Arbeitsrecht

Keine Verkürzung der Probezeit wegen Anwaltstätigkeit und juristischem Vorbereitungsdienst

Aktenzeichen  AN 11 K 16.00709

Datum:
30.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 101 Abs. 2
BLV BLV § 13 Abs. 1, § 19 Abs. 2, § 20 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 25 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2
BBG BBG § 17 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5, § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1
AZV AZV § 3 Abs. 1 S. 2
SiGjurVD SiGjurVD Art. 3 Abs. 1 S. 1
JAPO § 25 Abs. 1 S. 1, S. 3

 

Leitsatz

1 Die geringfügige Beschäftigung eines Juristen mit einer monatlichen Arbeitszeit von 44 Stunden als Aushilfe in einer Anwaltskanzlei ist keine hauptberufliche Tätigkeit, die auf die Probezeit angerechnet (§ 29 Abs. 1 BLV) werden kann. (Rn. 25 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der juristische Vorbereitungsdienst ist ebenfalls keine hauptberufliche Tätigkeit, die zur Verkürzung der Probezeit führen kann, weil bei ihm die Ausbildung und nicht die Erzielung von Entgelt im Vordergrund steht (Parallelentscheidung VG Ansbach BeckRS 2017, 127010). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage bleibt ohne Erfolg. Es bestehen schon Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage, da mit der Bewährung in der Probezeit und der damit verbundenen Berufung der Klägerin in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit am 5. Juli 2017 das Rechtsschutzbedürfnis für das Begehren der Verkürzung der Probezeit fehlen dürfte.
Diese Bedenken können jedoch dahinstehen, da die Klage jedenfalls unbegründet ist. Die Klägerin besitzt nicht den eingeklagten Anspruch. § 29 Abs. 1 BLV ist schon auf tatbestandlicher Ebene nicht erfüllt. Danach können hauptberufliche Tätigkeiten, die nach Art und Schwierigkeit mindestens der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn entsprechen, auf die Probezeit angerechnet werden. Bei der Tätigkeit der Klägerin in der Kanzlei … handelte es sich zu keinem Zeitpunkt um eine hauptberufliche Tätigkeit. Der juristische Vorbereitungsdienst ist schon kein Beruf und kann damit denknotwendigerweise keine hauptberufliche Tätigkeit im Sinne des § 29 Abs. 1 BLV sein. Darüber hinaus liegt hinsichtlich des juristischen Vorbereitungsdienstes der Ausschlusstatbestand des § 29 Abs. 2 Nr. 2 BLV vor.
I.
Die Beschäftigung der Klägerin in der Kanzlei … vom 1. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2015 stellte keine hauptberufliche Tätigkeit dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wird eine Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt, wenn sie entgeltlich ist, gewolltermaßen den Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit darstellt, in der Regel den überwiegenden Teil der Arbeitskraft beansprucht und dem durch Ausbildung und Berufswahl geprägten Berufsbild entspricht oder nahekommt. Die hauptberufliche Tätigkeit ist durch diese Merkmale von einer Tätigkeit abzugrenzen, die die Arbeitskraft nur nebenbei beansprucht oder neben einer hauptberuflichen Tätigkeit nur als Nebentätigkeit, Nebenamt oder Nebenbeschäftigung ausgeübt werden kann (BVerwG, U.v. 25.5.2005 – 2 C 20/04 – juris Rn. 19). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Voraussetzung einer hauptberuflichen Tätigkeit bereits dann als erfüllt angesehen, wenn die Tätigkeit ihrem Umfang nach mindestens die Hälfte der regulären Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten einnimmt, ohne dann weitere Kriterien in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 18.9.1997 – 2 C 38.96 – juris Rn. 15). Eine diesen Bruchteil unterschreitende („unterhälftige“) Beschäftigung hat das Bundesverwaltungsgericht in diesem Urteil nicht als hauptberuflich angesehen, weil nach den damals geltenden Fassungen der Beamtengesetze des Bundes und der Länder die Dienstzeit eines Beamten nicht auf ein Maß unterhalb der Hälfte der vollen Arbeitszeit abgesenkt werden konnte und das Gericht es als ausgeschlossen ansah, eine Beschäftigung als Vordienstzeit ruhegehaltserhöhend zu berücksichtigen, die wegen ihres „unterhälftigen“ Umfangs bei einem Beamten nicht vorkommen und deswegen nicht ruhegehaltfähig sein konnte. Im Urteil vom 29. September 2005 (BVerwG – 2 C 44.04 – juris Rn. 23) hat das Bundesverwaltungsgericht dann festgehalten, dass auch eine „unterhälftige“ Teilzeitbeschäftigung hauptberuflich ausgeübt werden könne. Da sich die Regelungen über die Teilzeitbeschäftigung der Beamten zwischenzeitlich wesentlich geändert hätten und der Bund wie auch die Länder von der Herabsetzung der regulären Arbeitszeit auf höchstens die Hälfte abgerückt seien, übe (auch) ein teilzeitbeschäftigter Beamter mit weniger als der Hälfte der Regelarbeitszeit sein Amt hauptberuflich aus, wenn er mindestens ein Kind unter achtzehn Jahren oder einen pflegebedürftigen Angehörigen tatsächlich betreut oder pflegt. Dadurch werde berücksichtigt, dass ein Beamter, dem die Betreuung oder Pflege seiner Angehörigen obliege, objektiv daran gehindert sei, seine volle Arbeitskraft dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen, wie es dem Leitbild des vollzeitig beschäftigten Beamten entspreche, der sich seinem Beruf mit voller Hingabe zu widmen habe. Gemäß § 91 Abs. 1 BBG kann Beamtinnen und Beamten, die Anspruch auf Besoldung haben, auf Antrag Teilzeitbeschäftigung bis zur Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit und bis zur jeweils beantragten Dauer bewilligt werden, soweit dienstliche Belange dem nicht entgegenstehen. Gemäß § 92 Abs. 1 BBG wird Beamtinnen und Beamten, die Anspruch auf Besoldung haben, auf Antrag Teilzeitbeschäftigung (auch mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit) bewilligt, wenn sie mindestens ein Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, tatsächlich betreuen oder pflegen oder eine sonstige Angehörige oder einen sonstigen Angehörigen tatsächlich betreuen oder pflegen, die oder der pflegebedürftig ist nach einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, nach einer entsprechenden Bescheinigung einer privaten Pflegeversicherung oder nach einem ärztlichen Gutachten oder an einer Erkrankung nach § 3 Absatz 6 Satz 1 des Pflegezeitgesetzes leidet, und keine zwingenden dienstlichen Belange entgegenstehen.
Gemessen hieran lag keine hauptberufliche Tätigkeit vor. Die Tätigkeit der Klägerin in der Kanzlei … war „unterhälftig“ bezogen auf die regelmäßige Arbeitszeit eines Bundesbeamten von 41 Wochenstunden gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AZV (im konkreten Fall der Klägerin 40 Wochenstunden gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 AZV). Laut Vertrag zwischen der Klägerin und der Kanzlei … vom 1. Dezember 2010 handelte es sich um ein Aushilfsarbeitsverhältnis auf Stundenbasis auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung mit einer monatlichen Arbeitszeit von 44 Stunden. Mit Änderungsvereinbarung zum Aushilfsarbeitsverhältnis wurde vereinbart, dass die monatliche Arbeitszeit ab dem 1. Januar 2015 maximal 34,5 Stunden betrage. Die Voraussetzungen, unter denen auch eine „unterhälftige“ Tätigkeit als hauptberuflich gelten kann, sind im Fall der Klägerin nicht erfüllt. Es wurde weder vorgetragen, noch ist es ersichtlich, dass die Klägerin im Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis 31. Dezember 2015 familiäre Pflege- oder Betreuungspflichten zu erfüllen hatte und deswegen nur „unterhälftig“ in der Kanzlei … arbeiten konnte. Vielmehr hatte die Klägerin innerhalb dieses Zeitraumes anderweitige Kapazitäten in großem Umfang. Dies wird dadurch belegt, dass sie von Oktober 2006 bis 14. Juli 2011 Rechtswissenschaften studierte, vom 4. Oktober 2011 bis 20. November 2013 den juristischen Vorbereitungsdienst absolvierte, vom 1. Mai 2014 bis 15. März 2015 mit 20 Wochenstunden in der Kanzlei … arbeitete und schließlich vom 20. Mai 2015 bis 31. Dezember 2015 als Vollzeitbeschäftigte bei der … tätig war. Mit Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts … vom 12. Oktober 2011 wurde der Klägerin zudem die Tätigkeit als juristische Mitarbeiterin in der Kanzlei … neben dem juristischen Vorbereitungsdienst antragsgemäß als Nebentätigkeit im Umfang von 44 Stunden monatlich genehmigt. Auch im Arbeitsvertrag zwischen der Klägerin und der Kanzlei …vom 1. Mai 2014 wurde in § 8 fixiert, dass die Klägerin eine Nebentätigkeit in der Kanzlei … ausübe.
II.
Der von der Klägerin absolvierte juristische Vorbereitungsdienst vom 4. Oktober 2011 bis 20. November 2013 ist ebenfalls keine hauptberufliche Tätigkeit im Sinne des § 29 Abs. 1 BLV. Es liegt schon kein Beruf vor. Der juristische Vorbereitungsdienst wird in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis abgeleistet (vgl. Art. 1, Art. 2 Abs. 1 Juristischer Vorbereitungsdienst-Sicherungsgesetz (SiGjurVD)), wobei der Ausbildungszweck und nicht die Entgelterzielung im Vordergrund steht. In § 44 der Juristen-Ausbildungs- und Prüfungsordnung (JAPO) ist geregelt, dass der Ausbildungszweck des Vorbereitungsdienstes darin besteht, die Rechtsreferendare mit den Aufgaben der Rechtspflege und der Verwaltung vertraut zu machen und dadurch in die Verwirklichung des Rechts einzuführen. Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 SiGjurVD erhalten die Rechtsreferendare hierfür eine monatliche Unterhaltsbeihilfe.
Abgesehen von der fehlenden Hauptberuflichkeit war der juristische Vorbereitungsdienst im vorliegenden Fall überdies erst eine Voraussetzung für die Zulassung zum gehobenen Dienst, sodass auch der Ausschlusstatbestand des § 29 Abs. 2 Nr. 2 BLV eingreift. Das mit der Ersten Juristischen Prüfung abgeschlossene Studium der Rechtswissenschaften entspricht inhaltlich nicht den Anforderungen des Vorbereitungsdienstes für den gehobenen Dienst. Gemäß § 17 Abs. 4 Nr. 1 BBG ist für die Zulassung zu den Laufbahnen des gehobenen Dienstes als Bildungsvoraussetzung eine zu einem Hochschulstudium berechtigende Schulbildung oder ein als gleichwertig anerkannter Bildungsstand erforderlich. Als sonstige Voraussetzung ist gemäß § 17 Abs. 4 Nr. 2 lit. a) BBG ein mit einer Laufbahnprüfung