Arbeitsrecht

Kinderbezogener Teil des Familienzuschlags neben Waisengeld

Aktenzeichen  M 21a K 18.3373

Datum:
24.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15803
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG § 50 Abs. 1 S. 3
BBesG § 40 Abs. 5
BayBesG Art. 3 Abs. 3, Art. 36 Abs. 6
EStG § 64 Abs. 2
BKGG § 3 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 5 BBesG gilt auch für Waisen. Danach erhält das kindergeldberechtigte Kind den Unterschiedsbetrag nicht selbst, wenn eine andere Person iSd § 40 Abs. 5 BBesG – hier: seine Mutter – für ihn Kindergeld sowie den kinderbezogenen Teil des Familienzuschlags erhält. Diese „andere Person“ kann dabei insbesondere auch die nicht zum Bezug von Witwengeld respektive Unterhaltsbeitrag berechtigte Mutter des Kindes sein, die seinen Anspruch verdrängt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gem. Art. 3 Abs. 3 Hs. 1 BayBesG kann ein Beamter des Freistaates Bayern auf einen ihm gesetzlich zustehenden Teil der Besoldung weder ganz noch teilweise verzichten. Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 BayBesG zählt auch der Familienzuschlag nach Art. 35 ff. BayBesG zu den nicht verzichtbaren Besoldungsbestandteilen. Ein Verzicht kann auch nicht deshalb erklärt werden, um dadurch etwa an anderer Stelle höhere Besoldungsbestandteile zu erzielen, welche nach der Grundkonzeption des gesetzlichen Zusammenspiels von Beamtenversorgungs- und Besoldungsrecht so nicht vorgesehen sind. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 5 S. 1 BBesG ist mit nationalem Verfassungsrecht sowie mit Gemeinschaftsrecht vereinbar. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der übereinstimmenden Verzichtserklärungen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klagepartei hat keinen Anspruch auf Gewährung des auf sie entfallenden Anteils des Unterschiedsbetrages gem. § 50 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 BeamtVG. Der Bescheid der Beklagten vom … Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom … Mai 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG gehört zu den ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen der Familienzuschlag der Stufe 1, der dem Beamten nach dem Besoldungsrecht zustehen würde. Auf den Familienzuschlag finden nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG die für die Beamten geltenden Vorschriften des Besoldungsrechts Anwendung. Nach § 50 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG wird neben dem Ruhegehalt zudem der Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1 und der nach Besoldungsrecht in Betracht kommenden Stufe des Familienzuschlags nach § 40 Abs. 2 Satz 1 und 3 BBesG gezahlt (kinderbezogener Teil des Familienzuschlages). Nach diesen Vorschriften gehören zur Stufe 2 und den folgenden Stufen die Beamten, Richter und Soldaten der Stufe 1, denen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht oder aber ohne Berücksichtigung des § 64 oder § 65 des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder der §§ 3, 4 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) zustehen würde. Die Stufe richtet sich dabei nach der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder, § 40 Abs. 2 Satz 3 BBesG.
Der Unterschiedsbetrag wird unter Berücksichtigung der nach den Verhältnissen des Beamten oder Ruhestandsbeamten für die Stufen des Familienzuschlags in Betracht kommenden Kinder auch neben dem Witwengeld gezahlt, soweit die Witwe Anspruch auf Kindergeld für diese Kinder hat oder ohne Berücksichtigung der §§ 64, 65 EStG oder der §§ 3, 4 BKGG haben würde; soweit hiernach ein Anspruch auf den Unterschiedsbetrag nicht besteht, wird er neben dem Waisengeld gezahlt, wenn die Waise bei den Stufen des Familienzuschlag zu berücksichtigen ist oder zu berücksichtigen wäre, wenn der Beamte oder Ruhestandsbeamte noch lebte, § 50 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG. Sind mehrere Anspruchsberechtigte vorhanden, wird der Unterschiedsbetrag auf die Anspruchsberechtigten nach der Zahl der auf sie entfallenden Kinder zu gleichen Teilen aufgeteilt.
