Arbeitsrecht

Keine Ausnahme von der laufbahnrechtlichen Einführungszeit für Regelbewerber

Aktenzeichen  M 5 E 19.1057

Datum:
2.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 5808
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs.1
FachV-Pol/VS § 37, § 56 Abs. 1 S. 2, § 58 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Hat der Dienstherr den Einstieg im Eingangsamt der dritten Qualifikationsebene für Regelbewerber und Aufsteiger unterschiedlich geregelt, so können Regelbewerber auch dann nicht die Anwendung der Bestimmungen für Aufsteiger beanspruchen, wenn sie die Laufbahnvoraussetzungen für den Aufstieg erfüllt hätten, jedoch den Einstieg als Regelbewerber gewählt haben. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist rechtlich nichts dagegen einzuwenden, wenn der Dienstherr im Rahmen seines weiten organisatorischen Ermessens eine Dienststelle nicht für den Dienst in der Einführungszeit der Regelbewerber vorsieht. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin steht seit 1. März 2017 als Beamtin auf Widerruf und seit 1. September 2017 als Beamtin auf Probe in Diensten des Antragsgegners. Nachdem sie die Ausbildung für die dritte Qualifikationsebene für den Polizeivollzugsdienst erfolgreich abgeschlossen hat, befindet sie sich seit 1. April 2019 in der Einführungszeit in die Aufgaben des Polizeivollzugsdienstes für die Dauer von zwei Jahren.
Zuvor war sie seit 1. November 2016 bereits zur Beamtin auf Lebenszeit in der Zweiten Qualifikationsebene im Polizeivollzugsdienst tätig. Seit dem 3. September 2012 hat sie die Ausbildung für die zweite Qualifikationsebene des Polizeivollzugsdienstes absolviert und war dann als Streifenbeamtin tätig. Auf eigenen Antrag wurde sie mit Ablauf des 28. Februar 2017 aus diesem Beamtenverhältnis entlassen, um die Ausbildung für die dritte Qualifikationsebene aufnehmen zu können.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2019 bewarb sich die Beamtin auf eine ausgeschriebene Stelle der dritten Qualifikationsebene bei der PI SE Nordbayern / MEK. Der Antragstellerin wurde mit Schreiben vom 13. März 2019 mitgeteilt, dass ihre Bewerbung nicht berücksichtigt werden könne. Denn die Ableistung der Einführungszeit sei bei der PI SE Nordbayern nicht möglich. Diese Entscheidung war bereits in einer E-Mail vom 26. Februar 2019 an die Antragstellerin angekündigt worden.
Am 15. März 2019 erhob die Antragstellerin hiergegen Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.
Mit Schriftsatz vom 6. März 2019, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu verpflichten, die Antragstellerin vorläufig zum Auswahlverfahren für das MEK zuzulassen, bis über ihre Bewerbung als Polizeibeamtin der 3. QE für das MEK bestandskräftig entschieden ist.
Eine Eilbedürftigkeit sei gegeben, da das Auswahlverfahren ab dem 14. März 2019 beginne. Die Antragstellerin habe auch einen Anordnungsanspruch. Denn aufgrund ihrer Erfahrungen als Beamtin der zweiten Qualifikationsebene könne die für Beamte der dritten Qualifikationsebene vorgeschriebene zweijährige Einführungszeit ihren Zweck nicht erfüllen. Für Beamte der zweiten Qualifikationsebene, die die Ausbildungsqualifizierung für die dritte Qualifikationsebene durchlaufen, gelte die Regelung über die Einführungszeit nicht.
Das Polizeipräsidium Mittelfranken hat für den Antragsgegner am 27. März 2019 beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es fehle an einem Anordnungsgrund, da wesentliche Teile des Auswahlverfahrens bereits abgeschlossen seien. Die Antragstellerin könne sich auch nicht auf einen Anordnungsanspruch berufen. Denn die Einführungszeit sei bei einem Einstieg ab der dritten Qualifikationsebene zwingend vorgesehen. Die PI Spezialeinheiten Nordbayern seien ausdrücklich nicht als Dienststelle vorgesehen, bei der die Einführungszeit abgeleistet werden könne.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung – vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen – notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerin hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
2. Die Antragstellerin hat bereits einen Anordnungsgrund – das Bedürfnis für eine eilige Entscheidung des Gerichts – nicht glaubhaft gemacht. Denn wesentliche Teile des Auswahlverfahrens wurden bereits bis 22. März 2019 durchgeführt. Lediglich die Abschlussgespräche sind für den 3. April 2019 vorgesehen.
3. Die Antragstellerin hat auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Nach § 56 der Verordnung über die Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz (FachV-Pol/VS) werden die Beamten und Beamtinnen nach Ableistung des Vorbereitungsdienstes und Bestehen der Qualifikationsprüfung für den Einstieg in der dritten Qualifikationsebene ab der Verleihung des Eingangsamtes für die Dauer von zwei Jahren im uniformierten Dienst bei der Bereitschaftspolizei und im Polizeidienst in die Aufgaben des Polizeivollzugsdienstes eingeführt. Lediglich für eine Einführung im Kriminaldienst kann das Staatsministerium Ausnahmen zulassen.
Diese Bestimmung gilt auch für die Antragstellerin. Denn sie hat nach der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis der zweiten Qualifikationsebene ein neues Beamtenverhältnis in der dritten Qualifikationsebene begründet. Entsprechend gelten für dieses Beamtenverhältnis ausschließlich die laufbahnrechtlichen Bestimmungen für den Einstieg in der dritten Qualifikationsebene. § 56 Satz 1 FachV-Pol/VS sieht keine Ausnahme von der Einführungszeit vor. Es ist auch rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass der Dienstherr die PI Spezialeinheiten Nordbayern nicht als mögliche Dienststelle für die Ableistung der Einführungszeit bestimmt hat, sondern nur die in dem vom Polizeipräsidium vorgelegten Rundschreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration (IMS) vom 8. November 2018 benannten. Denn die PI Spezialeinheiten Nordbayern stellt sich als Dienststelle mit besonderen Aufgaben dar. Es ist rechtlich nichts dagegen einzuwenden, dass der Dienstherr im Rahmen seines weiten organisatorischen Ermessens diese Dienststelle daher nicht für die Einführungszeit vorgesehen hat. Entsprechend hat die Antragstellerin auch keinen Rechtsanspruch auf eine Ausnahmeregelung zu dem IMS, während der Einführungszeit bei der PI Spezialeinheiten Nordbayern eingesetzt zu werden.
Das Argument, dass die Antragstellerin durch ihre zweijährige Tätigkeit in der zweiten Qualifikationsebene als Polizeivollzugsbeamtin entsprechend einer Beamtin zu behandeln sei, die die Aufstiegsqualifizierung absolviere, geht an der Sache vorbei. Für Beamte der zweiten Qualifikationsebene, die in die dritte Qualifikationsebene im Rahmen der Aufstiegsqualifizierung aufsteigen, ist in § 58 Abs. 1 Satz 2 FachV-Pol/VS geregelt, dass der Unterabschnitt 4 – der aus § 56 FachV-Pol/VS besteht – nicht gilt. Die Antragstellerin muss sich an der laufbahnrechtlichen Konstellation zum Einstieg in die dritte Qualifikationsebene festhalten lassen, für die sie sich entschieden hat. Das ist der Einstieg als Regelbewerberin mit direktem Einstieg in die dritte Qualifikationsebene (§ 37 FachV-Pol/VS). Eine „Mischform“ zwischen Regelbewerbern und Beamten in der Ausbildungsqualifizierung – worauf die Antragstellerin abzielt – sieht die Verordnung über die Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz nicht vor. Entsprechend kann die Beamtin auch nicht beanspruchen, dass die Regelungen für die Ausbildungsqualifizierung für sie als Regelbewerberin mit direktem Einstieg in der dritten Qualifikationsebene entsprechend angewendet werden. Auf eine solche „Mischform“ besteht kein Rechtsanspruch.
3. Die Antragstellerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2. Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).


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