Arbeitsrecht

Keine Zulassung zur Wiederholung des Ausbildungsabschnitts und nachfolgende Entlassung wegen Leistungsmängeln rechtmäßig

Aktenzeichen  M 5 K 15.5531

Datum:
14.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG BeamtStG § 23 Abs. 4
BayZAPO § 14 Abs. 1
BayVwVfG BayVwVfG Art. 28, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Aus § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl ergibt sich ein intendiertes Ermessen dahingehend, dass in den Fällen, in denen in einem fachtheoretischen Studienabschnitt mehr als die Hälfte der Klausuren schlechter als mit „ausreichend“ bewertet wurde, eine Wiederholungsmöglichkeit des Ausbildungsabschnitts grundsätzlich ausscheidet. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Hat der Kläger wegen schlechter Leistungen den Ausbildungsabschnitt I nicht bestanden und wird eine entsprechende Wiederholungsmöglichkeit (rechtmäßig) abgelehnt, besteht darin ein sachlicher Grund für die Entlassung des Widerrufsbeamten. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Präsidenten des Landesarbeitsgerichts M. vom 12. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Entlassungsverfügung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist rechtmäßig, da der Kläger keinen Anspruch auf Wiederholung des Ausbildungsabschnitts I hat.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zulassung zur Wiederholung des Ausbildungsabschnitts I. § 14 der Zulassungs-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Rechtspfleger (ZAPO/RPfl) in der für den streitgegenständlichen Zeitpunkt geltenden Fassung vom 19. November 2012 regelt in Absatz 1 die Möglichkeit und die Voraussetzungen einer solchen Wiederholung. Satz 1 der Regelung bestimmt, dass Anwärterinnen oder Anwärter, die in einem fachtheoretischen oder berufspraktischen Studienabschnitt eine schlechter als mit „ausreichend“ bewertete Gesamtleistung erbringen und somit den Abschnitt nicht bestanden haben, auf Antrag einmal in den nächsten Ausbildungsjahrgang aufgenommen werden können, wenn auf Grund ihrer bisherigen Leistungen zu erwarten ist, dass der zu wiederholende Ausbildungsabschnitt erfolgreich absolviert wird. Nach Satz 2 ist dies grundsätzlich nicht der Fall, wenn in dem nicht erfolgreich abgelegten fachtheoretischen Studienabschnitt weniger als ein Viertel der Klausuren mit „ausreichend“ oder besser bewertet wurde und die Durchschnittspunktzahl aller Leistungsnachweise unter 2,50 Punkten liegt. In Satz 3 findet sich darüber hinaus die Regelung, dass Sätze 1 und 2 auch gelten, wenn in einem fachtheoretischen Studienabschnitt mehr als die Hälfte der Klausuren schlechter als mit „ausreichend“ bewertet wurde. Der Verweis zu Beginn von § 14 Abs. 1 Satz 3 ZAPO/PRfl – „Sätze 1 und 2 gelten auch“ – ist so zu verstehen, dass eine Wiederholung möglich ist, wenn auf Grund der bisherigen Leistungen ein erfolgreiches Absolvieren des betreffenden Ausbildungsabschnitts zu erwarten ist (insoweit Satz 1), was aber grundsätzlich nicht der Fall sein soll (insoweit Satz 2), wenn die Umstände des Satz 3 vorliegen. Aus § 14 Abs. 1 ZAPO/RPfl ergibt sich insoweit ein intendiertes Ermessen dahingehend, dass in den letztgenannten Fällen eine Wiederholungsmöglichkeit grundsätzlich ausscheidet. Lediglich in Ausnahmefällen kann dann eine Wiederholung zugelassen werden.
Der Kläger, der in 73% der mitgeschriebenen Klausuren schlechter als mit „ausreichend“ bewertet wurde, unterfällt der Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 3 ZAPO/RPfl, sodass eine Wiederholung grundsätzlich nicht bewilligt wird. Selbst wenn die Regelung in Absatz 1 nicht gänzlich stringent sein sollte und das Verhältnis der Sätze 2 und 3 zueinander strittig ist, erfüllt der Kläger jedenfalls zweifelsfrei die Voraussetzungen in Satz 3.
Der Dienstherr brauchte aufgrund des intendierten Ermessens auch nicht tiefgreifende Ermessenserwägungen anstellen, ob eine Ausnahme von dem Grundsatz vorliegt. Gleichwohl hat er sich hiermit erkennbar auseinandergesetzt und eine solche Ausnahme verneint. Das Vorliegen von Ermessensfehlern ist nicht erkennbar. Insbesondere drängt sich das Vorliegen einer solchen Ausnahme nicht auf. Der Kläger hat das Ausbildungsziel entgegen seiner Auffassung nicht knapp um einen Punkt verfehlt; durch die Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 3 ZAPO/RPfl kommt es maßgeblich auf die Zahl der bestandenen Klausuren an. Mit nur 3 von 11 als „ausreichend“ bewerteten Klausuren hat der Kläger weit über die Hälfte der Klausuren nicht bestanden. Auch aus der Punktzahl der bestandenen Klausuren (4 bzw. 5 Punkte von möglichen 15 Punkten) lässt sich nicht das Vorliegen eines Ausnahmefalles ableiten.
Die erheblichen Krankheitszeiten des Klägers sprechen ebenfalls nicht zwingend für das Vorliegen eines Ausnahmefalles. Denn der Kläger hat sich selbständig dafür entschieden, trotz seiner häufigen Erkrankungen an den Klausuren teilzunehmen. Sofern er sich aufgrund seiner Ausfallzeiten fachlich nicht ausreichend vorbereitet gefühlt hätte, wäre eine Mitteilung an den Dienstherrn notwendig gewesen, um die gegebenenfalls erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Es kann jedoch nicht erwartet werden, dass eine Teilnahme an den Prüfungen „auf gut Glück“ erfolgen kann und ein schlechtes Abschneiden später mit den Krankheitszeiten gerechtfertigt werden kann.
Da der Kläger unabhängig vom Ergebnis der nicht mitgeschriebenen 12. Klausur rechnerisch nach wie vor mehr als die Hälfte der Klausuren nicht bestanden hätte, war es nicht notwendig, ihm eine Teilnahme an der 12. Klausur zu ermöglichen.
2. Auch die Entlassungsverfügung nach § 23 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 7 ZAPO/RPfl ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Verfügung ist in formaler Hinsicht rechtmäßig.
Zwar ist die grundsätzlich notwendige Anhörung des Klägers vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides nach § 28 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) unterblieben. Da dem Kläger im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens allerdings die Möglichkeit gegeben wurde, sich zu äußern, ist die Anhörung nachgeholt worden und der Verfahrensfehler nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geheilt.
Soweit dem Kläger durch die fehlende Anhörung die Möglichkeit genommen wurde, die Beteiligung des Personalrats zu beantragen, wirkt sich dies nicht negativ aus. Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Abs. 1 Satz 3 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG) sieht vor, dass der Personalrat bei der Entlassung von Beamten auf Probe oder auf Widerruf oder bei der Entlassung aus einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis mitwirkt, wenn die Entlassung nicht vom Beschäftigten selbst beantragt wurde; dies jedoch nur auf Antrag des Beschäftigten, wobei der Beschäftigte von der beabsichtigten Maßnahme rechtzeitig vorher in Kenntnis zu setzen ist. Da der Beklagte den Bezirkspersonalrat jedoch ohnehin beteiligt und dieser der Entlassung zugestimmt hat, kann sich die unterlassene Anhörung im Ergebnis nicht auswirken.
b) Auch materiell erweist sich die Maßnahme als rechtmäßig.
§ 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG sieht vor, dass Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden können. Nach § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG soll Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden.
Dies ist dahingehend auszulegen, dass eine Entlassung gleichwohl nicht grundlos erfolgen darf, sondern dass ein sachlicher Grund bestehen muss (Zängl in: Weiß/ Niedermaier/ Summer/ Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand September 2017, § 23 BeamtStG Rn. 189). Als sachlicher Grund für die Entlassung eines Widerrufsbeamten genügen berechtigte Zweifel des Dienstherrn an der persönlichen (charakterlichen oder gesundheitlichen) Eignung des Widerrufsbeamten, wobei diesem bei der Beurteilung ein Ermessensspielraum zukommt. Dieser ist insofern eingeschränkt, dass eine Entlassung während des Vorbereitungsdienstes nur ausnahmsweise aus Gründen statthaft ist, die mit dessen Sinn und Zweck in Einklang stehen. Leistungsmängel können daher einen sachlichen Grund für die Entlassung bilden, wenn sie sich auf den Vorbereitungsdienst auswirken, etwa wenn ernsthafte Zweifel daran bestehen, dass der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes, den Erwerb der Befähigung für die angestrebte Laufbahn, erreichen kann, weil er anhaltend unzulängliche Leistungen erbringt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48/78 – juris Rn. 21; VGH BW, B.v. 15.2.2008 – 4 S 2901/07 – Juris Rn. 6; SächsOVG, B.v. 12.5.2016 – 2 B 18/16 –juris Rn. 8). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat (BVerwG, U.v. 27.11.1980 – 2 C 38/79 – juris Rn. 34; OVG NRW, B.v. 27.9.2017 – 6 B 977/17 – juris Rn. 4).
Ein sachlicher Grund besteht vorliegend darin, dass der Kläger nicht zur Wiederholung des nicht bestandenen Ausbildungsabschnittes in den nächsten Ausbildungsjahrgang aufgenommen worden ist, § 14 Abs. 1 Satz 7 ZAPO/RPfl. Dies wiederum findet seine Begründung darin, dass der Kläger wegen schlechter Leistungen den Ausbildungsabschnitt I nicht bestanden hat und eine entsprechende Wiederholungsmöglichkeit (rechtmäßig) abgelehnt wurde, § 14 Abs. 1 Satz 1-3 ZAPO/RPfl. Es handelt sich hierbei um eine aufspaltete Maßnahme, bei der bereits der erste Vorgang – die Frage nach der Zulassung zur Wiederholung des Ausbildungsabschnittes – eine Vorentscheidung über die endgültig zu treffende Maßnahme – die Entlassungsentscheidung – enthält (vgl. auch VG München, B.v. 23.10.2014 – M 5 S. 14.4726 – juris Rn. 24). Die auf der ersten Stufe zu treffende Entscheidung knüpft daran an, dass der Dienstherr eine Wiederholung des nicht bestandenen Ausbildungsabschnitts wegen Zweifeln an der persönlichen Eignung des Klägers abgelehnt hat, da er aufgrund der schlechten Leistungen nicht erwartet, dass der Beamte das Ziel des Vorbereitungsdienstes noch hätte erreichen können. Da insoweit keine Ermessensfehler ersichtlich sind, stellt sich auch die zweite Stufe, die Entlassung auf dem Beamtenverhältnis auf Widerruf, als rechtmäßig dar.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).


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