Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf unmittelbare Zuteilung einer Sozialwohnung

Aktenzeichen  M 12 K 19.2130

Datum:
8.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 20257
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1902, § 1903
BayWoBindG Art. 5

 

Leitsatz

1 Zur Bewertung des Antrages auf Vormerkung einer öffentlich geförderten Wohnung genügt eine interne Richtlinie in Form einer Punktetabelle dem Gleichbehandlungsgrundsatz. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Durch die Dringlichkeitseinstufung ist die zuständige Stelle verpflichtet, den Verfügungsberechtigten mindestens fünf wohnberechtigte Wohnungssuchende zur Auswahl zu benennen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Anspruch auf Benennung ist nur gegeben, wenn tatsächlich eine bedarfsgerechte Wohnung frei ist und kein anderer Bewerber in der Dringlichkeit vorgeht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Entscheidung über den Abschluss eines Mietvertrages mit den benannten Wohnungssuchenden bleibt den Verfügungsberechtigten vorbehalten; eine hoheitliche Zuweisung einer Sozialwohnung ist nicht möglich. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Die Klage ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, dass für den Kläger ein Betreuer bestellt ist. Ist der Betreute geschäftsfähig, bleibt seine rechtsgeschäftliche Handlungskompetenz durch die Betreuerbestellung unberührt, sofern nicht ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – angeordnet worden ist. Bei Geschäftsfähigkeit des Betreuten führt § 1902 BGB damit im Umfang des dem Betreuer zugewiesenen Aufgabenkreises zu einer Doppelzuständigkeit von Betreuer und Betreutem (Müller-Engels in BeckOK BGB, 50. Ed. 1.5.2019, § 1902 Rn. 15). Ein Einwilligungsvorbehalt ist nicht angeordnet worden und es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger geschäftsunfähig i.S.v. § 104 Nr. 2 BGB ist.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewertung seines Antrags mit einer höheren Grundpunktzahl, § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO. Der Bescheid der Beklagten vom 23. April 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist Art. 5 des Bayerischen Wohnungsbindungsgesetzes (BayWoBindG). Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf. Die Beklagte hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Bei der Benennung sind gemäß Art. 5 Satz 3 BayWoBindG insbesondere schwangere Frauen, Familien und andere Haushalte mit Kindern, junge Ehepaare, alleinstehende Elternteile mit Kindern, ältere Menschen und schwerbehinderte Menschen vorrangig zu berücksichtigen. Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH, B.v. 11.0.2014 – 12 C 14.380 – juris Rn. 12,13).
Zur gleichmäßigen Ermessensausübung hat die Beklagte eine Dienstanweisung (Punktetabelle) erstellt. Es handelt sich dabei um eine ermessensbindende interne Richtlinie, deren konsequente Anwendung dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht und die regelmäßig zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt. Diese Punktetabelle ist ein geeignetes Mittel, um die Bewertung der sozialen Dringlichkeit transparent zu machen und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (BayVGH, B.v. 14.4.1999 – 24 S 99.110 – juris).
Nach der Punktetabelle können bei sozialpädagogisch betreutem Wohnen 73 Grundpunkte vergeben werden. Ausweislich des Untermiet- und Betreuungsvertrags mit dem SPZ ist der Kläger seit 2010 in einer betreuten Wohngemeinschaft wohnhaft, diese stellt ein unbefristetes, ambulant betreutes Angebot dar. Dem Kläger steht nach seinen eigenen Angaben ein eigenes, abgeschlossenes Zimmer in der Wohngemeinschaft zur Verfügung. Dieser Sachverhalt ist nicht mit den ebenfalls in der Punktetabelle geregelten Fällen der Unterbringung von Wohnungslosen in Notquartieren, der Wohnungslosenhilfe, gewerblichen Pensionen oder ähnlichem zu vergleichen. Diese Unterbringung ist auf eine rein vorübergehende Unterbringung zur unmittelbaren Abhilfe einer bereits bestehenden Wohnungslosigkeit gerichtet und in der Regel zeitlich befristet, mit erheblichen Einschränkungen der Privatsphäre (Unterbringung z.B. in Mehrbettzimmern) oder unverhältnismäßig hohen Kosten (gewerbliche Pensionen) verbunden. Auch der Vortrag des Klägers, er müsse bei Abbruch der Einnahme der verordneten Medikamente die Wohngemeinschaft verlassen, führt zu keinem Anspruch auf eine höhere Dringlichkeitsbewertung. Im Vertrag mit dem SPZ ist zwar die Befugnis des Untervermieters zur fristlosen Kündigung bei eigenmächtigem Abbruch der ärztlich verordneten Medikation vorgesehen. Daraus ergibt sich noch kein Anspruch auf eine höhere Grundpunktzahl. Im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 8. August 2019 hatte der Kläger seine Medikation nicht abgebrochen und es lag auch keine rechtswirksame Kündigung durch den Vermieter vor.
2. Der Antrag des Klägers, die Beklagte zu verpflichten, ihn für eine öffentlich geförderte Wohnung zu benennen, ist unbegründet.
Als Folge der Dringlichkeitseinstufung ist die Beklagte verpflichtet, Wohnungsangebote in der damit erstellten Reihenfolge der Dringlichkeit zu erteilen. Gemäß Art. 5 Satz 2 BayWoBindG hat die zuständige Stelle den Verfügungsberechtigten mindestens fünf wohnberechtigte Wohnungssuchende zur Auswahl zu benennen. Die Benennung hängt von der Zahl der tatsächlich freiwerdenden Wohnungen ab, die dem festgestellten Wohnbedarf entsprechen, von der Anzahl der vorgemerkten Bewerber mit entsprechendem Wohnbedarf sowie der Dringlichkeit und der Dauer der Bewerbung. Ein Anspruch auf Benennung wäre demgemäß nur dann gegeben, wenn tatsächlich eine bedarfsgerechte Wohnung frei ist und keine anderen Bewerber dem Kläger in der Dringlichkeit vorgehen. Aus der vorgelegten Behördenakte ergibt sich, dass zum 28. Mai 2019 mindestens 21 freie 1-Zimmer-Wohnungen angeboten wurden. Dafür, dass es keine anderen Bewerber auf diese freien Wohnungen mit einer höheren Dringlichkeitspunktzahl als die des Klägers geben sollte und die Beklagte den Kläger willkürlich nicht benennt, sind indes keine tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich.
Soweit der Antrag dahingehend ausgelegt werden könnte, dass der Kläger die Zurverfügungstellung bzw. Zuweisung einer Sozialwohnung begehrt, ist er zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf unmittelbare Zuteilung einer Sozialwohnung. Gemäß Art. 5 Satz 2 BayWoBindG hat die Beklagte gegenüber den Verfügungsberechtigten lediglich ein Benennungsrecht. Die Entscheidung über den Abschluss eines Mietvertrages mit den benannten Wohnungssuchenden bleibt dann aber den Verfügungsberechtigten vorbehalten. Eine hoheitliche Zuweisung einer Sozialwohnung durch die Beklagte ist nicht möglich (BayVGH, B.v. 21.8.1990 – 7 CE 90.1139 – juris).
3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgte aus §§ 167 VwGO i.V.m. 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.


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