Aktenzeichen S 7 R 5011/14
SGB IV SGB IV § 7, § 7a Abs. 1 S. 1, S. 3
SGB V SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 1
SGB XI SGB XI § 20 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1
SGB VI SGB VI § 1 S. 1 Nr. 1
SGB III SGB III § 25 Abs. 1
Leitsatz
Entgegen dem Wortlaut des § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV ist nicht über das Vorliegen einer Beschäftigung, sondern über das Bestehen der Versicherungspflucht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung zu entscheiden (ebenso BSG BeckRS 2009, 67777). (redaktioneller Leitsatz)
(redaktioneller Leitsatz)
Wenn jemand in der Erbringung der Arbeitsleistung in Ort, Zeit, Art und Weise völlig frei ist und zudem keinem Weisungsrecht unterliegt, so liegt eine nichtabhängige Beschäftigung vor. Dabei ist es unschädlich, wenn weitgehend ein Unternehmensrisiko fehlt mangels Einsatzes finanzieller Mittel. Das Kriterium des Unternehmerrisikos tritt zurück hinter dem der Inanspruchnahme fachspezifischer Kompetenz. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Bescheid der Beklagten vom 31.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2012 wird aufgehoben und festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers vom 24.01. bis 31.07.2011 beim Beigeladenen nicht im Rahmen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde.
II.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Tatbestand:
Der Kläger (Kl.) begehrt die Feststellung, dass es sich bei seiner Tätigkeit für die Beigeladene (Beigel.) als Fachmann für Schweißtechnik im Zeitraum vom 24.01. bis 31.07.2011 um kein abhängiges und somit nicht um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt hat.
Der Kl. sei nach seinen Angaben seit März 1999 ausschließlich auf selbstständiger Basis beruflich tätig. In den zurückliegenden 17 Jahren habe der Kl. nie in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gearbeitet. Seither habe er immer Einkommensteuer sowie Gewerbe- und Umsatzsteuer bezahlt. Seine private Kranken- und Alterssicherung werde seit 1999 nur von ihm selbst finanziert.
Der Kl. sei ein ausgewiesener Fachmann und Experte im Bereich Schweißtechnik und Rohrleitungsbau. Der Kl. sei nicht nur staatlich geprüfter Maschinenbau- und Schweißtechniker. Er besitze zusätzlich noch 3 Meistertitel, nämlich im Metallbauhandwerk, im Feinwerkmechanikerhandwerk und im Behälter- und Apparatebauhandwerk. Ferner führe er die Bezeichnung European Welding Technologist. Seit 11.11.2009 sei der Kl. bei der Handwerkskammer Niederbayern/Oberpfalz mit einem Handwerksbetrieb für Metallbau angemeldet.
Am 24.01.2011 schlossen der Kl. und die Beigel. für die Zeit vom 24.01. bis 31.07.2011 eine „Dienstleistungsvereinbarung“. Vertragsgegenstände waren:
– Führung der Schweißorganisation der T … GmbH für den Standort V … zur Sicherstellung eines wirtschaftlichen und schweißtechnischen Qualitätsstandards als übergreifende Schweißaufsicht; WPS und BTV; – Fachliche Weisungsberechtigung im Bereich Qualitätssicherung und der Schweißtechnik gegenüber den Mitarbeitern der …; – Prüfung und Erstellung von Schweißanweisungen, Verfahrensprüfungen und Wärmebehandlungen; – Überarbeitung des Formularwesens in der Schweißtechnik; – Angebotserstellung, Planung und Durchführung von Reparaturaufträgen im Bereich der Schweißtechnik, Konstruktion und Rohrleitungsbau; – Ausarbeitung und Darstellung von Erneuerungen im Regelwerk: Betriebssicherheitsverordnung, AD 2000 Merkblatt HP 0 Großer Herstellernachweis DIN 18800T7; – Erarbeitung von Schulungsunterlagen für SFM hinsichtlich der Erneuerungen im Regelwerk.