Für die Frage, ob der kinderbezogene Teil des Familienzuschlages zusätzlich zur Hinterbliebenenversorgung nach dem Beamtenversorgungsgesetz gewährt wird, ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG allerdings das Besoldungsrecht maßgeblich. Gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 BBesG wird einem Beamten der kinderbezogene Teil des Familienzuschlages für ein Kind gewährt, für das ihm Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder dem Bundeskindergeldgesetz zusteht. Demnach ist dieser Teil der Besoldung an die Kindergeldberechtigung gekoppelt. Er hängt ausschließlich davon ab, ob für das jeweilige Kind ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Beide Leistungen dienen dem einheitlichen sozialpolitischen Zweck des Familienlastenausgleichs (BVerwG, U.v. 26.8.1993 – 2 C 16/92 – juris; U.v. 13.2.2007 – 2 B 65/06 – juris Rn. 6 ff.; U.v. 18.6.2013 – 2 B 12/13 – juris). Nach den vorstehend genannten Vorschriften verhält sich demnach auch der Anspruch auf den Unterschiedsbetrag gemäß § 50 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 BeamtVG – vermittelt über die Regelungen des Besoldungsrechts – akzessorisch zum Anspruch auf Kindergeld (vgl. Leihkauff in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: 148. Lfg. Dezember 2020, § 50 BeamtVG Rn. 34 f.).
Damit kommt es für die Auflösung etwaiger Konkurrenzen ebenfalls auf die einschlägigen besoldungsrechtlichen Regelungen an, namentlich auf die Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 5 BBesG. Stünde danach neben dem Beamten, Richter oder Soldaten einer anderen Person, die im öffentlichen Dienst steht oder aufgrund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen oder nach einer Ruhelohnordnung versorgungsberechtigt ist, der Familienzuschlag nach Stufe 2 oder einer der folgenden Stufen zu, so wird der auf das Kind entfallende Betrag des Familienzuschlages dem Beamten, Richter oder Soldaten gewährt, wenn und soweit ihm das Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder nach dem Bundeskindergeldgesetz gewährt wird oder ohne Berücksichtigung des § 65 EStG oder des § 4 BKGG vorrangig zu gewähren wäre. Eine gleichlautende Regelung findet sich in Art. 36 Abs. 6 Satz 1 BayBesG.
Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Kläger zwar neben der Witwe Anspruch auf den kinderbezogenen Teil des Familienzuschlages haben kann, weil die Witwe nicht zum Bezug des Kindergeldes für den Kläger berechtigt war bzw. ist (vgl. Leihkauff in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: 148. Lfg. Dezember 2020, § 50 BeamtVG Rn. 57). Allerdings steht der Kläger in einem Konkurrenzverhältnis zu seiner Mutter, weil diese nicht nur Anspruch auf Kindergeld für den Kläger, sondern auch selbst Anspruch auf den kinderbezogenen Teil des Familienzuschlages als Bestandteil ihrer eigenen Besoldung gegenüber dem Freistaat Bayern hat. Damit ist der Anwendungsbereich der Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 5 BeamtVG bzw. des Art. 36 Abs. 6 Satz 1 BayBesG eröffnet und die Anspruchskonkurrenz zugunsten der Mutter aufzulösen (vgl. dazu Leihkauff in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: 148. Lfg. Dezember 2020, § 50 BeamtVG Rn. 58). Denn die Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 5 BBesG gilt auch für Waisen (Leihkauff in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: 148. Lfg. Dezember 2020, § 50 BeamtVG Rn. 70; ebenso OVG Koblenz, U.v. 7.7.1982 – 2 A 135/81 – n.v. – zu § 40 Abs. 6 BBesG a.F., welcher dem heutigen § 40 Abs. 5 BBesG entspricht, vgl. BGBl 1975 I, S. 3092). Danach erhält der Kläger den Unterschiedsbetrag nicht selbst, wenn eine andere Person im Sinne des § 40 Abs. 5 BBesG – vorliegend ist dies die Mutter des Klägers – für ihn Kindergeld sowie den kinderbezogenen Teil des Familienzuschlags erhält. Diese „andere Person“ kann dabei insbesondere auch die nicht zum Bezug von Witwengeld respektive Unterhaltsbeitrag berechtigte Mutter des Kindes sein (vgl. Leihkauff in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: 148. Lfg. Dezember 2020, § 50 BeamtVG Rn. 70), die den Anspruch des Klägers verdrängt.
