Arbeitsrecht

Keine endgültige Klärung, ob ein „Rettungsdienst“ zum förderrelevanten Zeitpunkt vorliegt, Beweislastentscheidung

Aktenzeichen  B 8 K 20.1369

Datum:
25.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41377
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
CoBoR

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei darf die Vollstreckung durch die Beklagtenseite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagtenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

1. Über die Klage kann auch ohne Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
Der fehlende Klageabweisungsantrag des Beklagten steht der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen, weil der Beklagte mit seinem Schriftsatz vom 25.02.2021 dem Klagebegehren sinngemäß entgegengetreten ist. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang seiner Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren und insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen zum Nichtvorliegen eines Rettungsdienstes. Darüber hinaus wurde zuletzt im Schriftsatz vom 06.04.2021 eine Abhilfe unter dem Gesichtspunkt der richtlinienwidrigen Bewilligungen an Kollegen des Klägers abgelehnt. In der Gesamtschau lässt dies zweifelsfrei erkennen, dass der Beklagte dem Klagebegehren entgegentritt (§ 86 Abs. 3, § 88 VwGO).
2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 24.11.2020 ist rechtmäßig und damit nicht aufzuheben (§ 113 Abs. 1 VwGO). Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung eines Pflegebonus nach der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie – CoBoR) zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Wesentlichen zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen im genannten Bescheid des Beklagten sowie auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 25.03.2021 Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO.
2.1 Ergänzend ist auszuführen:
Eine Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der o.g. Förderrichtlinie im billigen Ermessen der Behörde unter Beachtung des Haushaltsrechts (Art. 23, Art. 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch auf die Förderung kann im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz (Art. 3 GG, Art. 18 Abs. 1 BV) allenfalls dann angenommen werden, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 23).
Daran setzt der Maßstab der gerichtlichen Überprüfung an.
Nach Nr. 2 der CoBoR sind Begünstigte der Richtlinie Personen, die in bestimmten Einrichtungen eine geförderte pflegerische Tätigkeit ausüben.
(1) Gefördert wird nach Nr. 2 Satz 1 CoBoR die Tätigkeit in folgenden Einrichtungen:
– Krankenhäuser
– Rehabilitationskliniken
– Stationäre Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen
– Ambulante Pflegedienste
(2) Begünstigte Tätigkeiten sind nach Nr. 2 Satz 1 und 2 insbesondere
– Pflegende
– tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist
– Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter, nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst
– Auszubildende in den in den Anlagen benannten staatlich anerkannten Berufsgruppen
(3) Das Beschäftigungsverhältnis muss am 7 April 2020 bestanden haben und nach seiner vertraglichen Bestimmung überwiegend im Freistaat Bayern ausgeübt werden.
Für die Förderfähigkeit müssen alle Voraussetzungen erfüllt sein.
Die Aufzählung der begünstigten Einrichtungen in Nr. 2 Satz 1 CoBoR ist abschließend formuliert und lässt insofern auch keinen Spielraum für das Gericht, weitere (ähnliche) Einrichtungen als förderfähig zu erachten. Es verbietet sich nach dem oben beschriebenen Maßstab der gerichtlichen Überprüfung eine durch die Gerichte erfolgende weite „Auslegung“ der Richtlinie. Die CoBoR darf nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden. Vielmehr dient die Richtlinie nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BayVGH, a.a.O.).
2.1.1
Nach dieser Richtlinie ist die Ausbildung als Rettungssanitäter, Rettungsassistent o.ä. allein gerade nicht ausreichend, um einen Anspruch auf Bewilligung eines Corona-Pflegebonus zu erhalten. Vielmehr ist darüber hinaus eine Tätigkeit im Rettungsdienst zum maßgeblichen Zeitpunkt am 07.04.2020 erforderlich. Das Vorliegen dieser Fördervoraussetzung konnte jedoch nicht ermittelt werden.
Nach Art. 2 Abs. 15 Satz 2 BayRDG sind Durchführende des „Rettungsdienstes“ Unternehmer, die durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Durchführung von Notfallrettung beauftragt sind.