Unter Ziff 1. des Vertrages wurde weiter vereinbart, dass die Erbringung der Arbeitsleistung in Ort, Art und Weise vom Kl. frei bestimmt werden könne. Ein persönliches Weisungsrecht der Beigel. gegenüber dem Kl. bestehe nicht. Für die Bezahlung wurde ein Stundenverrechnungssatz in Höhe von 41 EUR (netto) bei einer wöchentlichen Arbeitsleitung von mindestens 45 Stunden vereinbart. In Ziff 6. des Vertrages wurde dem Kl. untersagt, während der Vertragsdauer in eine direkte vertragliche Beziehung zu Kunden der Beigel. zu treten. Bei Verstoß dieser Regelung wurde eine Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 EUR vereinbart. Unter Ziff 7. stellte die Beigel. einen Arbeitsplatz für freie Mitarbeiter zur Verfügung, um die vereinbarte Tätigkeit auszuführen. In den Schlussbestimmungen unter Ziff 13. versicherte der Kl. ausdrücklich, dass mindestens 3 der folgenden 4 Kriterien erfüllt seien: 1) Der Kl. beschäftige im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit mit Ausnahme von Familienangehörigen mindestens einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer; 2) Er werde regelmäßig und im Wesentlichen für mehr als einen Auftraggeber tätig; 3) Er unterliege nicht den Weisungen der Beigel. und sei auch nicht in deren Arbeitsorganisation eingegliedert und 4) Er trete aufgrund unternehmerischer Tätigkeit am Markt auf. Sollte diese Versicherung unrichtig sein und werde der Beigel. aufgrund dessen als Auftraggeber als Schuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrages zur Beitragsnachentrichtung in Anspruch genommen, so sei der Kl. zum Schadensersatz verpflichtet.
In der Folge stellte der Kl. der Beigel. seine Arbeitsleistung mit 3 Rechnungen vom 02.02., 02.03. und 02.04.2011 in Höhe von insgesamt 24.492,53 EUR (brutto) in Rechnung.
Bereits am 20.01.2011 hatte der Kl. Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status gestellt. In der Anlage hierzu gab der Kl. an, dass die Abnahmen der Aufträge über den TÜV oder über die Inspektion der … Raffineriegesellschaft mbH, … Weg …, … V … erfolgen würden.
Die Beigel. äußerte mit Schreiben vom 05.08.2011, dass die Beigel. von ihren Kunden beauftragt werde, schweißtechnische Aufträge abzuwickeln. Zur Abwicklung dieser Aufträge sei nach den gesetzlichen Vorgaben (Druckgeräterichtlinie) eine Schweißaufsicht erforderlich. Da sie keinen qualifizierten Mitarbeiter beschäftige, sei sie gezwungen, einen externen Schweißfachmann zu beauftragen. Aufgrund der Qualifikation und der Fachkenntnisse des Kl., sei er beauftragt worden, die Schweißaufsicht gemäß der Druckgeräterichtlinie selbstständig abzuwickeln. Unter Ziff 1. des Vertrages beschränke sich die Weisungsberechtigung gegenüber den Mitarbeitern lediglich auf die Kontrolle und Abnahme der Schweißtätigkeit. Beispielsweise bei der Herstellung von Druckbehältern sei gemäß der Druckgeräterichtlinie eine Schweißaufsicht erforderlich. Die zuständige Zertifizierungsstelle sei der TÜV Süd. Die Schweißaufsicht kontrolliere die Schweißtätigkeit und verantworte die Unterbindung von fehlerhaften Schweißverarbeitungen und Abweichungen. Sollte bei der Abnahme eines Druckbehälters der Kl. eine Abweichung der festgelegten Schweißvorschriften feststellen, obliege es seiner Verantwortung, die richtige Verarbeitung zu unterweisen und anzuordnen. Für die Abwicklung der Schweißaufsicht sei eine Betriebshaftpflichtversicherung