Arbeitsrecht

Keine Beihilfe zur künstlichen Befruchtung bei Überschreiten der Altersgrenze

Aktenzeichen  Au 2 K 15.651

Datum:
3.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV BayBhV § 43 Abs. 1 S. 3
GG GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5

 

Leitsatz

Der Ausschluss der Beihilfe zur künstlichen Befruchtung für Frauen, die das 40. Lebensjahr und für Männer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben (§ 43 Abs. 1 S. 3 BayBhV), verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen den Gleichheitssatz oder die Fürsorge- und Alimentationspflicht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO konnte die Entscheidung im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen.
Die Klage ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Der Beihilfebescheid der Beklagten vom 17. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe zu ihren Aufwendungen in Höhe von 2.463,47 EUR, die für die Durchführung einer künstlichen Befruchtung im Herbst 2014 entstanden sind (§ 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 VwGO).
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfen verlangt werden (BVerwG, U.v. 15.12.2005 – 2 C 34.05 – NVwZ 2006, 1191; U.v. 8.11.2012 – 5 C 4.12 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 12.1.2010 – 14 ZB 09.1304 – juris Rn. 4 m. w. N.). Damit ist für die rechtliche Beurteilung auf den zum 1. April 2009 in Kraft getretenen Art. 96 Abs. 5 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) und die auf der Grundlage dieser Regelung erlassene und am 1. Januar 2007 (GVBl. S. 15) in Kraft getretene Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung – BayBhV -) in der Fassung vom 1. Oktober 2014 (n. F.) abzustellen, da die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen im November und Dezember 2014 entstanden sind.
Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 BayBhV („Künstliche Befruchtung, Sterilisation, Kontrazeption“) sind Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung einschließlich der im Zusammenhang damit verordneten Arzneimittel – unter Beachtung der weiteren Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayBhV – nur dann zu 50 v. H. beihilfefähig, wenn aufgrund eines Behandlungsplans – erstens – die Maßnahmen nach ärztlicher Feststellung erforderlich sind, – zweitens – eine hinreichende Aussicht besteht, dass durch die Maßnahmen eine Schwangerschaft herbeigeführt wird, – drittens – die Personen, die diese Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, miteinander verheiratet sind und – viertens – ausschließlich Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden. Nicht beihilfefähig sind dabei Aufwendungen für Frauen, die das 40. Lebensjahr und für Männer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben (§ 43 Abs. 1 Satz 3 BayBhV). Damit scheidet vorliegend eine Gewährung von Beihilfe für die streitgegenständlich durchgeführte künstliche Befruchtung aus, da zwar der Ehemann der Klägerin das Alterserfordernis des § 43 Abs. 1 Satz 3 BayBhV erfüllt, die Klägerin jedoch bei Behandlungsbeginn bereits 41 Jahre alt war.
Die Vorschrift des § 43 Abs. 1 Satz 3 BayBhV und die darin enthaltenen Altershöchstgrenzen, welche kumulativ bei Mann und Frau vorliegen müssen, verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Insbesondere verstößt die vorgenannte Regelung nicht gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Es stellt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar, wenn verheirateten Beamten, bei denen die Frau das 40. Lebensjahr und der Mann das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, dem Grunde nach ein Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe in Fällen einer künstlichen Befruchtung zusteht, während für Ehepaare, bei denen bereits ein Ehepartner die Altersgrenze überschreitet, eine Beihilfegewährung ausscheidet. Insofern schließt sich das erkennende Gericht den Urteilen des Bundessozialgerichts vom 3. März 2009 (Az. B 1 KR 12/08 R – NJW 2010, 1020) und vom 25. Juni 2009 (Az. B 3 KR 7/08 R – Breith 2010, 317) zu § 27a SGB V an. Diese Entscheidungen betreffen zwar den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, die Regelung des § 43 Abs. 1 Satz 3 BayBhV ist jedoch der Bestimmung des § 27a SGB V nachgebildet und verweist insoweit in Absatz 2 darauf. Deswegen sind die Erwägungen des Bundessozialgerichts auf die mit der Erfüllung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten mittels Gewährung von Beihilfen zu den Aufwendungen in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen verbundenen Rechtsfragen übertragbar. Das Bundessozialgericht hat als wesentlichen Grund für die altersbedingte Differenzierung hinsichtlich der Ersatzfähigkeit von Aufwendungen bei einer künstlichen Befruchtung folgendes ausgeführt:
„Der Gesetzgeber hat sich nach der Begründung zum GKV-Modernisierungsgesetz (vgl. BT-Drucks 15/1525, S. 83) für die vorgenommene Differenzierung davon leiten lassen, dass jenseits des 30. Lebensjahres die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung abnimmt und die Konzeptionswahrscheinlichkeit jenseits des 40. Lebensjahres gering ist, während diese Wahrscheinlichkeit unter 25 Jahren regelmäßig sehr hoch ist, was sich in der geringen Anzahl unfruchtbarer Paare im Alter von unter 25 Jahren niederschlägt. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber bei der Festsetzung oberer Altersgrenzen das Kindeswohl im Hinblick auf die mit dem Alter der Eltern zunehmende Anzahl von Fehlbildungen stark gewichtet. Dies ist als vergröberndes, aber dennoch hinreichend sachgerechtes Kriterium nicht zu beanstanden.“
(BSG, U.v. 3.3.2009 – B 1 KR 12/08 R – NJW 2010, 1020)
Auch die übrigen von der Klägerin vorgebrachten Gesichtspunkte führen zu keiner anderen Bewertung der Rechtslage. Die Regelung des § 43 Abs. 1 Satz 3 BayBhV verletzt Art. 33 Abs. 5 GG nicht. Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehören auch die Fürsorgepflicht und das Alimentationsprinzip (BVerfG, B.v. 7.11.2002 – 2 BvR 1053/98 – BVerfGE 106, 225). Es liegt kein Verstoß gegen das Alimentationsprinzip vor, da das gegenwärtig praktizierte System der Beihilfe nicht zur verfassungsrechtlich geschuldeten Alimentation des Beamten gehört (BayVGH, U.v. 29.3.2010 – 14 B 08.3188 – juris Rn. 20). Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist nicht verletzt, denn diese umfasst nicht den Bereich der Lebens- und Familienplanung, dementsprechend kann auch keine staatliche Pflicht bestehen, durch medizinische Maßnahmen wie eine künstliche Befruchtung die Entstehung einer Familie zu fördern (BayVGH, U.v. 29.3.2010 – 14 B 08.3188 – juris Rn. 19). Schließlich steht die Vorschrift des § 43 Abs. 1 Satz 3 BayBhV auch in Einklang mit den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes (AGG), da die Gewährung von Beihilfe nicht dessen sachlichem Anwendungsbereich nach § 2 Abs. 1 AGG unterfällt und Beihilfeleistungen insbesondere nicht als Arbeitsentgelt im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG angesehen werden können, weil sie kein wie auch immer geartetes Äquivalent zur „Arbeitsleistung“ von Beamten darstellen (VG Koblenz, U.v. 11.10.2007 – 2 K 256/07.KO – juris Rn. 37).
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 und 4, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Beschluss:
Der Wert des Streitgegenstands wird auf 2.463,47 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben