungsmitgliedstaats vorliegen, aus denen sich die Möglichkeit ergibt oder die darauf hinweisen, dass die Wohnsitzvoraussetzung nicht gegeben war, sind zur endgültigen Beurteilung dieser Frage die Umstände des gesamten Falles heranzuziehen, also ergänzend auch die „inländischen Umstände“ (st. Rspr., vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 12.1.2018 – 11 CS 17.1257 – juris Rn. 10).
Hier erscheint als gewichtiger inländischer Umstand, der gegen einen ordnungsgemäßen Wohnsitz in der Tschechischen Republik spricht, dass der Kläger dauerhaft, also auch im Zeitpunkt und im Jahr der Erteilung der Fahrerlaubnis, mit Hauptwohnsitz in Deutschland gemeldet war, was auf einen Lebensmittelpunkt in Deutschland hinweist.
Soweit inländische Umstände heranzuziehen sind, aber auch soweit unbestreitbaren Informationen aus dem Ausstellermitgliedstaat entgegengetreten werden soll oder ein anderer Berechtigungsgrund für die Erteilung der Fahrerlaubnis geltend gemacht wird, kommt es bei der Würdigung der vorliegenden Erkenntnisse ebenfalls entscheidend auf das Erklärungsverhalten des Betreffenden an (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 20.10.2014 – 11 CS 14.1688 – juris Rn. 25 m.w.N.). Der Kläger hat dem Landratsamt und dem Gericht keinerlei Unterlagen, die einen ordentlichen Wohnsitz in Tschechien im Jahr 2008 belegen, vorgelegt. Er hat jegliche Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts verweigert, was ein gewichtiges Indiz für einen Wohnsitzverstoß ist.
Angesichts der bestehenden Zweifel an der Erfüllung der Wohnsitzvoraussetzung bei der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis hätte es dem Kläger oblegen, sein Vorbringen weiter zu substantiieren und die Zweifel durch verifizierbare Darlegungen zu seiner angeblichen Wohnsitzbegründung in der Tschechischen Republik und seinen dortigen persönlichen und beruflichen Bindungen durch die Vorlage geeigneter Unterlagen zu entkräften (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 28.02.2015 – 3 B 48.14 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 22.08.2016 – 11 CS 16.1230 – juris Rn. 20). Der Kläger kam dieser Obliegenheit nicht nach. Trotz gerichtlichen Hinweises vom 10. Juli 2019 legte er die näheren Umstände seines Aufenthalts in der Tschechischen Republik nicht dar, sondern hüllte sich in Schweigen. Der Kläger hat weder vorgetragen und dargelegt, dass er in Tschechien im Jahr 2008 unter einer Wohnadresse gemeldet gewesen war, noch, dass er irgendwelche beruflichen oder persönlichen Bindungen nach Tschechien gehabt hat.
Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, hat der Kläger vorliegend keinen Anspruch auf die Umschreibung seiner tschechischen Fahrerlaubnis.
Die Kostenentscheidung erging ebenfalls rechtmäßig. Die Auferlegung der Gebühren erfolgt nach § 6 a Abs. 1 Nr. 1 StVG i.V. m. §§ 1, 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr. Die Gebühr in Höhe von 70,00 Euro liegt im Gebührenrahmen, den Anlage 1 Nr. 206 zur Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vorgibt. Der Kläger hat die Auslagen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr zu tragen.
3. Der Kläger trägt als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben