Arbeitsrecht

Keine Verzugsschadenspauschale im Arbeitsrecht

Aktenzeichen  12 Ca 6016/15

Datum:
11.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2016, 115242
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 288 Abs. 5, § 293, § 296
ArbGG § 12a Abs. 1

 

Leitsatz

1. Einzelfallentscheidung zur Frage des Zugangs einer Kündigungserklärung.
2. Beruft sich ein Arbeitnehmer darauf, keine Kündigung erhalten zu haben, kann wie im ungekündigten Arbeitsverhältnis grundsätzlich nur ein tatsächliches Angebot seinerseits den Annahmeverzug des Arbeitgebers begründen.
3. Die Verzugsschadenspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB findet im Arbeitsrecht wegen des weitgehenden Ausschlusses von Kostenerstattungsansprüchen im Urteilsverfahren erster Instanz gemäß § 12a ArbGG keine Anwendung.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Tagesfrau im C… N…, im vertraglich vereinbarten Umfang von 25 Stunden pro Woche bei einer 5-Tage-Woche, bei 5 Stunden arbeitstäglich, weiter zu beschäftigen, hilfsweise im gleichen Umfang in einem anderen Reinigungsobjekt einzusetzen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 382,00 € brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.12.2015 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
6. Der Streitwert wird auf 2.499,33 € festgesetzt.