So lässt sich dem Internetauftritt des Arbeitgebers (https://www.helfende-franken.de/uberuns.php, abgerufen am 21.01.2021) entnehmen, dass der Arbeitgeber Patientenfahrdienste und Fahrdienste für den ärztlichen Bereitschaftsdienst der KVB (neben Schullinien, linienähnlicher Betrieb von Tagespflegegästen, u.a.) anbietet. Dies lässt nicht erkennen, dass die Einrichtung des Arbeitgebers als „ambulanter Pflegedienst“ oder „Rettungsdienst“ im Sinne der o.g. Richtlinie anzusehen sein könnte. Insbesondere „Rettungsdienste“ sind nach dem Rettungsdienstrecht mit besonderen Aufgaben betraut (v.a. Notfallrettung, arztbegleiteten Patiententransport, Krankentransport, Patientenrückholung, siehe. Art. 1 S. 1 BayRDG, für die es im Übrigen auch einer Genehmigung bedürfte, vgl. Art. 21 BayRDG).
Auch eine Nachfrage des Gerichts bei der Regierung von Oberfranken hat keine positiven Erkenntnisse im Hinblick auf eine rettungsdienstliche Genehmigung, Beauftragung mit einer Notfallrettung bzw. die Existenz eines entsprechenden Vertrages für den Arbeitgeber des Klägers ergeben. Aus einem Parallelverfahren ist dem Gericht bekannt, dass der Beklagte erklärt hat, dass es im entscheidungserheblichen Zeitraum nach ihren Recherchen nicht zu „rettungsdienstlichen“ Leistungen gekommen sei. Die E-Mail des Arbeitgebers vom 02.02.2021 würde – auch bei Unterstellung ihrer Echtheit – dem Kläger nicht zum Erfolg verhelfen, da es keine Angaben zum Vorliegen des Rettungsdienstes zum förderrechtlich relevanten Stichtag des 07.04.2020 enthält. Zudem äußerte sich zum Zeitpunkt des Beginns der rettungsdienstlichen Tätigkeit nicht einmal der Arbeitgeber des Klägers trotz mehrerer konkreter Nachfragen in irgendeiner Weise. Weder eine Nachfrage des Beklagten gegenüber dem Arbeitgeber des Klägers mit E-Mail vom 12.02.2021 noch die gerichtliche Nachfrage vom 12.04.2021 konnten den Arbeitgeber zu einer Äußerung dazu bewegen.
Da weder Ermittlungen des Beklagten noch solche des Gerichts die erforderlichen Erkenntnisse erbrachten, obliegt dem Kläger die materielle Beweislast; d.h. er trägt das Risiko der Nichterweislichkeit der Tätigkeit im Rettungsdienst (non liquet), da daraus eine für ihn günstige Rechtsfolge abgeleitet werden soll.
Aber auch der Kläger legte – entgegen seiner Ankündigung im Schriftsatz vom 09.04.2021, dass er bei entsprechender Nachfrage „als zuständiger Sachbearbeiter die Bedarfsabfrage der Regierung von Oberfranken als mittlere Rettungsdienstbehörde“ vorgelegt hätte – trotz Setzung einer Ausschlussfrist bis 20.05.2021 nach § 87b Abs. 3 VwGO durch das Gericht mit Schriftsatz vom 04.05.2021 keine entsprechenden Unterlagen vor. Dies geht im Ergebnis zu seinen Lasten.
Das Gericht kann deshalb seiner Entscheidung nicht zugrunde legen, dass der Kläger im förderrelevanten Zeitraum in einer nach der Richtlinie begünstigten Einrichtung tätig gewesen ist. Eine erst spätere Aufnahme einer Rettungsdiensttätigkeit, etwa im Herbst 2020, würde die notwendigen Voraussetzungen jedoch nicht erfüllen.
Auf seine Qualifikation als „Rettungsassistent“ oder „Lehrrettungsassistent“ kommt es nicht mehr an, solange er diese nicht nachweislich in einer begünstigten Einrichtung ausgeübt hat.
2.1.2
Auch aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Grundgesetz – GG -) kommt kein Anspruch auf Bewilligung des Pflegebonus in Betracht. Auch wenn ein großer Teil der Kolleginnen und Kollegen des Klägers in vergleichbarer Situation ungerechtfertigt die Förderung erhalten haben, so führt dies alleine, wie das Bayerische Landesamt für Pflege zutreffend ausgeführt hat, nicht zu einem Anspruch auf Förderung. Ein Grundsatz dahingehend, eine Gleichbehandlung im Unrecht zu gewährleisten, existiert nicht. Anhaltspunkte, die eine andere Bewertung der Ausführungen der Beklagtenseite hierzu begründen würden, sind nicht ersichtlich. Es obliegt dem Beklagten, nun erkannte fehlerhafte Bescheide zurückzunehmen. Dies hat der Beklagte auch zuletzt im Schriftsatz vom 06.04.2021 deutlich zum Ausdruck gebracht.
2.1.3
Nach dem Wortlaut der Richtlinie kommt es entgegen der Argumentation des Klägers nicht darauf an, inwieweit er durch seine Tätigkeiten einem besonderen Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen sein könnte. Vielmehr ist nur auf die Art der Tätigkeit (hier: im Rettungsdienst als Rettungssanitäter, Rettungsassistenz etc.) abgestellt. Da Subventionstatbestände grundsätzlich eng auszulegen sind, sind sie einer erweiternden Auslegung grundsätzlich nicht zugänglich.
Die Klage hat aus den oben genannten Gründen inhaltlich keinen Erfolg und ist abzuweisen.
3. Als unterliegender Teil trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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