erforderlich. Den Nachweis habe der Kl. vorgelegt. Eine persönliche Leistungserbringung könne aus dem Vertrag vom 24.01.2011 nicht abgeleitet werden. Der Kl. beschäftige zwar keine eigenen Mitarbeiter, könne jedoch im Vertretungsfall Ersatz beschaffen. Die Abrechnung erfolge über den Kl. Eine Vertretung durch Mitarbeiter der Beigel. sei aufgrund fehlender Qualifikation und Fachkenntnisse ausgeschlossen. Der Kl. halte sich nur unregelmäßig in den Räumen der Beigel. auf, wenn es die Auftragslage erforderlich mache. Teilleistungen seiner Beauftragung wie etwa die Dokumentation von Stücklisten erbringe der Kl. in seinen eigenen Betriebsräumen. Die Anwesenheit sei daher nicht zwingend erforderlich. Die Beigel. stelle dem Kl. keinen Arbeitsplatz im eigentlichen Sinne zur Verfügung. Es bestehe lediglich für den Kl. die Möglichkeit, seine eigenen Betriebsmittel auf einem bereitgestellten Tisch und Stuhl abzulegen. Von Seiten der Beigel. würden keine Betriebsmittel zur Verfügung gestellt.
Schließlich erließ die Bekl. den streitigen Bescheid vom 31.03.2011 gegenüber dem Kl. und der Beigel. Die Tätigkeit des Kl. als Schweißfachmann bei der Beigel. seit 24.01.2011 werde im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt. Es bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Merkmale für eine selbstständige Tätigkeit seien, dass der Kl. laut Vertrag keinen Weisungen hinsichtlich Arbeitszeit und -ort unterliege. Es würden keine Weisungen hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung erteilt. Außerdem betreibe der Kl. eigene Werbung. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprächen, dass die Tätigkeit im Rahmen einer Vollzeit ausgeübt werde. Es liege kein unternehmerisches Risiko vor. Der Kl. schulde lediglich die Bereitstellung seiner Arbeitskraft, er sei in die Arbeitsorganisation der Beigel. eingebunden. Er sei zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtet. Das Aufgabengebiet sei vertraglich festgelegt. Nach der Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen.
Mit Schreiben vom 09.09.2011 erhob die Beigel. dagegen Widerspruch. Mit Schreiben vom 23.09.2011 erhob der Bev. des Kl. dagegen Widerspruch. Die Entscheidung der Bekl. sei nicht zutreffend. Die vorgenommene Bewertung gehe von falschen Voraussetzungen aus. Dass der Kl. bei der Beigel. mehr als 40 Stunden gearbeitet habe, sei kein Indiz für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Jeder Selbstständige werde je nach Art und Umfang der von ihm vertraglich geschuldeten Arbeiten alles daran setzen, diese in einem Stück auszuführen, d. h. den ihm zustehenden Zeitrahmen voll auszuschöpfen. Eine Vollzeittätigkeit sei nicht Arbeitnehmern vorbehalten. Auch Selbstständige würden in der Regel Vollzeit oder sogar mehr arbeiten. Es sei auch die Annahme falsch, der Kl. sei in die Arbeitsorganisation der Beigel. eingebunden gewesen. Richtig sei vielmehr, dass der Kl. im eigenen Ermessen entscheiden konnte, welche Tätigkeiten von ihm ausgeübt würden. Unrichtig sei auch, der Kl. hätte kein unternehmerisches Risiko zu tragen. Der Kl. hätte eine Vergütung nur erhalten, wenn er die Werkleistung mangelfrei erbracht habe.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 08.06.2012 wurden die Widersprüche des Kl. und der Beigel. zurückgewiesen. In der Begründung der Bescheide wurde im Wesentlichen die Begründung des Erstbescheides wiederholt.
Dagegen richtet sich die mit Schreiben vom 28.06.2012 erhobene Klage zum Sozialgericht Landshut, die mit Schreiben vom 17.09.2012 begründet wurde (Az.: S 14 R 605/12). In der Klagebegründung und auch in der Klageerwiderung vom 20.09.2012 wurden im Wesentlichen die bereits im Vorverfahren vorgebrachten Argumente wiederholt.
Am 12.02.2014 erklärte sich die 14. Kammer des SG Landshut für unzuständig, da es sich um ein Statusfeststellungsverfahren handelt. Aufgrund der nunmehrigen Zuständigkeit der 7. Kammer des SG Landshut erhielt die Streitsache das obige Aktenzeichen.
Im Erörterungstermin vom 02.05.2016 wurden die Beteiligten auf die beabsichtigte Entscheidung mit Gerichtsbescheid hingewiesen.
Mit Beschluss vom 11.08.2016 wurde die Beigel. beigeladen.
Der Bevollmächtigte des Kl. hat sinngemäß beantragt,
den Bescheid der Bekl. vom 31.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2012 aufzuheben und festzustellen, dass der Kl. vom 24.01. bis 31.07.2011 nicht abhängig und damit sozialversicherungspflichtig beim Beigel. beschäftigt war.
Die Bekl. hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Akte der Bekl. und die einschlägigen Akten des SG Landshut Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der vorliegende Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt hinreichend geklärt ist, § 105 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beteiligten sind vorher dazu gehört worden.
Die Klage ist zulässig und sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 30.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2012 ist rechtswidrig und daher aufzuheben. Es wird festgestellt, dass der Kl. vom 24.01. bis 31.07.2011 beim Beigel. nicht im Rahmen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses tätig war.
Rechtsgrundlage für diese Feststellung ist § 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IV. Danach können Beteiligte schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn – was hier nicht ersichtlich ist -, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hätte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Zuständig ist gem. § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV die Beklagte. Entgegen dem Wortlaut des § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV entscheidet die Beklagte nicht über das Vorliegen einer Beschäftigung, sondern vielmehr über das Bestehen von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung (vgl. Bundessozialgericht (BSG) vom 11.03.2009 – B 12 R 11/07 R). Der Feststellung nach § 7a SGB IV steht nicht entgegen, dass das Verfahren eine abgeschlossene Rechtsbeziehung betrifft (vgl. BSG vom 04.06.2009 – B 12 KR 31/07 R).
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 SGB III). Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann – vornehmlich bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG vom 30.12.2013 – B 12 KR 17/11 R).
Bei der Feststellung des Gesamtbilds kommt dabei den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber den vertraglichen Abreden zu. Nach den vom BSG entwickelten Grundsätzen sind die das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnisse die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine „Beschäftigung“ vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG vom 28.9.2011 – B 12 R 17/09 R).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht sprechen nach der Überzeugung des Gerichts die überwiegenden Gesichtspunkte dafür, dass der Kl. im streitigen Zeitraum nicht im Rahmen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig war.
Entgegen der Auffassung der Bekl. war der Kl. gerade nicht in die Arbeitsorganisation des Beigel. eingegliedert. Dies ergibt sich schon zum einen aus der vertraglichen Ausgestaltung, wonach der Kl. in der Erbringung der Arbeitsleistung in Ort, Zeit, Art und Weise völlig frei war. Außerdem wurde vereinbart, dass der Kl. nicht dem Weisungsrecht des Beigel. unterliegt. Entsprechend den Angaben des Beigel. vom 05.08.2011 hat sich der Kl. nur unregelmäßig in den Räumen des Beigel. aufgehalten, da er eine Vielzahl der Arbeiten auch in seinen eigenen Betriebsräumen verrichten konnte. Darüber hinaus wird der Kl. auch auf der Baustelle bei der Fa … Raffineriegesellschaft mbH ( …) in V … Arbeitszeit verbracht haben, um den Mitarbeitern der Beigel. die entsprechenden Anweisungen im Bereich der Qualitätssicherung zu geben und die entsprechende Schweißaufsicht auszuüben. Außerdem ist davon auszugehen, dass der Kl. bei der Abnahme bzw. Prüfung der Arbeiten durch den TÜV Süd bzw. der B … anwesend war. Schließlich hatte er nach der Vertragsausgestaltung insoweit dafür einzustehen. Ebenso hatte er die Haftung, falls aufgrund fehlerhafter Arbeiten Unfälle entstehen sollten. Insoweit hatte er auch eine abgeschlossene Betriebshaftpflichtversicherung nachzuweisen. Sowohl der Kl. als auch der Beigel. gingen entsprechend der Vertragsausgestaltung davon aus, dass im Rahmen der Schweißaufsicht nicht der Beigel. gegenüber der B …l haften würde sondern der Kl. Da die Beigel. über keinen qualifizierten Mitarbeiter verfügte, musste sie eine externe Firma beauftragen. Hier fiel die Wahl aufgrund der Qualifikation und Fachkenntnisse auf den Kl. Genauso gut hätte es aber auch eine andere Firma sein können. Das Problem des Kl. gegenüber der Bekl. ergibt sich allein daraus, dass er keine Angestellten beschäftigt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Argument des weitgehenden Fehlens eines Unternehmerrisikos mangels Einsatzes finanzieller Mittel kein durchschlagendes Argument für eine abhängige Beschäftigung. Nicht jedes Fehlen eigener Produktionsmittel („Equipment“) lässt eine Tätigkeit als abhängig erscheinen. Der Kläger und die Beigeladene haben zutreffend auf die Besonderheiten speziell bei der verantwortungsvollen Tätigkeit der Schweißaufsicht hingewiesen (Druckgeräterichtlinie). In vielen Wirtschaftsbereichen gibt es auch Konstellationen in welchen das Kriterium des Unternehmerrisikos zurücktritt hinter das der Inanspruchnahme fachspezifischer Kompetenz. Als Beispiele mögen die Dienst- bzw. Werkleistungen des Lotsen, des Partyausrichters, des Einkauf- bzw. Stylingberaters, des Werkskantinenbetreibers und des sogenannten Mietkochs dienen. Diese Freiberufler bzw. Gewerbetreibenden bedienen sich ausschließlich oder überwiegend der Einrichtungen der Auftraggeber. Vorliegend wurde aber vom Beigel. lediglich ein Schreibtisch und ein Stuhl sowie ein Raum bereitgestellt. Alle anderen Arbeitsmaterialien wie PC, Computerprogramme und weiteres „Know-how“ wurden vom Kl. bereitgestellt. Dass die Erstellung bzw. Entwicklung spezieller Computerprogramme sehr zeitaufwendig und damit kostenintensiv ist, scheint der Bekl. fremd zu sein. Das Gericht geht entsprechend dem Vortrag des Kl. davon aus, dass er die Software für seine speziellen Tätigkeiten selbst entwickelt hat. Somit ist zum einen davon auszugehen, dass der Kl. ein erhebliches Unternehmerrisiko getragen hat. Darüber hinaus würde aber das Unternehmerrisiko hinter der fachspezifischen Kompetenz des Kl. zurücktreten.
Irritierend ist allenfalls die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit von mindestens 45 Stunden von Montag bis Freitag. Die Bezahlung erfolgte nach der Vertragsausgestaltung erfolgsunabhängig. Der Kl. musste also bei mangelhafter Arbeit nicht nachbessern. Vielmehr hätte er insoweit weitere Arbeitsstunden in Rechnung stellen können. Nach der Gesamtschau der einzelnen Punkte die für oder gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen, überwiegen aber nach Auffassung des Gerichts diejenigen Punkte, die für eine selbstständige Tätigkeit des Kl. im streitigen Zeitraum sprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 ff, 193 SGG.