An diesem Ergebnis ändert auch die Tatsache nichts, dass die Eltern für die Zeit vor dem Tod des Versorgungsurhebers eine Berechtigtenbestimmung bzgl. des Bezugs von Kindergeld (vgl. § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG und § 3 Abs. 2 Satz 2 BKGG) hätten abgeben können, wonach der Vater des Klägers im Verhältnis zu seiner Mutter das Kindergeld für den Kläger beziehen solle. Denn zum einen ist diese Möglichkeit der Abgabe einer Berechtigtenbestimmung mit dem Tod erloschen, zum anderen wird eine vormalig erklärte Berechtigtenbestimmung mit der Auflösung des gemeinsamen Haushalts gegenstandslos (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 64 Rn. 2), sodass auch eine ggf. in der Vergangenheit erklärte Berechtigtenbestimmung gegenstandslos geworden wäre. Eine isolierte Berechtigtenbestimmung nur in Bezug auf den kinderbezogenen Teil des Familienzuschlages sieht das Gesetz hingegen nicht vor, weil die Beamtenversorgung in diesem Punkt akzessorisch zum Kindergeld gewährt wird. Für eine eigenständige Berechtigtenbestimmung bzgl. des kinderbezogenen Teils des Familienzuschlages ist demnach kein Raum.
Der Anspruch des Klägers kann auch nicht deswegen etwa wiederaufleben, weil die Mutter auf den Unterschiedsbetrag als kinderbezogenen Teil des Familienzuschlages verzichtet. Denn gemäß Art. 3 Abs. 3 Halbs. 1 BayBesG kann die Mutter des Klägers als Beamtin des Freistaates Bayern auf einen ihr gesetzlich zustehenden Teil der Besoldung weder ganz noch teilweise verzichten. Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 BayBesG zählt auch der Familienzuschlag nach Art. 35 ff. BayBesG zu den nicht verzichtbaren Besoldungsbestandteilen. Zwar ist das Verzichtsverbot vor allem auf den Gedanken einer amtsangemessenen Alimentation zurückzuführen (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Band III, Stand September 2019, § 2 BBesG Rn. 27 m.w.N.), ein Verzicht kann allerdings auch nicht allein deshalb erklärt werden, um dadurch etwa an anderer Stelle höhere Besoldungsbestandteile zu erzielen, welche nach der Grundkonzeption des gesetzlichen Zusammenspiels von Beamtenversorgungs- und Besoldungsrecht so nicht vorgesehen sind (vgl. nur die Konkurrenzregelungen in § 40 Abs. 5 BBesG bzw. Art. 36 Abs. 6 Satz 1 BayBesG). Ein Verzicht würde damit zu einer faktischen Umgehung dieser gesetzlichen Grundkonzeption führen.
In dieser gesetzlichen Grundkonzeption liegt auch kein Verstoß gegen Verfassungsrecht. Insbesondere ist die Konkurrenzregelung des § 40 Abs. 5 Satz 1 BBesG mit nationalem Verfassungsrecht sowie mit Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie aus objektiven Gründen gerechtfertigt ist (BVerfG, B.v. 19.11.2003 – 2 BvR 1476/01 -BVerfGK 2, 131 ff.; vgl. auch Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Band III, Stand September 2019, § 40 BBesG Rn. 264 m.w.N.), was damit gleichzeitig auch für die inhaltsgleiche Regelung des Art. 36 Abs. 6 Satz 1 BayBesG zutrifft. Dabei begegnet es ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken, wenn für die Bestimmung des kinder-bezogenen Teils des Familienzuschlages auf die Regelung des Einkommenssteuer- und Kindergeldrechts Bezug genommen wird. Dieses gilt auch für die dynamische Verweisung des § 50 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG auf die jeweils geltenden Vorschriften des Besoldungsrechts (zur landesrechtlichen Parallelnorm des Art. 69 BayBeamtVG vgl. BayVerfGH, E.v. 27.4.2015 – Vf. 6-VII-13 – VerfGHE 68, 80 – juris).
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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