Gründe

A. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a ArbGG eröffnet. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist gemäß § 48 Abs. 1a ArbGG örtlich zuständig, da die Klägerin ihre Arbeit zuletzt gewöhnlich in Nürnberg verrichtet hat.
B. Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.
I. Die Klägerin hat Anspruch auf (Weiter-)Beschäftigung gemäß ihrem Arbeitsvertrag.
1. Der Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers im bestehenden Arbeitsverhältnis wird aus den §§ 611, 613 iVm. § 242 BGB hergeleitet. Er beruht auf der arbeitsvertraglichen Förderungspflicht des Arbeitgebers im Hinblick auf das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1 und 2 GG zum Persönlichkeitsschutz. Eine einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers ohne vertragliche Vereinbarung ist grundsätzlich nicht zulässig. Der Anspruch muss nur dann zurücktreten, wenn überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (BAG 9.4.2014 – 10 AZR 637/13 – BAGE 148, 16; GS BAG 27.2.1985 – GS 1/84 – NZA 1985, 702).
2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch Kündigung der Beklagten vom 21.3.2011 zum 31.7.2011 beendet worden. Die Kammer hat nach durchgeführter Beweisaufnahme nicht die Überzeugung gewonnen, dass das von der Beklagten vorgelegte Kündigungsschreiben wie von ihr behauptet der Klägerin zugegangen ist.
a) Allerdings hat der Zeuge G… im Kammertermin am 11.11.2016 bekundet, wohl 2011 sei ihm die Klägerin im F… an der Müllstation über den Weg gelaufen und habe sich über die Kündigung beschwert. Sie sei ihm entgegengekommen und habe ihn darauf angesprochen, wie es sein könne, dass man ihr während der Krankheit gekündigt habe. Er habe ihr gesagt, er wisse nur, dass sie gekündigt worden sei, alles Weitere müsse sie mit der Firma ausmachen. Er sei dann weitergegangen und habe die Klägerin an diesem Tag nicht mehr gesehen.
b) Die Kammer hat nicht die Überzeugung gewonnen, dass die Aussage des Zeugen G… der Wahrheit entspricht.
aa) Bei der Analyse der Glaubhaftigkeit einer spezifischen Aussage ist nach den allgemein anerkannten Grundsätzen der forensischen Aussagepsychologie von der sogenannten Nullhypothese auszugehen. Ausgangspunkt ist dabei, dass die Glaubhaftigkeit einer Aussage positiv begründet werden muss. Erforderlich ist deshalb eine Inhaltsanalyse, bei der die Aussagequalität zu prüfen ist. Es geht um die Ermittlung von Kriterien der Wahrhaftigkeit. Anhand konkreter Merkmale, sog. „Realkennzeichen“, ist zu prüfen, ob die Angaben auf tatsächlichem Erleben beruhen, oder ob sie ergebnisbasiert sind. Das Vorhandensein dieser Real- oder Glaubwürdigkeitskennzeichen gilt als Hinweis für die Glaubhaftigkeit der Angaben. Bei einmaligen Aussagen kann auch eine Motivationsanalyse durchgeführt werden (LAG Düsseldorf 25.7.2016 – 9 Sa 31/16 – juris, Rn. 33).
Das methodische Grundprinzip besteht darin, einen zu überprüfenden Sachverhalt (hier: Glaubhaftigkeit der spezifischen Aussage) so lange zu negieren, bis diese Negation mit den gesammelten Fakten nicht mehr vereinbar ist. Es wird daher zunächst angenommen, die Aussage sei unwahr. Zur Prüfung dieser Annahme sind weitere Hypothesen zu bilden. Ergibt die Prüfstrategie, dass die Unwahrhypothese mit den erhobenen Fakten nicht mehr in Übereinstimmung stehen kann, so wird sie verworfen, und es gilt dann die Alternativhypothese, dass es sich um eine wahre Aussage handelt. Die Bildung relevanter Hypothesen ist daher von ausschlaggebender Bedeutung für Inhalt und (methodischen) Ablauf einer Glaubhaftigkeitsbewertung. Beispielsweise hängt die Auswahl der für die Bewertung der Glaubwürdigkeit in Frage kommenden Test- und Untersuchungsverfahren davon ab, welche Möglichkeiten als Erklärung für eine – unterstellt – unwahre Aussage in Betracht zu ziehen sind (LAG Nürnberg 12.4.2016 – 7 Sa 649/14 – NZA-RR 2016, 517, Rn. 67; BGH 30.7.1999 ‒ 1 StR 618/98 – NJW 1999, 2746).
bb) Gemessen an diesem Maßstab bietet die Aussage des Zeugen G… keinerlei Anhaltspunkte, welche die Nullhypothese widerlegen, so dass es bei der Grundannahme verbleibt, die Aussage sei unwahr.
Der Zeuge konnte sich bereits nicht mehr daran erinnern, in welchem Jahr das von ihm geschilderte Gespräch stattgefunden habe; er schlussfolgerte hingegen lediglich aus dem Datum der Kündigung, es müsse 2011 stattgefunden haben. Die insoweit fehlende Erinnerung mag dem Zeitablauf geschuldet sein, sie führt aber jedenfalls nicht dazu, dass die Zeugenaussage als Bestätigung des Beklagtenvortrags gesehen werden kann, wonach es ein Gespräch zwischen der Klägerin und dem Zeugen noch im März 2011 gegeben habe.
Unklar ist auch nach der Zeugenaussage der Zeitpunkt des Gesprächs im Jahr. Der Zeuge hat von einer „herbstlichen Wetterlage“ gesprochen. Auch wenn die Kammer dem Beklagtenvertreter darin zustimmt, dass damit nicht zwingend gemeint ist, das Gespräch habe im Herbst stattgefunden, so bestätigt es aber doch jedenfalls in keiner Weise die Behauptung, es sei Ende März gewesen.
Auch die Darstellung des Geschehens durch Herrn G… verlangt keine Abkehr von der Nullhypothese. Der Zeuge hat sich im Wesentlichen darauf beschränkt, die von der Beklagten angegebenen Fakten zu bestätigen, aber keinen natürlichen Geschehensablauf geschildert. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass seine Darstellung auf eigenem Erleben beruht und nicht bloß ergebnisorientiert ist.
Dieses Fehlen von Realkennzeichen wird auch nicht etwa durch eine besondere Glaubwürdigkeit des Zeugen aufgewogen. Dabei berücksichtigt die Kammer, dass der Zeuge G… im Gütetermin mit Vollmacht als Vertreter der Beklagten aufgetreten ist. Er ist also nicht nur mit dem grundlegenden Vortrag der Beklagten im vorliegenden Verfahren vertraut, sondern steht auch unstreitig „im Lager“ der Beklagten. Vor diesem Hintergrund ist seiner Aussage jedenfalls gerade keine besondere Unabhängigkeit zu bescheinigen, welche die Nullhypothese in Frage stellen könnte.
c) Der Zugang ergibt sich auch nicht aus anderen Umständen.
aa) Insbesondere steht die Tatsache, dass die Klägerin vom 11.8.2014 bis zum 9.11.2015 Arbeitslosengeld bezog, nicht im Widerspruch zu ihrer Behauptung, sie habe keine Kündigung erhalten. Die Bundesagentur für Arbeit selbst bescheinigt der Klägerin, dass ihr Arbeitslosengeld wegen Beschäftigungslosigkeit trotz eines bestehenden Arbeitsverhältnisses gewährt worden sei.
bb) Dass die Klägerin vor ihrer Arbeitslosmeldung nicht bei der Beklagten um eine Beschäftigung ersucht hat, widerspricht ebenso wenig der klägerischen Darstellung. Die Klägerin hat nicht behauptet, bei Beantragung des Arbeitslosengeldes arbeitsfähig gewesen zu sein. Gemäß § 145 Abs. 1 SGB III hat Anspruch auf Arbeitslosengeld auch eine Person, die allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil sie wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn eine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Daraus folgt, dass Arbeitslosengeld auch bei Bestehen eines Arbeitsverhältnisses aufgrund einer geminderten Leistungsfähigkeit gewährt werden kann.
cc) Schließlich geht auch der Einwand der Beklagten, eine Anfrage hinsichtlich einer Wiedereingliederung im Rahmen eines Eingliederungsprogramms der Bundesagentur für Arbeit für Langzeitarbeitslose setze voraus, dass kein Arbeitsverhältnis bestanden habe, an der Sache vorbei. Die Klägerin hat nicht behauptet, dass die Bundesagentur eine entsprechende Maßnahme ins Auge gefasst habe, sondern dass der Zeuge W… bei der Beklagten deshalb nachgefragt habe.
d) Nach alledem hat ist für die Kammer der von der Klägerin bestrittene Zugang der Kündigung nicht bewiesen. Weitere Beweismittel sind nicht angeboten, sodass nach Beweislastgrundsätzen zu Lasten der Beklagten zu entscheiden war. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der sich auf den Zugang einer Willenserklärung – hier: Kündigungserklärung – beruft, die Beweislast für diesen Umstand (BAG 14.7.1960 – 2 AZR 173/59 – AP Nr. 3 zu § 130 BGB) – im vorliegenden Fall also die Beklagte.
II. Anspruch auf Annahmeverzugslohn hat die Klägerin nur für die Zeit ab dem 19.11.2015.
1. Der Arbeitgeber gerät gemäß § 293 BGB in Annahmeverzug, wenn er die angebotene Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annimmt. Dabei ist jedenfalls im ungekündigten Arbeitsverhältnis regelmäßig ein tatsächliches Angebot erforderlich. Gemäß § 294 BGB ist die Arbeitsleistung demnach so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich anzubieten, d.h. in eigener Person, zur rechten Zeit, am rechten Ort und in der rechten Weise (BAG 29.10.1992 – 2 AZR 250/92 – EzA § 615 BGB Nr. 77; BAG 7.12.2005 – 5 AZR 19/05 – NZA 2006, 435).
Nach § 295 Satz 1 BGB genügt ein wörtliches Angebot, wenn der Arbeitgeber erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen. Der Arbeitnehmer braucht sein Angebot dann auch grundsätzlich nicht zu wiederholen; es wirkt jedenfalls so lange fort, wie der Arbeitnehmer leistungsfähig ist (BAG 18.8.1961 – 4 AZR 132/60 – AP Nr. 20 zu § 615 BGB).
Im Falle einer Kündigung bedarf es nach Ablauf der Kündigungsfrist gemäß § 296 BGB grundsätzlich keines ausdrücklichen Angebots, da der Arbeitgeber mit der Kündigung zum Ausdruck bringt, dass er an einer weiteren Arbeitsleistung (nach der angenommenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses) kein Interesse habe und insofern dem Arbeitnehmer auch keine vertragsgemäße Arbeit zuweist (BAG 24.9.2003 – 5 AZR 500/02 – NZA 2004, 90; BAG 11.1.2006 – 5 AZR 98/05 – NZA 2006, 314).
Demgegenüber ist ein Angebot im ungekündigten Arbeitsverhältnis in der Regel nicht gemäß § 296 Satz 1 BGB entbehrlich, weil der Arbeitgeber hier dem Arbeitnehmer nicht durch einseitige gestaltende Willenserklärung die Arbeitsmöglichkeit entzieht (BAG 7.12.2005 – 5 AZR 19/05 – NZA 2006, 435).
2. Demnach ist die Klage auf Annahmeverzugslohn bereits unschlüssig, soweit sie sich auf den Zeitraum vor dem 19.11.2015 bezieht.
a) Die Klägerin hat vorgetragen, keine Kündigung erhalten zu haben. Damit befand sie sich aus ihrer Sicht in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis. Dass die Beklagte die Arbeitsleistung vor dem Schreiben der Klägerin vom 20.10.2015 abgelehnt hätte, ist nicht vorgetragen. Damit verbleibt es beim Grundsatz des § 294 BGB, dass nur ein tatsächliches Angebot den Annahmeverzug begründet.
b) Erst mit Schriftsatz vom 13.11.2015 im vorliegenden Rechtsstreit hat die Beklagte die Arbeitsleistung der Klägerin ausdrücklich unter Berufung auf eine Kündigung im Jahr 2011 abgelehnt. Das Schreiben wurde vom Arbeitsgericht Nürnberg am 17.11.2015 an die Klägerin abgesandt und gilt gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 495, 270 Satz 1 ZPO als der Klägerin am 18.11.2015 zugegangen. Erst zu diesem Zeitpunkt erhielt die Klägerin auf Basis ihres eigenen Vortrags Kenntnis von der angeblichen Kündigung, folglich kann auch erst zu diesem Zeitpunkt festgestanden haben, dass die Beklagte die Arbeitsleistung nicht nur endgültig ablehnte (§ 295 BGB), sondern der Klägerin auch keine Arbeit zuweisen würde (§ 296 BGB), sodass ein Angebot entbehrlich wurde. Ab dem 19.11.2015 befand sich die Beklagte damit in Annahmeverzug.
3. In der Höhe besteht demnach ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn für den Zeitraum 19.11.-30.11.2015, also für 8 Arbeitstage à 5 Stunden zu 9,55 € brutto pro Stunde, mithin 382,00 € brutto.
III. Der Klägerin steht kein Anspruch auf die geltend gemachte Verzugspauschale zu.
1. Für Oktober 2015 ergibt sich dies bereits daraus, dass die Klägerin für diesen Monat keinen Vergütungsanspruch hat, sodass von vornherein allenfalls ein Anspruch auf 40,00 € Verzugspauschale für das Novemberentgelt in Frage steht.
2. Gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB hat der Gläubiger einer Entgeltforderung bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, ungeachtet eines Anspruchs auf Verzugszinsen oder sonstigen Verzugsschaden einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40,00 €. Mit dieser Vorschrift ist Art. 6 Abs. 1 und 2 der Europäischen Richtlinie 2011/7/EU zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr in deutsches Recht umgesetzt (BR-Drs. 154/14 S. 19).
a) Die Anwendbarkeit der Verzugspauschale im Arbeitsrecht ist umstritten. Teilweise wird sie mangels ausdrücklicher Ausnahmeregelung ohne Weiteres bejaht (MüKoBGB/Ernst, 7. Aufl. 2016, § 288 Rn. 30; Tiedemann, ArbRB 2015, 312; Lembke, FA 2014, 357; Hülsemann., ArbR 2015, 146, 147 f.; im Ergebnis wohl auch Richter ArbR 2016, 229 ff.).
Andere Stimmen halten die Verzugspauschale im Arbeitsrecht wegen Unvereinbarkeit mit dem Ausschluss der Kostenerstattung im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz gemäß § 12a ArbGG für unanwendbar (ErfK/Koch, 17. Aufl. 2017, § 12 Rn. 1; Diller NZA 2015, 1095, 1096; Palandt/Grüneberg, 75. Aufl. 2016, § 288 Rn. 15). Die bislang soweit ersichtlich einzig publizierte gerichtliche Entscheidung des ArbG Düsseldorf vom 12.5.2016 (2 Ca 5416/15, juris, Rn. 27 ff.) verneint die Anwendbarkeit des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB im Arbeitsrecht nach ausführlicher Auseinandersetzung mit den Argumenten ebenfalls.
Die erkennende Kammer folgt der zweitgenannten Auffassung. Sinn und Zweck der Verzugspauschale ist nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2011/7/EU eine Entschädigung für die Beitreibungskosten des Gläubigers. Auch die Begründung des Regierungsentwurfs zur Einführung der Verzugspauschale verweist ausdrücklich darauf, dass die Pauschale Ersatz für Beitreibungskosten bzw. Rechtsverfolgungskosten des Gläubigers darstellen soll (BR-Drs. 154/14 S. 19). Dieser Zweck ergibt sich schließlich auch im Rückschluss zu § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB, wonach die Pauschale auf Schadensersatz für Rechtsverfolgungskosten anzurechnen ist.
Demgegenüber schließt § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG im Urteilsverfahren erster Instanz einen Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands aus. Dieser Ausschluss gilt für alle Ersatzansprüche, gleich auf welcher Grundlage (BAG 27.10.2005 – 8 AZR 546/03 – NZA 2006, 259) und erfasst auch vorprozessuale Anwaltskosten (BAG 14.12.1977 – 5 AZR 711/76 – AP Nr. 14 zu § 61 ArbGG 1953; mit abweichender Begründung auch Schleusener/Kühn NZA 2008, 147, 150).
Zu dieser Rechtslage stünde § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB im Widerspruch, wenn man die Regelung im Arbeitsrecht anwenden würde. Darauf, dass der Gesetzgeber aber am weitgehenden Ausschluss des Anspruchs auf Erstattung der Rechtsverfolgungskosten im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz etwas ändern wollte, deutet nichts hin (a.A. MüKoBGB/Ernst § 288 Rn. 30, der von einer überschießenden Umsetzung der Richtlinie ausgeht). Es erscheint widersprüchlich, gleichsam gegenläufig einen Anspruch nunmehr in erster Instanz zuzuerkennen, der in zweiter Instanz aufgrund der Anrechnungsregel in § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB wieder aberkannt werden muss, weil die Pauschale danach auf den zweitinstanzlichen Kostenerstattungsanspruch anzurechnen wäre (ArbG Düsseldorf 12.5.2016 – 2 Ca 5416/15 – juris, Rn. 50).
b) Angesichts fehlender Anwendbarkeit der Regelung über die Verzugspauschale kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob eine „Entgeltforderung“ i.S.d. § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB auch auf Annahmeverzugslohn gerichtet sein kann, oder ob Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung tatsächlich erbracht hat.
IV. Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 247 BGB. Nach dem Arbeitsvertrag war das Arbeitsentgelt bis zum 15. des Folgemonats fällig, die Novembervergütung also zum 15.12.2015. Für den Anspruch auf Annahmeverzugslohn gilt keine andere Fälligkeit. Verzug tritt gemäß § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB ein, wenn der Arbeitgeber an diesem Tag nicht leistet. Ab dem folgenden Tag, vorliegend also ab dem 16.12.2015, ist die Vergütung daher zu verzinsen (BAG 15.5.2001 – 1 AZR 672/00 – MDR 2001, 1419).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten zu tragen, soweit sie zur Weiterbeschäftigung der Klägerin und zur Zahlung von Annahmeverzugslohn verurteilt wurde. Im Übrigen fallen die Kosten der Klägerin als der unterlegenen Partei zur Last.
D. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Der Streitwert wird gemäß § 3 ZPO in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit mit einem klägerischen Bruttomonatsgehalt für den Weiterbeschäftigungsantrag, im Übrigen mit dem Nennwert der Zahlungsanträge festgesetzt.
E. Es ist kein Grund gegeben, die Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG gesondert zuzulassen. Die Parteien können nach Maßgabe folgender RechtsmittelbelehrungBerufung einlegen.

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