abgeschlossener Vorbereitungsdienst oder gemäß § 17 Abs. 4 Nr. 2 lit. b) BBG i.V.m. § 20 Satz 1 Nr. 1 BLV ein inhaltlich dessen Anforderungen entsprechendes mit einem Bachelor abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein gleichwertiger Abschluss erforderlich. Gemäß § 20 Satz 2 BLV i.V.m. § 19 Abs. 2 BLV entspricht eine Ausbildung inhaltlich den Anforderungen eines fachspezifischen Vorbereitungsdienstes, wenn sie seine wesentlichen Inhalte in gleicher Breite und Tiefe vermittelt hat und die abschließende Prüfung der entsprechenden Laufbahnprüfung gleichwertig ist. Die Entsprechung setzt also eine im wissenschaftlichen wie im berufspraktischen Teil gleichwertige Ausbildung und Prüfung voraus, die den Bewerber in gleicher Weise einsatzfähig erscheinen lässt, wie den Absolventen der Laufbahnprüfung (Battis, Bundesbeamtengesetz, § 17 Rn. 21). Im Hinblick auf den berufspraktischen Teil ist eine Gleichwertigkeit des mit einer Laufbahnprüfung abgeschlossenen Vorbereitungsdienstes und des mit der Ersten Juristischen Prüfung abgeschlossenen Studiums der Rechtswissenschaften nicht gegeben. Gemäß § 13 BLV dauert der Vorbereitungsdienst für den gehobenen Dienst in der Regel drei Jahre und besteht aus Fachstudien und berufspraktischen Studienzeiten. Gemäß § 6 Abs. 3 der Verordnung über den Vorbereitungsdienst für den gehobenen nichttechnischen Dienst in der allgemeinen und inneren Verwaltung des Bundes (GntDAIVVDV) sind zwingend 2 Semester berufspraktische Studienzeiten in Bundesbehörden vorgesehen. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 JAPO haben Jurastudenten demgegenüber insgesamt nur drei Monate an praktischen Studienzeiten teilzunehmen, wobei sich die praktischen Studienzeiten gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 JAPO auf mindestens zwei der Bereiche Zivilrecht, Strafrecht und Öffentliches Recht zu beziehen haben und in bis zu drei Abschnitte von je mindestens einem Monat Dauer bei einer oder mehreren Stellen aufgeteilt werden können. Diese Regelung macht es möglich, dass die von § 25 JAPO vorgeschriebenen praktischen Studienzeiten erfüllt sein können, ohne dass auch nur ein Tag Praktikumszeit im Bereich des Öffentlichen Rechts abgeleistet wurde. So verhielt es sich im Übrigen auch bei der Klägerin, die die vorgeschriebenen Praktika 2 Monate im Bereich des Strafrechts und 1 Monat im Bereich des Zivilrechts abgeleistet hat (vgl. Bl. 4f. der Behördenakte). Es ist nicht davon auszugehen, dass damit eine gleiche Einsatzfähigkeit vorliegt wie bei einem Bewerber, der den Vorbereitungsdienst für den gehobenen Dienst absolviert hat und damit 2 Semester berufspraktische Studienzeiten in Bundesbehörden absolviert hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es unerheblich, dass die Erste Juristische Prüfung hinsichtlich der damit dokumentierten Rechtskenntnisse gegenüber einem entsprechenden Bachelorabschluss höherwertig ist. Dies hilft nicht darüber hinweg, dass die mit dem Studium der Rechtswissenschaften erworbenen praktischen Kenntnisse nicht gleichwertig sind (in diesem Sinne auch VG Wiesbaden, B.v. 8.11.2012 – 3 L 1139/12.WI – juris). Die fehlende Gleichwertigkeit wird überdies auch nicht dadurch kompensiert, dass gemäß § 2 Satz 1 der Prüfungsordnung der Universität … für die Juristische Universitätsprüfung aufgrund der bestandenen Ersten Juristischen Prüfung der akademische Grad „Diplom-Jurist Univ.“ bzw. „Diplom-Juristin Univ.“ verliehen wird. Hierbei handelt es sich lediglich um einen formalen Akt, der fehlende praktische Kenntnisse nicht ersetzen kann.
Die Klage ist daher abzuweisen. Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO sind nicht ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt fußt auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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